TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/2 W156 2124735-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W156 2124735-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Dr. Herbert L. Partl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2021, Zl. XXXX , Regionaldirektion Tirol, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Afghanistan, stellte nach illegaler Einreise am 10.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen.

Mit Bescheid des BFA vom 29.08.2017, Zl: XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2020, GZ W271 2124735-2/9E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 BVG für nicht zulässig erachtet.

Das Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2020 erwuchs in Rechtskraft.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

2. Der BF stellte am 27.05.2020 persönlich gemäß § 55 Abs. 1 AsylG den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“. Dem BF wurde aufgetragen, ein gültiges Reisedokument vorzulegen, den Zweck der Antragstellung genau zu bezeichnen und es wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, mitzuteilen, inwiefern sich der Sachverhalt seit der bestehenden, rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung, in Bezug auf sein Privat- und Familienleben in Österreich, geändert hat.

3. Am 03.12.2020 wurde der Behörde die Bevollmächtigung zur rechtlichen Vertretung mitgeteilt und es wurde die Stellungnahme zum Parteiengehör eingebracht. Da in der Stellungnahme unter anderem ausgeführt wurde, dass ein „Folge-Asylgrund“ vorliegt, wurden der BF von der belangten Behörde aufgefordert, mitzuteilen, ob ein Folgeasylantrag gestellt werde.

4. Ein Folgeantrag wurde bis dato nicht gestellt.

5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

In der Begründung wurde dargelegt, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung in Bezug auf das Privat- und Familienleben des BF nicht eingetreten sei. Mit Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2020, welches in Rechtskraft erwachsen sei, seien alle bisher gesetzten Integrationsschritte des BF bereits berücksichtigt worden und es habe sich in Bezug auf die Antragstellung gemäß § 55 AsylG vom 27.05.2020 kein maßgeblich geänderter Sachverhalt ergeben, welcher eine erneute Abwägung gemäß Artikel 8 EMRK erforderlich mache.

6. Gegen den Bescheid brachte der BF fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde auf di Beziehung des BF zu einer österreichischen Staatsbürgerin, seiner Integration und auf die neuen Sachverhaltselemente (Schreiben eines Freundes des BF, mit den die Verschärfung der Situation des BF in Afghanistan belegt werde, Unterstützungserklärungen, Einstellzusage) verwiesen.

7. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt am 05.05.2021 beim BVwG ein.

8. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der sunnitischen Religionsgemeinschaft an, ist Tadschike, ledig und hat keine Kinder. Er stammt aus der Provinz/Stadt Kabul und spricht Dari, Faris und Deutsch auf dem Niveau A1. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer stellte am 16.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und er ist seit diesem Zeitpunkt durchgängig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 29.08.2017, Zl: XXXX , bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.02.2020, GZ W271 2124735-2/9E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 BVG für nicht zulässig erachtet.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte persönlich am 27.05.2020 gemäß § 55 Abs. 1 AsylG den verfahrensgegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens".

Der Beschwerdeführer ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ledig und hat keine Sorgenpflichten.

Im Bundesgebiet leben keine Angehörigen des Beschwerdeführers. Der BF hat seit etwa vier Jahren eine Freundin, lebt mit ihr nicht im gemeinsamen Haushalt und wird von ihr nicht finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsland. Er besuchte in Afghanistan 9 Jahre die Schule, absolvierte eine Ausbildung als Mechaniker und war als Verkäufer und Dekorateur tätig. Seine Mutter und seine Geschwister (drei Brüder sowie zwei Schwestern) leben in Kabul, wo die Familie ein eigenes Haus besitzt. Einer der Brüder besitzt ein eigenes Lebensmittelgeschäft. In Kabul leben außerdem mehrere Onkel und Tanten väterlicher- sowie mütterlicherseits.

Der Beschwerdeführer bezog während seines Aufenthaltes in Österreich bis 13.04.2021 Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und beherrscht die deutsche Sprache auf dem Niveau A1. Er war ehrenamtlich tätig, hat Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern und verfügt über Unterstützungsschreiben. Er beabsichtigt, in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes im Vergleich zur Rückkehrentscheidung vom

12.02.2020, rechtskräftig mit 12.02.2020, konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1.Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu dem vom BF gestellten Asylantrag, den dazu geführten Verfahren sowie zur rechtskräftig negativen Entscheidung ergeben sich aus dem Akteninhalt in Übereinstimmung mit den Einträgen im Betreuungsinformationssystem des Bundes.

