TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/26 95/01/0088

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Veröffentlicht am 26.02.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1 impl;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/01/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des S C und 2. der L C, beide in X und vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in N, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 22. Februar 1995, jeweils Zl. 4.340.339/15-III/13/95 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers hg. Zl. 95/01/0088, hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin hg. Zl. 95/01/0089), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den jeweils im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen beiden Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 22. Februar 1995 wurden die am 30. Juli 1992 gestellten Asylanträge der Beschwerdeführer - eines Ehepaares albanischer Nationalität aus dem Kosovo mit Staatsangehörigkeit der "Jugosl. Föderation", das am 29. Juli 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist - in Erledigung ihrer Berufungen gegen die Bescheide des Bundesasylamtes je vom 31. Juli 1992 abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

Der Erstbeschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 30. Juli 1992 zu seinen Fluchtgründen folgendes angegeben:

"Am 05.06.1992 wollte mir der Briefträger einen eingeschriebenen Brief von der serbischen Bundesarmee übergeben. Ich nahm den Brief nicht entgegen, weil ich wußte, daß dieser Brief ein Einberufungsbefehl war. Ich wollte nicht einrücken, weil ich Angst hatte, daß ich nach Bosnien in den Krieg ziehen muß. Noch am selben Tag verließ ich mit meiner Frau das Heim und fuhr mit dem Autobus zu den Eltern meiner Frau nach F, Kosovo-Albanien. Dort hielten wir uns ca. eine Woche lang auf. Nach Ablauf der Woche fuhr ich wieder nach P zurück, weil ich mich erkundigen wollte, ob ich von der serbischen Miliz gesucht wurde. Mir wurde von meinen Eltern gesagt, daß ich bereits dreimal von der serbischen Miliz gesucht wurde. Ich blieb nur eine Nacht und fuhr dann wieder zu meinen Schwiegereltern. Bis 26.06.1992 blieben wir dann bei meinen Schwiegereltern und fuhren dann wieder zurück nach P. Ich übernachtete nicht in meiner Wohnung, sondern bei einem Freund von mir. Während meines Aufenthaltes bei meinen Schwiegereltern habe ich keinerlei Schwierigkeiten mit der serbischen Bundesarmee gehabt. Ich hatte auch keinen Kontakt mit serbischen Milizsoldaten.

...

Wenn ich jetzt in meine Heimat zurückkehren würde, würde ich eingezogen werden, und nach Bosnien in den Krieg geschickt werden.

Sonst kann ich keine asylrelevanten Angaben machen."

In der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes ergänzte der Beschwerdeführer diese Angaben damit, daß er den Einberufungsbefehl deshalb nicht entgegengenommen habe, "weil ich nicht auf meine Mitbrüder schießen kann. Weil P nun zu Serbien gehört, obwohl 90 % der Einwohner albanisch sind, und weil ich nach Bosnien sollte an die Front." Er sei Moslem und lehne aus Gewissensgründen den Fronteinsatz ab. In seiner Heimat drohe ihm wegen Wehrdienstverweigerung die Todesstrafe bzw. eine Gefängnisstrafe.

Mit Bescheid vom 29. März 1993 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 93/01/0818, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (im Zusammenhang mit der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf. Im nunmehr wieder bei der belangten Behörde anhängigen Berufungsverfahren wurde dem Beschwerdeführer die Gelegenheit eingeräumt, im Rahmen einer Berufungsergänzung auch nicht offenkundige Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend zu machen.

In der daraufhin eingebrachten Berufungsergänzung verwies der Beschwerdeführer lediglich darauf, daß er sich während seines Aufenthaltes in Österreich nichts zuschulden habe kommen lassen und bemüht sei, eine Aufenthaltsbewilligung und eine Beschäftigungsbewilligung zu erhalten.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. eine unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen drohen (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Der Beschwerdeführer hat nach dem oben wiedergegebenen Inhalt seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung und derartigen Gründen nicht hergestellt, zumal ein solcher aufgrund des bloßen Umstandes, daß er der albanischen Minderheit im Kosovo angehört, nicht erkennbar war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1996, Zl. 95/01/0076).

Die Beschwerde vertritt die Ansicht, es müsse den Asylbehörden bekannt sein, "daß die Volksgruppe der ethnischen Albaner im Kosovo allgemein von den Serben unterdrückt, schwer benachteiligt und diskriminiert wird". Albaner würden bevorzugt zum Militärdienst einberufen und während der Dienstleistung unmenschlich behandelt. Sie würden wegen Desertion und Refraktion wesentlich strenger verfolgt und bestraft als Serben. Deshalb hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob der an den Beschwerdeführer ergangene Einberufungsbefehl aus asylrechtlicher Sicht "anders zu beurteilen" sei.

