Entscheidungsdatum
11.02.2021Index
60/02 ArbeitnehmerschutzNorm
ASchG §130 Abs5 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten, Fichtegasse 11, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk vom 20.11.2020, Zl. MBA/...1/2019, mit welchem von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen Dipl.-Ing. (FH) A. B. abgesehen und die Einstellung verfügt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 11.02.2021 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der Beschuldigte Dipl.-Ing. A. B. hat als handelsrechtlicher Geschäftsführer, somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 BGBl. Nr. 52/1981 idgF zur Vertretung nach außen berufenes Organ der C. GmbH mit Sitz in Wien, D.-gasse, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 28.3.2018 auf ihrer Baustelle in Wien, E.-straße, insofern gegen die Bestimmung des § 7 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung 1994, BGBl. Nr. 340/1994 idgF, wonach bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8) Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen sind, verstoßen hat, als der Arbeitnehmer dieser Gesellschaft Herr F. G., geboren am ...1969, im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit für diese Gesellschaft mit Betonschneidearbeiten auf der Betondecke beschäftigt war, dabei Absturzgefahr von 2,85 Meter bestand und keine Absturzsicherung, Schutzeinrichtung oder Abgrenzungen angebracht waren, und der Arbeitnehmer auch nicht mit einer persönlichen Schutzausrüstung sicher angeseilt war. Der Beschuldigte hat dadurch § 7 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 4 BauV idgF iVm § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG iVm § 9 Abs. 1 VStG verletzt und wird gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG mit einer Geldstrafe von 850 Euro bzw. einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe bestraft.
II. Der Bestrafte hat daher gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG 85 Euro, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe, zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu bezahlen.
III. Gemäß § 9 Abs. 7 haftet die C. GmbH für die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
IV. Die Revision ist unzulässig.
Entscheidungsgründe
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Beschuldigten hinsichtlich des folgenden Vorwurfs abgesehen und die Einstellung des Verfahrens verfügt:
“Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991) wird von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich des folgenden Vorwurfs abgesehen und die Einstellung des Verfahrens verfügt:
Datum/Zeit: 28.03.2018 (= Zeitpunkt der Kontrolle)
Ort: Wien, Obere Augartenstraße, 5 (Baustelle)
Funktion: handelsrechtlicher Geschäftsführer
Firma: C. GmbH (FN ...) mit Sitz in Wien, D.-gasse
Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGB/ . Nr. 5211991, in der geltenden Fassung, zur Vertretung nach außen berufenes Organ der C. GmbH (FN ...) mit Sitz in Wien, D.-gasse, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 28.03.2018 auf ihrer Baustelle in Wien, E.-straße, insofern gegen die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung 1994 (BauV), BGB/. Nr. 34011994, in der geltenden Fassung, wonach bei Abstut7gefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen sind, verstoßen hat, als der Arbeitnehmer dieser Gesellschaft, Herr F. G., geb. am ...1969, im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit für diese Gesellschaft mit Betonschneidearbeiten auf der Betondecke beschäftigt war, dabei Absturzgefahr von ca. 2,85 m bestand und keine Absturzsicherungen , Schutzeinrichtungen oder Abgrenzungen angebracht waren und der Arbeitnehmer auch nicht mit einer persönlichen Schutzausrüstung sicher angeseilt war.
wegen Übertretung der folgenden Bestimmungen:
§ 7 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, in der geltenden Fassung (BauV), in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1994 (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung.“
In ihrer Begründung folgte die belangte Behörde zwar hinsichtlich der Tatbildmäßigkeit (der bestrittenen Absturzhöhe) den ihrer Ansicht nach schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten, wonach die Absturzhöhe durch die Arbeitsinspektorin H. I. bei der Unfallerhebung im Beisein des Poliers der B. Bau GmbH gemessen und in einem Aktenvermerk bestätigt worden sei. Die Behörde ging somit von der im Spruch angegebenen Absturzhöhe von 2,85 Meter aus.
Im Übrigen verwies die belangte Behörde jedoch auf umfangreichen Evaluierungs- und Schulungsmaßnahmen sowie auf die Kontrolle der Vorgesetzten am Arbeitsplatz, insbesondere durch die Aufsicht der zuständigen Projektleiter auf den einzelnen Baustellen und das jeweils geschulte Personal des Auftraggebers, insbesondere den Polier. Auch der Verunfallte habe nachweislich am 15.3.2018 an der ausführlichen Jahresunterweisung der Arbeitnehmer der C. teilgenommen. Die Projektleiter seien dem Beschuldigten als Geschäftsführer berichtspflichtig und hätten ihm stets die regelmäßigen Kontrollen auf den Baustellen darzulegen, dieser besuchte die Baustellen auch selbst. Für den Fall, dass in der Aufsichts- und Kontrollkette ein Glied verhindert sei, funktioniere diese dennoch, da ein anderer Projektleiter oder direkt die Geschäftsführung zu kontaktieren und für die Baustellenarbeiter auch erreichbar sei.
Diese seien angewiesen, vor jeder unerwarteten Aufgabenstellung oder Situation über das Firmenmobiltelefonnetz mit ihren Vorgesetzten Rücksprache zu halten. Sowohl in der Vergangenheit als auch in dem Anlassfall hätten Verstöße gegen das Kontrollsystem zu Konsequenzen oder disziplinären Maßnahmen wie strengen Verwarnungen geführt. Aus der Sicht der belangten Behörde habe somit ein wirksames Kontrollsystem vorgelegen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten, mit welcher der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zur Gänze bekämpft wird. Die belangte Behörde habe zu Unrecht das Vorliegen eines Einstellungsgrundes nach § 45 VStG angenommen, denn die Darlegung des Beschuldigten über das Kontrollsystem in generell abstrakter Form sei keine Erläuterung dafür, welche Maßnahmen gegen die in der Anzeige angeführte Arbeitnehmerschutzübertretung getroffen worden sei. Es hätte bei dem Kontrollsystem, welches der Beschuldigte angibt, auffallen müssen, dass auf der Baustelle eine Anzahl von arbeitnehmerschutztechnischen Mängeln vorhanden gewesen seien. Dass die Arbeitnehmer über Mobiltelefon Kontakt aufnehmen können, sei keine Kontrolle. Letztlich zeige auch das Stattfinden der Übertretung, dass das Kontrollsystem nicht funktioniert habe. Das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten begehrt die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass gegen den Beschuldigten wegen der Übertretung von § 7 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 4 der Bauarbeiterschutzverordnung eine Strafe von 850,00 Euro verhängt werde.
In seiner Stellungnahme zur Beschwerde des Arbeitsinspektorates bestreitet der Beschuldigte durch seinen Rechtsfreund Dr. J. K., Rechtsanwalt, zunächst erneut die Tatbildmäßigkeit der Verwaltungsübertretung, insbesondere die festgestellte Absturzhöhe. Weiters wird vorgebracht, es gebe bei der C. GesmbH ein gut durchdachtes Kontrollsystem, dessen Teil Evaluierungs-, Schulungs- und Kontrollmaßnahmen seien. Zur Kontrolle wird ausgeführt, dass Projektleiter wie der hier zuständige gewesene L. M. grundsätzlich täglich die Baustellen besuchten, um nach dem Rechten zu sehen. Ferner sei auf der Baustelle auch entsprechend geschultes Personal des Auftraggebers Baumeister B. (nicht ident und in nicht in gerade Linie verwandt mit dem Beschuldigten) anwesend gewesen wie insbesondere der Polier; den Auftraggeber hätten ebenso die Sicherungspflichten getroffen. Neuerlich wird auch die am 15.3.2018 durchgeführte ausführliche Jahresunterweisungen Arbeitssicherheit verwiesen und werden auch die im verwaltungsbehördlichen Bescheid wiedergegebenen Ausführungen wiederholt. Der Unfall sei trotz wirksamen Kontrollsystems unvorhersehbar gewesen, und obwohl es zu einer Überprüfung des positionierten Arbeitsgerätes durch den Arbeitnehmer F. G. vor Beginn der Arbeiten gekommen sei, habe das Schneidegerät unerwartet druckartig nachgegeben. Der verunfallte Arbeitnehmer habe daraufhin das Gleichgewicht verloren und sei in der Folge zu Sturz gekommen, noch ehe er mit dem eigentlichen Schneidvorgang habe beginnen können. Es habe sich um eine Verkettung unglücklicher Umstände gehandelt und es sei unerklärlich, weshalb der Arbeitnehmer G. keine persönliche Schutzausrüstung, welche er immer mitgeführt habe, angelegt habe. Für die beauftragten Abbrucharbeiten sei eine sich ständige verändernde Situation vor Ort typisch. Der überraschende Unfall habe somit nicht verhindert werden können. Eine in der Sphäre des verunfallten Mitarbeiters liegendes menschliches Versagen dem Beschuldigten anzulasten wäre unbillig. Es sei in der Praxis sowohl aus technischer als auch wirtschaftlicher Sicht unmöglich, die Handlung jedes einzelnen Mitarbeiters simultan in Echtzeit ständig zu überwachen und zu kontrollieren.
3. Am 11.2.2021 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, bei der das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten durch Herrn Ing. N. vertreten war und der persönlich anwesende Beschuldigte B. durch Dr. J. K. vertreten wurde. Ladungsgemäß erschienen sind die Zeugen F. O., F. G. und die Zeugin H. I.. Nach Abschluss des Beweisverfahrens wurde das Erkenntnis verkündet.
3.1. Aufgrund des Akteninhalts, der sonst vorgelegten Unterlagen, Parteienvernehmung und der Zeugenaussagen hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Am 28.3.2018 wurde der Arbeitnehmer G. von der C. GmbH, deren Geschäftsführer der Beschuldigte ist, mit Betonschneidearbeiten auf einer Baustelle in Wien, E.-straße, beauftragt. Die dort tätige B. Bau GmbH benötigte einige Arbeiten dieser Art, darunter das Abschneiden einer Zwischendecke in einem denkmalgeschützten Gewölbe. Obwohl abzubrechende Decken mit Stehern und darüber anzubringenden horizontalen Trägern zu unterstellen sind und der Rand der zu Decke mit einem Gerüst oder mit Zwingern zu sichern gewesen wäre, war das nach Angaben des dort anwesenden Poliers der Baufirma B. nicht möglich, und zwar wegen Zeitdrucks und weil zu wenig Material da sei. Die Decke wurde daher stellenweise mit nur einem Transportschlitten, einer sogenannten „Ameise“, auf der zahlreiche Holzpaletten gestapelt waren, punktuell abgestützt. Der Zeuge G. arbeitete sich mit dem Betonschneidegerät von einer Wand zur anderen vor, wobei er zunächst das Betonschneidegerät so anlegen konnte, dass er mit dem Gesicht zur abzuschneidenden Kante stand. Um die letzten Stücke abschneiden zu können, musste er jedoch das Schneidegerät an der verbleibenden Wand anlegen und mit dem Rücken zur Absturzkante arbeiten. Dort wurde von einem Arbeiter der B. Bau GmbH ein provisorisches Gerüst nachgeschoben. Als der Zeuge G. das Schneidegerät bei einem der letzten verbleibenden Deckenstücke anlegen wollte, fiel ihm das Schneidekopf herunter. Er trat einen Schritt zurück, trat dabei – da ihm der Arbeiter das provisorische Gerüst noch nicht nachgeschoben hatte – ins Leere und fiel über die Höhe von 2,85 Meter in die Tiefe. Dabei erlitt er Serienrippenbrüche und schwere Verletzungen im Schulterbereich.
Es ist fraglich, ob der zuständige Projektleiter der C. GmbH, Herr M., die Baustelle im Hinblick auf die dort vorzunehmenden Betonschneidearbeiten überhaupt vorher besichtigt hat. Auszuschließen ist jedenfalls, dass er sie gemeinsam mit dem später verunfallten Arbeitnehmer G. besichtigt hätte. Sollte der Projektleiter die Baustelle allein besichtigt haben, so ist weiters auszuschließen, dass die Ergebnisse einer solchen Besichtigung in irgendeiner Weise an den mit diesen Arbeiten beauftragten Arbeitnehmer G. weitergegeben worden wären. Dem verunfallten Arbeitnehmer war zuvor auch keine schriftliche Arbeitsanweisung zur Kenntnis gebracht worden Obwohl er schon acht oder neun Jahre bei der Firma C. beschäftigt war, hat er sich ohne Rücksprache mit einem Projektleiter oder dem Beschuldigten mit den Angaben des Poliers der auftraggebenden Baufirma abgefunden, die Decke könne aus Zeit- und Materialmangel weder ordnungsgemäß unterstellt noch ausreichend abgesichert werden, und die – angesichts einer Absturzhöhe von unter 3 Metern ohnehin untunliche – Anbringung einer persönlichen Schutzausrüstung sei wegen des denkmalgeschützten Gewölbes nicht möglich.
