Entscheidungsdatum
07.06.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W248 2212346-1/41E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. NEUBAUER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom 04.12.2018, Zl. XXXX , in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 28.05.2020 und am 23.04.2021 zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1 Verfahrensgang:
1. XXXX , geb. XXXX , (im Folgenden: Beschwerdeführer), ist afghanischer Staatsbürger und stellte am 01.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Polizeiinspektion XXXX , am 01.12.2017, gab der Beschwerdeführer an, aus dem Dorf XXXX , im Distrikt Chaghasara in der afghanischen Provinz Kunar zu stammen. Seine Muttersprache sei Pashto. Er gab weiters an, den Namen XXXX zu führen, XXXX Jahre alt und somit am XXXX geboren zu sein sowie afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er habe nie eine Schule besucht und verfüge über keine Berufsausbildung.
Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Familie aufgrund der Taliban in Gefahr gewesen sei. Die Taliban hätten gedacht, dass der Vater des Beschwerdeführers für das Militär gearbeitet habe. Aus diesem Grund hätten sie geplant, den Vater zu attackieren. Seine Familie habe vor etwa dreieinhalb Jahren den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen. Sein Onkel väterlicherseits habe die Schleppung nach Europa organisiert. Der Beschwerdeführer sei von seinem Onkel auf der Flucht getrennt worden. Der Onkel befinde sich aktuell in Frankreich. Der Beschwerdeführer stehe mit ihm telefonisch in Kontakt. Den aktuellen Aufenthaltsstatus seines Onkels wisse er nicht. Der Beschwerdeführer habe in Bulgarien um Asyl angesucht und einen negativen Asylbescheid erhalten. Er habe sich seit Winter 2016 bis etwa Oktober 2017 in Bulgarien aufgehalten. Die Bedingungen, insbesondere die Hygienebedingungen, seien dort sehr schlecht gewesen. Der Beschwerdeführer habe versucht, zu seinem Onkel nach Frankreich zu gelangen.
3. Am 23.12.2017 ereignete sich in der Unterkunft des Beschwerdeführers ein Raufhandel gemäß § 91 StGB zwischen den dort lebenden minderjährigen Jugendlichen. Der Beschwerdeführer wurde als Beschuldigter zum Sachverhalt einvernommen; er war nicht geständig, an der Schlägerei tätlich teilgenommen zu haben.
Am 29.03.2018 wurde das eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 91 StGB von der Staatsanwaltschaft XXXX gemäß § 190 Z 2 StPO mangels Schuldnachweis eingestellt.
4. Mit Email vom 27.03.2018 erklärte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, dass der richtige Nachname des Beschwerdeführers nicht XXXX , sondern XXXX laute. Es habe sich um ein Missverständnis des Beschwerdeführers im Zuge der Erstbefragung gehandelt.
Eine Taskira oder sonstige Identitäsdokumente legte der Beschwerdeführer nicht vor.
5. Am 08.03.2018 ereignete sich ein Vorfall, zu welchem der Beschwerdeführer als Beschuldigter einvernommen wurde. Er wurde verdächtigt, einem anderen Mann mit der Faust in die linke Gesichtshälfte geschlagen zu haben.
Am 24.04.2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
6. Am 16.04.2018 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 15 iVm § 127 StGB von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
7. Am 02.05.2018 ereignete sich ein weiterer Vorfall. Der Beschwerdeführer wurde verdächtigt, in betrunkenem Zustand eine Frau genötigt, unsittlich berührt und gebissen zu haben. Der Beschwerdeführer habe bei der Vernehmung angegeben, „sieben große Bier“ getrunken zu haben und sich an den Vorfall nicht erinnern zu können.
8. Am 09.07.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) mit einer Dolmetscherin für die Sprache Pashto statt. Der Beschwerdeführer gab an, dass er den Dolmetscher in der Erstbefragung nicht gut verstanden habe. Erst nach der Rückübersetzung sei ihm aufgefallen, dass sein Geburtsdatum und auch der Name seines Vaters falsch geschrieben worden seien und dass Geschwister fehlen würden. Der Fluchtgrund sei jedoch richtig übersetzt und protokolliert worden.
Der Beschwerdeführer führte berichtigend aus, dass sein richtiger Nachname XXXX sei. Seine Eltern und seine Geschwister würden sich in Afghanistan befinden, wo genau wisse der jedoch nicht. Der Beschwerdeführer habe drei Brüder: XXXX , sieben Jahre alt, XXXX , fünf Jahre alt, XXXX , drei Jahre alt und zwei Schwestern: XXXX , acht bis neun Jahre alt und XXXX , zwei Jahre alt. Der Beschwerdeführer sei Analphabet. Er spreche Pashto und verstehe zudem ein wenig Farsi. Weiters lebe eine Tante väterlicherseits in Afghanistan, zu welcher jedoch kein Kontakt bestehe. Verwandte mütterlicherseits habe er keine. Sein Onkel väterlicherseits befinde sich in Frankreich. Die Familie habe in Afghanistan ein eigenes Wohnhaus und vier bis fünf Jerib landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, Ziegen und Schafe besessen. Sein Vater sei Bauer gewesen und habe die Produkte seiner Landwirtschaft auf dem Markt verkauft. Seit seiner Flucht aus Afghanistan habe er keinen Kontakt zu seiner Familie gehabt. Als er sich in der Türkei befunden habe, habe er einmal Kontakt zu seinem Vater gehabt. Der Beschwerdeführer führte aus, sich nicht um Kontakt zu seiner Familie bemüht zu haben. Er besitze jedoch einen „Facebook“ Account. Sein Mobiltelefon sei in Bulgarien von den Behörden sichergestellt worden. Dort sei er geschlagen und gefoltert worden.
