TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/5 W282 2243503-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §28 Abs6
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W282 2243503-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2021, Zl. XXXX und wegen der Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2021 bis 06.05.2021 zu Recht:

A)       

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2021 bis 06.05.2021 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 28 Abs. 6 VwGVG für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 30,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer (BF) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, der BF ist serbischer Staatsbürger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2 Mit Bescheid des Bundeamtes vom XXXX 2016 wurde gegen den BF aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen §233 (1) Z 1 StGB§ 224a StGB § 28a (1) 5. Fall SMG und §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG vom Mai 2016 eine Rückkehrentscheidung iVm einem auf 7 Jahre befristeten Einreiseverbot erlassen. In Entsprechung der Ausreiseverpflichtung wurde der BF am 15.07.2016 auf dem Luftweg nach Serbien abgeschoben und behördlich abgemeldet.

1.3 Der BF reiste trotz noch aufrechtem Einreiseverbot zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt erneut in den Schengenraum ein, um seine in Österreich lebende Familie zu besuchen. Der BF meldete mit 09.04.2020 in Wien 12 einen Wohnsitz bei seiner derzeitigen Ehefrau behördlich an.

1.4 Am XXXX 2021 wurde der BF in Wien im Rahmen einer Verkehrskontrolle durch die Polizei einer Identitätsfeststellung unterzogen, wobei sich der BF mit seinem serbischen Reisepass auswies. Aufgrund des bestehenden Einreiseverbotes und unrechtmäßigen Aufenthaltes wurde der BF gem. § 40 BFA-VG festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum gebracht.

1.5 Der BF wurde vom Bundesamt am XXXX 2021 einvernommen. Er gab an, seine beiden Kinder und seine Frau würden in Wien leben. Er verstehe, dass er Fehler gemacht hätte, er wollte nur seine Kinder besuchen. Er habe im Bundesgebiet nicht gearbeitet.

1.6. Die Ehefrau des BF aus erster Ehe und seine derzeitige Ehefrau und die beiden Kinder des BF leben in Wien. Der BF reiste immer wieder für kürzere Zeiträume ins Bundesgebiet ein um seine Kinder und seine Frau zu besuchen. Die (nunmehrige) Ehefrau des BF lebt in einer Gemeindewohnung in Wien 12, dort hat sich der BF auch behördlich angemeldet und aufgehalten. In dieser Wohnung lebt auch der Sohn aus erster Ehe des BF.

1.7. Der BF verfügt im Bundesgebiet über soziale Verankerung in Form seiner derzeitigen Ehefrau und seiner beiden Kinder aus erster Ehe. Der BF hat einen gesicherten Wohnsitz bei seiner derzeitigen Ehefrau in Wien 12, dort war er auch behördlich angemeldet. Die Ehefrau des BF ist im Bundesgebiet berufstätig und kommt während der Besuche des BF für dessen Lebensunterhalt auf. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der BF im Bundesgebiet einer illegalen Beschäftigung nachgegangen ist.

1.8. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021 zur Zl. XXXX wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der BF wurde am 06.05.2021 nach Serbien abgeschoben, wodurch die Schubhaft faktisch und rechtlich beendet wurde.

1.9 Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hatte in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.10 Der BF hat nicht versucht seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verschleiern. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich der BF bisher bereits fremdenrechtlichen Maßnahmen widersetzt oder entzogen hätte oder zuvor bereits untergetaucht ist.

1.11. Der BF brachte durch seine Vertretung am 17.06.2021 die ggst. Schubhaftbeschwerde ein. Das Bundesamt legte den bezughabenden Verwaltungsakt vor, verzichtete aber trotz Nachfrage am 05.07.2021 auf die Abgabe einer gesonderten Stellungnahme und stellte auch keinen Antrag auf Aufwandsersatz.

II. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen, durch Einsichtnahme im die Anhaltedatei des BMI, in das Strafregister und das Zentrale Melderegister.

Die Feststellungen zum bisherigen Verfahrensablauf ergeben sich insoweit aus widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und dem angefochtenen Bescheid sowie aus der Niederschrift der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt am XXXX 2021.

Nicht ersichtlich ist für das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) worauf sich die Feststellung des Bundesamtes im angefochtenen Schubhaftbescheid stützt, der BF wäre auf dem Weg zur „Schwarzarbeit“ von der Polizei betreten worden. Weder aus der Meldung der LPD Wien noch aus den sonstigen Umständen des Aufgriffs lässt sich für das BVwG dieser Schluss ableiten. Auch machten die anderen, während der Verkehrskontrolle im Fahrzeug befindlichen Personen, keine entsprechenden Angaben, aus denen sich schließen lassen würde, dass der BF auf dem Weg zu einer illegalen Beschäftigung war. Diese Feststellung des Bundesamtes war daher jedenfalls zu verwerfen.

Weiters ist angesichts des Aufenthalts der Ehefrau und der Kinder des BF, wobei der BF auch noch an der Wohnadresse der Ehefrau und des Sohnes aus erster Ehe behördlich gemeldet war (ZMR OZ 1), nicht nachvollziehbar, wie das Bundesamt zu den Schlüssen gelangt, der BF verfüge über keinen gesicherten Wohnsitz und sei im Bundesgebiet nicht sozial verankert. Die Tatsache, dass sich der BF trotz des bestehenden Einreiseverbots und dem damit verbundenen Risiko entdeckt zu werden, an dieser Wohnadresse behördlich angemeldet hat, zeigt, dass dieser Wohnsitz des BF als „gesichert“ angesehen werden kann. Warum das Einreiseverbot das Familienleben des BF in Bezug auf die Schubhaftverhängung relativeren sollte, erschließt sich für das BVwG ebenso wenig, gibt der BF doch selbst an, eben wegen des Kontakts zu seinen Kindern und seiner Ehefrau entgegen des Einreiseverbots (mehrfach) wiedereingereist zu sein. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, worauf sich die Annahme des Bundesamtes stützt, der BF habe im Bundesgebiet „schwarz“ gearbeitet und sei deshalb nicht integriert, da fallbezogen keinerlei Anzeichen für eine illegale Beschäftigung vorliegen.

Angesichts der Umstände des Falles ist daher zwar vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aber auch von einer ausreichenden Vertrauenswürdigkeit des BF auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG hat der Fremde das Recht das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides anzurufen, wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde. Für diese Beschwerden gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 22a Abs. 2 leg. cit. hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

Nach § 22a Abs. 3 leg. cit hat, sofern die Anhaltung noch andauert, das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, wenn eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, vom Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

3.1. Rechtsgrundlagen:
§§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) und Art. 28 VO (EU) 604/2013 lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Artikel 28

Haft

„(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.“

3.1.2. Zur Judikatur allgemein:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.2 Zum konkreten Fall:

Die Anordnung der Schubhaft erfordert zu allererst das Vorliegen eines bestimmten Sicherungsbedarfs iSd § 76 Abs. 2 FPG. Im gegenständlichen Fall hat das Bundesamt die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 2FPG gestützt. Da gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt noch aufrechtem Einreiseverbot vorliegt, ist die Verhängung der Schubhaft nach dieser Bestimmung dem Grunde nach möglich.

Soweit das Bundesamt in seiner Mitteilung vom 05.07.2021 keine Stellungnahme abzugeben, zumindest erkennbar eine verspätete Einbringung der ggst. Beschwerde vorbringt, ist dies für das BVwG nicht nachvollziehbar. Die Anhaltung des BF in Schubhaft (und seine Hinderung der Ausübung des Beschwerderechts) hat mit 06.05.2021 geendet, weswegen entsprechend
§ 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG die sechswöchige Beschwerdefrist von diesem Datum aus zu berechnen ist (VwGH 15.12.201, Ro 2015/01/0008, weiters 20.10.2005, Zl. 2005/11/0109). Die Beschwerde wurde daher am 17.06.2021 rechtzeitig erhoben.

3.2.1 Zur Stattgabe der Beschwerde (Spruchpunkt I.):

Gegenständlich hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Annahme von Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr auf die Erfüllung der Tatbestände der Z 2 und Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG gestützt.

Der BF erfüllt mit seinem Verhalten grundsätzlich § 76 Abs. 3 Z 2 FPG, da er entgegen des bestehenden Einreiseverbotes erneut in den Schengenraum bzw. das Bundesgebiet eingereist ist, wobei er angibt, dies aufgrund seiner sozialen Bindung zu seiner Ehefrau und seinen Kindern getan zu haben.

Zu § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist festzuhalten, dass sich das Bundesamt zu Unrecht auf diesen Tatbestand für die Annahme von Fluchtgefahr stützt. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, ist der BF entgegen der Feststellungen des Bundesamtes sehr wohl im Bundesbiet sozial verankert, da sich seine Ehefrau und seine Kinder aus erster Ehe hier aufhalten. Der BF hat auch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht verschleiert, sondern sich im Gegenteil am 09.04.2020 an der Adresse seiner Gattin in Wien 12 behördlich angemeldet, dies trotz des Risikos, dass dadurch sein illegaler Aufenthalt aufgedeckt wird. Angesichts dieses Faktums und der Tatsache, dass der BF eben genau wegen jener sozialen Bindung zu seinem Sohn und seiner Frau an deren Adresse Unterkunft genommen hat, ist auch vom Vorliegen eines gesicherten Wohnsitzes auszugehen. Der BF mag zwar beruflich nicht im Bundesgebiet nicht verankert sein, bringt aber durchaus glaubwürdig vor, dass seine Gattin während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet für seinen Unterhalt aufkäme. Dass der BF der Schwarzarbeit nachgegangen ist, konnte – wie schon erörtert – nicht festgestellt werden. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher nicht in ausreichendem Maße erfüllt um darauf die Annahme von Fluchtgefahr stützen zu können.

In einer Gesamtschau verbleibt damit nur die Erfüllung von § 76 Abs. 3 Z 2 FPG zur Begründung der Annahme von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Insgesamt besteht aus Sicht des BVwG angesichts der sozialen Verankerung des BF daher nur eine geringe Fluchtgefahr und ein sehr moderater Sicherungsbedarf. Damit soll die Verletzung des Einreiseverbots in fremdenrechtlicher Hinsicht nicht bagatellisiert werden, jedoch ist auch zu beachten, dass der BF glaubwürdig vorbringt, dieses eben aufgrund der sozialen Bindung an seine im Bundesgebiet lebenden Kinder und seine Ehefrau missachtet zu haben. Dass der BF nur zu dem Zweck geheiratet und einen anderen Namen angenommen hat, um das Einreiseverbot zu umgehen ist ggst. ebenso wenig ersichtlich.

Angesichts dieser nur geringen Fluchtgefahr erweist sich die Verhängung der Schubhaft mit dem angefochtenen Mandatsbescheid daher als unverhältnismäßig. Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH 17.03.2009, 2007/21/0542; 30.08.2007, 2007/21/0043). Nach § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 genügt es nicht, wenn bloß "nicht ausgeschlossen werden kann", dass der Sicherungszweck mittels gelinderen Mittels hätte erreicht werden können. Das muss vielmehr - um eine Pflicht zur Anordnung gelinderer Mittel zu begründen - aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles positiv anzunehmen sein (vgl. ErläutRV zum FrÄG 2011, 1078 BlgNR 24. GP 37; sh. VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0022).

Im gegenständlichen Fall erweist sich der durch die Verhängung der Schubhaft erfolgte Eingriff in die persönliche Freiheit des BF angesichts des nur geringen Sicherungsbedarfs und der sozialen Verankerung des BF im Bundesgebiet als nicht verhältnismäßig. Dem bloß geringen Sicherungsbedarf hätte – wie die Beschwerde im Ergebnis berechtigt vorbringt - im ggst. Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch durch ein gelinderes Mittel iSd § 77 FPG wie beispielsweise einer periodischen Meldeverpflichtung samt angeordneter Unterkunftnahme Genüge getan werden können, ohne dass der Sicherungszweck der Abschiebung des BF dadurch maßgeblich beeinträchtigt worden wäre. Es ist davon ausgehen, dass die soziale Bindung des BF an seine Familie und der gesicherte Wohnsitz, an dem BF bereits mehr als ein Jahr vor seinem polizeilichen Aufgriff behördlich gemeldet war, diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Untertauchen abgehalten hätte. Weiters zeigte sich der BF bei seiner Einvernahme auch durchaus einsichtig, gab jedoch an aufgrund der Bindung an seine Kinder im Hinblick auf die Wiedereinreise an, „einen Fehler gemacht zu haben“.

An diesem Ergebnis ändert auch die strafrechtliche Verurteilung im Hinblick auf § 76 Abs. 2a FPG nichts mehr, zumal diese fünf Jahre zurückliegt und der BF bis dato strafrechtlich im Bundesgebiet nicht mehr in Erscheinung getreten ist und ihm der bedingt nachgesehene Teil seiner Freiheitsstrafe nach Ablauf der Probezeit endgültig nachgesehen wurde. Festzuhalten ist hierzu darüber hinaus, dass eine im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigende strafrechtliche Verurteilung kein fehlendes Ausmaß an Sicherungsbedarf ersetzen kann. Angesichts der Kooperationsbereitschaft des BF und der sozialen Bindung ist für das BVwG fallbezogen auch nicht ersichtlich warum das (moderat erhöhte) öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung des BF den Schutz seiner persönlichen Freiheit wiederum soweit überwiegen sollte, dass trotz des nur geringen Sicherungsbedarfs die Anordnung der Schubhaft unbedingt erforderlich sein sollte. Es ist insbesondere nicht ersichtlich warum angesichts täglicher Bus- und Flugverbindungen nach Zagreb nicht auch diesfalls mit einer Kombination aus gelinderem Mittel iSd § 77 FPG und kurzfristiger Festnahme nach § 34 BFA-VG zur Durchsetzung der Abschiebung das Auslangen gefunden werden hätte können.

Fallbezogen hätte daher die Verhängung der Schubhaft mit dem angefochtenen Mandatsbescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021 unterbleiben müssen, da der ggst. Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit des BF nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Auf dieser Basis erweist sich daher der angefochtene Mandatsbescheid vom XXXX 2021, mit dem die Schubhaft über den BF verhängt wurde, als auch die Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2021 bis 06.05.2021 als rechtswidrig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.3 Zur Kostenentscheidung (Spruchpunkt II.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren ist der Beschwerdeführer obsiegende Partei, weshalb ihm Aufwandersatz im beantragten Umfang zuzusprechen war. Konkret wurde vom Beschwerdeführer lediglich der Zuspruch der Eingabegebühr iHv € 30,- beantragt, wobei diese nach hg. Rsp. ersatzfähig ist (VwGH 28.05.2020, Ra 2019/21/0336). Das Bundesamt hat keinen Antrag auf Aufwandsersatz gestellt.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. In der Beschwerde wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist. Gegenständlich ergab sich bereits aus der Aktenlage, dass die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären war, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen konnte.

Zu B):

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Ehe Einreiseverbot familiäre Situation gelinderes Mittel illegaler Aufenthalt Kostenersatz Meldeadresse Privat- und Familienleben Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Wiedereinreise Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2243503.1.00

Im RIS seit

18.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten