TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/26 95/01/0137

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Veröffentlicht am 26.02.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. April 1995, Zl. 4.330.302/6-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "früheren SFRJ", der am 5. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 8. Oktober 1991 einen Asylantrag gestellt hat, hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 14. Oktober 1991 als Grund für die Ausreise aus seinem Heimatland angegeben, er sei Angehöriger der albanischen Volksgruppe im Kosovo. Er habe nie einer politischen Partei oder sonstigen Organisation als Mitglied angehört. Er habe in den Jahren 1989, 1990 und zuletzt im Jänner 1991 an Demonstrationen für "ein unabhängiges, von Serbien losgelöstes, Kosovo" teilgenommen. Bei der letzten Demonstration im Jänner 1991 sei er festgenommen und für die Dauer von 24 Stunden von der Polizei verhört worden. Am 18. Juni 1991 habe er zur jugoslawischen Bundesarmee einrücken müssen. Er sei an der Front in Postojno eingesetzt gewesen. Er habe viele Tote und Verwundete ansehen müssen. Dieses sinnlose Morden habe er nicht mehr ausgehalten. In der Folge sei er dann am 5. Oktober 1991 von der Armee in Ajdovcina desertiert. Anschließend sei er zurück nach Postojno geflohen, habe sich bei der kroatischen Nationalgarde gemeldet und angegeben, daß er soeben von der Bundesarmee desertiert sei. Von den Kroaten habe er dann Zivilkleider erhalten. In seine Heimat habe er nicht mehr zurückkehren können, weil er sicher von der Miliz gesucht werde.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hat mit Bescheid vom 21. Februar 1992 festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe seine Heimat aus Gründen der Rasse und Nationalität verlassen; dies habe er auch bei der Vernehmung bekanntgegeben. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1993 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Der Verwaltungsgerichtshof gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 93/01/1423, statt und hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - infolge der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92,93/94 - auf. Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. April 1995 die Berufung neuerlich ab und versagte die Asylgewährung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Versagung von Asyl zunächst darauf gestützt, daß die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe allein noch nicht die Flüchtlingseigenschaft indizieren und daher nicht zur Gewährung von Asyl führen könne. Voraussetzung dafür sei, daß dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Volkszugehörigkeit Nachteile mit Verfolgungscharakter erwachsen seien, die ihm nicht erwachsen wären, wenn er dieser Volksgruppe nicht angehört hätte, und die auch eine entsprechende Intensität aufwiesen. Die belangte Behörde stützte sich weiters auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst ebensowenig einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstelle wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung. Im Falle seiner Rückkehr, so die belangte Behörde weiter, würde der Beschwerdeführer lediglich wegen der Verweigerung der Ableistung des (allgemeinen) Militärdienstes einer "Verfolgung" ausgesetzt sein. Auch wenn diese Verweigerung auf Gewissensgründe zurückzuführen sein sollte, würde dies nicht bedeuten, daß der Beschwerdeführer aus diesen - nach außen nicht in Erscheinung getretenen - Gründen Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu befürchten habe. Das Gesetz mache schließlich keinen Unterschied in der Strafverfolgung und -bemessung hinsichtlich ethnischer Kriterien. Die Todesstrafe sei Ende Juni 1993 abgeschafft worden. Auch die vom Beschwerdeführer behauptete Teilnahme an Demonstrationen stelle, so die belangte Behörde, für sich allein keinen Grund für die Gewährung von Asyl dar. Damit im Zusammenhang stehende polizeiliche Maßnahmen, wie die Festnahme oder Anhaltung von Teilnehmern an verbotenen Demonstrationen, erwiesen sich nicht als Verfolgungshandlung i.S.d. Asylgesetzes 1991. Die Konsequenzen, die dem Beschwerdeführer aus der Teilnahme an Demonstrationen erwachsen würden, könnten nicht als Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 qualifiziert werden. Auch sei für die Behörde kein Zusammenhang zwischen der Festnahme des Beschwerdeführers anläßlich einer Demonstration im Jänner 1991 und seiner Einberufung im Juni 1991 erkennbar.

Soweit der Beschwerdeführer in der Verfahrensrüge vorbringt, der Ersteinvernahme sei im Widerspruch zu den Bestimmungen des AVG kein Amtsdolmetscher beigezogen worden, ist ihm zunächst zu entgegnen, daß gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers - also auch einen solchen, der nicht die Funktion eines Amtsdolmetschers innehat - für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache ausreicht.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - worunter sowohl die Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst als auch nach dessen Antritt die Desertion zu verstehen ist - grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, was auch in den Fällen gilt, in denen in dem betreffenden Heimatstaat unter anderem ein Bürgerkrieg oder eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung stattfindet. Allerdings kann die Furcht vor Verfolgung im Zusammenhang mit der Ableistung des Militärdienstes dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen drohen (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14089/A).

Anders als in dem Fall, der dem angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates zugrunde lag, hat der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme keine Ausführungen gemacht, die darauf hindeuten würden, seine Heranziehung zur Ableistung des Militärdienstes bzw. die Art des Einsatzes, zu dem er beordert worden sei, sei als Verfolgung im Sinne obiger Judikatur anzusehen. Insbesondere hat der Beschwerdeführer aus seiner Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht abgeleitet, er sei wegen dieser Volkszugehörigkeit Verfolgung während der Ableistung des Militärdienstes ausgesetzt gewesen bzw. er habe solche befürchten müssen. Auch in der Beschwerde stellt er lediglich den Inhalt des Erkenntnisses des verstärkten Senates dar, ohne aber auszuführen, in welcher Weise die dort enthaltenen grundsätzlichen Überlegungen auf seinen Fall anwendbar sein sollten.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1994, Zl. 93/01/0377, hinweist - in dieser Verfügung waren Überlegungen zur Asylrelevanz von Einberufungen zum Militärdienst, in dessen Rahmen von der Staatengemeinschaft mißbilligte Akte gesetzt werden sollten, enthalten - und geltend macht, es handle sich bei dieser Verfügung um "die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes", welche zu berücksichtigen sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß es sich bei dieser "Entscheidung" bloß um eine Berichterverfügung handelte, mit der den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die maßgebenden Gründe für die Annahme eines Verstärkungsgrundes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG bekanntgegeben worden waren. Die darin vertretene Rechtsansicht hat aber im abschließenden, bereits angeführten Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Juni 1994 keinen Niederschlag gefunden.

Wenn der Beschwerdeführer weiters geltend macht, "laut UNHCR-Handbuch" sei ein Deserteur bzw. Wehrdienstverweigerer unter dort näher angeführten Voraussetzungen als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er einerseits keine näheren Umstände dargetan hat, aus denen auf ihn die dort genannten Voraussetzungen zutreffen sollten, und daß andererseits dem "Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft", herausgegeben vom Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, 1979, keine normative Kraft zukommt, weshalb dessen Inhalt rechtlich nicht verbindlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 95/01/0070).

Soweit der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme ein Verhör durch die Polizei zufolge seiner Festnahme bei einer Demonstration ins Treffen geführt hat, ist der belangten Behörde darin zu folgen, daß aus einer Festnahme anläßlich einer Demonstration mit anschließendem Verhör für sich allein Verfolgung nicht abgleitet werden kann. Daß aber diese Festnahme für ihn weitere Konsequenzen gehabt hätte oder daß etwa seine Einberufung zum Militärdienst auf diese Festnahme zurückzuführen sei, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung, womit er lediglich geltend macht, er habe angegeben, aus Gründen der Rasse und Nationalität aus seinem Heimatland geflohen zu sein, weist keine ausreichende Konkretisierung auf, um im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Verpflichtung der belangten Behörde zur Anordnung der Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens auszulösen.

Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel siehe S. 6a auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von weiteren Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführers vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da auch sonst für die Entscheidung wesentliche Mängel des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen sind und vom Beschwerdeführer insoweit in seiner Berufung auch nicht - jedenfalls nicht hinreichend konkretisiert - geltend gemacht wurden, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010137.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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