2.2.Zur Person des BF

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum, Herkunft, Religionszugehörigkeit) getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF, die bereits in den Asylverfahren zu seiner Identifikation angenommen wurden.

Die Feststellungen hinsichtlich der Einreise und der Aufenthaltsdauer des BF in Österreich sowie seiner Meldeadressen ergeben sich aus dem Akteninhalt und dem aktuellen Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Die aufrechte Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Bescheid des BFA vom 29.08.2017, Zl. XXXX , in Zusammenschau mit dem Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2020, W271 2124735-2/9E. Dass der BF seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Da der BF als Staatsangehöriger der islamischen Republik Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger ist und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen und ebensowenig nach dem AsylG (mehr) zukommt, ist sein Aufenthalt in Österreich seit der Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG, somit seit 12.02.2020, nicht rechtmäßig.

Die Feststellung zu den familiären Verhältnissen des BF im Herkunftsstaat, zu seiner dortigen Ausbildung und zur Sicherung seiner Existenz ergeben sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2020; eine Änderung dazu wurde vom BF nicht vorgebracht.

Dass der BF in Österreich keine Familienangehörigen und auch keine Sorgepflichten hat, ergibt sich ebenfalls aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2020; eine Änderung dazu wurde vom BF nicht vorgebracht und ist der BF dem aktuellen Auszug aus dem zentralen Melderegister zufolge ledig. Die Feststellungen zu seiner Privatleben ergeben sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG vom 12.02.2020; eine Änderung dazu wurde vom BF nicht vorgebracht.

Die Einstellung der Leistungen aus der Grundversorgung ist aus dem aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes ersichtlich, an dem kein Grund zu zweifeln bestand.

Die Feststellungen zur Integration des BF und seinen Deutschkenntnissen ergeben sich aus dem Akteninhalt und den dem Antrag beigeschlossenen Zeugnissen,

Kursbesuchsbestätigungen und Unterstützungsschreiben. Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Als zusätzliche Nachweise seiner Integration hat der BF drei Einstellzusagen, Schreiben eines Unterstützers an den Innenminister sowie 14 Unterstützungsschreiben neu vorgelegt. Da sämtliche Integrationsschritte des BF, nämlich sowohl die Deutschkenntnisse des BF als auch seine ehrenamtlichen Tätigkeiten, seine Kontakte zu österreichischen Bürgern, und die Arbeitsmöglichkeit (Einstellungszusagen) bereits im Erkenntnis des BVwG berücksichtigt worden sind, und zudem seit der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nur der geplante Erwerb des Führerscheins neu hinzugekommen ist, konnte eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes im Vergleich zur Rückkehrentscheidung vom 12.02.2020, rechtskräftig mit 12.02.2020, nicht festgestellt werden. (vgl. dazu auch die rechtlichen Ausführungen unter Punkt 4.1.3.).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1.1. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten:

§ 55 AsylG: Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

„§ 55 (1): Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche

Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.“

§ 58 AsylG: Antragstellung und amtswegiges Verfahren

„[...]

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten

Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt“

§ 9 BFA-VG: Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur

Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

[…]“

3.1.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011.

Mit der  Neuerrichtung des  Bundesamtes und der damit  einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu
§ 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer in Asyl- und Fremdenrecht, E8 zu § 58). Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Gemäß diesen Ausführungen ist die maßgebliche zu klärende Rechtsfrage daher jene, ob nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. VwGH, 03.10.2013, 2012/22/0068).

Bereits in Bezug auf die Vorgängerbestimmung des § 44b NAG in der genannten Fassung ging der VwGH davon aus, dass beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht durchzuführen ist (Erk. vom 10.12.2013, 2013/22/0362).

