TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/5 I413 2241985-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2021
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Entscheidungsdatum

05.08.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I413 2241985-1/14E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DER AM 16.07.2021 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , vertreten durch RA Dr. Karl HEPPERGER, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 10.03.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text



Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 29.09.2020 (Datum des Einlangens bei der belangten Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis).

2. Nach Aufnahme eines Gutachtens zu den körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten, über sechs Monate voraussichtlich andauernden Funktionseinschränkungen, in welchem der Sachverständige diese Funktionseinschränkungen mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. einschätzte, stellte die belangte Behörde aufgrund des Unfallrentenrentenbescheides der SVS vom 17.06.2000 dem Beschwerdeführer am 15.03.2021 einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. aus.

3. Mit angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung in den Behindertenpass ab, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Zusammengefasst wird ausgeführt, es bestehe eine Bewegungseinschränkung von zumindest 70 vH; der Beschwerdeführer leide an Bewegungseinschränkungen und Bewegungsschmerzen an der Halswirbelsäule und an der Lendenwirbelsäule. Er könne eine kurze Wegstrecke nicht ohne Pausen zurücklegen. Es sei ihm eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

5. Mit Schriftsatz vom 29.04.2021 (eingelangt an diesem Tage) legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

6. Mit verfahrensleitendem Beschluss zog das Bundesverwaltungsgericht den Amtssachverständigen XXXX dem Verfahren bei und beauftragte ihn festzustellen, welche Leiden und Funktionseinschränkungen, die mehr als 6 Monate voraussichtlich andauern werden, festzustellen und nach der EVO einzuschätzen sowie den Gesamtgrad der Behinderung zu ermitteln. Zudem wurde er beauftragt, abzuklären, ob es aus medizinischer Sicht zutrifft, dass der Beschwerdeführer zu 70 % in der Bewegung eingeschränkt sei und wie sich diese Einschränkung allenfalls auf die Einschätzung des Grades der Behinderung auswirke. Zudem wurde er damit beauftragt auszuführen, ob der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke aus Eigenem ohne Pause zurücklegen könne, Gehilfen benötige und sicher ein öffentliches Transportmittel besteigen und wieder verlassen sowie in einem solchen transportiert werden könne.

7. Mit Gutachten vom 17.05.2021, eingelangt am 19.05.2021, kam der Amtssachverständige zusammenfassend zu folgenden Schlussfolgerungen:

1.       „Welche Funktionseinschränkungen und Leiden liegen beim Beschwerdeführer vor, die mehr als 6 Monate voraussichtlich andauern werden? Wie sind diese nach der EVO einzuschätzen?

Bitte geben Sie unter anderem auch die Positionsnummer der EVO an auf die sich Ihre Einschätzung bezieht

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Beschwerde beinhaltet keine Ausführung über irgendwelche Funktionseinschränkungen oder Leiden, die bestehen und beurteilt werden können.

Es sind Unfälle und Verletzungen angegeben, die zu Funktionseinschränkungen und Leiden führen können.

Aus dem Gutachten VOB: 53566401400017 vom 12.01.2021 können folgende Leiden übernommen werden

-        Chronische Rückenbeschwerden

(Zn. Traktorunfall 1992, Dg.: Bruch der Rippenfortsätze L1-L4 links, Bruch der 12. Rippe rechts, Sakrumfraktur}

sind aus fachlicher Sicht soweit objektivierbar, dass die Wirbelsäulenverletzung 1993 und 1995 bei der Begutachtung für die SV-Bauern mit 30% bewertet wurde.

Bei der Gutachtenuntersuchung vom 12/01/2021 werden Bewegungsschmerzen angegeben.

Aktuelle Befunde oder ein Behandlungsverlauf wegen Rückenproblemen wurden nicht vorgelegt. Eine Einschränkung der Funktion der Wirbelsäule ist in keinem der Befunde explizit angegeben.

Knöcherner Reaktion und Abnützung werden auf Grund der gutachterlichen Erfahrung angenommen und bewertet. Neurologische Ausfälle bestehen keine.

Das Wirbelsäulenleiden wird nach der EVO mit 30% bewertet.

Positionsnummer 02.05.18

-        Knieleiden rechts

{Zn. Kreuzbandruptur, Arthroskopie mit Resektion des Stumpfes bei Inkarzeration}

Ist als Residualzustand im Befund des Kh Hall 08.04.1997 mit Arthroskopie und Resektion des Inkarzerieten Kreuzbandstumpfes objektivierbar.

Weitere Behandlungen oder Arztbriefe sind nicht vorliegend.

Eine mäßige Varusfehlstellung und Bewegungseinschränkung am Kniegelenk rechts ist bei der Untersuchung objektivierbar und wird mit 20% bewertet. Positionsnummer 02.05.18

-        Handleiden links

-        a) Zn. Quetschung des Daumen links mit offenem Bruch des Endgliedes

Diese Diagnose ist im Karteiblatt der Unfallchirurgie in Innsbruck am 06.06.1997 als Arbeitsunfall aufgeführt. Die gerissene Daumen-Strecksehne wurde genäht, der gebrochene Knochen mit Stiften fixiert und die Wunde genäht. Die Behandlung wurde am 27.06.1997 beendet.

~ b) Zn. Riss-Quetschwunde an der Hohlhand links mit Hydraulikschlauch

Diese Diagnose ist im Karteiblatt der Unfallchirurgie in Innsbruck am 14.09.2017 als Arbeitsunfall aufgeführt. Die Wunde wurde im OP versorgt und der Pt. Am 15.09. gegen Revers entlassen.

Die Daumenverletzung und Weichteilverletzung an der Mittelhand links werden mit 10% bewertet. Positionsnummer 02.06.20

2.       Welcher Gesamtgrad der Behinderung liegt beim Beschwerdeführer vor?

Ist hier berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den festgestellten Funktionseinschränkungen auch an Schmerzen leidet?

Die Beurteilung sämtlicher unfallchirurgischer/ orthopädischer Leiden nach den Richtlinien der EVO ergibt den Gesamtgrad der Behinderung von 30%.

Das Wirbelsäulenleiden wird durch das Knieleiden nicht wechselseitig verschlimmert. Das Handleiden erhöht wegen Geringfügigkeit nicht.

Die angegebenen Schmerzen wurden im Rahmen der Beurteilung mitbewertet, wobei der Beschwerdeführer bei der Untersuchung angibt, dass er keine regelmäßige Schmerzmedikation einnimmt und diese Bedarfsmedikamente stammen aus der Gruppe der oralen entzündungshemmenden Mittel - WHO Stufe I -, die bei geringen Schmerzen eingesetzt werden.

3.       Trifft es aus medizinischer Sicht zu, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Bewegungseinschränkungen zu 70 % eingeschränkt ist? Wenn ja, wie verhält sich diese prozentuale Bewegungseinschränkung zum Grad der Behinderung des

Beschwerdeführers?

Der Beschwerdeführer ist an keinem der Gelenke zu 70% Bewegungseingeschränkt.

Der Bescheid der SVE mit 55% Gesamtgrad der MdE aus der Begutachtung der SVS 2017 ergibt sich aus der Summation der Einzelereignisse {1992, 2 x 1997, 2017} und hier wird die MdE beurteilt

4.       Kann der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke (300 m bis 400 m) aus eigenem ohne Pause zurücklegen?

Ja, der Beschwerdeführer kann ohne Pause aus eigenem eine kurze Wegstrecke zurücklegen. Es besteht keine Funktionseinschränkung an den unteren Extremitäten, die diese Wegstrecke nicht zuließe.

5.       Benötigt der Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht Gehhilfen (wie Krücken, Rollator, oder Rollstuhl)?

Der Beschwerdeführer benötigt aus medizinischer Sicht keine der oben angeführten Gehhilfen. Bei der Gutachtenuntersuchung wurden auch keine Hilfsmittel verwendet.

6.       Kann der Beschwerdeführer sicher in einem öffentlichen Verkehrsmittel transportiert werden, ein solches sicher besteigen und aus einem solchen sicher aussteigen?

Der Beschwerdeführer kann sicher in einem öffentlichen Verkehrsmittel transportiert werden, ein solches sicher besteigen und aus einem solchen sicher aussteigen. Es besteht keine Funktionseinschränkung weder an der Wirbelsäule noch an den oberen oder unteren Extremitäten, die eine sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu ließen.“

8. Dieses Gutachten übermittelte das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 19.05.2021 den Parteien und ermöglichte diesen unter Setzung einer Frist von drei Wochen zu diesem Gutachten Stellung zu nehmen.

