Entscheidungsdatum
13.07.2021Norm
BBG §40Spruch
W141 2241584-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter
Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , VN XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 09.06.2020, OB: XXXX , betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gemäß § 41, § 43 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Wirksamkeit ab dem 01.10.2008 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 60 vH eingetragen.
2. Der Beschwerdeführer hat am 27.11.2019 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.02.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 50 vH bewertet wurde.
2.2. Mit Schreiben vom 12.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer gem § 45 AVG im Rahmen des Parteiengehörs das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit eingeräumt binnen einer Frist von 2 Wochen hiezu Stellung zu nehmen.
2.3. Mit Schreiben vom 25.03.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme zum Parteiengehör und einen weiteren Befund ein.
2.4. Zur Überprüfung der neu vorgebrachten Beweismittel und Einwende wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme desselben Arztes für Allgemeinmedizin vom 02.04.2020 eingeholt, in welcher weiterhin an dem eingeschätzten Grad der Behinderung festgehalten wurde.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.06.2020 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass gemäß §§ 40 ff BBG ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH festgestellt.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 50 vH vorliegen würde. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.
4. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
Unter Vorlage von weiteren medizinischen Beweismitteln wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 09.06.2020 Beschwerde einlegt.
4.1. Zur Überprüfung der eingebrachten Beschwerde und den neu vorgelegten Unterlagen wurde von Seiten der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.04.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung 50 vH betrage.
4.2. Mit Beschwerdevorlage vom 19.04.2021 wurde das Beschwerdevorbringen samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
4.3. Mit Schreiben vom 05.05.2021 wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG unter Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu einlangend binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens zu äußern. Von Seiten des Beschwerdeführers wurde hiezu keine Stellungnahme eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand: 55-Jähriger in gutem AZ
Ernährungszustand: adipös, BMI 33
Größe: 186,00 cm Gewicht: 115,00 kg
Klinischer Status – Fachstatus:
Stuhl: unauffällig
Miktion: unauffällig
Händigkeit: rechts
Geruch: anamnestisch unauffällig
Gesichtsfeld: fingerperimetrisch keine Einschränkung
Visus: Lesebrille
Pupillen mittelweit, rund isocor
Optomotorik frei, keine Doppelbilder, Nystagmus: keiner
Facialis: seitengleich innerviert, kein mimisches Defizit
Sensibilität: unauffällig
Hörvermögen anamnestisch unauffällig,
Zunge: wird gerade herausgestreckt, stgl. gut beweglich
Uvula mittelständig, Gaumensegel hebt symmetrisch
Kopfdrehung und Schulterhebung: unauffällig
OE:
Rechtshänder
Kraft: keine eindeutige Kraftminderung
Trophik: unauffällig
Tonus: unauffällig
Motilität: Nacken und Schürzengriff: nicht eingeschränkt
Seitabduktion bds. bis zur Senkrechten
Faustschluss und Fingerspreizen gut durchführbar
Pinzettengriff: bds. möglich
Feinmotorik: mäßig reduziert
MER (BSR, RPR, TSR) : seitengleich schwach
Pyramidenbahnzeichen: negativ
geringe Dysdiadochokinese bds.
AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne Pronation
FNV: zielsicher bds.
Sensibilität: handschuhförmige Hyp/Dysästhesie, schmerzhafte Berührung angegeben
UE:
Kraft: minimale distale Reduktion KG 5-
Trophik: Pigmentierung der Haut
Tonus: unauffällig
Motilität: nicht eingeschränkt
PSR und ASR nicht sicher auslösbar
Pyramidenbahnzeichen : negativ
Laseque: negativ
Beinvorhalteversuch: kein Absinken
Knie- Hacke- Versuch : zielsicher bds.
Sensibilität: deutliche stutzenförmige Hypästhesie
Stand und Gang: breitbasig aber flott
Romberg: unsicher schwankend
Unterberger Tretversuch: wegen Unsicherheit abgebrochen
Sprache und Sprechen: unauffällig
Gesamtmobilität – Gangbild:
kommt frei gehend zur Untersuchung, mäßig breitbasiges, etwas staksiges Gangbild ohne Hilfsmittel, beobachtbar flottes Gangbild, Aufstehen ohne Unterstützung der Arme möglich, Verwendung des Schuhlöffels und Handling mit Befunden gut möglich, wurde von Gattin mit PKW hergebracht
Führerschein: ja, fahre selten selbst
An/Auskleiden Schuhe und Socken von Gattin unterstützt
Status Psychicus:
Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewusstseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
1
Sensomotorische axonale Polyneuropathie
Oberer Rahmensatz, da ausgeprägte Gefühlsstörungen und Missempfindungen mit feinmotorischen Einbußen.
04.06.01
40 vH
2
Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren Grades, Abnützungen, Zustand nach Fraktur der Lendenwirbelkörperfortsätze 4 und 5 2005
Unterer Rahmensatz, da radiologische Veränderungen und Zustand nach Frakturgeschehen, bei mäßiger funktioneller Einschränkung, ohne relevante Wurzelreizzeichen.
02.01.02
30 vH
3
Zustand nach Frakturgeschehen im Bereich des Beckens und der Symphyse- operiert 2005
Mittlerer Rahmensatz, da radiologische Veränderungen und endlagig mäßige funktionelle Einschränkung.