3.2. Die Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:
Die Absturzhöhe von 2,85 Metern steht aufgrund der Angaben der Arbeitsinspektorin, der Zeugin I., fest, wonach der Polier die Absturzhöhe in ihrer Gegenwart ausgemessen habe. Das Fehlen der Absturzsicherungen und die nicht ordnungsgemäße Unterstellung der abzubrechenden Decke gründen sich auf die Aussage des verunfallten Zeugen G. ebenso wie auf die Aussage der Arbeitsinspektorin I. und wurden weder vom Beschuldigten noch von dessen Polier, dem Zeugen O., in Abrede gestellt. Die Angaben nicht nur des Zeugen G., sondern vor allem auch des Zeugen O. machen es unwahrscheinlich, dass der zuständige Projektleiter der Firma C., Herr M., überhaupt die Baustelle vor der Beauftragung des Arbeitnehmers G. besichtigt hat. Dass dies – falls er es doch getan haben sollte – nicht in Gegenwart des später verunfallten Zeugen G. stattgefunden haben kann und allfällige Ergebnisse auch nicht an diesen weitergegeben wurden, ist der Aussage des Zeugen G. zu entnehmen. Dieser war ebenso wie die als Zeugin einvernommene Arbeitsinspektorin im persönlichen Eindruck glaubwürdig. Beide haben freimütig über ihre Wahrnehmungen vor Ort berichtet; der Zeuge O. war – obwohl das Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen ihn bereits eingestellt worden war – hingegen eher karg in seinen Auskünften. Die vom Beschuldigten dargelegte Rolle seines Projektleiters im Vorfeld der Arbeiten ist durch die Aussagen des Zeugen G. ebenso wie des Zeugen O. gleichfalls widerlegt.
3.3. In rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:
Das objektive Tatbild – die Absturzhöhe und das Fehlen ausreichender Absturzsicherungen – ergibt sich unmittelbar aus den Feststellungen. Das vom Beschuldigten initiativ dargelegte Kontrollsystem konnte dieser in den entscheidenden Punkten nicht glaubhaft machen, es wurde punktuell vielmehr sogar widerlegt. Weder nimmt der zuständige Projektleiter jene Rolle wahr, die ihm der Beschuldigte bei der Darlegung seines Kontrollsystems zugeschrieben hat, noch gibt es ausreichende Vorkehrungen für eine Situation wie die gegenständliche, wenn die beauftragende Baufirma Zeitdruck geltend macht und nicht für die nötige Absicherung des – alleine zur Verrichtung der beauftragten Arbeiten an die Baustelle gesendeten – Arbeitnehmers der Firma C. sorgt. Der vom Beschuldigten geltend gemachte Umstand, dass die Arbeitnehmer gehalten seien, der über Mobiltelefon Rücksprache zu halten, wenn es Probleme gäbe, ist an sich nicht ausreichend und wurde auch offenbar nicht ausreichend kommuniziert, wenn nicht einmal ein erfahrener Arbeitnehmer wie der Zeuge G. in einer äußerst mangelhaften Situation wie der im Gegenstand vorgefundenen davon Gebrauch gemacht hat. Gleichzeitig macht sich hier auch das Fehlen einer vorangegangenen Besichtigung durch einen Projektleiter bemerkbar bzw. die allenfalls trotz einer solchen Besichtigung unterlassene Mängelbehebung und Unterlassung der Weitermeldung an den beauftragten Arbeitnehmer. Das vorgebrachte Kontrollsystem war somit nicht annähernd geeignet, Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung wie die stattgehabten sowie daraus resultierende Unfälle zu verhindern. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch die Tat wurde das öffentliche Interesse an einem effektiven Schutz von Arbeitnehmern im Baugewerbe vor Abstürzen erheblich beeinträchtigt, weshalb das Unrecht der Tat nicht gering war.
Das Verschulden kann nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Erschwerend waren die Folgen der Übertretung, nämlich ein Absturz mit zahlreichen schweren Verletzungen des verunfallten Arbeitnehmers. Mildernd war die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit. Ausgegangen wurde von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten.
Im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe ist die vom Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten beantragte Strafe in Höhe der fünffachen Mindeststrafe bzw. einem Zehntel der Höchstgrenze schuldangemessen. Eine geringere Strafe wäre weder geeignet, den Beschuldigten in Hinkunft zu einer besseren Ausgestaltung des Kontrollsystems anzuhalten, noch andere Arbeitgeber von der Notwendigkeit engmaschiger Kontrollen zu überzeugen. Es war sohin auch zur Strafhöhe spruchgemäß zu entscheiden.
4. Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitnehmerschutz; Arbeitnehmerschutzübertretung; Absturzgefahr; AbsturzsicherungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.042.013.15575.2020Zuletzt aktualisiert am
13.08.2021