Dem ist zu entgegnen, daß zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens das Vorbringen des Asylwerbers ist und es diesem obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0052). Der Beschwerdeführer hat im erstinstanzlichen Verfahren - wie dargestellt - einen Zusammenhang zwischen seiner Einberufung und seiner Angehörigkeit zur albanischen Volksgruppe nicht behauptet. Im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde aufgrund des gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung zugrunde zu legenden Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens erster Instanz (ein Grund für eine Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 wurde in der Berufung und deren Ergänzung nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus der Aktenlage) nicht gehalten war, auf das Vorbringen in der Berufung und deren Ergänzung einzugehen und die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen über die bei der Einberufung von ethnischen Albanern und bei der Bestrafung von Deserteuren bzw. Refrakteuren geübten Vorgangsweisen zu treffen, fehlt es dem vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmangel, es sei ihm zu diesen Feststellungen kein Parteiengehör eingeräumt worden, an der Relevanz.

Da die belangte Behörde ihren Bescheid primär - zu Recht (siehe die obigen Ausführungen) - darauf gegründet hat, daß der vom Beschwerdeführer als einzigen Asylgrund geltend gemachten Einberufung zum Militärdienst vorliegend keine Asylrelevanz zukommt, handelt es sich bei der weiteren Bescheidbegründung, der Beschwerdeführer wäre unter keinen Umständen an seinen Wohnort zurückgekehrt, wenn er eine konkrete Verfolgungshandlung befürchtet hätte, um kein tragendes Begründungselement, weshalb auf das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden braucht.

2. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin hat bei ihrer Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren am 30. Juli 1992 folgendes ausgeführt:

"In meiner Heimat war ich nicht politisch tätig, war weder Mitglied einer politischen Partei oder Organisation und konnte meine Religion frei ausüben. Ich persönlich kann keine Fluchtgründe angeben, aber da ich schwanger bin, kann ich in meiner Heimat nicht entbinden, weil die Spitäler von serbischen Ärzten geleitet werden. Die serbischen Ärzte verabreichen einer schwangeren Frau vor der Entbindung eine Spritze, sodaß das Kind tot geboren wird.

Weiters hat mein Gatte einen Einberufungsbefehl zur serbischen Bundesarmee bekommen. Er wollte diesem Befehl nicht Folge leisten, weil er nach Bosnien geschickt worden wäre, um dort als Kanonenfutter zu dienen."

In der Berufung ergänzte sie, daß ihr Mann zur "serbischen Miliz" hätte kommen sollen. Er lehne jedoch "das Schießen und grauenhafte Morden" ab. In der Heimat drohe ihrem Mann wegen Wehrdienstverweigerung eine Gefängnisstrafe bzw. die Todesstrafe.

Mit Bescheid vom 29. März 1993 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 93/01/0836, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (im Zusammenhang mit der Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf. Im Zuge des nunmehr wieder bei der belangten Behörde anhängigen Berufungsverfahrens wurde der Beschwerdeführerin die Gelegenheit eingeräumt, ihre Berufung durch Geltendmachung von nicht offenkundigen Verfahrensmängeln zu ergänzen.

In der daraufhin eingebrachten Berufungsergänzung brachte die Zweitbeschwerdeführerin nur vor, daß sie sich während ihres Aufenthaltes in Österreich nichts zuschulden habe kommen lassen. Im Sommer 1993 sei ihr Sohn zur Welt gekommen. Nunmehr sei sie wieder schwanger. Sie sei bemüht, eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erlangen.

Soweit die Zweitbeschwerdeführerin ihren Antrag mit der Einberufung ihres Gatten zum Militärdienst begründet, macht sie keine eigenen Fluchtgründe geltend. Auf das erstinstanzliche Vorbringen, serbische Ärzte verabreichten einer schwangeren Frau vor der Entbindung eine Spritze, daß das Kind tot geboren werde, kommt sie - ungeachtet der Frage, ob die Beschwerdeführerin nicht eine andere Möglichkeit der Entbindung in ihrem Heimatland gehabt hätte - weder in der Berufung und deren Ergänzung noch in der Beschwerde zurück. Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte zu ermitteln gehabt, inwieweit die gesamte Volksgruppe der ethnischen Albaner im Kosovo Benachteiligungen und Verfolgungen ausgesetzt sei, ist zu entgegnen, daß dem erstinstanzlichen Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin als zentraler Entscheidungsgrundlage kein sonstiger Hinweis auf eine Gruppenverfolgung von ethnischen Albanern im Kosovo zu entnehmen ist.

Da somit auch hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin dem erstinstanzlichen Verfahren eine - in der Berufung und deren Ergänzung gar nicht geltend gemachte - Mangelhaftigkeit nicht anhaftet und auch kein anderer Grund für die Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hervorgekommen ist, hatte die belangte Behörde ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin wäre insbesondere aufgrund der Wehrdienstverweigerung ihres Gatten in ihrer Heimat einer individuellen staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen, stellt sich sohin als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar.

Da sich somit beide Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010088.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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