Entscheidungsdatum
02.06.2021Index
20/02 FamilienrechtNorm
EheG §9Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die (gemeinsame) Beschwerde des Herrn A. B. und der Frau C. D. vom 27.2.2021 gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 63, Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand, Standesamt E.) vom 1.2.2021, Zl. MA 63 - ...1/2020, betreffend Umwandlung einer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe,
zu Recht:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde vom 27.2.2021 als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
und fasst durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde von Frau C. D. vom 17.4.2021 gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 63, Gewerberecht, Datenschutz und Personenstand, Standesamt E.) vom 1.2.2021, Zl. MA 63 - ...1/2020, betreffend Umwandlung einer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe, folgenden
BESCHLUSS:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde vom 17.4.2021 als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGVG ein (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit E-Mail vom 7.7.2020 beantragten die Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien (Standesamt Wien E.), ihre am ...2019 am Standesamt F. begründete eingetragene Partnerschaft – ohne vorhergehende Auflösung – in eine Ehe umzuwandeln.
Mit Beschluss vom 3.9.2020, ..., wies das Bezirksgericht G. Wien den Antrag der Beschwerdeführer vom 8.7.2020 auf Umwandlung ihrer am ...2019 begründeten eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.
Mit Bescheid vom 1.2.2021 wies der belangte Magistrat den Antrag der Beschwerdeführer vom 7.7.2020 auf Umwandlung dieser ihrer am ...2019 begründeten eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe mangels gesetzlicher Grundlage zurück. Dieser Bescheid wurde am 5.2.2021 Herrn B. und am 20.4.2021 Frau D. zugestellt.
Mit E-Mail vom 27.2.2021 zogen die Beschwerdeführer den Bescheid vom 1.2.2021 in Beschwerde und beantragten die Umwandlung ihrer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe.
Mit E-Mail vom 17.4.2021 erhob Frau D. (neuerlich) Beschwerde gegen den Bescheid des belangten Magistrats vom 1.2.2021.
Mit Note vom 28.4.2021 legte der belangte Magistrat dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerden samt bezughabendem Verwaltungsakt vor.
II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
A) Zum Erkenntnis:
1. Die Beschwerdeführer – sie sind österreichische Staatsbürger – haben am ...2019 am Standesamt F. eine eingetragene Partnerschaft begründet; diese ist gegenwärtig noch aufrecht.
2. Diese Sachverhaltsfeststellung gründet im Verwaltungsakt und wird auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten.
3.1. Der bekämpfte Bescheid ist erst am 20.4.2021 gegenüber Frau D. erlassen worden; er wurde jedoch bereits durch seine Zustellung an Herrn B. am 5.2.2021 rechtlich existent. Ist in einem Mehrparteienverfahren der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt worden, kann die Beschwerde von der übergangenen Partei (hier: Frau D.) bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem sie von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat (vgl. § 7 Abs. 3 VwGVG). Dies ist offenkundig mit Zustellung des Bescheids an Herrn B. geschehen, sodass Frau D. berechtigt war, bereits vor Zustellung des Bescheids an sie Beschwerde zu erheben; dies tat sie auch mit gemeinsamem E-Mail mit Herrn B., was aus der „Wir-Form“ und dem Einbringen der Beschwerde in beider Namen hinreichend zum Ausdruck kommt.