02.05.08
30 vH
4
Chronische Niereninsuffizienz
2 Stufen über unterem Rahmensatz, da bei Erhöhung von Nierenfunktionsparametern und chronischem Verlauf insgesamt weitgehend stabilisiert.
05.04.01
30 vH
5
Bluthochdruck
Fixer Rahmensatz
05.01.02
20 vH
6
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Oberer Rahmensatz, da spezifische Bedarfsmedikation erforderlich.
06.06.01
20 vH
7
Diabetes mellitus
Unterer Rahmensatz, da rein diätetisch behandelt.
09.02.01
10 vH
8
Makrozytäre Anämie
Unterer Rahmensatz, da medikamentös substituiert.
10.01.01
10 vH
Gesamtgrad der Behinderung
50 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH. Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 wegen ungünstigem Zusammenwirken insgesamt um 1 Stufe erhöht. Leiden 4 bis 8 erhöhen mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter.
1.3. Der gegenständliche Antrag ist am 27.11.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das seitens der belangten Behörde in Auftrag gegebene Gutachten von einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers vom 15.04.2021, auch in Zusammenschau mit dem durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 18.02.2020 und der Stellungnahme vom 02.04.2020, schlüssig und nachvollziehbar.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es auch die an ärztliche Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen. Im eingeholten Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.
Das durch die belangte Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund und der Aktenlage entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die Sachverständige Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie führt nachvollziehbar aus, dass die Beurteilung des führenden Leidens 1, sensomotorische axonale Polyneuropathie, unter der Richtsatzposition 04.06.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH erfolgt. Da ausgeprägte Gefühlsstörungen und Missempfindungen mit feinmotorischen Einbußen bestehen, fällt die Wahl auf den oberen Rahmensatz.
Leiden 2, Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen mittleren Grades, Abnützungen, Zustand nach Fraktur der Lendenwirbelkörperfortsätze 4 und 5 2005, wird von der neurologischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH bewertet. Dies entspricht dem unteren Rahmensatz der Richtsatzposition, da beim Beschwerdeführer radiologische Veränderungen und ein Zustand nach Frakturgeschehen, bei mäßiger funktioneller Einschränkung, bestehen ohne relevante Wurzelreizzeichen.
Leiden 3 und 4 werden von der Sachverständigen ebenfalls mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft. Der Zustand nach Frakturgeschehen im Bereich des Beckens und der Symphyse- operiert 2005 – (Leiden 3) wurde mit dem mittleren Rahmensatz der Richtsatzposition 02.05.08 bewertet, da radiologische Veränderungen und endlagig mäßige funktionelle Einschränkung gegeben sind. Leiden 4, chronische Niereninsuffizienz, wird aufgrund der Erhöhung von Nierenfunktionsparametern und da der chronische Verlauf insgesamt weitgehend stabilisiert ist, mit zwei Stufen über unterem Rahmensatz der Positionsnummer 05.04.01 eingestuft.
Leiden 5, Bluthochdruck unter der Positionsnummer 05.01.02, und Leiden 6, chronisch obstruktive Lungenerkrankung unter der Positionsnummer 06.06.01, begründen laut der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie einen Grad der Behinderung von 20%. Sie führt nachvollziehbar aus, dass die Wahl des Leiden chronisch obstruktive Lungenerkrankung auf den oberen Rahmensatz fällt, da beim Beschwerdeführer eine spezifische Bedarfsmedikation erforderlich ist.
Das Leiden Diabetes mellitus wird rein diätetisch behandelt. Es wird daher mit dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 09.02.01 und einem Grad der Behinderung von 10 vH eingestuft.
Auch das Leiden Makrozytäre Anämie wird mit einem Grad der Behinderung von 10 vH der unteren Rahmensatz der Positionsnummer 10.01.01 eingestuft, da das Leiden medikamentös substituiert wird.
Weiters hält die Sachverständige nachvollziehbar fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung mit 50 vH zu bewerten ist und führt diesbezüglich weiter aus, dass das führende Leiden 1 (sensomotorische axonale Polyneuropathie), durch das Leiden 2 (Wirbelsäule – Funktionseinschränkungen mittleren Grades, Abnützungen, Zustand nach Fraktur der Lendenwirbelkörperfortsätze 4 und 5 2005) und 3 (Zustand nach Frakturgeschehen im Bereich des Beckens und der Symphyse – operiert 2005), um eine Stufe erhöht wird wegen ungünstigem Zusammenwirken. Leiden 4 bis 8 erhöhen mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter.
Dies steht im Einklang mit der Einschätzung aus dem Vorgutachten, die Sachverständige hält fest, dass keine wesentlichen Veränderungen zur Untersuchung vom 18.02.2020 zu objektivieren sind.
Die bei dem Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden somit im eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.
Die Angaben des Beschwerdeführers konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
Zu 1.3.) Der Antrag des Beschwerdeführers weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 27.11.2019 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
– Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
– Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.
Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung am 27.11.2020 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs 1. hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auftretende Änderungen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Da ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt wurde und somit eine Senkung des bisherigen Grad der Behinderung von 10 vH vorliegt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im erstinstanzlichen Verfahren ein ärztliches Sachverständigengutachten sowie eine Stellungnahme und ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die erhobenen Einwendungen waren nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2241584.1.00Im RIS seit
18.08.2021Zuletzt aktualisiert am
18.08.2021