Entscheidungsdatum
12.07.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W141 2242945-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geboren am XXXX , VN XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom 01.02.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), in Verbindung mit dem Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 10.05.2021, OB: 17151349800087, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit Wirksamkeit ab dem 06.04.2018 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 80 vH eingetragen.
1.2. Mit Wirksamkeit ab dem 11.02.2020 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen neuen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 60 vH eingetragen.
2. Der Beschwerdeführer hat am 02.10.2020 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes, einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlust, Diebstahls oder der Ungültigkeit gestellt und die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass beantragt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.12.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
3. Mit Bescheid vom 01.02.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
Dem Bescheid war das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin beigelegt.
4.1. Gegen den Bescheid vom 01.02.2021 wurde vom Beschwerdeführer am 25.02.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde ein Schreiben vom AKH bezüglich Unzumutbarkeit Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und einen aktuellen Befund von Dr. SEMLER bei. Darüber hinaus erklärte er weitere neue Befunde ehestmöglich nachzureichen.
4.2. Mit Schreiben vom 27.03.2021 brachte der Beschwerdeführer neue, aktuelle Befunde in Vorlage und führte im Wesentlichen aus, dass er seit der Lungentransplantation inkl. Herz OP (Bypass) im September 2018 anhaltende Schmerzen habe, welche sich seit September 2020 noch mehr verschlimmert hätten, ebenso die Atemnot. In diesem Zeitraum habe sich der Verdacht einer Organabstoßung (Diagnose AKH v. 14.09.2020) verhärtet. Diesbezügliche Befunde müssten schon im Akt aufliegen. Das gravierende Problem sei seine Erschöpfung und die Atemnot bei geringster Anstrengung. Dies bedeute: 25 Stufen 1.Stock; nach 80 Schritten zum Parkplatz; tiefes Einatmen, da extrem Schmerzhaft unmöglich, keine Dehnung des Brustkorbes - drückendes Engegefühl. Laut AKH sei dieser Zustand leider nicht mehr veränderbar. Dieser Umstand zeige sich auch im Befund (Spiroergometrie) v. Dr. VONBANK vom 01.03.2021 im Vergleich zum 06.06.2019. Seit September 2020 wäre auch seine Dosis an Immunsuppresiva verdoppelt worden.
4.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einem Facharzt für Lungenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.04.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
5.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Rahmen der rechtzeitig ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom 10.05.2021, die am 25.02.2021 eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.02.2021 betreffend die Abweisung des Antrages auf Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 41, § 42 und § 46 BBG iVm § 14 und § 15 VwGVG abgewiesen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG zitierend wurde begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde zur Prüfung der gegen den Bescheid vom 01.02.2021 rechtzeitig eingebrachten Beschwerde ärztliche Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, eingeholt habe, welche im Ergebnis ergeben haben, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
5.2. Mit Schreiben vom 27.05.2021 hat der Beschwerdeführer rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt und brachte im Wesentlichen die bereits gemachten Einwände wiederholend vor. Der Beschwerdeführer erklärte zudem, dass der Verdacht einer Organabstoßung, eine Infektion gewesen sei und er drei Monate lang durchgehend Antibiotika einnehmen habe müssen. Er könne keine 100 Meter in einem Stück ohne Pause gehen, ohne Atemnot und Schmerzen, geschweige denn 300 Meter.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.