3.2.1. Der VfGH hob mit Erkenntnis vom 4.12.2017, G 258-259/2017, (VfSlg 20.225) Wortfolgen im ABGB und im EPG als verfassungswidrig auf, weil die Voraussetzungen der Verschiedengeschlechtlichkeit für den Zugang zur Ehe und die Gleichgeschlechtlichkeit für die eingetragene Partnerschaft verfassungswidrig waren, und zwar verstießen diese Voraussetzungen gegen das Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes. Die Aufhebung trat gemäß der Anordnung des VfGH mit Ablauf des 31.12.2018 in Kraft. Der Bundesgesetzgeber ließ die ihm vom VfGH eingeräumte „Reparaturfrist“ allerdings ungenutzt verstreichen; bis heute sind gesetzlich keine „Übertrittsregelungen“ erlassen worden. Gegenwärtig können daher zwar beide Rechtsinstitute (eingetragene Partnerschaft, Ehe) sowohl von gleichgeschlechtlichen als auch von verschiedengeschlechtlichen Paaren gewählt werden; eine gesetzliche Regelung, wie eine eingetragene Partnerschaft in eine Ehe und eine Ehe in eine eingetragene Partnerschaft umgewandelt oder wie jeweils in das andere Rechtsinstitut gewechselt werden kann, existiert aber nicht. Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die „Mitteilung“ des Bundesministers für Inneres an die Ämter der Landesregierung und die Magistratsabteilungen 35 und 63 in Wien vom 20.12.2018 verweisen, sind sie darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer derartigen „Mitteilung“ um einen Erlass (generelle Weisung) handelt, der jedoch für die Verwaltungsgerichte keine verbindliche Rechtsquelle ist (vgl. z.B. VwGH 19.6.2015, Ra 2015/03/0027, m.w.N.); aus dieser „Mitteilung“ ist daher für die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nichts zu gewinnen.
3.2.2. Was als gesetzliche Vorgabe bleibt, ist jedenfalls § 9 EheG; nach dieser Bestimmung darf eine Person keine Ehe eingehen, bevor ihre eingetragene Partnerschaft für nichtig erklärt oder aufgelöst worden ist.
3.2.2.1. Ein Teil der Lehre (vgl. z.B. die Nachweise bei Fischer-Czermak, Reformbedarf im Ehe- und Partnerschaftsrecht, JRP 2020, 15 ff) versucht nun, diese Bestimmung durch verfassungskonforme Interpretation teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass eine eingetragene Partnerschaft mit derselben Person, mit der die Ehe geschlossen werden soll, kein Eheverbot im Sinne des § 9 EheG ist.
Damit ließen sich allenfalls jene Fälle sanieren, in denen Paare vor dem 1.1.2019 nur deshalb eines der beiden Rechtsinstitute gewählt hatten, weil ihnen das jeweils andere aus gesetzlichen Gründen verschlossen blieb. Dazu könnte argumentiert werden, dass nur so die vom VfGH konstatierte Diskriminierung beseitigt werden würde. Dafür spricht, dass der VfGH im Anlassfall bzw. Quasianlassfall das jeweilige Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ja aufgehoben hatte, um den Verwaltungsgerichten eine Behandlung der Fälle anhand der bereinigten Rechtslage zu ermöglichen, was die beteiligten Verwaltungsgerichte auch mit ihren Ersatzentscheidungen getan haben (vgl. VGW Wien 17.12.2017, VGW-101/020/16339/2017/E; OÖ LVWG 8.1.2018, 750314/27/MZ). Allerdings begegnen diese Fälle (noch) der juristischen Schwierigkeit, dass – da eine Person nur einen Status haben kann (somit nicht zugleich verheiratet und verpartnert sein darf) – es auch eine gesetzliche Grundlage geben müsste, aus der sich bei Eingehen des einen Rechtsinstituts die automatische Auflösung des anderen zumindest analog ableiten ließe; eine derartige Norm existiert jedoch nicht.
3.2.2.2. Es kann darüber hinaus aber durchaus bezweifelt werden, dass eine derartige teleologische Reduktion des § 9 EheG bei allen vor dem 1.1.2019 eingetragenen Partnerschaften Platz greifen muss. Denn der VfGH erstreckte die Anlassfallwirkung nicht auch auf zumindest jene Fälle, die diesbezüglich bereits beim Standesamt oder Verwaltungsgericht anhängig waren, was ihm aber gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG möglich gewesen wäre (hätte er diese Konsequenz gewollt).
