TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/26 95/12/0173

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Veröffentlicht am 26.02.1997
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Index

L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §61;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Mai 1995, Zl. Ib-23/13-1995, betreffend Vorstellung in Angelegenheit der Ablehnung eines Antrages auf Gewährung einer Dienstzulage (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt 2) infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Stadtrevierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur mitbeteiligten Partei.

In der Sitzung vom 9. April 1992 genehmigte der Stadtrat der mitbeteiligten Partei dem Beschwerdeführer die Teilnahme am Grundausbildungskurs für dienstführende Wachebeamte. Der Beschwerdeführer absolvierte diese Ausbildung erfolgreich.

In der Sitzung vom 4. November 1993 lehnte jedoch der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei die vom Personalausschuß empfohlene Umwandlung des bestehenden Dienstpostens des Beschwerdeführers von "Verwendungsgruppe W 2, Grundstufe", in einen solchen der Verwendungsgruppe W 2, Dienststufe 1 b, ab.

Mit Schreiben vom 16. März 1994 ersuchte der Beschwerdeführer den Stadtrat der mitbeteiligten Partei um "bescheidmäßige Mitteilung", weshalb ihm seitens der Dienstbehörde trotz entsprechender Ausbildung eine "Dienstzulage für die Verwendungsgruppe W 2, Dienststufe 1 b gemäß § 73 GG 1956" nicht ausbezahlt werde.

Der Stadtrat der mitbeteiligten Partei sprach daraufhin mit Bescheid vom 23. Juni 1994 aus, dem Beschwerdeführer gebühre keine Dienstzulage für die Verwendungsgruppe W 2, Dienststufe 1 b gemäß § 73 des Gehaltsgesetzes 1956, weil die Teilnahme am Grundausbildungskurs für dienstführende Sicherheitswachebeamte zwar genehmigt worden, eine Umwandlung des Dienstpostens auf einen Dienstposten der Dienststufe 1 aber nicht erfolgt sei. Der Bescheid des Stadtrats enthielt weiters eine Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen diesen Bescheid die Berufung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei offenstehe, die binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides beim Stadtamt der mitbeteiligten Partei einzubringen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb der angegebenen Frist Berufung und führte darin im wesentlichen aus, die betreffende Dienstzulage hänge nur vom erfolgreichen Abschluß der Grundausbildung für dienstführende Wachebeamte ab und gebühre ihm daher.

Mit Bescheid vom 2. September 1994 entschied der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei über die Berufung dahingehend, daß dem Beschwerdeführer die begehrte Dienstzulage nicht gebühre. In der Begründung führte der Gemeinderat dazu im wesentlichen aus, aus der Berufung hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben. Der Bescheid enthielt weiters eine Vorstellungsbelehrung, nach welcher binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides beim Stadtamt der mitbeteiligten Partei Vorstellung eingebracht werden könne.

In der Folge brachte der dann anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht die Vorstellung ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 2. September 1994 in zwei Spruchpunkten wie folgt:

"1. Der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde X wird ersatzlos behoben.

2. Die als Vorstellung zu wertende Berufung gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde X wird als unbegründet abgewiesen."

In der Begründung führte die belangte Behörde dazu aus, gemäß § 92 Abs. 1 des Tiroler Gemeindebeamtengesetzes 1970 (GBG) entscheide in den durch dieses Gesetz geregelten Angelegenheiten des Dienst- und Besoldungsrechtes der Gemeinderat, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt sei. Soweit es im Interesse der Arbeitsvereinfachung liege, könne der Gemeinderat bestimmte Arten von Angelegenheiten, die ihm durch dieses Gesetz nicht ausdrücklich zur Beschlußfassung zugewiesen seien, dem Gemeindevorstand (Stadtrat) zur Beschlußfassung übertragen. Die mitbeteiligte Partei habe von diesem Übertragungsrecht Gebrauch gemacht und im § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei (Gemeinderatsbeschlüsse vom 24. März 1960, 14. Oktober 1968, 28. Jänner 1975 sowie 22. Dezember 1988) dem Stadtrat die Beschlußfassung in allen Angelegenheiten, die nicht nach der Tiroler Gemeindeordnung oder anderen Gesetzen einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde bedürften oder sonst ausdrücklich dem Gemeinderat zur Beschlußfassung zugewiesen seien, übertragen.

Der Stadtrat der mitbeteiligten Partei sei sohin das in dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ, welches als erste und zugleich letzte Instanz entscheide, gegen diese Entscheidung sei sodann das Rechtsmittel der Vorstellung an die Landesregierung vorgesehen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei habe sohin zu Unrecht eine Berufungszuständigkeit in Anspruch genommen; die Vorstellungsbehörde habe daher den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei ersatzlos zu beheben gehabt.

Im zweiten Spruchpunkt wertete die belangte Behörde die "Berufung" gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Partei als Vorstellung und wies sie als unbegründet ab, wobei sie die Begründung im wesentlichen darauf stützte, daß der Anspruch auf diese Zulage das Erreichen der Dienststufe 1 voraussetze, was aber wiederum nur durch Ernennung auf eine entsprechende Planstelle möglich sei. Eine solche Ernennung des Beschwerdeführers sei noch nicht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte. Die mitbeteiligte Partei äußerte sich im Verfahren trotz gebotener Gelegenheit nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdepunkt in seinen "gesetzlich gewährleisteten Rechten" verletzt; er führt in der Folge ausschließlich materiell-rechtliche Gründe (zu seinem Recht auf ordnungsgemäße Feststellung und Auszahlung seiner besoldungsrechtlichen Ansprüche) aus, sodaß die Beschwerde tatsächlich nur gegen den Spruchtpunkt 2. gerichtet ist.

Nach § 112 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, kann, wer durch einen Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges Vorstellung erheben. Die Landesregierung hat nach Abs. 5 der genannten Bestimmung den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das zuständige Gemeindeorgan zu verweisen, das an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden ist. Die belangte Behörde war demnach nicht berufen, über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Partei zu entscheiden. Eine Umdeutung des eindeutig als Berufung bezeichneten und an den Gemeinderat gerichteten Rechtsmittels in eine Vorstellung an die belangte Behörde war nicht zulässig. Zwar ist es zutreffend, daß im Verwaltungsverfahren an Parteienvorbringen keine strengen Formvorschriften zum Nachteil der Partei angelegt werden sollen, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine Partei, welche, wenn auch aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung, eine Berufung einbringt, in Wahrheit eine Vorstellung einbringen wollte, welche nicht nur von einer anderen Behörde, sondern auch in einem anderen Prüfungsumfang zu erledigen wäre (kassatorische Befugnis der Vorstellungsbehörde im Gegensatz zur umfassenden Abänderungsbefugnis einer Berufungsbehörde). Es ist daher auch ein anderes Rechts- bzw. Prozeßverhältnis zwischen Vorstellungsbehörde und Vorstellungswerber gegeben als zwischen Berufungsbehörde und Berufungswerber. Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung, also in seinem Spruchpunkt 2., wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Spruchpunkt 1. des Bescheides der belangten Behörde, welcher von der Anfechtung nicht umfaßt war, bleibt von vorliegendem Erkenntnis unberührt.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Partei mangels eines Instanzenzuges zurückzuweisen haben. Gegen die durch die falsche Rechtsmittelbelehrung verursachte und somit vom Beschwerdeführer unverschuldete Versäumung der Vorstellungsfrist steht dem Beschwerdeführer der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft geltend gemachte Umsatzsteuer, die neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuzuerkennen ist (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1985, Zl. 83/01/0314, u.v.a.).

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht Vorstellung Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im Vorstellungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995120173.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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