9. Mit dem am 10.06.2021 eingebrachten Schriftsatz nahm der Beschwerdeführer zum aufgenommenen Gutachten Stellung und brachte zusammengefasst vor, dass nicht nachvollziehbar sei, wie der Sachverständige aufgrund seiner Einschätzungen der festgestellten Leiden bloß auf einen Grad der Behinderung von 30 v.H. gelangt sei. Die Feststellung, der Beschwerdeführer könne eine kurze Wegstrecke zurücklegen widerspreche dem Knieleiden und der Einschätzung einer 20 %-igen Bewegungseinschränkungen. Es sei evident, dass das Hüftleiden und das eingeschlafene Gefühl an der linken unteren Extremität nicht berücksichtigt worden seien. Denklogisch führe dieser Umstand zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zudem habe derselbe Sachverständige die Begutachtung vorgenommen wie im Verwaltungsverfahren. Ohne dem Sachverständigen die Objektivität absprechen zu wollen, sei es nicht zulässig, den Sachverständigen sowohl in erster als auch in zweiter Instanz heranzuziehen. Ferner verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er eine mündliche Verhandlung beantragt habe.

10. Das Bundesverwaltungsgericht brachte diese Stellungnahme am 14.06.2021 dem Sachverständigen zur Kenntnis und ersuchte diesen hierzu Stellung zu nehmen.

11. Mit weiterer gutachterlicher Stellungnahme vom 20.06.2021 führte der Amtssachverständige zum Vorbringen des Beschwerdeführers zum Gesamtgrad der Behinderung auf, dass die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung gemäß Einschätzungsverordnung durchgeführt worden sei und eine einfache Addition der festgestellten Teilbehinderungen nicht durchzuführen sei. Das Wesentliche für die Bildung des Gesamtgrades der Behinderung sei die Höhe der einzelnen Behinderungen und deren gegenseitige Leidensbeeinflussung. Im vorliegenden Gutachten sei die Bewertung der Handfunktion mit 10 % außer Betracht zu lassen. Das Knieleiden, mit 20% bewertet, führe nicht zwangsläufig zu einer wesentlichen, wechselseitigen Verschlechterung der Wirbelsäulenfunktion (30%) und dadurch zur Verminderung der Gesamtfunktion. Der Gesamtgrad der Behinderung werde mit 30% eingestuft. Die Bewertung des Knieleidens mit 20 % ergebe sich aus der Kreuzbandverletzung von 1997 mit daraus resultierender geringen Instabilität und einer bei der gutachterlichen Untersuchung am 12.01.2021 festgestellten geringen Bewegungseinschränkung. Diese Funktionseinschränkung bedinge keine Gehbehinderung, die eine Wegstrecke über 300-400m nicht zuließe. Zusätzliche Befunde aus den letzten 23 Jahren lägen nicht vor, die eine andere Bewertung bewirkten. Für die vom Antragsteller/Beschwerdeführer angeführten Hüftbeschwerden links, läge kein Befund vor. Bei der Untersuchung habe keine Funktionseinschränkung festgestellt werden können. Die vorgebrachten „ ..unerträglichen Schmerzen.." seien mit der Angabe des Beschwerdeführers, dass keine Schmerzmedikation eingenommen würden, nicht kongruent. In den letzten 5 Jahren seien auch keine Therapiemaßnahmen durchgeführt worden, die üblicherweise zur Verbesserung und Linderung der genannten Beschwerden angewandt würden. Hilfsmittel zur Erleichterung des Hüft- und Kniegelenksbeschwerden würden nur in Form eines Kniestrumpfes verwendet. Die Option von möglichen Gehhilfen würde noch nicht ausgeschöpft. Zur Aussage des Beschwerdeführers, dass „..Auch das Zurücklegen kurzer Wegstrecken Schmerzen bereite und das Ein- und Aussteigen in öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund der Bewegungseinschränkung nicht zumutbar ist..", stellte der Amtssachverständige neben dem Untersuchungsbefund vom 12.02.2021 noch fest, dass der Beschwerdeführer zumindest bis zur Untersuchung als Landwirt arbeite. Hier sie auch eine deutliche Diskrepanz zwischen den geschilderten Einschränkungen und den körperlichen Anforderungen festzustellen, um diesen Beruf zu verrichteten. Zudem führte er das Anforderungsprofil und die Tätigkeit als Landwirt/Landwirtschaftlicher Facharbeiter an.

12. Diese ergänzende gutachterliche Stellungnahme übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien mit Schreiben vom 23.06.2021 zur Kenntnis und ermöglichte diesen binnen 3 Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Eine schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

13. Am 13.07.2021 teilte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer verletzungsbedingt nicht an der mündlichen Verhandlung am 06.07.2021 teilnehmen werde und kündigte an, selbst in Rechtsvertretung des Beschwerdeführers an dieser teilzunehmen.

14. Am 16.07.2021 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in der die aufgenommenen Gutachten in Gegenwart des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers erörtert wurden. Nach Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis sofort mündlich verkündet und dem Rechtsvertreter eine Ausfertigung der Niederschrift samt Belehrung gemäß § 29 Abs 2a VwGVG persönlich ausgefolgt und der nicht anwesenden Behörde zugestellt.

15. Mit Schriftsatz vom 30.07.2021 (eingelangt am selben Tag) beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch einen gemäß § 7 BVwGG iVm § 45 Abs 2 und 3 BBG gebildeten Senat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang (Pkt. I.) wird festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und in Axams wohnhaft. Der Beschwerdeführer übt den Beruf eines Landwirtes aus. Er ist aufgrund des Unfallrentenbescheides der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) vom 17.06.2020 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 v.H.

Der Beschwerdeführer leidet an Funktionseinschränkungen mittleren Grades an der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 v.H., an Funktionseinschränkungen geringen Grades einseitig am Kniegelenk mit einem GdB von 20 v.H. und an einer Funktionseinschränkung geringen Grades der Hand einseitig mit einem GdB vom 10 v.H.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v.H.

Der Beschwerdeführer kann eine kurze Wegstrecke von 300m bis 400m in Einem zurücklegen und kann sicher ein öffentliches Verkehrsmittel besteigen und verlassen sowie in einem solchen transportiert werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung des Verfahrensgangs basiert auf dem Verwaltungsakt und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und ist unstrittig.

Die Feststellungen zur Person und zum Wohnsitz des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Antrag vom 10.06.2020 (eingelangt am 29.09.2020). Dass der Beschwerdeführer aufgrund des Bescheides vom 17.06.2020, mit dem auf Basis einer Erwerbsminderung von 55 % monatliche Gesamt- und Zusatzrente für die Folgen von Arbeitsunfällen zugesprochen wurde, Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 vH verfügt, ergibt sich aus dem Bescheid vom 17.06.2020 der SVS und dem Vorbringen der belangten Behörde im Rahmen der Beschwerdevorlage vom 29.04.2021 betreffend die Ausstellung eines solchen Behindertenpasses auf Basis dieses Bescheides am 15.03.2021.

Die Feststellungen zu den Leiden und Funktionseinschränkungen basieren auf dem vollständigen und schlüssigen Gutachten von XXXX vom 13.01.2021, dem Gutachten vom 17.05.2021 und der gutachterlichen Stellungnahme vom 20.06.2021. Der Amtssachverständige, ein Facharzt für Unfallchirurgie und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, ist ein ausgewiesener Vertreter seines Faches und ein erfahrener Sachverständiger. Seine gutachterlichen Feststellungen basieren auf einem präzise aufgenommen, alle vorgelegten Befunde und anderen Unterlagen ausdrücklich aufnehmenden Befund, der die persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.01.2021 mitumfasste. Aus diesem erhobenen Befund lassen sich die jeweiligen Schlussfolgerungen nachvollziehbar ableiten. Seine Schlussfolgerungen sind auch überzeugend und nachvollziehbar begründet und wurden auch in der mündlichen Verhandlung am 16.07.2021 sowie in der Stellungnahme vom 02.06.2021 nicht auf dem gleichen fachlichen Niveau in Frage gestellt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.07.2021 bestätigte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Vollständigkeit der aufgenommenen Gutachten. Die festgestellten Funktionseinschränkungen werden auch in der Stellungahme des Beschwerdeführers zum Gutachten vom 17.05.2021 nicht in Abrede gestellt. In seiner Stellungnahme vom 02.06.2021 bezeichnet der Beschwerdeführer die Einschätzung des Amtssachverständigen der Funktionseinschränkungen als nicht nachvollziehbar. Damit zeigt er keine Unschlüssigkeit des Gutachtens auf, zumal er offensichtlich die Art der Einschätzung von Funktionseinschränkungen im Rahmen der EVO missversteht. Die Funktionseinschränkungen sind nicht zu addieren. Fachliche Einwände gegen die Gesamteinschätzung durch den Amtssachverständigen bringt der Beschwerdeführer nicht einmal auf laienhaftem Niveau vor. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Einwendungen gegen die Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung durch den Amtssachverständigen auf demselben fachlichen Niveau erfolgen müssten. Dies liegt nicht vor. Soweit weitere Bewegungseinschränkungen und ein Einschlafen der unteren linken Extremität behauptet wird, ist festzuhalten, dass im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch den Amtssachverständigen am 13.01.2021 solches nicht vom Amtssachverständigen festgestellt wurde. Es liegen auch keine diesbezüglichen Befunde vor. Hiergegen wurde auch seitens des Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung nichts vorgebracht. Es wurden auch keine Befunde vorgelegt, die diese weiteren gesundheitlichen Probleme beweisen. Der Beschwerdeführer blieb der ihm seit 17.06.2021 bekannten mündlichen Verhandlung am 16.06.2021 fern, weil er am 12.07.2021 für diesen Tag eine Computertomographie vereinbart hatte. Dem Beschwerdeführer war es zumutbar, seine Termine so zu legen, dass er zur mündlichen Verhandlung erscheinen kann. Eine Computertomographie ist keine akute Behandlung sondern eine geplante Untersuchung, die nicht zwingend am 16.07.2021 gleichzeitig mit der mündlichen Verhandlung durchgeführt werden musste. Damit verletzte der Beschwerdeführer seine ihn treffende Mitwirkungspflicht an der Klärung des maßgeblichen Sachverhalts, zumal er nicht näher zu diesen nunmehr behaupteten, angeblich unberücksichtigt gebliebenen Leiden befragt werden konnte. Diesen Umstand, dass es der Beschwerdeführer nicht wert fand, die mündliche Verhandlung zu besuchen, sondern die später vereinbarte, geplante Untersuchung ihr vorzog, kann in Verbindung mit dem Umstand, dass keine diese belegenden Befunde vorliegen, dahingehend gewürdigt werden, dass diese behaupteten Leiden nicht vorliegen. Damit waren die festgestellten Funktionseinschränkungen mit den nicht bekämpften Einschätzungen ihres jeweiligen Grades der Behinderung festzustellen.

Der festgestellte Grad der Behinderung von 30 v.H. ergibt sich zweifelsfrei aus den Gutachten der amtlichen Sachverständigen. Diese Einschätzung ergibt sich nachvollziehbar und schlüssig aus den gutachterlichen Feststellungen und den jeweiligen Positionsnummern der Anlage zur EVO, wobei die Amtssachverständige die nach den jeweiligen Positionsnummern möglichen Rahmensätze durchwegs im oberen Bereich einschätzte. Dass sich das Hauptleiden an der Wirbelsäule durch die übrigen Leiden nicht wechselseitig verschlimmern, führt der Amtssachverständige in seinen Gutachten deutlich aus und ist nachvollziehbar, zumal die Kreuzbandruptur nur zu geringgradiger Bewegungseinschränkung führt und die durch den Bruch der Rippenfortsätze L1-L4 im Jahr 1992 bewirkten Funktionseinschränkungen mittleren Grades sind. Der Beschwerdeführer gibt Bewegungsschmerzen an, die allerdings mit geringdosierten Schmerzmitteln der Gruppe der entzündungshemmenden oralen Mittel – WHO Stufe 1, bei Bedarf vom Beschwerdeführer behandelt werden. Solche Mittel werden bei geringen Schmerzen eingesetzt, sodass die geltend gemachten Schmerzen zweifellos nicht die Annahme eines eigenständigen Schmerzsyndroms rechtfertigen lassen, wie es der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme und Beschwerde anklingen lässt. Dem Amtssachverständigen ist diesbezüglich zu folgen, da es nachvollziehbar ist, dass die mit einem Wirbelsäulen- oder Knieleiden einhergehenden Schmerzen nicht gesondert, sondern im Rahmen der Einschätzung dieses Leidens einzuschätzen sind. Der Beschwerdeführer trat auch dieser Einschätzung, welche alle plausibel gemachten und vom Sachverständigen festgestellten Leiden umfasste, nicht auf dem gleichen fachlichen Niveau entgegen. Dadurch, dass der Beschwerdeführer ohne Not von der mündlichen Verhandlung Abstand nahm, konnte sich der Senat auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer machen, der allenfalls zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Die mündliche Verhandlung dient gerade auch dazu, sich einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer zu verschaffen, was dieser durch seine Abstandnahme von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vereitelte. Damit ist die getroffene Einschätzung durch den Beschwerdeführer nicht erschüttert worden und war somit festzustellen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer eine kurze Stecke von ca 300 m bis 400 m in einem zurücklegen kann, basiert auf dem schlüssigen und vollständigen Gutachten des Amtssachverständigen vom 17.05.2021 sowie dem Vorgutachten vom 13.01.2021 und vom 21.02.2021. Aufgrund der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.01.2021 stellte der Amtssachverständige chronische Rückenbeschwerden (Wirbelsäulenleiden), ein Knieleiden rechts aufgrund des Zustands nach Kreuzbandruptur und einer Arthroskopie mit Resektion des Kreuzbandstumpfes bei Inkarzeration und ein Handleiden aufgrund einer Daumenverletzung und Weichteilverletzung an der Mittelhand fest. An aktuellen Beschwerden weist der Befund den Bericht des Beschwerdeführers über Schmerzen im Kniegelenk rechts und eine Schwellung, Hüftbeschwerden links mit Ausstrahlung in die Leiste und eingeschlafenem Gefühl an der linken unteren Extremität bis zum Knöchel reichend auf. Eine Schmerztherapie besteht nicht. Der Beschwerdeführer weist laut Befund einen altersentsprechenden Alters- und Ernährungszustand auf; er kann sich selbständig anziehen und Lagewechsel selbständig durchführen. Sein klinischer Status zeigt an den oberen Extremitäten eine achsengerade Stellung aller Gelenke, der Bewegungsumfang an Schulter, Ellenbogen, Handgelenken und Fingern ist seitengleich, die Kraftgrade sind allseits erhalten und die Peripherie ist frei. Im Stehen zeigt sich an der Wirbelsäule ein Geradstand, mit großflächigen Vernarbungen am Rücken. Die Wirbelsäule ist über C7 im Lot, der Beschwerdeführer gab Bewegungsschmerzen an der Hals- und Lendenwirbelsäule an. Der Befund erhebt auch den Bewegungsumfang der Halswirbelsäule. Zu den unteren Extremitäten zeigt sich laut aufgenommenem Befund im Stehen ein Beckengleichstand, rechts ist eine mäßige O-Beinstellung sichtbar, das Kniegelenk ist insgesamt leicht verdickt. Im Liegen zeigt sich eine leichte Beinverkürzung wegen der O-Beinstellung um 0,5 cm; beide Beine können gestreckt von der Unterlage abgehoben und gegen Widerstand gehalten werden. Der Bewegungsumfang an beiden Hüftgelenken ist seitengleich altersentsprechend; es bestehen leichte Hüftbeschwerden bei Rotation. Am Kniegelenk stellt der Amtssachverständige fest: „rechts S 0-3-120, links S 0-0-130“, zur Stabilität am Kniegelenk. „rechts: Lachmann + positiv hartem Anschlag“, das Sprunggelenk wird als seitengleich beweglich, die Muskulatur als seitengleich ausgebildet beschrieben. Die Peripherie ist allseits frei. Zu „Gang und Stand“ werden im Befund folgende Feststellungen getroffen: „Freies Gehen ist ohne Hilfsmittel möglich. Der Antragsteller zeigt ein rechtsbetontes Gangbild mit leicht verkürzter Schrittlänge, der Fersengang, der Zehenballengang und der Einbeinstand sind beidseits sicher durchführbar, die Hockeposition wird mit Angabe von Schmerzen am Kniegelenk rechts frei eingenommen.“ Ausgehend von diesem Befund ist es schlüssig, wenn der Amtssachverständige zum Schluss kommt, dass der Beschwerdeführer ohne Pause eine kurze Wegstrecke zurücklegen kann und keine Funktionseinschränkung an den unteren Extremitäten, die diese Wegstrecke nicht zuließe, besteht. Schließlich fehlen im Befund alle Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer eine Gehhilfe benötigen würde, unbeweglich oder in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt wäre. Aus dem Befund lässt sich kein anderes Ergebnis, als jenes, das der Amtssachverständige erzielt hat, schlüssig ableiten. Dass das Gutachten (und damit auch der Befund) vollständig ist, ergibt sich einerseits aus der alle vorgelegten Befunde und eine persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers, die alle wesentlichen Aspekte, die zur Beurteilung der an den Amtssachverständigen gestellten Fragen umfasste, einschließende Erhebung der für das Gutachten maßgeblichen Tatsachen und andererseits auch aus der ausdrücklichen Bestätigung des Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung am 16.07.2021. Dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner körperlichen Verfassung in der Lage ist, in ein öffentliches Verkehrsmittel einzusteigen, aus einem solchen wieder auszusteigen und in einem solchen auch sicher transportiert werden zu können, ergibt sich ebenfalls schlüssig aus dem aufgenommen Befund. Der Amtssachverständige konnte keine Schwäche an den oberen Extremitäten feststellen, die ein Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel zweifelhaft machen könnte. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer zu Stürzen neigt, Gehhilfen benötigt oder nicht in einem öffentlichen Verkehrsmittel auch stehend transportiert werden könnte. Auch gibt es keine Anhaltspunkte, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, Niveauunterschiede, wie sie beim Ein- und Aussteigen öffentlicher Verkehrsmittel typisch zu überwinden sind, zu bewältigen. Schlüssig kommt daher der Amtssachverständige zum Schluss, dass der Beschwerdeführer sicher in einem öffentlichen Verkehrsmittel transportiert werden, ein solches sicher besteigen und aus einem solchen sicher aussteigen kann. Aus dem Befund lassen sich keine Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule oder an den oberen oder unteren Extremitäten erschließen, die eine sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zuließen. Der Beschwerdeführer ist in seiner Stellungnahme vom 02.06.2021 dem Gutachten nicht auf dem gleichen Niveau entgegengetreten und vermochte, nicht zuletzt auch aufgrund seiner mangelnden Mitwirkung in der mündlichen Verhandlung, die einen persönlichen Eindruck von Beschwerdeführer durch den erkennenden Senat verhinderte, keine Zweifel an der fachlichen Richtigkeit des Gutachtens aufzuzeigen. Die diesbezüglichen, nicht auf dem gleichen fachlichen Niveau wie das Gutachten vom 17.05.2021 erstatteten fachlichen Einwände gehen somit ins Leere. Gegen die Vollständigkeit der aufgenommen Gutachten wurden in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich keine Einwände erhoben, sondern deren Vollständigkeit bestätigt. Daher waren die diesbezüglichen Feststellungen auf Grundlage der aufgenommenen Gutachten zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Die Beschwerde bekämpft den Bescheid der belangten Behörde vom 10.03.2021, womit der Antrag abgewiesen wurde, die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass aufzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat somit über diesen, von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid entschiedenen Gegenstand („Sache“ des Beschwerdeverfahrens) abzusprechen.

Soweit sich daher die Beschwerde auch gegen den im Behindertenpass vom 15.03.2021 festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH wendet, würde das Bundesverwaltungsgericht die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens überschreiten und eine Zuständigkeit annehmen, die ihm nicht zukommt, da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht über den Gesamtgrad der Behinderung entschieden hat. Dieser wäre durch Beschwerde gegen den Bescheidcharakter zukommenden Behindertenpass selbst (vgl § 45 Abs 2 letzter Satz BBG) zu bekämpfen.

3.2 Der Beschwerdeführer vermeint in der Stellungnahme vom 02.06.2021, es sei unzulässig, wenn der Amtssachverständige einerseits als Sachverständiger von der belangten Behörde und andererseits in derselben Angelegenheit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Sachverständiger herangezogen wird. Zugleich wird ausdrücklich vermerkt, nicht dem Amtssachverständigen die Objektivität abzusprechen.

Der Einwand der Unzulässigkeit der Heranziehung desselben Amtssachverständigen, der bereits im Verwaltungsverfahren ein Gutachten erstattet hat, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, geht aus folgenden Gründen ins Leere: Bereits in VfSlg 19.902/2014 musste sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage der Beiziehung von Amtssachverständigen durch das Verwaltungsgericht auseinandersetzen. In diesem Erkenntnis kam der Gerichtshof zum Schluss, dass weder die dienstliche Weisungsbindung eines Amtssachverständigen für sich allein zu einer Befangenheit oder einem Anschein einer Befangenheit führen könne. Der Amtssachverständige ist bei der Erstattung seiner Gutachten fachlich weisungsfrei. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass in jedem Fall ein Amtssachverständiger vom Verwaltungsgericht beigezogen werden dürfe. Vielmehr sei stets prüfen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde sei, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten werde. Ob dies der Fall sei, habe das Verwaltungsgericht stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen. Dies setze auch voraus, dass das Verwaltungsgericht selbst die Auswahl des Amtssachverständigen vornehme (und nicht etwa einer anderen Stelle überlasse) und dabei dessen Qualifikation und das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw Gründe für den Anschein der Befangenheit dieses Amtssachverständigen prüfe. Dieser Auffassung hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich angeschlossen (VwSlg 19.345 A/2016)

Das VwGVG enthält keine eigenen Bestimmungen betreffend die Beiziehung von Sachverständigen in Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Gemäß § 17 VwGVG kommen somit die Bestimmungen der §§ 52 und 53 AVG zum Tragen (vgl VwGH 19.03.2015, Ra 2015/06/0024, mwH). Zudem hat das Verwaltungsgericht auch das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG im Grunde des § 17 VwGVG jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von ihm zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten (vgl VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, mwH). Damit kommt notwendigerweise die in § 52 Abs 1 AVG aufgetragene Verpflichtung, die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen, auch für das Verwaltungsgericht zum Tragen, wobei dieses stets prüfen muss, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim VwG angefochten wird (vgl VfSlg 19.902/2014, VwGH 23.04.2015, Ro 2014/07/0112; VwGH 19.03.2015, Ra 2015/06/0024; VwGH 28.07.2015, Ra 2015/17/0031; VwGH 22.10.2015, Ra 2015/12/0039; VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0129; VwGH 29.01.2016, Ra 2016/06/0006; VwSlg 19.385 A/2016). Der Verwaltungsgerichtshof hat schon ausgesprochen, dass im Lichte des § 17 VwGVG die dafür einschlägige Rechtsprechung zum AVG (grundsätzlich) übertragen werden kann (vgl etwa VwGH 22.10.2015, Ra 2015/12/0039, mwH; VwSlg 19.385 A/2016).

Der Amtssachverständiger ist ein gemäß §§ 90 und 91 KOPVG 1957 von der belangten Behörde bestellter Sachverständiger. Die §§ 90 und 91 KOVG 1957 sind leges speciales zu den Bestimmungen der §§ 52 und 53 AVG über die Sachverständigen (Schöberle, Kriegsopferversorgungsgesetz, 1950, 136 und 152). Die gemäß § 90 Abs 1 KOVG 1957 bestellten Sachverständigen gelten als amtliche Sachverständige (Amtssachverständige) im Sinne des § 52 Abs 1 AVG (vgl VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0167; 27.06.2000, 2000/11/0093; VwGH 18.11.1974, 0506/74; Baier, Kriegsopferversorgungsgesetz, 1964, 73; Schöberle, aaO, 136 und 152). Als Amtssachverständiger ist er somit grundsätzlich vom Bundesverwaltungsgericht in Rechtssachen wie der gegenständlichen heranzuziehen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat den Amtssachverständigen persönlich ausgewählt, nachdem es dessen Qualifikation und das Vorliegen etwaiger Befangenheitsgründe bzw Gründe für den Anschein der Befangenheit geprüft und verneint hatte. Auch der Amtssachverständige hat sich nicht aus Gründen des § 7 AVG seines Amtes enthalten.

Es besteht kein Verbot, Amtssachverständige, die bereits im Verwaltungsverfahren mit einer Sache befasst waren, in dieser Sache auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu befassen, soweit die oben angesprochenen Prinzipien gewahrt werden. Der Beschwerdeführer verweist nur darauf, dass es „einem Unzulässigen Vorgang [entspricht], dass sowohl in erster Instanz, als auch in zweiter Instanz in einer Sozialrechtssache derselbe Sachverständige ein Gutachten erstellt. Immerhin war das Erstgutachten vom 13.01.2021 Anlass der gegenständlichen Beschwerde.“ Mit dem bloßen Hinweis darauf, die Amtssachverständige sei bei der belangten Behörde tätig bzw mit der Sache bereits in der ersten Instanz befasst gewesen, wird eine Hemmung ihrer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive in Bezug auf die konkreten von ihr zu beurteilenden Fachfragen nicht aufgezeigt (vgl VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040; 03.09.2020, Ra 2019/22/0232). Solche unsachlichen Motive, eine mangelnde Objektivität oder Parteilichkeit werden dem Amtssachverständigen nicht vorgeworfen. Daher werden keine Gründe aufgezeigt, die das Bundesverwaltungsgericht an einer Heranziehung des Amtssachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gehindert hätten.

Daher lagen keine Gründe vor, einen anderen Amtssachverständigen im vorliegenden Fall beizuziehen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.3 Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn (1) ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder (2) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder (3) sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder (4) für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder (5) sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, angehören.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III Nr 495/2013, ist auf Antrag eines Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nach dieser Vorschrift insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs 2 Z 1 lit b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, jeweils mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.4 Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, ergibt sich aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten des amtlichen Sachverständigen vom 17.05.2021 und seinen ergänzenden gutachterlichen Ausführungen am 20.06.2021, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Es war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall ist keine Rechtsfrage von Bedeutung hervorgekommen. Das einen Einzelfall betreffende Erkenntnis stützt sich auf die nicht als uneinheitlich zu bezeichnende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und weicht von dieser nicht ab. Bloß den Einzelfall betreffende Umstände sind nicht reversibel.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten schriftliche Ausfertigung Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2241985.1.00

Im RIS seit

18.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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