3.2.2.3. All diese Überlegungen können jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, weil zwei Voraussetzungen, die eine verfassungswidrige Diskriminierung erst begründen und damit erst die Grundlage einer teleologischen Reduktion aus verfassungsrechtlichen Gründen sein könnten, gar nicht vorliegen: Zum einen wäre den Beschwerdeführern als verschiedengeschlechtliches Paar zu jeder Zeit das (von ihnen nun angestrebte) Rechtsinstitut der Ehe offen gestanden; sie waren daher diesbezüglich nie diskriminiert. Zum anderen gingen sie die eingetragene Partnerschaft erst nach Inkrafttreten der Aufhebung der gesetzlichen Bestimmungen durch das VfGH-Erkenntnis ein; zu diesem Zeitpunkt war somit die gesetzliche Diskriminierung bereits durch die Aufhebung des VfGH beseitigt, weshalb auch kein Grund (mehr) für eine teleologische Reduktion aus verfassungsrechtlichen Gründen gegeben ist.
Die Rechtsfigur der teleologischen Reduktion verschafft der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Die „verdeckte“ Lücke besteht im Fehlen einer nach der ratio notwendigen Ausnahme (vgl. nur VwGH 18.1.2021, Ra 2020/13/0065, m.w.N.). Unabhängig davon, ob eine teleologische Reduktion (allein) aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt zulässig ist, kann jedoch in Bezug auf § 9 EheG nicht von einer „verdeckten“ Lücke gesprochen werden, weil es dem Gesetzgeber durchaus zugemutet werden kann, diese „verdeckte“ Lücke, die ihm ja mit dem Setzen der „Reparaturfrist“ durch den VfGH bekannt wurde, innerhalb von mittlerweile über drei Jahren zu schließen; dies bewirkt jedoch nach Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts nicht die Verfassungswidrigkeit der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, sondern erscheint als im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum gelegen.
3.2.3. Es ist daher im Ergebnis der bekämpfte Bescheid des belangten Magistrats zu bestätigen, weil für die von den Beschwerdeführern begehrte Umwandlung ihrer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe keine Rechtsgrundlage besteht und für das (reguläre) (gemäß den §§ 15 und 17 EheG) Schließen einer Ehe (zumindest) das Ehehindernis des Bestehens einer eingetragenen Partnerschaft vorläge (was somit auch einer [hier gar nicht zulässigen] Umdeutung des [weil klaren] Antrags der Beschwerdeführer in diese Richtung gleichfalls nicht zum Erfolg verhelfen könnte).
3.2.4. Eine mündliche Verhandlung konnte in casu auf dem Boden des § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK steht einem Einfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weil keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen waren, die Tatsachen unbestritten sind und das Gericht auf der Grundlage der Aktenlage entscheiden konnte, wobei im konkreten Fall lediglich rechtliche Fragen zu entscheiden sind (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä, Rn 32).
3.2.5. Die ordentliche Revision ist zulässig, weil die in diesem Verfahren zu lösende Rechtsfrage, ob und wie nach dem Erkenntnis des VfGH vom 4.12.2017, G 258-259/2017, eine eingetragene Partnerschaft verschiedengeschlechtlicher Partner in eine Ehe umgewandelt werden kann, durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch nicht beantwortet ist.
B) Zum Beschluss:
Frau C. D. zog den bekämpften Bescheid des belangten Magistrats vom 1.2.2021 bereits gemeinsam mit Herrn B. mit E-Mail vom 27.2.2021 in Beschwerde.
Ihre neuerliche Einbringung einer Beschwerde gegen denselben Bescheid mit E-Mail vom 17.4.2021 war daher wegen der „Einmaligkeit des Rechtsmittels“ (einer Beschwerde) mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 12.6.2019, Ra 2019/13/0018, Rn 17, m.w.N)
Gegen diesen Beschluss ist die (ordentliche) Revision unzulässig, weil die in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgericht Wien zu lösende Rechtsfrage durch die (auch zitierte) Judikatur des VwGH hinreichend beantwortet ist (vgl. das zitierte Erkenntnis des VwGH vom 12.6.2019).
Schlagworte
Personenstand; eingetragenen Partnerschaft; Ehe; Umwandlung; teleologische ReduktionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.101.092.6230.2021Zuletzt aktualisiert am
13.08.2021