Bei folgenden Konstellationen ging der VwGH von keiner wesentlichen Änderung des Sachverhalts im Sinne der oa. Erwägungen aus (exemplarische und auszugsweise Zitierung der Judikatur ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Erk. vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094: Weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren [Anm.: in einem anderen Erk. 2,5 Jahre] zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen stellen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/1/0087 dar (Hinweis E 22. Juli 2011, 2011/22/0138; E 9. September 2013, 2013/22/0215).

Erk. vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0108: Ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (dem im Hinblick darauf, dass der Fremde mangels entsprechender Deutschkenntnisse keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, die Relevanz abgesprochen wurde) und auch der bloße Besuch eines Deutschkurses durch die Fremde können keine umfassende Neubeurteilung iSd Art 8 MRK nach sich ziehen (vgl. E 10. Dezember 2013, 2013/22/0362; E 29. Mai 2013, 2011/22/0013).

Erk. vom 19.11.2014, 2012/22/0056: Die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Fremden und die Einstellungszusage ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Behörde in diesen Umständen keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts sah, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 MRK erfordert hätte (vgl. E

13. Oktober 2011, 2011/22/0065).

Erk. vom 19.11.2014, 2013/22/0017: Mit Patenschaftserklärungen wird letztlich nur die finanzielle Unterstützung des Fremden dokumentiert und keine iSd Art. 8 MRK relevante Integration dargelegt (vgl. E 22. Juli 2011, 2011/22/0112).

Erk. vom 30.07.2014: 2013/22/0205: Aus den vom Fremden neu vorgebrachten Umständen - den vorgelegten Empfehlungsschreiben und seinem sozialen Engagement beim Roten Kreuz - allein musste die Behörde nicht auf eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes schließen (vgl. E 11. November 2013, 2013/22/0250, und 2013/22/0217).

Den exemplarisch zitierten Einzelfallentscheidungen ist zu entnehmen, dass nicht jede Änderung in Bezug auf die privaten und familiären Anknüpfungspunkte zur Erforderlichkeit einer neuerlichen meritorischen Prüfung des Antrages führt, sondern dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Änderung eine nicht nur bloße untergeordnete Tatbestandsrelevanz zukommt (vgl. zur erforderlichen Tatbestandsrelevanz auch Erk. d. VwGH vom 19.02.2009, Zl. 2008/01/0344, wo dieser sichtlich von vergleichbaren Überlegungen in Bezug auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Lichte des Art. 3 EMRK und § 68 (1) AVG ausging). Dem sich auf Vorgängerbestimmungen beziehenden Erk. des VwGH vom 15.02.2010, 2009/21/0367 mwN ist auch zu entnehmen, dass durch den nunmehrigen § 58 Abs. 10 AsylG hintangehalten werden soll, dass durch gestellte "Kettenanträge" in der Absicht, die Durchsetzung bestehender Rückkehrentscheidungen zu unterlaufen, die Behörde gehindert wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu effektuieren.

3.1.3. Im Rahmen des Antrages des BF bzw. seiner Beschwerde wurden lediglich Aspekte hinsichtlich seiner Integration vorgebracht, wobei – wie beweiswürdigend bereits festgehalten – eine Neuerung seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nur dahingehend eingetreten ist, dass der BF nunmehr nicht nur bloß über eine Einstellungszusage (somit eine Arbeitsmöglichkeit) verfügt, sondern nunmehr drei Einstellzusagen vorweisen kann. Der BF befand bis 13.04.2021 in staatlicher Grundversorgung. Hinsichtlich seiner familiären Verhältnisse trat keine Veränderung ein. Soweit der BF in der Beschwerde zudem auf die Einstellzusagen und zusätzlichen Unterstützungsschreiben verwies, ist auszuführen, dass die zusätzlichen Unterstützungsschreiben eine solche maßgebliche Änderung der Sachlage seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung iSd oa Judikatur darstellen, dass sie im Hinblick auf Art. 8 EMRK eine potentiell andere Beurteilung des Antrages ermöglichen würde (vgl. VwGH 29.05.2013, 2011/22/0013; 13.10.2011, 2011/22/0065), zumal sowohl die vom BF vorgelegten Einstellungszusagen – und damit die Arbeitsfähigkeit und –willigkeit des BF – als auch der Kontakt mit österreichischen Staatsbürgern bereits im rechtskräftigen Erkenntnis des BVwG berücksichtigt wurden. Es ist aber auch ergänzend darauf zu verweisen, dass selbst eine vielfältige soziale Vernetzung kein über das übliche Maß hinausgehende Integration aufzeigt (vgl. VwGH vom 25.2.2010, Zl. 2010/18/0029, mwN). Auch einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt, kann keine wesentliche Bedeutung zukommen (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612, VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 mit weiteren Nachweisen).