Der Beschwerdeführer sei vor etwa vier oder viereinhalb Jahren aus Afghanistan geflüchtet. Er sei anschließend zu seinem Onkel in die Türkei gereist. Er habe sich sechs oder sieben Monate in der Türkei aufgehalten, etwa zwei Jahre in Bulgarien, weitere sechs oder sieben Monate in Serbien und drei Monate in einem Lager bzw. Gefängnis in Ungarn. In der Türkei habe er für etwa sechs Monate als Autowäscher gearbeitet. Sein Onkel habe die Flucht organisiert und die Kosten in Höhe von ca. 200.000,- bis 250.000,- AFN (etwa € 2.500,- bis 3.000,-) bezahlt.
Befragt zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban mehrmals versucht hätten, seinen Vater und ihn zu rekrutieren. Nachdem sich sein Vater geweigert habe, hätten die Taliban ihn bedroht und ihm Geld geraubt. Sie hätten gedacht, dass sein Vater für die Regierung als Spion arbeiten würde. Von Seiten der Regierung sei sein Vater verdächtigt worden, ein Mitglied der Taliban zu sein. Zuletzt hätten die Taliban versucht, den Beschwerdeführer mitzunehmen. Näher zu den Details befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass die Taliban zu ihm nach Hause gekommen wären und Geld von seinem Vater verlangt hätten. Da dieser seinen Lohn jedoch noch nicht erhalten habe, habe er den Taliban das verlangte Geld nicht geben können. Daraufhin sei der Vater geschlagen worden. Näher zu seinem Fluchtvorbringen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er persönlich von den Taliban bedroht worden sei. Die Taliban hätten ihn aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. In sein Heimatdorf könne er jedenfalls nicht zurückkehren. Er wisse nicht, ob er in anderen Landesteilen persönlich gesucht oder bedroht werden würde, jedoch sei die allgemeine Sicherheitslage im gesamten Staatsgebiet sehr schlecht. Im Falle einer Rückkehr würde er entweder von den Taliban getötet oder von den Soldaten der Regierung festgenommen werden. Aufgrund seines jungen Alters würde er bei einer Rückkehr nach Afghanistan gefangen genommen oder sexuell missbraucht werden. Jedenfalls würde er als „Europa-Rückkehrer“ erkannt werden.
Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer an, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Später führte er aus, dass er an Gedächtnisstörungen leide. Er sei nicht psychisch krank. Wenn er unter Stress leide, bekomme er manchmal starke Kopfschmerzen bis hin zur Bewusstlosigkeit.
Der Beschwerdeführer legte eine Bestätigung der Gemeinde XXXX vom 28.05.2018 über gemeinnützige Hilfstätigkeiten des Beschwerdeführers vom 05.03.2018 – 16.03.2018 vor.
9. Mit Schreiben vom 09.07.2018 teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass sein Nachname auf XXXX und sein Geburtsdatum auf den XXXX geändert würden.
10. Mit Stellungnahme vom 30.07.2018 gab der Beschwerdeführer an, aus dem Dorf XXXX , aus dem Distrikt Cheghel-Saray, in der Provinz Kunar, zu stammen. Der Beschwerdeführer verwies auf seine Minderjährigkeit sowie auf die Situation in seiner Heimatprovinz Kunar und die allgemein schlechte Sicherheitslage in Afghanistan. Er verfüge weder über eine Schulausbildung noch über Berufserfahrung und habe keinen Kontakt zu seiner Familie.
Zu der ihm vorgeworfenen Straffälligkeit führte der Beschwerdeführer aus, das Unrecht der begangenen Straftat einzusehen und sich dafür zu schämen. Es habe sich um eine Jugendstraftat gehandelt, und er zeige Reue.
11. Mit ergänzender Stellungnahme vom 19.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer einen Neuropädiatrischen Befundbericht der XXXX vom 13.08.2018, beinhaltend den Verdacht auf unterdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit, welche jedoch nicht getestet worden sei, und die Diagnose: grenzwertige Mikrozephalie (grenzwertig zu geringer Kopfumfang). Unter dem Punkt „Procedere“ führten die Ärzte aus, dass die klinisch-neurologische Untersuchung unauffällig gewesen sei. Eine genaue Evaluierung der kognitiven Fähigkeiten könne nur mit einer neuropsychologischen Testung durchgeführt werden. Unterdurchschnittliche Fähigkeiten würden jedoch nicht das erfahrene Trauma in Bulgarien beweisen, sondern könnten bereits von Geburt an vorhanden gewesen sein. Auch die grenzwertige Mikrozephalie könne kulturell bzw. familiär bedingt sein oder in Zusammenhang mit einer, falls vorhanden, unterdurchschnittlichen Leistungsfähigkeit stehen.
Weiters wurde auf die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 verwiesen.
12. Mit Urteil vom 25.09.2018 des Landesgerichtes XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig seit 29.09.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen § 287 StGB iVm § 105 StGB (Nötigung), § 287 StGB iVm § 83 Abs. 2 StGB (Körperverletzung), § 287 StGB iVm § 218 Abs. 1 Z. 1 StGB (sexuelle Belästigung), in Anwendung des § 5 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Die bisherige Unbescholtenheit und die geständige Verantwortung wurden mindernd gewertet.
13. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
In der Begründung des Bescheides gab das BFA die entscheidungsrelevanten Angaben des Beschwerdeführers wieder und traf Feststellungen zur Lage in Afghanistan. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in seine Herkunftsprovinz Kunar aufgrund der volatilen Lage nicht zurückkehren könne. Als innerstaatliche Fluchtalternativen würden ihm jedoch die Städte Herat und Mazar-e Sharif zu Verfügung stehen. In beiden Städten könne der Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen, zu Wohnraum und zu staatlichem Schutz im Wesentlichen als garantiert angesehen werden. Der Beschwerdeführer gehöre zur Volksgruppe der Paschtunen, die eine Großfamilien- und Clanstruktur und ein starkes Identitäts- und Zusammengehörigkeitsgefühl aufweisen. Durch die Verschleierung seiner Verwandtschaftsverhältnisse sei es sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer verwandtschaftliche und damit soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan habe. Der Beschwerdeführer sei beinahe volljährig und habe seit seiner Ausreise aus Afghanistan wichtige Lebenserfahrung gesammelt. Er werde sein Leben in Afghanistan eigenverantwortlich führen und für seinen Lebensunterhalt selbständig aufkommen können. Besondere, risikoerhöhende Merkmale hätten nicht festgestellt werden können.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10.12.2018 zugestellt.
14. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 04.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die XXXX , amtswegig als Rechtsberatung zur Seite gegeben.
15. Mit Schreiben vom 04.01.2019 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , fristgerecht Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheides des BFA und legte eine Vollmacht für die genannte Organisation vor.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen substantiiert und glaubhaft vorgebracht habe. Die Behörde habe den Sachverhalt mangelhaft ermittelt und insbesondere den vorgelegten Neuropädiatrischen Befundbericht vom 13.08.2018, wonach beim Beschwerdeführer der Verdacht auf eine unterdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit bestehe und eine grenzwertige Mikrozephalie vorhanden sei, gänzlich unberücksichtigt. Durch diese Diagnose sei die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beeinträchtigt und somit seine Selbsterhaltungsfähigkeit stark eingeschränkt. Dem Beschwerdeführer wäre jedenfalls der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, zumal eine innerstaatliche Fluchtalternative aus subjektiven Gründen nicht zumutbar wäre. Er sei Analphabet, verfüge über keine Schulbildung oder Berufsausbildung und kenne, mit Ausnahme seines Herkunftsdorfes, das Land Afghanistan nicht. Durch die zusätzliche kognitive Einschränkung des Beschwerdeführers könne er jedenfalls nicht selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Da er seit vier Jahren keinen Kontakt zu seiner Familie habe, könne er auch nicht mit finanzieller Hilfestellung rechnen. Die Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif würden einander widersprechen, da angeführt werde, dass beide Städte für eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stünden, obwohl in beiden Städten die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei. Aufgrund der individuellen Umstände des Beschwerdeführers könne im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMR nicht ausgeschlossen werden. Der Beschwerdeführer verfüge weder in Herat noch in Mazar-e Sharif über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer verwies weiters auf unterschiedliche Berichte betreffend die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungslage und der Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif und Kabul sowie auf die UNHCR-Richtlinien und auf diverse Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes.
16. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 08.01.2019 mit Schreiben vom 07.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
17. Mit Urteil vom 26.02.2019, des Landesgerichtes XXXX , XXXX , rechtskräftig seit 02.03.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen mehreren Handlungen wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG, § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG, unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.09.2018, nach § 27 Abs. 2a SMG in Anwendung der §§ 28, 37 StGB und § 5 JGG zu einer (Zusatz)- Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit € 4,- bestimmt sodass die Zusatzgeldstrafe insgesamt € 360,- beträgt. Gemäß § 43a Abs. 1 StGB wurden zwei Drittel der verhängten Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der unbedingte Teil der Zusatzgeldstrafe beträgt somit € 120,-.
Die Unbescholtenheit, die großteils geständige Verantwortung wären mildernd gewertet worden. Erschwerend wären das Zusammentreffen von vier Vergehen und die Wiederholung von drei Vergehenstatbeständen gewertet worden.
18. Am 11.04.2019 wurde der Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 07.04.2019 übermittelt. Am 01.11.2018 habe sich ein Raufhandel ereignet, zu welchem der Beschwerdeführer als Beschuldigter einvernommen worden sei. Alle Beteiligten wären geständig gewesen, bei dem Raufhandel teilgenommen zu haben.
19. Am 25.05.2019 wurde der Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 23.05.2019 übermittelt. Am 21.01.2019 sei es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Bewohner der Flüchtlingsunterkunft gekommen, zu welchem der Beschwerdeführer als Beschuldigter einvernommen worden sei. Alle Beteiligten wären geständig gewesen, bei dem Raufhandel teilgenommen zu haben.
20. Am 13.11.2019 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
21. Am 21.02.2020 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
22. Am 28.05.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Pashto statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde und die Möglichkeit hatte, diese umfassend darzulegen. Das BFA als belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
Befragt zu seinem Gesundheitszustand führte der Beschwerdeführer aus, psychisch und physisch in der Lage zu sein der mündlichen Verhandlung zu folgen. Er habe eine alte Verletzung auf der linken Seite seines Kopfes. Medikamente nehme er keine. Betreffend seine vorgebrachte unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit gab der Beschwerdeführer an, sich nicht lange konzentrieren zu können und bereits Gelerntes schnell wieder zu vergessen. Befragt, wie sich seine möglicherweise unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit konkret äußern würde, führte er aus, schnell ungeduldig zu werden, wenn er länger spreche, einen starken Druck zu verspüren und sich nicht kontrollieren zu können. Obwohl die diesbezüglichen Probleme seit dem Jahr 2018 bekannt sind, wurde keine Untersuchung betreffend den Verdacht auf unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit durchgeführt.
Der Beschwerdeführer führte weiters aus, körperlich arbeitsfähig zu sein sowie, dass er gerne arbeiten würde. Er gab weiters an eine unverbindliche Arbeitszusage bei einer McDonalds-Filiale in XXXX erhalten zu haben. Er könne sich vorstellen, dort den Müll aufzuräumen oder in der Küche zu arbeiten. Weiters könne er sich vorstellen, auf einer Baustelle zu arbeiten sowie Reinigung- oder Hilfstätigkeiten zu erledigen. In Bulgarien habe er in einer Kaugummifabrik gearbeitet und Kaugummis verpackt. Dass er in der Türkei als Autowäscher gearbeitet habe, wie es in der Einvernahme vor dem BFA protokolliert wurde, bestritt der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung.
Der Beschwerdeführer wiederholte mehrmals, zu seiner Familie keinen Kontakt zu haben. Über „Facebook“ habe er lediglich seinen Onkel gefunden und ihn kontaktiert, dieser würde ihm jedoch nicht antworten. Der Beschwerdeführer habe ebenfalls über das Internet versucht, seine Familienmitglieder zu finden.
Befragt zu seinen Befürchtungen im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan gab der Beschwerdeführer an, nicht zu wissen, was er in Afghanistan machen sollte. Er habe in Afghanistan keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte, sodass die Gefahr bestehe, von der afghanischen Bevölkerung oder den Taliban ausgenützt zu werden.
In der mündlichen Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme sowie eine weitere, längere Frist zur Vorlage allfälliger medizinischer Unterlagen eingeräumt.
23. Mit Stellungnahme vom 04.06.2020 verwies der Beschwerdeführer auf sein bisheriges Vorbringen. Betreffend die vom BFA ermittelten innerstaatlichen Fluchtalternativen Mazar-e Sharif und Herat führte der Beschwerdeführer aus, dass Afghanistan von der aktuellen weltweiten Covid-19 Pandemie besonders schwer betroffen sei. Die aktuellen Fallzahlen hätten sich in den letzten Wochen massiv erhöht. Da Afghanistan nur eine geringe Testkapazität gewährleisten könne, sei von einer viel höheren Dunkelziffer an infizierten Personen sowie davon auszugehen, dass sich etwa 50% der afghanischen Bevölkerung mit dem Covid-19 Virus infizieren werden. Die afghanische Regierung habe sämtliche Großstädte unter einen „Lockdown“ gestellt. Am stärksten von diesen Maßnahmen betroffen wären die Provinzen Kabul, Herat, Kandahar und Balkh. Der „Lockdown“ sei am 21.05.2020 weiter verlängert worden. Die wirtschaftlichen Folgen aufgrund der Covid-19 Pandemie wären insbesondere für Tagelöhner fatal, zumal die Nachfrage an ungelernten Tagelöhnern eingebrochen sei. Weiters wären die Lebensmittelpreise um bis zu 19% gestiegen.
Der Beschwerdeführer verwies in Bezug auf die Stadt Herat auf die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage der Stadt Herat vom 23.04.2020 und führte aus, dass die Stadt Herat vom Flughafen aus, nicht sicher erreichbar sei. In der Stadt Herat sei es insbesondere Ende 2019 bzw. Anfang 2020 zu einem massiven Anstieg an krimineller Gewalt gekommen. Zudem sei der Zugang zur Grundversorgung sehr eingeschränkt. Aufgrund der örtlichen Nähe zum Iran, sei Herat eine der am stärksten von Covid-19 betroffenen Provinzen Afghanistans.
In Bezug auf die Stadt Mazar-e Sharif verwies der Beschwerdeführer auf die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif vom 30.04.2020 und führte aus, das der gesamte Binnenflugverkehr in Afghanistan eingestellt sei, sodass der Flughafen Mazar-e Sharif nicht erreichbar sei. Ende 2019 sei es auch in Mazar- e Sharif zu einem Anstieg aufständischer Aktivitäten gekommen, sodass festgestellt werden könne, dass sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren verschlechtert habe. Insbesondere Rückkehrer aus Europa wären mit Problemen konfrontiert, da ebenfalls der Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkt sei.
Der Beschwerdeführer verwies weiters auf die Folgeerscheinungen seiner Kopfverletzung. Er leide an starken Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen, sodass seine Arbeitsfähigkeit massiv eingeschränkt sei.
24. Mit Eingabe vom 11.06.2020 übermittelte der Beschwerdeführer einen Entlassungsbericht des XXXX vom 15.01.2020, welcher jedoch nicht leserlich übermittelt wurde. Daraus könne entnommen werden, dass beim Beschwerdeführer ein Verdacht auf Migräne und Gastroenteritis bestehe. Es sei empfohlen worden, bei Wiederauftreten der Beschwerden neurologisch vorstellig zu werden. Gemäß den Angaben des Beschwerdeführers leide er nach wie vor an diesen Beschwerden.
25. Mit Erkenntnis vom 25.06.2020, XXXX wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde stattgegeben, und dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.07.2021 erteilt. Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wurden ersatzlos behoben.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weder im Asyl- noch im Beschwerdeverfahren eine drohende Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan habe glaubhaft darlegen können. Ohne die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie wäre dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar. Aufgrund der aktuellen Länderberichte zu Afghanistan und unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und der Berichte des EASO aus Juni 2019 sowie die aktuelle Berichterstattung zur Covid-19 Pandemie in Afghanistan berücksichtigend, sei dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar. Der Beschwerdeführer könne derzeit weder in Herat oder Mazar-e Sharif noch an einem anderen Ort in Afghanistan Fuß fassen und sich dort eine Existenz aufbauen.
26. Gegen die Spruchpunkte A.II., A.III. und A.IV. dieses Erkenntnisses erhob das BFA mit Schriftsatz vom 04.08.2020 Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
Hinsichtlich einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz führte das BFA aus, dass die Sicherheitslage in der Provinz Kunar grundsätzlich volatil sei. Das BFA sei jedoch der Ansicht, dass der Beschwerdeführer in seine Herkunftsprovinz zurückkehren könne, wenn er familiäre Anknüpfungspunkte dort hätte. Da das Bundesverwaltungsgericht festgestellt habe, dass sich die Familie des Beschwerdeführers im Herkunftsdorf befinde, hätte es schlüssig darlegen müssen, warum der Beschwerdeführer entgegen der Ansicht des BFA nicht in seine Herkunftsprovinz zurückkehren könne. Zudem sei die „Zumutbarkeit“ einer Rückkehr nur bei der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative, nicht jedoch bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz zu prüfen, sodass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.
Das BFA brachte hinsichtlich der COVID-19 Pandemie vor, dass sich die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Ausgangsbeschränkungen und der Einschränkung der Erreichbarkeit betreffend Mazar-e Sharif nicht mit den Länderinformationen decken würden. Darüber hinaus sei das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Das Bundesverwaltungsgericht lege nämlich nicht dar, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan, eingeschlossen Mazar-e Sharif und Herat, aufgrund der Pandemie solche exzeptionellen Umstände iS einer Existenzgefährdung zu gewärtigen hätte, sodass von einem Unterschreiten der Schwelle des Art. 3 EMRK auszugehen sei. Es werde nicht dargelegt weswegen der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der in Afghanistan geboren und aufgewachsen sei, über Arbeitserfahrung verfüge, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei, eine Landessprache spreche und über ein familiäres und soziales Netz verfüge, in exzeptioneller Weise von den wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 betroffen sei.
27. Am 18.09.2020 wurde der Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 25.08.2020 übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde verdächtigt, am 15.08.2020 bei einem Supermarkt mit einer totalgefälschten € 50,- Banknote bezahlt zu haben.
28. Am 23.10.2020 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass von der Verfolgung des Beschwerdeführers wegen § 27 Abs. a und 2 SMG gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten werde.
29. Mit Urteil vom 22.12.2020 des Bezirksgerichtes XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig seit 28.12.2020, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Weitergabe von Falschgeld nach § 236 Abs. 1 StGB mangels Schuldnachweises freigesprochen.
30. Am 16.02.2021 wurde der Abtretungs-Bericht der Polizeiinspektion XXXX vom 12.02.2021 übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde verdächtigt, eine geringe Menge Suchtgift in Form von Cannabiskraut (0,3 g) erworben und besessen zu haben. Zudem sei er verdächtig und geständig, Cannabiskraut regelmäßig zu konsumieren.
31. Am 02.03.2021 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
32. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.03.2021, Ra 2020/18/0294 wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.06.2020, GZ. XXXX , im angefochtenen Umfang, somit nur hinsichtlich der angefochtenen Spruchpunkte A) II. bis IV. (Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides und Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Bezug auf die Covid-19-Pandemie und subsidiären Schutz bereits klargestellt worden sei, dass für sich nicht entscheidungswesentlich sei, wenn sich für einen Asylwerber infolge der seitens afghanischer Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus und von Erkrankungen an Covid-19 gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstelle, weil es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen sei, nicht ankomme, solange diese Maßnahmen nicht dazu führen würden, dass die Sicherung der existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre. Das gelte auch für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative.
Beim Beschwerdeführer handle es sich unstrittig um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertrauten Mann, der über Berufserfahrung sowie Familienangehörige und ein soziales Netzwerk im Herkunftsstaat verfüge und in Bezug auf die Covid-19-Pandemie keiner „Risikogruppe“ angehöre. Das Bundesverwaltungsgericht zeige vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung mit seinen Ausführungen zu der durch die Covid-19-Pandemie bewirkten schwierigeren wirtschaftlichen Lage jedoch nicht auf, dass die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumindest in Mazar-e Sharif, das auch nach dem Vorbringen der Amtsrevision nicht von einer Ausgangssperre betroffen gewesen sei, tatsächlich unzumutbar sei. Diesbezüglich sei das Bundesverwaltungsgericht von der angeführten Rechtsprechung abgewichen.
Zu den Ausführungen des BFA hinsichtlich einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Kunar äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof nicht.
33. Am 26.04.2021 übermittelte der Beschwerdeführer eine Vollmacht für die XXXX 34. Am 29.04.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Pashto statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich u.a. zu seinem Leben in Österreich befragt wurde und die Möglichkeit hatte, dieses umfassend darzulegen. Das BFA als belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
Befragt zu seinem Gesundheitszustand führte der Beschwerdeführer aus, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Er habe lediglich aufgrund von Zahnschmerzen vor einigen Tagen Medikamente eingenommen. Sein Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Verhandlung nicht verändert. Der Beschwerdeführer führte explizit aus, arbeitsfähig zu sein sowie, dass er auch bereits in einer Firma gearbeitet habe, die Masken und medizinische Bekleidung herstelle. Der Beschwerdeführer bestätigte zudem seine bereits gesammelte Arbeitserfahrung aus Afghanistan. In der Kaugummifabrik in Bulgarien habe er etwa ein bis eineinhalb Monate gearbeitet. In Österreich habe er etwa sechs Monate eine Schule besucht und lesen und schreiben gelernt.
Der Beschwerdeführer führte weiters aus, keinen Kontakt zu seiner Familie zu haben. Über „Facebook“ versuche er immer wieder, jemanden zu finden, der seine Familie kenne, leider sei er jedoch dabei bis jetzt erfolglos geblieben. Auch zu seinem in Frankreich lebenden Onkel habe er keinen Kontakt mehr. In Afghanistan habe der Beschwerdeführer niemanden mehr, auch in Mazar-e Sharif bestehe die Gefahr, entführt zu werden. Er habe in Österreich mit sehr vielen Afghanen aus unterschiedlichen Gegenden gesprochen und frage oft aktiv nach, wie die Sicherheitslage in diversen Distrikten sei, zumal er sich Sorgen um seine Familie mache. Er frage auch stets nach, ob jemand seine Familie kenne.
Zu seinem Leben in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, dass er hauptsächlich Kontakt zu seinem Betreuer habe. Der Beschwerdeführer habe sich sehr bemüht und eine Arbeit gefunden. Diesbezüglich legte er Lohnzettel von Jänner 2021 bis März 2021 vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2 Feststellungen:
Vorweg wird auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 25.06.2020, GZ. XXXX , hingewiesen und dazu ausgeführt, dass durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.03.2021, Ra 2020/18/0294, nur die Spruchpunkte A.II., A.III. und A.IV. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes aufgehoben wurden und damit die Entscheidung hinsichtlich der Bestätigung der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten rechtskräftig ist.
Lediglich zum besseren Verständnis der gegenständlichen Entscheidung werden einzelne Feststellungen aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.06.2020, GZ. XXXX , in dieser Entscheidung neuerlich getroffen.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht und der Einsichtnahme in
? den Bezug habenden Verwaltungsakt,
? das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem,
? das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.04.2021,
? die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018,
? die EASO Country Guidance Afghanistan - Guidance note and common analysis (Juni 2019 und Dezember 2020),
? den EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018 (EASO Netzwerke)
? das ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Scharif vom 06.05.2021
? das ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan vom 06.05.2021
? das ecoi.net – Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 27.01.2021,
? das ecoi.net – Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 16.10.2020,
? die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif vom 30.04.2020,
? die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage der Stadt Herat vom 23.04.2020,
? die ACCORD Anfragebeantwortung Afghanistan: Apostasie, Blasphemie, Konversion, Verstoß gegen islamischen Verhaltensregeln, gesellschaftliche Wahrnehmung von RückkehrerInnen aus Europa vom 15.06.2020
? die aktuellen COVID-19 Zahlen zu Afghanistan,
werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Pashto. Er ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Kunar, im Distrikt XXXX (wird auch XXXX genannt), im Dorf XXXX geboren und wuchs dort gemeinsam mit seinen Eltern, seinen drei jüngeren Brüdern und seinen zwei jüngeren Schwestern auf.
Ob der Beschwerdeführer bei seiner Ankunft in Österreich Analphabet war und bis dahin nie eine Schule besuchte, kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Er verfügt über Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter in einer Kaugummifabrik. Ob der Beschwerdeführer über weitere Arbeitserfahrung verfügt, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Beim Beschwerdeführer wurde eine grenzwertige Mikrozephalie (zu geringer Kopfumfang) festgestellt. Diese könnte kulturell bzw. familiär bedingt sein.
Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer zählt nicht zur Risikogruppe der Covid-19 gefährdeten Personen (ältere Menschen bzw. Menschen mit Vorerkrankungen).
Der Beschwerdeführer ist nicht unbescholten.
1. Mit Urteil vom 25.09.2018, des Landesgerichtes XXXX , XXXX , rechtskräftig seit 29.09.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen § 287 StGB iVm § 105 StGB (Nötigung), § 287 StGB iVm § 83 Abs. 2 StGB (Körperverletzung), § 287 StGB iVm § 218 Abs. 1 Z. 1 StGB (sexuelle Belästigung), in Anwendung des § 5 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
2. Mit Urteil vom 26.02.2019, des Landesgerichtes XXXX , XXXX , rechtskräftig seit 02.03.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen mehreren Handlungen wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG, § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG, unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.09.2018, nach § 27 Abs. 2a SMG in Anwendung der §§ 28, 37 StGB und § 5 JGG zu einer (Zusatz)- Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit € 4,- bestimmt sodass die Zusatzgeldstrafe insgesamt € 360,- beträgt. Gemäß § 43a Abs. 1 StGB wurden zwei Drittel der verhängten Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der unbedingte Teil der Zusatzgeldstrafe beträgt somit € 120,-.
Der Beschwerdeführer trat mehrmals polizeilich in Erscheinung.
Am 29.03.2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 91 StGB von der Staatsanwaltschaft XXXX gemäß § 190 Z 2 StPO mangels Schuldnachweis eingestellt.
Am 16.04.2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 15 iVm § 127 StGB von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
Am 24.04.2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
Am 13.11.2019 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
Am 21.02.2020 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
Am 23.10.2020 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass von der Verfolgung des Beschwerdeführers wegen § 27 Abs. a und 2 SMG gemäß § 35 Abs. 9 SMG vorläufig zurückgetreten wurde.
Mit Urteil vom 22.12.2020, des Bezirksgerichtes XXXX , Zl. XXXX , rechtskräftig seit 28.12.2020, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Weitergabe von Falschgeld nach § 236 Abs. 1 StGB mangels Schuldnachweises freigesprochen.
Am 02.03.2021 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 SMG, von der Staatsanwaltschaft XXXX eingestellt.
2.2. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit dreieinhalb Jahren durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 01.12.2017 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.
Der Beschwerdeführer verfügt über wenig Deutschkenntnisse. Er besuchte keinen Alphabetisierungskurs oder andere Integrationskurse. Ob der Beschwerdeführer etwa sechs Monate eine Schule besuchte, konnte nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer war von 05.03.2018 bis 16.03.2018 ehrenamtlich für die Gemeinde XXXX tätig.
In Österreich arbeitete der Beschwerdeführer im Jänner und Februar 2021 für die XXXX als Helfer und verdiente im Jänner 2021 € XXXX netto und im Februar 2021 € XXXX netto. Im März 2021 war der Beschwerdeführer in der XXXX beschäftigt und verdiente € XXXX netto. Von Jänner 2021 bis März 2021 war der Beschwerdeführer selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer erhielt Leistungen aus der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie etwa eine Ehefrau oder Kinder. Er hat in Österreich keine Sorgepflichten.
2.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer kann nach Afghanistan zurückkehren.
Die Herkunftsprovinz Kunar gehört zu den volatilen Provinzen im Osten Afghanistans, in denen Militante des Islamischen Staates Provinz Khorasan (ISKP) sowie Aufständische von Gruppen wie den Taliban und Al-Qaida in einigen der unruhigen Distrikte eine beträchtliche Präsenz haben. Taliban- und ISKP-Mitglieder kämpfen in Kunar sowohl gegeneinander als auch gegen die Regierungstruppen. Darüber hinaus kam es in der Provinz zu Detonationen von Sprengfallen am Straßenrand sowie von an einem Fahrzeug angebrachten improvisierten Sprengkörpern (vehicle-borne improvised explosive device, VBIED) und zu Entführungen.
Die Provinz Kunar ist von Kabul oder Mazar-e Sharif aus nur über die afghanische Provinz Nangarhar erreichbar. Eine Straße erster Ordnung verbindet Asad Abad mit Jalalabad im Südwesten sowie mit einem Grenzübergang zu Pakistan im Nordosten. Zusätzlich führt eine Nebenstraße von Asad Abad nach Osten zur pakistanischen Grenze. Eine weitere Straße verbindet Kunar mit Nuristan. Die allgemeine Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar ist volatil, sodass die sichere Erreichbarkeit der Herkunftsprovinz Kunar nicht gewährleistet werden kann. Es kann daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz, kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht, sodass eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht möglich ist.
Die Städte Kabul und Herat stehen nicht als innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung.
Dem Beschwerdeführer steht die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Die Sicherheitslage sowohl in Herat als auch in Mazar-e Sharif kann nicht gänzlich isoliert von den anderen Distrikten der Provinzen Herat und Balkh betrachtet werden. Die Sicherheitslage hat sich sowohl in der Provinz Herat als auch insbesondere in der Provinz Balkh in den letzten Jahren stetig verschlechtert. Auch in Herat-Stadt und in Mazar-e Sharif wurde eine Verschlechterung der Sicherheitslage in den letzten Jahren dokumentiert. Trotz des Anstiegs der Kriminalität und der sicherheitsrelevanten Vorfälle gelten diese Städte noch als vergleichsweise sicher. Beide Städte verfügen über internationale Flughäfen. Die Anreise nach Mazar-e Sharif kann weitgehend gefahrfrei erfolgen. Bezüglich Herat kann aufgrund divergierender Berichte nicht festgestellt werden, ob die Anreise vom Flughafen in die Stadt ausreichend sicher erfolgen kann.
Die Wohnraum-, Arbeitsmarkt- und Versorgungslage in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif waren bereits vor der Covid-19 Pandemie angespannt. Die sozioökonomischen Auswirkungen von Covid-19 beeinflussen die Ernährungsunsicherheit. Die Auswirkungen von Covid-19 und der damit einhergehende Lockdown hatten katastrophale Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der afghanischen Bürger. Aufgrund des Lockdowns verloren viele Menschen Arbeit und Einkommen. Der Anstieg der Preise bei Grundnahrungsmitteln wie Öl und Kartoffeln verschärfte die wirtschaftliche Notlage eines erheblichen Teils der afghanischen Bevölkerung. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 kam es durch die COVID-19 Pandemie zu einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise, die im April 2020 im Jahresvergleich um rund 17% stiegen. Die Preisanstiege für Lebensmittel scheinen seit April 2020 zwar nachgelassen zu haben, wobei die Preise für einzelne Lebensmittel (Zucker, Öl, Reis…) zwischen März und November 2020 deutlich (um 18-31%) gestiegen sind. Die Lebensmittelpreise haben sich mit Stand März 2021 auf einem hohen Niveau stabilisiert. Laut Prognose des FEWS befindet sich die Versorgungslage in Mazar-e Sharif im Zeitraum Februar 2021 bis Mai 2021 in der zweitniedrigsten Stufe 2 „stressed“ (Stufe 1 „Minimal“ – 5 „Hungersnot“) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung und wurde daher von Stufe 3 „Krise“ zurückgestuft. Für den Zeitraum Juni 2021 bis September 2021 befindet sich Mazar-e Sharif weiterhin in der zweitniedrigsten Stufe (Stufe 2) des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung.
Laut Prognose des FEWS befindet sich Herat im Zeitraum Februar 2021 bis Mai 2021 in der Stufe 3 des Klassifizierungssystems für Nahrungsmittelversorgung. In Stufe 3, auch „Crisis“ genannt, weisen Haushalte Lücken im Nahrungsmittelkonsum mit hoher oder überdurchschnittlicher akuter Unterernährung auf oder sind nur geringfügig in der Lage, ihren Mindestnahrungsmittelbedarf zu decken – und dies nur indem Güter, die als Lebensgrundlage dienen, vorzeitig aufgebraucht werden bzw. durch Krisenbewältigungsstrategien. Die Nahrungsmittelversorgung hat sich daher verschlechtert, da sie von Stufe 2 „stressed“ wieder auf Stufe 3 hinaufgestuft wurde. Für den Zeitraum Juni 2021 bis September 2021 befindet sich Herat-Stadt teils in der zweiten („Stressed“) und teils in der dritten Stufe (Stufe 3, „Crisis“) des Klassifizierungssystems, sodass eine leichte Verbesserung der Situation erkannt werden kann. Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass sich, bis auf Teile der Stadt Herat, sämtliche Distrikte in der Provinz Herat in der dritten Stufe (Stufe 3, „Crisis“) befinden.
Die Arbeitsmarktsituation ist auch in Mazar-e Sharif eine der größten Herausforderungen. Auf Stellenausschreibungen melden sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne sehr viele Bewerber, und ohne Kontakte ist es schwer, einen Arbeitsplatz zu finden. In den Distrikten ist die Anzahl der Arbeitslosen hoch. Die meisten Arbeitssuchenden begeben sich nach Mazar-e Sharif, um Arbeit zu finden. Jugendliche haben am meisten mit dieser Jobkrise zu kämpfen. Es gibt nur sehr begrenzt offizielle Arbeitsplätze. Da die Aufnahmegemeinden hier mit den gleichen Problemen konfrontiert seien und für sich beanspruchen würden, vorrangig behandelt zu werden, sei es für IDPs und manche Rückkehrende noch schwieriger, Zugang zu Arbeitsplätzen zu erhalten. In Mazar-e Sharif stehen zahlreiche Wohnungen zur Verfügung. Auch eine Person, die in Mazar-e Sharif keine Familie hat, sollte in der Lage sein, dort Wohnraum zu finden. Des Weiteren gibt es in Mazar-e Sharif eine Anzahl von Hotels sowie Gast- oder Teehäusern, welche unter anderem von Tagelöhnern zur Übernachtung benutzt werden. Die Stadt Herat gilt als Hotspot für Tagelöhner, da etwa die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung Tagelöhner sind, welche Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Ausmaß ausgesetzt sind. Diverse Bevölkerungsbewegungen, insbesondere von Binnenflüchtlingen, haben die Provinz Herat, vor allem ihre Hauptstadt Herat-Stadt, zu einem zunehmend schwierigen Lebens- und Arbeitsraum gemacht. Bei der Arbeitssuche spielen persönliche Kontakte eine wichtige Rolle. Ohne verfügbare Netzwerke ist die Arbeitssuche schwierig.
Es gibt in Mazar-e Sharif aktuell keine Ausgangssperren.
UNHCR und IOM leisten für Rückkehrer in der ersten Zeit nach der Rückkehr nach Afghanistan Unterstützung.
Der Beschwerdeführer hat familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Ob der Beschwerdeführer Kontakt zu seinen Eltern hat, kann nicht festgestellt werden. Es kann daher ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen kann. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über weitere Verwandte in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer verfügt weder über ein soziales Netzwerk noch über Ortskenntnisse in Mazar-e Sharif. Der Beschwerdeführer ist jedoch sehr anpassungsfähig, da er sich trotz seines jungen Alters nach der Ausreise aus Afghanistan ohne seine Familie und ohne entsprechende Sprachkenntnisse behaupten konnte. Er verfügt auch durch seinen Aufenthalt in Österreich über mehr Lebenserfahrung, welche ihm insbesondere in der aktuell angespannten Situation behilflich sein kann, um ein geregeltes Einkommen zu sichern.
Nach Ansicht des Gerichtes wäre der Beschwerdeführer, aufgrund seiner individuellen Verhältnisse, trotz der aktuell angespannten Wirtschaftslage im Stande, sich grundsätzlich und auch in der derzeitigen Situation selbstständig eine Existenz in Afghanistan aufzubauen. Beim Beschwerdeführer handelt es sich zweifelsfrei um einen jungen, gesunden, arbeitsfähigen, volljährigen Afghanen, welcher über Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter in verschiedenen Branchen verfügt und in Afghanistan geboren und aufgewachsen ist. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass er in Mazar-e Sharif ein Leben ohne unbillige Härte führen kann und nicht in eine ausweglose Situation geraten wird.
Der Beschwerdeführer hat zwar mehrere Jahre seines Lebens außerhalb Afghanistans verbracht, er lebte jedoch zumindest 13 Jahre in Afghanistan gemeinsam mit seiner Familie und wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert.
Ausgehend von den aktuellen Länderberichten zu Afghanistan und unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 und der Berichte des EASO aus Dezember 2020 sowie die aktuelle Berichterstattung zur Covid-19 Pandemie in Afghanistan berücksichtigend, ist dem Beschwerdeführer aufgrund seiner individuellen Verhältnisse eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Mazar-e Sharif zumutbar.
2.4. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 01.04.2021 (LIB) mit den dort zitierten Quellen,
- die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018,
- die EASO Country Guidance Afghanistan - Guidance note and common analysis (Juni 2019 und Dezember 2020),
- EASO Bericht Afghanistan Netzwerke, Stand Jänner 2018 (EASO Netzwerke),
- ACCORD Anfragebeantwortung Afghanistan: Apostasie, Blasphemie, Konversion, Verstoß gegen islamischen Verhaltensregeln, gesellschaftliche Wahrnehmung von RückkehrerInnen aus Europa vom 15.06.2020,
- ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Masar-e Scharif vom 06.05.2021,
- ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan vom 06.05.2021,
- ecoi.net – Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 27.01.2021,
- ecoi.net – Themendossier zu Afghanistan: Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 16.10.2020,
- die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif vom 30.04.2020,
- die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage der Stadt Herat vom 23.04.2020, sowie
- die aktuellen COVID-19 Zahlen zu Afghanistan
2.4.1. Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen bis 39 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 4).
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die Afghan National Defense Security Forces aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen um Provinzhauptstädte herum stationierte Koalitionstruppen. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (LIB, Kapitel 5).
Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA (Afghanische Nationalarmee) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanischen bzw. Koalitionskräften unterstützt (LIB, Kapitel 8).
Am 30. September endete die Finanzierung der afghanischen Lokalpolizei (Afghan Local Police - ALP), der größten und am längsten bestehenden afghanischen lokalen Verteidigungseinheit. Die Truppe hat eine gemischte Bilanz vorzuweisen: Einige Einheiten haben ihre Gemeinden effektiv und entschlossen verteidigt, während andere sich so schlecht verhielten, dass sie Unterstützung für die Taliban hervorriefen. Doch wie auch immer die Bilanz der einzelnen Einheiten ausfällt, die Auflösung der Truppe wird zwangsläufig Auswirkungen auf die Sicherheit haben Der Plan sieht vor, dass ein Drittel der ALP entwaffnet und in den Ruhestand versetzt wird, ein Drittel in die Afghanische Nationalpolizei (ANP) und ein Drittel in die Afghanische Nationale Armee (Afghan National Army Territorial Force - ANA-TF) überführt wird. Die Innen- und Verteidigungsministerien haben nun drei Monate Zeit, um die rund 18.000 bewaffneten Männer zu sortieren, zu versetzen und umzuschulen oder zu entwaffnen und in den Ruhestand zu versetzen, die sich in 31 der 34 Provinzen Afghanistans aufhalten - inmitten eines Krieges und einer immer noch andauernden Pandemie (ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan vom 06.05.2021).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB, Kapitel 6).
2.4.1.1. Aktuelle Entwicklungen:
Die afghanischen Regierungskräfte und die US-Amerikaner können die Taliban, die über rund 60.000 Mann verfügen, nicht besiegen. Aber auch die Aufständischen sind nicht stark genug, die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nichtamerikanischen NATO-Truppen sollen abgezogen werden. Die Kämpfe zwischen den afghanischen Regierungstruppen, den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen hielten jedoch an und forderten in den ersten neun Monaten des Jahres fast 6.000 zivile Opfer, ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren (LIB, Kapitel 4).
Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann. Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt. Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind. Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt, was den afghanischen Friedensprozess gefährden könnte (LIB, Kapitel 5).
Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung, Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehm