TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/11 L501 2214120-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.06.2021
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Entscheidungsdatum

11.06.2021

Norm

AlVG §12
AlVG §7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch


L501 2214120-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus BRANDNER und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 16.10.2018 betreffend Nichtzuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt nach ergangener Beschwerdevorentscheidung vom 16.01.2019, GZ. LGS SBG/2/0566/2019, und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text




Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden „bP“) stellte am 05.10.2018 einen Antrag auf Arbeitslosengeld und gab dabei an, dass sie sich derzeit in Ausbildung (Studium) befinde. In der Arbeitslosmeldung gemäß § 17 AlVG vom gleichen Tag erklärte sie, dass sie eine Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 10 Wochenstunden suche.

In der am 12.10.2018 vor der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift gab die bP an, sie absolviere seit 01.10.2015 ein Studium als ordentliche Hörerin an der TU Wien und werde diese Ausbildung voraussichtlich mit Oktober 2019 abschließen. Das Ausmaß dieser Ausbildung betrage 28 Stunden, und zwar Mo ganztägig, Di-Fr von 08.00 bis 13.00 Uhr.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.10.2018 wurde ausgesprochen, dass dem Antrag der bP auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 05.10.2018 gemäß § 7 Abs. 2 und 3 Z 1 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge gegeben werde. Begründend wurde ausgeführt, dass die bP durch ihre Ausbildungszeit dem Arbeitsmarkt nicht während der geschäftsüblichen Arbeitszeiten im geforderten Mindestausmaß von 20 Wochenstunden zur Verfügung stehe.

In ihrer mit Schreiben vom 15.11.2018 fristgerecht erhobenen Beschwerde führte sie begründend aus, dass sie arbeitswillig und arbeitsfähig sei und auch die Verfügbarkeit bei einer Vier-Halbtageswoche im geforderten Mindestausmaß gegeben sei.

Mit Schreiben vom 07.01.2019 forderte die belangte Behörde die bP zur Vorlage der Inskriptionsbestätigung und Beantwortung von Fragen zu Lehrveranstaltungen, verpflichtender Teilnahme und Lernzeiten auf.

In der Folge übermittelte die bP eine Studienbestätigung für das Wintersemester 2018/2019, ein Lehrveranstaltungszeugnis vom 16.11.2018 und einen Stundenplan der Lehrveranstaltungen. Ergänzend führte sie aus, dass die Lehrveranstaltungen verpflichtend seien. Die Lernzeit sei in der Vorlesungszeit inbegriffen, zusätzliche persönliche Lernzeiten seien über den Feiertagen im Winter und an Sonntagen gewesen.

Mit Bescheid vom 16.01.2019, GZ. LGS Sbg/2/0566/2019 wies die belangte Behörde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG ab. Nach Darlegung des Sachverhalts wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die bP schon aufgrund ihres Studiums unter Zugrundelegung der ECTS-Punkte einen Arbeitsaufwand von 34 Echtstunden pro Woche habe und bei Aufnahme einer Beschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden ein Arbeitspensum von 54 Stunden pro Woche, somit 14 Stunden über der wöchentlichen Normalarbeitszeit, hätte. Es mangle somit an der objektiven Verfügbarkeit der bP und es sei daher dem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge zu geben.

In ihrem Vorlageantrag ersuchte die bP um nochmalige Überprüfung der Entscheidung und führte begründend dazu aus, dass die belangte Behörde zu Unrecht auch Ausbildungszeiten zur Berechnung der ECTS-Punkte herangezogen habe, die die bP bereits in früheren Semestern abgelegt habe. Ihrer Berechnung zufolge würden sich lediglich 98 Echtstunden pro Monat ergeben und die wöchentliche Arbeitszeit lediglich 3 Stunden über der Normalarbeitszeit (40 Stunden) liegen.

Die belangte Behörde legte hierauf die Beschwerde mit dem Hinweis vor, dass auch nach der Berechnung der bP – 23 Wochenstunden Arbeitspensum – nicht genügend zeitliche Kapazitäten vorlägen, um eine Beschäftigung im Mindestausmaß von 20 Wochenstunden aufzunehmen.

Mit Schreiben vom 25.05.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde um Mitteilung, ob relevante Beschäftigungen in den für die beschwerdeführende Partei möglichen Zeiträumen (sämtliche Tag- und Nachtzeiten außerhalb der Lehrveranstaltungszeiten inklusive Samstag und Sonntag) üblicherweise auf dem regionalen Arbeitsmarkt angeboten werden.

Seitens der belangten Behörde wurde in der Folge mitgeteilt, dass die bP von Oktober 2018 – Jänner 2019 zwei Vermittlungsvorschläge erhalten habe, beide am 30.10.2018 und bei beiden Stellen habe es sich um Vollzeitbeschäftigungen von Montag bis Freitag im Ausmaß von 39,50 bzw. 38,50 Wochenstunden gehandelt. In den gesuchten Berufssparten Elektrotechniker und technischer Zeichner würde seitens der Unternehmen in der Regel Vollzeitbeschäftigung verlangt, Montag bis Freitag ganztägig, Teilzeit werde fast nie angeboten. Im Zeitraum 01.10.2018 bis 31.01.2019 wären 51 Aufträge als Technische Zeichner und 115 Aufträge als Elektrotechniker gemeldet gewesen, und zwar alles Ganztagesstellen.

Mit Schreiben vom 11.12.2020 wurde der bP Gelegenheit gegeben, zu den eingeholten Informationen Stellung zu nehmen und um Vorlage verfahrensgegenständlich relevanter Zeugnisse ersucht.

Mit Schreiben vom 07.01.2021 legte die bP Kopien der im Zeitraum von Anfang Oktober 2018 bis Ende Jänner 2019 erhaltenen Zeugnisse vor, und erklärte, dass es sich um Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 11 ECTS-Punkten gehandelt habe, welche einen Workload von 275 Echtstunden ergäben; dies seien 17 Echtstunden zu 60 Minuten in der Woche. Bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40h ergebe sich eine Differenz von drei Stunden zur Verfügbarkeitsgrenze für den Arbeitsmarkt. Dadurch sei das Arbeitspensum für das Studium im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine Halbtageswoche, womit die restliche Halbtageswoche einer Beschäftigung über dem Ausmaß einer Teilzeitbeschäftigung von 20 Wochenstunden nachgegangen werden könne. Dass sie das Studium ernsthaft betreibe, ergebe sich daraus, dass sie von den in der ersten Beschwerde angegebenen LVA bereits 8 abgelegt habe; es fehlten ihr nur mehr eine Handvoll Prüfungen zur Beendigung des Studiums.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

Die bP verfügt über einen HTL-Abschluss der Fachrichtung Elektrotechnik und betreibt seit 01.10.2015 das Bachelorstudium Elektrotechnik und Informationstechnik. Im Wintersemester 2018/2019 war sie als ordentliche Hörerin an der Technischen Universität Wien inskribiert.

Von 08.05.2018 bis 01.07.2018 bezog sie Arbeitslosengeld; in dieser Zeit war sie vom Studium nachweislich beurlaubt. Vom 02.07.2018 bis 28.09.2018 stand sie als Elektrotechnikerin in Beschäftigung, am 05.10.2018 stellte sie den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Arbeitslosengeld. Die bP erfüllte die große Anwartschaft ohne Ausbildungszeiten gemäß § 12 Abs. 4 AlVG.

Im Wintersemester 2018/2019 hatte die bP folgende Lehrveranstaltungen belegt:

Montag

08.00 – 10:00 VO Energieversorgung (3 ECTS)

10:00 – 11:00 VO Photonik 1 (3 ECTS)

11:00 – 13:00 VO Schaltungstechnik (3 ECTS)

13:00 – 14:30 VU Automatisierung (4,5 ECTS)

15:00 – 17:00 VO Grundlagen der Betriebs- und Unternehmensführung (3 ECTS)

Dienstag

08:00 – 10:00 VU Automatisierung (4,5 ECTS)

10:00 – 12:00 VU Wellenausbreitung (4 ECTS)

Mittwoch

08:00 – 10:00 VO Sensorik und Sensorsysteme (3 ECTS)

10:00 - 12:00 VU Maschinen und Antriebe (3 ECTS)

Donnerstag

8:00 - 10:00 VU Automatisierung (4,5 ECTS)

10:00 - 12:00 VU Wellenausbreitung (4 ECTS)

12:00- 13:00 VO Photonik 1 (3 ECTS)

Freitag

9:00 - 10:00 VO Mathematik 1 (5 ECTS)

10:00 - 12:00 VU Programmieren 2 (4 ECTS)

Laborübung Messtechnik Labor (2 ECTS)

Übung Kommunikation und Präsentation (2 ECTS)

Die VU Programmieren 2 endete im Dezember 2018.

Die bP besuchte bis auf die Lehrveranstaltung „Grundlagen der Betriebs- und Unternehmensführung (3 ECTS)“ alle oben angeführten Veranstaltungen persönlich, da für sie der Besuch für die Prüfungsvorbereitung wichtig war (vgl. VH-NS vom 30.04.2021, Seite 9). Die Absolvierung des Studiums hatte für sie erste Priorität, zumal es sich aus familiären Gründen sowie aufgrund der Absolvierung des Präsenzdienstes schon in die Länge gezogen hatte (vgl. VH-NS vom 30.04.2021, Seite 4, 8)

Sie legte am 01.10.2018 die Prüfung ‚Übung Werkstoffe‘, am 16.11.2018 die Prüfung aus dem Bereich Grundlagen der Betriebs- und Unternehmensführung, am 21.01.2019 die Prüfung aus dem Bereich Energieversorgung, am 06.02.2019 die Prüfung über die ‚Übung Kommunikation und Präsentation‘, am 03.12.2019 die Prüfung aus dem Bereich Mathematik 1 für ET und am 16.01.2019 die Prüfung ‚Laborübung Messtechnik Labor‘ ab.

Die ECTS-Punkte ergeben sich aus der geschätzten Zeit/dem geschätzten Arbeitspensum („work- load“), die eine durchschnittlich Studierende/ein durchschnittlich Studierender für die Absolvierung einzelner Lehrveranstaltungen, Module etc. braucht. Das Arbeitspensum setzt sich aus sämtlichen Lernaktivitäten zusammen, die Teile eines Studiums sind und mittels einer Leistungskontrolle überprüft werden. Dazu zählen: Teilnahme an Lehrveranstaltungen, Praktika, Selbststudium (Bibliotheksarbeit oder Arbeit zu Hause), Prüfungsvorbereitung, Abschlussarbeiten und Abschlussprüfungen. Ein ECTS-Punkt steht für 25 Echtstunden zu 60 Minuten an tatsächlichem Arbeitsaufwand für die Studierende/den Studierenden. Der Arbeitsaufwand eines Studienjahres wird für eine Vollzeitstudentin/einen Vollzeitstudenten mit 60 ECTS-Punkten bemessen (Quelle help.gv.at: ECTS-Punkte).

Die bP hat sohin im WS 2018/2019 alle für das 5. Semester vorgesehenen Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 25,5 ECTS sowie die Lehrveranstaltung Programmieren 2 im Ausmaß von 4 ECTS, die Lehrveranstaltung Grundlagen der Betriebs- und Unternehmensführung im Ausmaß von 3 ECTS, die Lehrveranstaltung Mathematik 1 für ET im Ausmaß von 5 ECTS-Punkten sowie die Übung Kommunikation und Präsentation im Ausmaß von 2 ECTS belegt. Die bP ging daher im WS 2018/2019 unter Zugrundelegung der ECTS-Punkte (Europäisches System zur Anrechnung, Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen) ihrem Studium dem Grunde nach im Ausmaß von 39,5 ECTS-Punkten nach.

Der Arbeitsaufwand zum Zeitpunkt der Antragstellung umfasste im Wintersemester 2018/2019 für 37,5 ECTS-Punkte (Prüfung ‚Übung Werkstoffe‘ war bereits am 01.10.2018 abgelegt worden) 937,5 Echtstunden zu 60 Minuten (37,5 x 25). Das Studienjahr an österreichischen Hochschulen beginnt am 1.10.und endet am 30.09. des Folgejahres, die Dauer eines Semesters beträgt 6 Monate; d.h. das Arbeitspensum der bP betrug für einen Monat des gegenständlichen Wintersemesters gerundet 156 Echtstunden zu 60 Minuten (937,5 :6) sowie gerundet 36 Echtstunden zu 60 Minuten in der Woche (156:4,33).

In der zwischen der belangten Behörde und der bP abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung scheint als Ziel die Unterstützung bei der Suche nach einer Stelle als Technische Zeichnerin oder im Bereich Elektro-Technische-Zeichnerin auf. Die bP hat von Oktober 2018 – Jänner 2019 zwei Vermittlungsvorschläge erhalten; bei beiden handelte es sich um Vollzeitbeschäftigungen, und zwar von Montag bis Freitag im Ausmaß von 39,50 bzw. 38,50 Wochenstunden (vgl. OZ 4). Die bP konnte eigeninitiativ keine für sie passende Stelle finden, zumal von den Unternehmen nur Vollzeitkräfte gesucht wurden. Es kam deshalb zu keinen Bewerbungen von ihr (vgl. VH-NS 5, 7).

In den verfahrensgegenständlich gesuchten Berufssparten werden auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise keine Beschäftigungen mit Dienstzeiten, die den außerhalb des Besuchs der Lehrveranstaltungen rein zeitlich freien (im Sinne einer grundsätzlich nicht gegebenen Ausbildungsbindung aufgrund physischer Anwesenheitsverpflichtung) Kapazitäten der bP entsprechen, angeboten. Seitens der Unternehmen wird in diesem Bereich Vollzeitbeschäftigung, und zwar von Montag bis Freitag ganztägig, nachgefragt (vgl. OZ 5)

II.2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Abführung einer mündlichen Verhandlung unter Einschluss und Zugrundelegung des dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsaktes sowie des Gerichtsakts. Die getroffenen Feststellungen gründen sich u.a. auf den in Klammer angeführten, in diesem Zusammenhang unbedenklichen und nachvollziehbaren Beweismitteln. Darüber hinaus wurden sämtliche aufgenommenen Beweise – auch soweit sie nicht ausdrücklich angeführt sind – im Einzelnen betrachtet und gegeneinander abgewogen.

Die Feststellungen zu den von der bP im Wintersemester 2018/2019 besuchten Lehrveranstaltungen, den abgelegten Prüfungen, etc. ergeben sich aus ihren eigenen Angaben im Zusammenhalt mit dem von ihr übermittelten Stundenplan. Die Anzahl der den jeweiligen Lehrveranstaltungen zugeordneten ECTS-Punkten ergibt sich aus der im Internet abrufbaren und im Akt einliegenden Auflistung der Lehrveranstaltungen samt zugehöriger ECTS der TU Wien.

II.3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, […] und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

II.3.1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten auszugsweise wie folgt:

Nach § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß § 2 leg. cit. zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

Gemäß § 7 Abs. 3 Z 1. AlVG kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen, die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält.

Gemäß § 7 Abs. 7 AlVG gilt als auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Voraussetzungen entsprechende Beschäftigung ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden. Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, erfüllen die Voraussetzung des Abs. 3 Z 1 auch dann, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos ist, wer 1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat, 2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und 3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

Nach § 12 Abs. 3 lit. f leg. cit. gilt nicht als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2, wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

Gemäß § 12 Abs. 4 AlVG gilt abweichend von Abs. 3 lit. f leg cit. während einer Ausbildung als arbeitslos, wer eine die Gesamtdauer von drei Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nicht überschreitende Ausbildung macht oder die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz mit der Maßgabe erfüllt, dass diese ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 erfüllt werden und für die erstmalige Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung gelten. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung genügt die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14.

II.3.2. Einschlägige Rechtsprechung

Das Vorliegen von Arbeitslosigkeit ist grundsätzlich nach Entgeltkriterien (vgl. § 12 Abs. 6 AlVG), die Verfügbarkeit nach zeitlichen Gesichtspunkten zu beurteilen und führt im Ergebnis dazu, dass Personen mit einer maximalen Verfügbarkeit von unter 20 Wochenstunden keinen Leistungsanspruch haben, auch wenn sie ihre Anwartschaft aus arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erworben haben (vgl. Sdoutz/Zechner, AlVG-Praxiskommentar, Rz 162/2 zu § 7).

Ein Arbeitsloser bzw. Notstandshilfebezieher erfüllt die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit iSd § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG, wenn er bereit und in der Lage ist, jederzeit eine sich bietende Arbeitsmöglichkeit zumindest im Umfang der Verfügbarkeitsgrenze tatsächlich aufzunehmen. Gemäß § 7 Abs. 7 AlVG muss sich der Arbeitslose zur Aufnahme und Ausübung einer Beschäftigung mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden (bei Betreuungsverpflichtungen mindestens 16 Stunden) bereithalten. Es ist nicht entscheidend, ob ein derartiges Stundenausmaß in einem bestimmten Zeitraum erzielbar ist, sofern auch Beschäftigungen zu anderen Tageszeiten auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angeboten werden. Gründe für die genannte Verhinderung sind z.B. eine anderweitige Inanspruchnahme des Arbeitslosen bzw. Notstandshilfebeziehers (Erwerbstätigkeit, Ausbildung, ehrenamtliche Tätigkeit, Pflege, Betreuung etc.) oder allenfalls bestehende rechtliche Hindernisse (vgl. Ra 2016/08/0179 vom 23.06.2017 mit Hinweis auf das Erkenntnis 2010/08/0092 sowie Ra 2015/08/0209).

Das Fehlen der Verfügbarkeit ergibt sich (insbesondere bei faktischen Inanspruchnahmen freiwilliger Natur) aus Umständen, wonach in aller Regel angenommen werden kann, dass der Arbeitslose (Notstandshilfebezieher) nicht an einer entsprechenden neuen Beschäftigung, sondern vorwiegend an anderen Zielen interessiert ist (vgl. Ro 2014/08/0034 vom 17.10.2014 mwN).

So bedeutet eine intensive Inanspruchnahme durch eine selbständige Tätigkeit des Arbeitslosen eine Bindung faktischer Art, die erst beseitigt werden müsste, damit eine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung aufgenommen werden könnte. Solange dies nicht geschehen ist, ist die Verfügbarkeit nicht gegeben. Für eine Verfügbarkeit reicht es grundsätzlich nicht aus, die Arbeitswilligkeit dadurch zu begründen, dass (im Zuge einer in Aussicht gestellten "Flexibilität") die Bereitschaft erklärt wird, die genannte Inanspruchnahme zu beenden und jede vom Arbeitsmarktservice vermittelte Beschäftigung anzunehmen, wenn auf Grund konkreter Umstände - hier in Anbetracht des Eigeninteresses des Arbeitslosen an der Fortsetzung seiner selbständigen Tätigkeit, das sein Interesse an der Beendigung der Arbeitslosigkeit beeinträchtigt - Grund zur Annahme besteht, dass im Hinblick auf die anzunehmende zeitliche Beanspruchung des Arbeitslosen nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern die Betätigung in anderen Bereichen das von ihm verfolgte Ziel ist (vgl.. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 2000, 97/08/0519, vom 27. Juli 2001, 2000/08/0216, vom 3. Oktober 2002, 97/08/0596, vom 3. Oktober 2002, 97/08/0602, vom 23. April 2003, 2000/08/0084, und vom 20. September 2006, 2005/08/0093, jeweils mwN).

Für jemanden, der sich einer Ausbildung iSd § 12 Abs. 3 lit f AlVG unterzieht, trifft die gesetzliche Vermutung der mangelnden Verfügbarkeit wegen dieser Ausbildung zu (Sdoutz/Zechner, AlVG – Praxiskommentar, Rz 167 zu § 7).

Befinden sich Personen in einer längeren, als dreimonatigen Ausbildung, was grundsätzlich auf alle Studierenden zutrifft, so gilt für diese, dass die Bestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG nur die Voraussetzung Arbeitslosigkeit betrifft und daher auch die anderen Kriterien für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sein müssen. Dies gilt für die Verfügbarkeit (VwGH vom 18.01.2012, 2010/08/0092), für die sich in § 7 Abs. 8 erster Tatbestand AlVG lediglich eine Ausnahme im Hinblick auf Ausbildungen mit einer Gesamtdauer von bis zu drei Monaten findet (Pfeil, AlV-Komm, Rz. 48 zu § 12).

Der in § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannten Personengruppe gebührt (abgesehen von der Ausnahme des § 12 Abs. 4 AlVG) grundsätzlich kein Arbeitslosengeld. Der Grund für diese Regelung ist darin zu erblicken, dass der Gesetzgeber - ungeachtet subjektiver Umstände und Erklärungen des Arbeitslosen, insbesondere seiner Arbeitswilligkeit - von der Vermutung der Unvereinbarkeit der Ausbildung mit einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit auch von der Vermutung des Fehlens der Verfügbarkeit für eine Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice bzw. des Fehlens der Möglichkeit eines Bemühens um eine neue zumutbare Beschäftigung ausgeht. Dadurch soll verhindert werden, dass das Arbeitslosengeld - systemwidrig - zur Finanzierung einer solchen Ausbildung herangezogen wird, statt dazu zu dienen, nach Maßgabe der Bestimmungen des AlVG den Entgeltausfall nach Verlust der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer neuen abzugelten. Das bedeutet, dass in diesen Fällen von Gesetzes wegen unwiderleglich vermutet wird, dass der Betreffende so lange einer Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice nicht zur Verfügung steht, als er in der Schule oder dem geregelten Lehrgang ausgebildet wird bzw. sich der praktischen Ausbildung unterzieht. Seine allfällig bestehende Arbeitswilligkeit kann der Anspruchswerber daher nicht durch die bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein, sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentieren (vgl. Ra 2018/08/0189 vom 10.10.2018 mit Hinweis auf die Erkenntnisse vom 15. Februar 2006, 2004/08/0062, und vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0265, mwN).

Im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG schließt schon die Zulassung als ordentlicher Hörer an einer Universität die Arbeitslosigkeit aus, wobei es nicht mehr darauf ankommt, in welchem Umfang das Studium, zu dem jemand zugelassen ist, auch tatsächlich betrieben wird. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Zulassung zum Studium an einer Universität in der Regel zu einer überwiegenden Inanspruchnahme des Studierenden durch die Ausbildung führt.

Ein Anspruchswerber, der die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 AlVG ("große Anwartschaft"), erfüllt, gilt gemäß § 12 Abs. 4 AlVG auch während der Ausbildung als arbeitslos. Allerdings müssen bei ihm die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit iSd § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG gegeben sein (vgl. VwGH vom 23.06.2017, Ra 2016/08/0179, mit Hinweis auf 2010/08/0092 vom 18.01.2012, Ra 2015/08/0209 vom 24.02.2016,).

II.3.3. gegenständliches Verfahren

Im vorliegenden Fall erfüllt die bP die Voraussetzungen der großen Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten, sodass sie gemäß § 12 Abs. 4 AlVG während der Ausbildung ohnehin als arbeitslos gilt. Allerdings muss bei ihr die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit iSd § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG gegeben sein.

Es ist daher zu klären, ob die bP zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 05.10.2018 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand.

Die bP betreibt seit 01.10.2015 das Bachelorstudium Elektrotechnik und Informationstechnik. Im Wintersemester 2018/2019 belegte sie alle für das 5. Semester vorgesehenen Lehrveranstaltungen im Ausmaß von 25,5 ECTS sowie die Lehrveranstaltung Programmieren 2 im Ausmaß von 4 ECTS, die Lehrveranstaltung Grundlagen der Betriebs- und Unternehmensführung im Ausmaß von 3 ECTS, die Lehrveranstaltung Mathematik 1 für ET im Ausmaß von 5 ECTS-Punkten sowie die Übung Kommunikation und Präsentation im Ausmaß von 2 ECTS. Die Prüfung ‚Übung Werkstoffe‘ legte sie bereits vor Antragstellung ab. Sie ging daher einem Studium im Ausmaß von 37,5 ECTS nach, sohin 36 Echtstunden zu 60 Minuten in der Woche. Bei Aufnahme einer Beschäftigung im für die Verfügbarkeit erforderlichen Mindestausmaß von 20 Wochenstunden wäre von der bP ein Arbeitspensum von 56 Wochenstunden zu bewältigen gewesen; ihr Arbeitspensum wäre folglich mit 16 Stunden – gerechnet ohne den fiktiven Fahrzeiten - über der wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden gelegen.

Die bP war folglich durch das Studium zeitlich so stark in Anspruch genommen, dass es ihr nicht möglich gewesen ist, eine auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene Beschäftigung mit Dienstzeiten, die ihren konkreten freien Kapazitäten entsprechen und die die Verfügbarkeitsgrenze (§ 7 Abs. 7 AlVG) übersteigen, anzunehmen. Die intensive Inanspruchnahme durch die Ausbildung im Ausmaß von etwa 36 Wochenstunden bewirkte eine Bindung faktischer Art, zumal die Absolvierung des Studiums – wie sie in der mündlichen Verhandlung auch aussagte - für sie erste Priorität hatte und sie auch wiederholt die Ernsthaftigkeit ihrer Studien betonte. Aus dieser Inanspruchnahme und dem darauf bezogenen Eigeninteresse der bP ist der Schluss zu ziehen, dass nicht die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern ihre Ausbildung das von ihr verfolgte Ziel war (in diesem Sinne: Frage: „ […] und die sind alle Vollzeit, dann wäre es durchaus möglich gewesen, bis auf Freitag von 10 bis 12 etwas anzunehmen? Antwort: „Ja, das wäre durchaus möglich gewesen, das hätte ich als letzte Lösung herangezogen.“ Dadurch wurde aber insbesondere ihr Bemühen um eine neue zumutbare Beschäftigung bzw. ihre Motivation, ihre Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich und noch vor Abschluss ihrer Ausbildung zu beenden, beeinträchtigt.

Der belangten Behörde ist daher nicht entgegen zu treten, wenn diese ausführt, dass die bP aufgrund ihres Arbeitspensums als Studierende objektiv dem Arbeitsmarkt nicht im ausreichenden Ausmaß zur Verfügung steht, zumal § 7 Abs. 3 AlVG auf die objektive Verfügbarkeit abstellt und sich nicht auf die subjektive Arbeitsbereitschaft des Arbeitslosen bezieht. Überdies werden in den verfahrensgegenständlich gesuchten Berufssparten auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise keine Beschäftigungen mit Dienstzeiten, die den konkreten freien Kapazitäten der bP entsprechen, angeboten. Seitens der Unternehmen wird in diesem Bereich Vollzeitbeschäftigung, und zwar von Montag bis Freitag ganztägig, nachgefragt.

Zum Vorbringen, ihre Inanspruchnahme durch die Ausbildung sei durch Prüfungsablegungen, Auslaufen von Veranstaltungen, etc. verringert worden bzw. seien nur die ECTS von den abgelegten Prüfungen zu werten, ist festzuhalten, dass die zur Beurteilung herangezogenen ECTS Punkte eine semesterbezogene Wertung darstellen und sich das ECTS Arbeitspensum eben nicht nur aus den Vorlesungsstunden, sondern aus sämtlichen Lernaktivitäten, wie Selbststudium, Prüfungsvorbereitung, etc., zusammensetzt; eine nicht abgelegte bzw. nicht bestandene Prüfung über eine belegte Veranstaltung vermag am prognostizierten Arbeitsaufwand nichts zu ändern; zu bemerken ist, dass auch bei Nichtbestehen einer Prüfung ein Arbeitsaufwand den Antreten im Normalfall vorangeht.

Der Beschwerde war daher mangels objektiver Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis auch nicht abgewichen wurde.

Schlagworte

Anwartschaft Arbeitslosengeld Ausbildung Studium Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L501.2214120.1.00

Im RIS seit

18.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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