1.2. Zur beantragten Zusatzeintragung:
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art der Funktionseinschränkungen:
- Erfolgreicher Zustand nach beidseitiger Lungentransplantation 19.09.2018 wegen Lungenfibrose im Endstadium
- Koronare Herzkrankheit mit Zustand nach Intervention
- Zustand nach Wirbelkörpereinbrüchen (11.+12. Brustwirbelkörper) 2019 mit operativer Sanierung bei ausgeprägter Osteoporose nach Cortisontherapie
- Hörstörung rechts
1.2.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Allgemeinzustand: 66 jähriger Mann im altersentsprechenden normalen Allgemeinzustand, keine Ruhedyspnoe, keine Lippenzyanose, keine mobile Sauerstoffversorgung
Ernährungszustand: normaler Ernährungszustand
Größe: 170,00 cm Gewicht: 79,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf, Hals: keine obere Einflussstauung, keine Struma, keine Lippenzyanose, die Hirnnerven frei
Herz: reine rhythmische Herztöne, Frequenz: 78 pro Minute
Lunge: sonorer Klopfschall, verschärfte Vesikuläratmung ohne spastische Nebengeräusche
Brustkorb: symmetrisch, fassförmig, horizontal verlaufende beidseitige pektorale reizlose Transplantationsnarbe,
Leib: weich, über Brustkorbniveau, kein Druckschmerz
Gliedmaßen: keine Krampfadern, keine Beinödeme, die großen Gelenke frei beweglich
Sauerstoffsättigung bei Raumluftatmung: 98% im Normbereich
Gesamtmobilität – Gangbild:
altersentsprechende unauffällige Gesamtmobilität, es wird keine Gehhilfe verwendet, freier Stand und freies Sitzen problemlos möglich
Status Psychicus:
unauffällig, zeitlich- und örtlich orientiert, keine fassbaren kognitiven Defizite, ausgeglichene, freundliche Stimmungslage
1.2.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300-400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der oberen Extremitäten, der unteren Extremitäten, noch der körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Unter Berücksichtigung der mäßiggradigen Funktionsstörung in der Lungenfunktion ist es trotzdem möglich, eine kurze Wegstrecke selbständig zu bewältigen. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
1.3. Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 31.05.2021 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem mit Stichtag 01.06.2021 aus dem zentralen Melderegister eingeholten Datenauszug.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – auf das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte ärztlichen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungenheilkunde. Dieses ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung des vorgelegten Beweismittels den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, der befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren Inhalt nachvollziehbar wie folgt zusammen:
- Der Beschwerdeführer legt die bei derartigen Fällen üblicherweise ausgestellte schematische Bestätigung des AKH Wien / Transplantationsambulanz vom 25.02.2021 vor, wo von der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel "dringend abgeraten" wird. Derartige Schreiben werden bekannter Weise seit vielen Jahren Transplantationspatienten routinemäßig ausgestellt. Die Tatsache der immunsuppressiven Behandlung ist bereits bei sämtlichen Vorgutachten berücksichtigt worden.
- Ebenfalls neu wurde ein psychiatrischer Befund vom 17.02.2021 vorgelegt: es wird auf Angstzustände und Schlafstörungen hingewiesen, weiters Brustkorbschmerzen. Die Ängste hätten sich wegen der Corona-Pandemie verschlechtert. Die in dem Befund genannten Diagnosen sind vorbekannt. Der Beschwerdeführer zur psychiatrischen Situation: er verwende keine diesbezüglichen Tabletten, sei noch nie in stationärer Behandlung gewesen, keine Suizidversuche, normale soziale Integration, er sei verheiratet, er führe ein normales Sozialleben.
Folgende neue Befunde wurden vorgelegt:
- AKH Wien 09.04.2021: wegen der Atemsituation sei das Tragen einer FFP2-Maske nicht möglich, lediglich ein normaler Mund-Nasen-Schutz sei zuzumuten. Eine Verlaufskontrolle im AKH ist für 08.10.2021 vorgesehen. In der Lungenfunktion zeigte sich eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung, die Blutgase lagen im Normbereich.
- Ein Schreiben der gleichen Ambulanz vom 25.02.2021 beschreibt eine immunsuppressive Behandlung.
- Lungenärztlicher Befund Dr. Hesse 03.03.2021: Zustand nach Lungentransplantation, nach Lungenfibrose, normale Durchleuchtung der Lungen, funktionell mittelgradige Obstruktion, normale Blutgasanalyse.
- Spiroergometrie 06.06.2019 und 02.03.2021: maximale Leistung jeweils 64 bzw. 60 Watt = 41 bzw. 45% des Sollwertes, Abbruch wegen Brustkorbschmerzen und Ausbelastung. Es wird im jüngsten Befund darauf hingewiesen, dass keine Sauerstoff-Diffusionsstörung vorliege (!).
Die Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Der medizinische Sachverständige beschreibt die wahrgenommene Gesamtmobilität anschaulich. Der Beschwerdeführer verfügt über eine altersentsprechende unauffällige Gesamtmobilität. Es werden keine Gehhilfen verwendet. Der freie Stand und freies Sitzen sind ebenfalls problemlos möglich.
Der Sachverständige hält weiter nachvollziehbar fest, dass der psychische Zustand des Beschwerdeführers unauffällig, sowie zeitlich- und örtlich orientiert und keine fassbaren kognitiven Defizite feststellbar sind. Er verfügt über eine ausgeglichene, freundliche Stimmungslage.
Darüber hinaus führt er aus, dass die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen weder das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen noch den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar machen. Auch liegt kein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten würden.
Der Facharzt für Lungenheilkunde erklärt, dass kardiorespiratorisch beim Beschwerdeführer derzeit stabile Verhältnisse vorliegen, eine Langzeitsauerstofftherapie ist nicht erforderlich. Mehrfache Messungen der Blutgase sowie der Sauerstoffsättigung waren unauffällig geblieben. Hinweise für Herzinsuffizienz bestehen ebenfalls nicht, ebenso wenig kardiale Folgeerkrankungen der Lungenerkrankung wie Cor pulmonale oder sekundärer Lungenhochdruck. Beim Beschwerdeführer sind auch keine hochgradigen Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat gegeben und fehlen kognitive Defizite.
Betreffend das Infektionsrisiko innerhalb öffentlicher Verkehrsmittel erörtert der untersuchende Sachverständige, dass der Beschwerdeführer angab, trotz immunsuppressiver Dauerbehandlung seit der Lungentransplantation keinen wie immer gearteten schweren Infekt durchgemacht zu haben. Es ist keine angeborene- oder erworbene Immundefizienz klinisch fassbar oder befundmäßig dokumentiert, welche geeignet wäre, eine nachweisliche wesentliche erhöhte Infektanfälligkeit auszulösen. Typische diesbezügliche Erkrankungen wie atypische Lungenentzündungen sind anamnestisch ebenfalls beim Beschwerdeführer nicht erhebbar und auch in Zukunft nicht zu erwarten oder prognostizieren.
Zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten führt er aus, dass gegenüber dem Vorgutachten vom 14.12.2020 der Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin aus lungenfachärztlicher Sicht ein unverändertes Zustandsbild gegeben ist. Die mäßiggradige Funktionsstörung in der Lungenfunktion wurde berücksichtigt. Weiterhin bestehen keine Hinweise auf respiratorische Insuffizienz, eine Langzeitsauerstofftherapie ist nicht erforderlich. Die Auswirkungen der immunsuppressiven Behandlung sind ebenfalls berücksichtigt. Die übrigen Leidenszustände bleiben ebenfalls unverändert.
Der medizinische Sachverständige hält weiters fest, dass eine einer Behinderung entsprechende psychiatrische Diagnose nicht vorliegt. Insbesondere weist er darauf hin, dass im psychiatrischen Befund vom 17.02.2021 keine Diagnose mit ICD-10 erwähnt wird.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.
Zu 1.3.) Das Schreiben, mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist, weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 31.05.2021 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichtes mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
Gemäß § 15 Abs. 2 VwGVG hat ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
Gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG sind verspätete und unzulässige Vorlageanträge von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise).
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionsein-schränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
? nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Trotz der mäßiggradigen Funktionsstörung in der Lungenfunktion ist die Mobilität und die Belastbarkeit beim Beschwerdeführer ausreichend, sodass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar ist. Es ist daher dem Beschwerdeführer das Verwenden von öffentlichen Verkehrsmitteln möglich, eine dauernde erhebliche Funktionsstörung liegt nicht vor.
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung des erforderlichen Behelfes die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die festgestellten Defizite wirken sich nicht maßgebend negativ auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt und somit gewährleistet.
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Kraft- und Muskeldefizite vor und konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Kardiorespiratorisch liegen derzeit stabile Verhältnisse vor, eine Langzeitsauerstofftherapie ist nicht erforderlich. Mehrfache Messungen der Blutgase sowie der Sauerstoffsättigung waren unauffällig geblieben. Hinweise für Herzinsuffizienz bestehen nicht, ebenso wenig kardiale Folgeerkrankungen der Lungenerkrankung wie Cor pulmonale oder sekundärer Lungenhochdruck. Beim Beschwerdeführer sind auch keine hochgradigen Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat gegeben und fehlende kognitive Defizite.
Darüber hinaus ist betreffend das Infektionsrisiko innerhalb öffentlicher Verkehrsmittel festzuhalten, dass der Beschwerdeführer angab, trotz immunsuppressiver Dauerbehandlung seit der Lungentransplantation keinen wie immer gearteten schweren Infekt durchgemacht zu haben. Es ist keine angeborene- oder erworbene Immundefizienz klinisch fassbar oder befundmäßig dokumentiert, welche geeignet wäre, eine nachweisliche wesentliche erhöhte Infektanfälligkeit auszulösen. Typische diesbezügliche Erkrankungen wie atypische Lungenentzündungen sind anamnestisch nicht erhebbar, auch in Zukunft nicht zu erwarten oder zu prognostizieren.
Somit sind das Erreichen, ein gesichertes Ein- und Aussteigen und ein gesicherter Transport im öffentlichen Verkehrsmittel möglich.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2242945.1.00Im RIS seit
18.08.2021Zuletzt aktualisiert am
18.08.2021