Der Beschwerdeführer hält sich seit Juni 2015 in Österreich auf. Seit 12.02.2020 besteht gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Bis zur erstinstanzlichen Zurückweisung verlängerte sich der Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers - durch den (illegalen) Verbleib im Bundesgebiet - lediglich um etwas mehr als 16 Monate. Auch unter Berücksichtigung dieser Zeitspanne kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, dass keine maßgebliche Sachverhaltsänderung vorgelegen ist, die geeignet wäre, im Hinblick auf die nach Art. 8 EMRK vorzunehmende Beurteilung zu einem anderen Ergebnis zu führen (vgl. VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362; 11.11.2013, 2013/22/0217; 29.05.2013, 2011/22/0013).

Aber auch der Zeitablauf von insgesamt gut 16 Monaten zwischen der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und der erstinstanzlichen Zurückweisung des gegenständlichen Antrags stellt keine Sachverhaltsänderung dar, die eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich machen (vgl. VwGH 27.01.2015, Ra 2014/22/0094).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückzuweisen war. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. der bekämpften Bescheide

3.2.1. Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. bei einem verheirateten Paar mit oder ohne Kinder ist grundsätzlich von einer familiären Beziehung i.S.d. Art. 8 MRK auszugehen, selbst wenn ein Familienleben zwischen den Ehepartnern noch nicht ausreichend etabliert ist (vgl. EGMR 22.06.2004, Pini v. Romania, Nr. 78028/01 u. 78030/01). Aus Art. 8 EMRK kann im Bereich der Einwanderung jedoch keine generelle Verpflichtung eines Staates abgeleitet werden, die Wahl des ehelichen Wohnsitzes eines verheirateten Paares zu respektieren oder eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zu gestatten. Dies gilt auch insbesondere für den Fall der eindeutigen Versäumnis eines Fremden, der Verpflichtung zu entsprechen, vor der Beantragung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts im Gastland im Ausland ein vorläufiges Aufenthaltsvisum zu erlangen (so etwa EGMR, 03.10.2014, Jeunesse gg. die Niederlande, Nr. 12.738/10, zu einer Beschwerdeführerin, die – abgesehen von der anfänglichen Zeitspanne, in der sie ein 45 Tage gültiges Touristenvisum hatte – nie über einen von den niederländischen Behörden ausgestellten Aufenthaltstitel verfügt hatte). Die Vertragsstaaten sind auch nicht verpflichtet, fremden Staatsbürgern zu erlauben, den Ausgang von Einwanderungsverfahren auf ihrem Staatsgebiet abzuwarten.

War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., 26940/10). Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 22.10.2009, Zl. 2009/21/0293, VwGH 29.09.2009, Zl. 2009/21/0253, VfGH 03.08.2008, Zl. B 825/07).

Wenn dies der Fall ist, wird nach ständiger Rechtsprechung des EGMR die Ausweisung jenes Familienmitglieds, das nicht die Staatsbürgerschaft besitzt, nur unter außergewöhnlichen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK begründen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. Wo Kinder betroffen sind, muss ihr Wohl vorrangig berücksichtigt werden. Die Behörden müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Wohl der betroffenen Kinder prüfen. Wie der EGMR bereits festgestellt hat, haben Personen in einer solchen Situation kein Recht zu erwarten, dass ihnen ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird (vgl. etwa EGMR 03.10.2014, Jeunesse, Nr. 12.738/10; EGMR, 28.06.2011, Nunez, Nr. 55597/09; EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Nr. 265/07).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Bei der Beurteilung des Grades der Integration des Fremden ist insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/22/0023). Für den Aspekt des Privatlebens spielt auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine Rolle. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt, wobei in einer solchen Konstellation im Wesentlichen darauf abzustellen ist, ob in Bezug auf die in Österreich erlangte Integration eine „außergewöhnliche Konstellation“ vorliegt (vgl. etwa VwGH 16.07.2020, Zl. Ra 2020/21/0133; VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0078, Rn. 20). (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

3.2.2. Solche außergewöhnlichen Umstände wurden vom BF nicht geltend gemacht.

Der BF ist im Juni 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist und aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz, der sich als nicht begründet erwiesen hat, hier verblieben und seit rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens im Februar 2020 nunmehr illegal im Bundesgebiet aufhältig.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich. Der BF hat seit etwa vier Jahren eine Freundin in Österreich, es war jedoch nicht festzustellen, dass diese Beziehung eine besondere Intensität aufweist, zumal weder eine häusliche Gemeinschaft, noch ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis des BF zu seiner Lebensgefährtin besteht. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen beschränkt, sondern erfasst auch andere faktische Familienbindungen, bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (etwa VwGH 08.03.2019, Ra 2018/20/0394, mwN), doch liegen solche Umstände gegenständlich nicht vor.

3.2.3. Es bleibt zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung ein unzulässiger Eingriff in das Privatleben des BF einhergeht:

Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (Sisojeva u.a. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). Art. 8 EMRK schützt unter anderem sowohl die individuelle Selbstbestimmung und persönliche Identität, als auch die freie Gestaltung der Lebensführung. In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (Thym, EuGRZ 2006, 541), wobei eine Interessensabwägung im jeweiligen Einzelfall vorzunehmen ist (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). In seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte (idZ auch VwGH 20.12.2007, 2007/21/0437, zu § 66 Abs. 1 FPG, wonach der 6-jährigen Aufenthaltsdauer eines Fremden im Bundesgebiet, der Unbescholtenheit, einer festen sozialen Integration, guten Deutschkenntnissen sowie einem großen Freundes- und Bekanntenkreis, jedoch keinen Familienangehörigen, in einer Interessensabwägung keine derartige „verdichtete Integration“ zugestanden wurde, da der Aufenthalt „letztlich nur auf einem unbegründeten Asylantrag fußte“; ähnlich auch die Erkenntnisse VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; 08.07.2009, 2008/21/0533; 08.03.2005, 2004/18/0354).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Gleichzeitig betonte er aber, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (siehe dazu das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015).

Die Umstände eines gesicherten Unterhalts und, dass es zu keiner Straffälligkeit kam, bewirken keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen, vielmehr stellen das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme dar (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112). Integrative Bemühungen eines Beschwerdeführers sind insofern zu relativieren, als die Umstände, dass ein Fremder sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen (VwGH 26.01.2009, 2008/18/0720). Im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, eine Bedeutung zukommen (etwa das Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Rz 4.1, mwN). Dies hat freilich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz: Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern sind vielmehr – letztlich auch als Folge eines seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0188). Unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens ist auch von Bedeutung, welche Verhältnisse konkret bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorgefunden werden (VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0038).

Im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG ist es maßgeblich relativierend, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (VwGH 10.04.2017, Ra 2016/01/0175, mwN).

Für den unbescholtenen BF spricht, dass dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach ehrenamtlich ausgeholfen hat aktiv freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern pflegt. Der BF hat zudem eine Einstellungszusage für einen Job. Ferner wurden für den BF mehrere Empfehlungsschreiben ausgestellt.

Dem steht gegenüber, dass der BF in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten hat und er bis 13.04.2021 von der Grundversorgung gelebt hat. Der BF hat den größten Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, er wurde dort sozialisiert und spricht eine Landessprache; dieser spricht die in seinem Heimatland gesprochenen Sprachen deutlich besser als Deutsch. Der BF ist mit dem Gesellschafts- und Kulturleben Afghanistans vertraut, war mehrere Jahre in Afghanistan in der Schule und im Beruf tätig, sodass nicht davon auszugehen ist, dass er seiner Heimat derart entfremdet ist, dass ihm eine Rückkehr auch vor dem Hintergrund der dort herrschenden schwierigen Verhältnisse nicht mehr zugemutet werden könnte. Überdies verfügt er in Afghanistan weiterhin über familiäre Anknüpfungspunkte, die er durch regelmäßigen Kontakt pflegt. Vor dem Hintergrund seiner individuellen Umstände sind keine Gründe erkennbar, die einer Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat und eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts entgegenstehen würden.

In Österreich hat der BF eine Freundin, leben jedoch in keinem gemeinsamen Haushalt. Beim BF finden sich keine besonderen Merkmale der Abhängigkeit zu seiner Freundin in Österreich. Insbesondere sind im Verfahren keine besonderen Umstände hervorgekommen, dass dieser auf die Unterstützung bzw. die Hilfe seiner Freundin in Österreich angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Beziehung zu einem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem sich der BF und seine Partnerin des unsicheren Aufenthaltsstatus des BF bewusst sein mussten (etwa VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325, wonach die Beziehung unter dem Schatten des unsicheren Aufenthaltes steht).

Der BF hält sich immerhin seit rund sechs Jahren in Österreich auf. Diese Aufenthaltsdauer besitzt aber angesichts seiner sonstigen Integrationsleistungen keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung. Auch hat er in dieser Zeit keine Integrationsleistungen erbracht, die als außergewöhnlich zu beurteilen wären. Zudem musste sich dieser bei den bereits erbrachten integrativen Leistungen in Österreich immer seines bloß vorläufigen und unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein (VfSlg 18.224/2007; 18.382/2008; 19.086/2010; 19.752/2013).

Den privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG zeigt sich, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung keine Verletzung des Art. 8 EMRK vorliegt.

Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig machen würden.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

Der Vollständigkeit halber ist noch erneut darauf hinzuweisen, dass die Anträge BF auf Gewährung von internationalem Schutz vom 10.06.2015 in den Vorverfahren vollinhaltlich rechtskräftig abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen wurden. Sohin kommt auch den diesbezüglich erneut geltend gemachten Gründen, die in den Vorverfahren als unglaubhaft eingestuft wurden, eine Neubeurteilung auch nicht im Rahmen der gegenständlichen Interessensabwägung noch der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG in Betracht.

3.3. Zu den Spruchpunkt III und IV. der bekämpften Bescheide

3.3.1. Zur Zulässigkeit der Abschiebung

Gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung ist festzustellen, ob eine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund des Nichtvorliegens von Gründen für die Gewährung von subsidiärem Schutz sowie wegen des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneint.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wird mit der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund des Nichtvorliegens von Gründen für die Gewährung von Asyl sowie wegen des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneint.

Die Abschiebung ist nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

Die Abschiebung des BF nach Afghanistan ist daher zulässig. Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt III. als unbegründet abzuweisen.3.4.2. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen (vgl. dazu insbesondere auch VwGH 16.07.2020, Zl. Ra 2020/21/0133).

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 2 Wochen festgelegt worden.

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit einer Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht einschlägig ist, sondern die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu beurteilen ist. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Der Verwaltungsgerichtshof sprach ferner aus, dass es in den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG im Ermessen des Verwaltungsgerichts liegt, trotz Antrag eine Verhandlung nicht durchzuführen (vgl. etwa VwGH 26.06.2020, Zl. Ra 2017/22/0183).

Vorliegend war das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung trotz entsprechenden Parteienantrages durch § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG gedeckt, zumal der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen war. Es ist nicht ersichtlich, dass eine mündliche Verhandlung in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens dennoch geboten gewesen wär, umso mehr als die von den BF behaupteten Umstände für ein vertieftes Privat- und Familienleben der Entscheidung zugrundegelegt wurden (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0341). Wie gleichfalls ausgeführt, wurden auch weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Beschwerde oder sonst neue entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente aufgezeigt, sodass insoweit auch im Hinblick auf § 21 Abs. 7 BFA-VG kein ungeklärter Sachverhalt vorlag (vgl. dazu auch VwGH 17.11.2016, Zl. Ra 2016/21/0316).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung Interessenabwägung öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2124735.3.00

Im RIS seit

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten