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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1 idF 1990/357;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über den Antrag der F in L, vertreten durch Mag. K, Rechtsanwalt in L, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1996, Zl. 4.332.349/3-III/13/96, betreffend Asylgewährung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1996 wurde der am 4. März 1996 gestellte Asylantrag der Beschwerdeführerin - einer Staatsangehörigen der
"Jugosl. Föderation", die am 3. März 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist - in Erledigung ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. März 1996 abgewiesen.
Aufgrund des von der Beschwerdeführerin rechtzeitig gestellten Antrages wurde ihr mit hg. Beschluß vom 1. Juli 1996 die Verfahrenshilfe u.a. durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bewilligt. Dieser Beschluß wurde dem bestellten Verfahrenshelfer Mag. K am 24. Oktober 1996 zugestellt.
Die Beschwerdeführerin führte zur Begründung ihres gleichzeitig mit der Nachholung der versäumten Beschwerde erhobenen Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den angeführten Bescheid aus, ihr Rechtsvertreter habe der langjährig tätigen Kanzleileiterin M den Auftrag gegeben, die Frist für die Erhebung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde mit 5. Dezember 1996 in Vormerk zu nehmen. Aufgrund eines Versehens der seit Jahren zuverlässig tätigen Kanzleileiterin sei der Termin erst mit 11. Dezember 1996 vorgemerkt worden. Der Akt sei daher erst nach Ablauf der Beschwerdefrist, am 6. Dezember 1996, dem Verfahrenshelfer zur Verfassung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde vorgelegt worden. Es handle sich hiebei um ein unvorhergesehenes Ereignis, zumal bisher der Kanzleileiterin ein derartiger Fehler nicht unterlaufen sei und die (offenbar gemeint: stichprobenartige) Überwachung der Fristeintragungen durch den Verfahrenshelfer keine Versäumnisse zutage gebracht habe. Die Fristversäumung sei erst bei Vorlage des Aktes am 6. Dezember 1996 bemerkt worden.
Der diesem Vorbringen entsprechende Sachverhalt wird aufgrund der dem Antrag beigelegten eidesstättigen Erklärung der Kanzleileiterin M vom 9. Dezember 1996 als erwiesen angenommen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung sowohl zu § 71 Abs. 1 lit. a AVG als auch zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzustellen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist diesem als Verschulden anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der Anwalt muß die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Bei der Eintragung von - vom Anwalt berechneten - Fristen in das Fristenbuch ist jedoch nicht eine Kontrolle jeder erforderlichen Eintragung "auf Schritt und Tritt" erforderlich, zumal nicht zu verlangen ist, daß der Anwalt den Fristenvormerk selbst führt (vgl. den hg. Beschluß vom 23. Mai 1996, Zl. 95/18/0538, mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall kann dem Beschwerdevertreter daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er die Eintragung der von ihm berechneten Frist im Fristenbuch nicht selbst vornahm, sondern durch eine bisher verläßliche und bewährte Kanzleikraft durchführen ließ und bezüglich dieser Tätigkeit durch die Kanzleileiterin keine durchgehende Kontrolle durchführte.
Mangels Vorliegens eines - der Beschwerdeführerin anrechenbaren - Verschuldens des Beschwerdevertreters war somit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996011161.X00Im RIS seit
20.11.2000