TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/22 W195 2157566-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2021
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Entscheidungsdatum

22.03.2021

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W195 2157566-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2017, XXXX nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 18.02.2021 und am 17.03.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 13.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 14.04.2017 erfolgten Erstbefragung gab der BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, am 20.03.2017 von seinem Nachbarn bei homosexuellen Handlungen mit seinem Freund betreten worden zu sein. Der Nachbar habe ihn bei der Polizei angezeigt und dem BF und seiner Familie sei nahegelegt worden, das Dorf zu verlassen. Am 02.04. sei ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden. Aus diesem Grund seien der BF und sein Freund in die Türkei geflohen. Wo sein Freund jetzt sei, wisse der BF nicht.

I.2. Am 04.05.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, homosexuell zu sein, was in Bangladesch „total verboten“ sei. Wenn er jetzt zurückgehen müsse, müsse er für zehn Jahre ins Gefängnis. Als er das Land verlassen habe, sei seine Familie eine Woche nicht zu Hause gewesen. Sie hätte bei Verwandten gewohnt. Danach seien sie wieder nach Hause gegangen. Weil der BF jetzt nicht mehr dort sei, könnten sie wieder zuhause wohnen. Wenn der BF jetzt wieder zurückkehren würde, würde er von den Dorfbewohnern verstoßen. Diese wollten so etwas nicht. All die Jahre, die der BF dort gelebt habe, habe er das Gefühl gehabt, dass er sich am liebsten umbringen wollen hätte würden. Alle hätten ihn immer so komisch angeschaut. Der BF sei von der Gesellschaft verstoßen worden. Er sei mit seiner Homosexualität nicht akzeptiert worden.

Dort, wo der BF gewohnt habe, sei eine kleine Wohnung daneben. Diese sei leer gestanden. Am 20.03.2017 sei der BF mit seinem Partner (Name: XXXX ) dort gewesen. Sie seien 20 Minuten in diesem Zimmer gewesen. XXXX habe sie gesehen. Dieser habe den BF gerufen. Er habe gesagt, sie sollten weggehen. Der BF habe ihn gebeten, dass er es niemanden sagen sollte, dass er sie gesehen hätte. Er habe sie aber nicht weggehen lassen. Er habe auch die Leute aus der Umgebung gerufen. In diesem Moment hätten alle gewusst, dass der BF und sein Freund homosexuell seien. Dann seien sie weggelaufen. An diesem Tag habe der BF sein Wohngebiet verlassen. Dann sei er nach XXXX gegangen. Der BF habe sein Handy ausgeschaltet, damit ihn niemand kontaktieren könne. Am nächsten Tag habe er mit seinen Familienmitgliedern Kontakt aufgenommen. Dort wo der BF gewohnt habe, habe jeder von diesem Vorfall gewusst. Es werde vielleicht eine Sitzung gemacht. Der BF sei dort nicht mehr hingegangen. Wenn er nochmal dorthin gegangen wäre, hätten sie ihn vielleicht umgebracht. Von seinem Vater habe er die Nachricht bekommen, dass jemand eine Anzeige gegen den BF erstattet habe. Daraufhin habe sein Vater gesagt, dass er nicht mehr im Land bleiben solle, weil es zu gefährlich für den BF sei. Der BF habe dann mit seinem Freund Kontakt aufgenommen. Er habe ihm dann eine Nummer von einem Schlepper gegeben. Der BF habe dann Kontakt aufgenommen. Am 03.04 habe er XXXX verlassen. Auf der Flucht, die ua. über Indien geführt habe, habe der BF seinen Partner verloren.

Im Zuge der Einvernahme wurde mit dem in Bangladesch aufhältigen Vater des BF telefoniert.

I.3 Mit Bescheid vom 02.05.2017, XXXX , wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig ist und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise des BF mit 14 Tagen fest.

I.4. Aufgrund einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid mit hg. Beschluss vom 25.08.2017, XXXX , behoben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverwiesen. Dies im Wesentlichen, weil die dem BF zugestellte Ausfertigung des Bescheides keine Begründung, namentlich keine Feststellungen, keine rechtlichen Überlegungen bzw. Darlegungen, wie das BFA zur Abweisung des Antrages gekommen sei, enthielt.

I.5. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 27.09.2017, XXXX wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.6. Mit Schriftsatz vom 05.10.2017 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – im Beschwerdezeitpunkt durch XXXX vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und der behaupteten Fluchtgründe wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, das BFA habe den Sachverhalt nicht umfassend ermittelt. Es sei nicht ersichtlich, warum das BFA die Angaben des BF für unglaubhaft qualifiziere und den BF nicht für homosexuell halte. Es hätte Vor-Ort-Recherchen durchführen müssen, um zu ermitteln, ob es eine Anzeige gegen den BF gebe und ob im Herkunftsland Konsequenzen für den BF zu erwarten seien. Dem BF drohe eine Haftstrafe in der Dauer von zehn Jahren bis lebenslang. Darüber hinaus sei die Methode des BFA, während der Einvernahme den Vater des BF mittels Dolmetscher fernmündlich zu kontaktieren, fragwürdig, widerspreche dem Grundsatz der Unmittelbarkeit und es sei nicht ersichtlich, ob die vom BF angegebene Telefonnummer überhaupt gewählt worden sei.

Es wurde zunächst der Beweisantrag gestellt, den Dolmetscher der Einvernahme zum Beweis dafür, dass er nicht mit dem Vater des BF telefoniert habe, einzuvernehmen, sowie den Vater des BF „über den Vertrauensanwalt der österreichischen Republik in Bangladesch“ zum Beweis dafür, dass das Telefonat nicht mit dem Vater des BF geführt wurde, einzuvernehmen. Weiters wurden die Anträge gestellt, den Bescheid zu beheben und dem BF Asyl bzw. subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu, de Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen, sowie, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

I.7. Mit Schreiben vom 17.10.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 18.02.2021 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.9. Am 18.02.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF sowie die beiden vom BF genannten Zeugen ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurden.

I.10. Im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.02.2021 legte der BF sowohl einen Mietvertrag als auch zwei Mitgliedschaftsbestätigungen zu bengalisch-orientierten Vereinen vor.

Zu seinem Aufenthalt in Österreich führte der BF – zusammengefasst – an:

Er sei gesund. Er habe regelmäßig ein- bis zweimaligen Kontakt pro Woche zu seiner Familie in Bangladesch. Diese bestünde aus den Eltern, zwei Schwestern und einem Bruder. Finanziell ginge es ihnen mittelmäßig, der Vater sei in Pension und bewirtschaftet ein kleines Grundstück.

Er selbst habe eine solide Ausbildung und den Master in Wirtschaft abgeschlossen. Neben dem Studium habe er im Rechnungswesen bei einer Firma in XXXX gearbeitet. Er habe nach dem Studium einen Handel, gemeinsam mit dem Vater, beginnen wollen, eventuell auch eine kleine Farm, aber mangels ausreichendem Kapitals habe dies nicht funktioniert. Er habe sodann dem Vater geholfen, weil er selbständig bleiben wollte.

Seine Sprachkenntnisse betreffen Bengali (Muttersprache), Englisch („nicht so gut“) und Deutsch auf dem zertifizierten Niveau A2; B1 habe er nicht geschafft. Im Rahmen der Verhandlung konnte festgestellt werden, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache möglich ist, der Sprachwortschatz jedoch auf einen Basisbereich begrenzt ist. Die Antworten erfolgten nicht in vollen Sätzen.

Er habe keine Verwandten und keine Kinder in Österreich.

Er lebe in einer Beziehung mit XXXX , und zwar seit fünf Monaten. Sie hätten sich am „15.12.2019“ – nach Korrektur seitens des BF: „2020“ - kennengelernt. Seitdem seien sie in einer Beziehung. Er bekäme seine homosexuellen Wünsche von seinem Partner erfüllt.

Sein Partner sei Bengale und seit 06.02.2016 in Österreich. Er sei Asylwerber aus politischen Gründen, sein Verfahren würde noch immer laufen, es sei „noch nicht beendet. Es gibt noch kein Urteil“.

Sie hätten sich beim Schulschiff der Donau kennen gelernt und im Laufe der Zeit Gefühle füreinander entwickelt. Seit 03.03.2020 seien sie zusammen ein Paar, ihre Beziehung sei tief geworden. Wegen der Corona-Pandemie konnten sie sich damals nicht so nahe kommen, aber derzeit würden sie gemeinsam zusammen in einer Wohnung mit einem dritten Bengalen wohnen.

Der BF lebe von der GVS. Eine Einstellungszusage habe er nicht, ebensowenig andere Einkünfte.

Hinsichtlich seiner Aktivitäten meinte der BF, dass er gemeinsam mit seinem Partner spazieren gehe, gemeinsam koche, gemeinsam Filme anschaue, gemeinsam Deutsch lerne.

Er habe noch einige bengalische Freunde, „nur so normale Freunde“. Er habe auch einen XXXX kennen gelernt, von dem er später erfahren habe, dass er homosexuell sei.

Über Antrag des BF wurde sodann der Zeuge XXXX ( XXXX ) aufgerufen, welcher nach seinen Angaben Österreicher sei; die Einvernahme erfolgte mangels ausreichender deutscher Sprachkenntnisse in seiner Muttersprache Bengali.

Der Zeuge sei Mieter einer Wohnung der Sozialbau. Sie würden zu dritt in der Wohnung wohnen, jeder zahle ca. ein Drittel an Miete. Ob er untervermieten dürfe, wisse er nicht.

Der Zeuge gab hinsichtlich sexueller Kontakte an, dass er weder zu dem BF noch zu dem anderen Untermieter XXXX homosexuellen Kontakt hatte.

Die beiden Untermieter seien in einem anderen Zimmer aufhältig und „durch ihr Verhalten ist bemerkbar, dass sie dings sind. XXXX ist seit fünf, sechs Monaten da. Ich selbst habe sie bei einer sexuellen Aktivität nicht gesehen, aber durch ihr Verhalten bemerke ich es“.

Nachgefragt gab der Zeuge an, dass er in einem Zimmer sei und die anderen würden in einem anderen Zimmer leben, „ich bemerke, dass sie so sind, aber habe sie bei einer sexuellen Aktivität nicht gesehen, weil wir in getrennten Zimmern aufhältig sind“. Der BF würde schon seit Jahren bei ihm wohnen, es sei ihm anfangs nicht aufgefallen, dass er schwul wäre. Erst später sei XXXX sehr oft gekommen. Sie hätten gemeinsam gegessen, waren gemeinsam unterwegs, waren gemeinsam fort. Später habe der BF auch gesagt, „das ist mein Freund“. Sie hätten gesagt, dass sie gemeinsam leben möchten, für den Zeugen sei dies in Ordnung gewesen.

Da auch von Seiten des Rechtsanwaltes des BF keine weiteren Fragen offen blieben wurde der Zeuge entlassen.

Als weiterer Zeuge wurde XXXX (geb XXXX ; Bengale) einvernommen. Der Zeuge gab an, dass er Unterhalt von der Caritas bekäme und dass sie zu dritt in der Mietwohnung leben.

Den BF habe er im Dezember 2019 in einem Indoor-Stadium der Donauschiffschule kennengelernt. Über die Fluchtgründe des BF habe der Zeuge vom BF „aus seinem Munde“ selbst erfahren, dass er internationalen Schutz suche, weil er homosexuell sei.

Nachdem der Zeuge den BF kennengelernt habe, hätten sie langsam immer mehr miteinander gesprochen und habe der BF ihm seine Liebe gestanden. Dies sei im März 2020 gewesen, sie hätten sexuellen Kontakt miteinander gehabt. Der Zeuge habe auch mit anderen Personen in Bangladesch homosexuellen Kontakt gehabt, habe dies aber nie offen gelegt. In Österreich habe er einzig mit dem BF homosexuellen Kontakt gehabt. Er habe nie eine Liebesbeziehung in Österreich gehabt.

Der Zeuge wolle in Zukunft gemeinsam mit dem BF in Österreich zusammenleben.

Derzeit würden sie zu Hause gemeinsam kochen, Film oder Blocks schauen, wegen der Corona-Pandemie könnten sie nicht hinausgehen.

Den asylrechtlichen Status des Zeugen würde der BF nicht kennen. Nachgefragt gab der Zeuge an, der BF wisse aber über die Asylverfahren des Zeugen bescheid. Nochmals nachgefragt gab der Zeuge an, dass er dem BF „alles“ erzählt habe.

Dazu befragt gab der BF an, dass er „über die politischen Asylverfahren … nicht bescheid wisse“, aber er wisse, „dass er sich beschwert hat und wie er jetzt ist. Das habe ich erfahren“.

Nachgefragt, ob der BF wisse, welche Asylverfahren sein Freund habe, verneinte der BF die Frage. Detailliert nachgefragt gab der BF an, dass er wisse, dass sein Freund um politisches Asyl angesucht habe, am 06.02.2016; über diesen Antrag habe er keine Entscheidung erhalten. Nachgefragt korrigierte der BF seine Aussage dahingehend, dass sein Freund eine negative Entscheidung erhalten habe, er habe daraufhin berufen.

Nochmals nachgefragt gab der Freund des BF an, dass sein Verfahren aus 2016 negativ beendet wurde, weil man ihm nicht geglaubt habe. Daraufhin habe er 2018 einen neuerlichen Asylantrag gestellt.

Der BF gab dazu an, er wisse über den Antrag von 2018 „sehr viele Details darüber … nicht“. Nachdem der Freund eine finale negative Entscheidung erhalten habe, habe er wieder berufen, aber sie hätten nicht viel darüber miteinander gesprochen.

Direkt auf das Verfahren betreffend den Antrag aus dem Jahr 2018 angesprochen, gab der der als Zeuge einvernommene Freund des BF an, dass dieses Verfahren noch offen sei.

Daraufhin hielt der vorsitzende Richter fest, dass sowohl das Asylverfahren (Antrag 2016) mit Entscheidung des BVwG vom 02.05.2017, L512 2137922-1/5E, als auch das Asylverfahren (Antrag 2018) mit Entscheidung des BVwG vom 13.12.2018, L516 2137922-2/2E, rechtskräftig negativ beendet wurden.

Der Freund des BF gab sodann auf die Frage, ob ihm bewusst sei, dass er die Republik Österreich verlassen müsse, zu Protokoll, dass er sich das noch nie gedacht habe.

Da der Rechtsanwalt des BF auch keine weiteren Fragen an den Zeugen hatte wurde aus zeitlichen Gründen sodann die Verhandlung vertagt.

I.11. Die Verhandlung vor dem BVwG wurde am 17.03.2021 mit der Befragung des BF hinsichtlich seines Fluchtgrundes fortgesetzt.

Der BF gab dazu an, dass er homosexuell sei. Er hätte in Bangladesch seine Sexualität „nicht offen ausleben können“. Er sei bereits Opfer geworden, Anhänger der Moschee hätten ihn geschlagen, islamische Gruppierungen hätten ihn mit dem Tod gedroht. 2017 habe es ein Problem gegeben, weil ein Nachbar ihn mit einem Freund bei homosexuellen Handlungen erwischt habe. Seine Nachbarn hätten ihn schlagen wollen, er und sein Freund seien sodann geflohen.

Sonst habe der BF keine Fluchtgründe.

Nachgefragt gab der BF zu Protokoll, dass er „seit der Oberstufe“ von seinem Empfinden wisse. Er habe darüber auch mit einem „Bruder“ im College gesprochen, nicht jedoch mit seiner Familie, welche „etwas strenggläubig“ sei. Er habe „mit meiner Familie nie offen darüber sprechen können“. Seine Familie wisse, dass er homosexuell sei, und zwar seit „ca. 2015 oder 2016“, nachgefragt „seit 2016“ (BVwG S 4).

Der Vater habe dies erfahren, weil der BF „2015 und einmal 2016“ – damals als 27-jähriger - öfters „von Schülern der Koranschule“ verprügelt worden sei; er sei ins Spital eingewiesen und behandelt worden. Es hätten damals „bereits viele“ gewusst, dass er homosexuell sei. Durch seine „Art und Weise“ hätten dies die Leute erfahren, sein Partner sei öfters zu ihnen gekommen und sie seien gemeinsam unterwegs gewesen.

Nachgefragt, ob der BF seine Homosexualität offen ausleben konnte, bejahte er dieses. Sie seien „2014“, als manchmal sein Partner zu ihm kam, „offen miteinander“ umgegangen, „wir zeigten unsere Liebe. So haben wir das Jahr 2014 verbracht, es war halbwegs in Ordnung.“ (BVwG S 6). Jedoch habe er eine innere Angst gehabt, als er 2015 geschlagen wurde, verstärkt durch externe Ereignisse – die Ermordung von Homosexuellen in Bangladesch im Jahr 2016.

Gefragt, wie sein Partner hieß, antwortete der BF: „ XXXX “. Sie seien gemeinsam bis in die Türkei geflüchtet, sein Freund sei dann dortgeblieben und habe nunmehr eine andere Beziehung, der BF sei nach Österreich weitergereist. Er habe keinen Kontakt mehr zu ihm.

In Bangladesch sei der BF kein Mitglied einer politischen Partei, er sei nie verhaftet oder von einem Gericht gesucht worden.

Es gäbe einen Eintrag in das General Diary (BVwG S 7). Am 20.03.2017 habe ein Zeuge gesehen, wie der BF mit seinem Freund intim gewesen sei. Sie seien „draußen“ gewesen, „es war ein wäldliches Gebiet, normalerweise sind in diesem Umfeld kaum Menschen“ (BVwG S 7). Auf Grund dieses Vorfalles „am 20.03.2017“ verließ der BF „am nächsten Tag“ seine Ortschaft, „am 20. am Abend war es.“ Er sei nach XXXX gegangen, er habe den Vater informiert, dass er nach Indien gehe, dieser habe seine Flucht unterstützt. Gemeinsam mit seinem Partner sei er dann nach Indien, danach weiter nach Istanbul gegangen.

Der BF habe jedoch zum Zeitpunkt, als er Bangladesch verlassen habe, gar nicht gewusst, dass ein General Diary aufgenommen wurde (BVwG S 11). Er habe dies erst danach von seinen Eltern erfahren. Er wisse auch nichts von einer Anzeige gegen ihn.

Für den Fall seiner Rückkehr befürchte der BF, dass er geschlagen und verbannt sowie Opfer von Anschlägen werde.

Der Rechtsanwalt des BF fragte diesen ausdrücklich, ob er, als er mit dem Partner bei intimen Handlungen war, „nur im Freien oder auch in der Wohnung erwischt“ worden sei. Der BF gab dazu nochmals an, „Nein, das war draußen, es war ein wäldliches Gebiet“ (BVwG S 9)

Nochmals zu seiner aktuellen Situation befragt gab der BF an, dass er am 01.03.2021 umgezogen sei. Mit seinem Freund XXXX habe er „früher gemeinsam“ gelebt. Jetzt lebe er an einen anderen Ort als Untermieter. Er sei noch immer mit XXXX zusammen, er habe aber nicht gewusst, dass die Verfahren abgeschlossen wurden. Dies sei aber dessen persönliche Angelegenheit, da wolle er sich nicht einmischen. Er habe noch nicht darüber nachgedacht, wie ein Zusammenleben mit XXXX funktionieren soll, wenn dieser das Bundesgebiet verlassen müsste.

Abschließend wurde auf die aktuellen Länderberichte eingegangen, der BF und sein Vertreter verzichteten auf eine Stellungnahme dazu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist im Ort XXXX geboren und aufgewachsen und hat zuletzt dort gelebt (AS 1, 47). Er hat im Heimatland die Grundschule abgeschlossen, hat ein College besucht, einen Bachelor- und einen Mastertitel erworben und in Bangladesch als Kassier/im Rechnungswesen gearbeitet. Zeitweilig hat er dem Vater geholfen.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. In Bangladesch halten sich die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder des BF auf. Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger, wöchentlicher Kontakt.

Der BF ist im April 2017 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er ist in die staatliche Grundversorgung einbezogen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und ist in bengalisch-orientierten Vereinen Mitglied.

Der BF hat in ganz Europa keine Familienangehörigen, in Österreich war er in einem Deutschkurs (Zertifikat Niveau A2). Der BF hatte in Österreich mit der Polizei keine Probleme, er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Nicht festgestellt werden kann eine konkrete politische Verfolgung des BF in Bangladesch. Der BF ist nicht politisch tätig gewesen und war auch kein Mitglied einer Partei.

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, homosexuell zu sein und homosexuelle Kontakte zu Männern in Bangladesch und Österreich hatte.

Festgestellt wird, dass es nach den Aussagen des BF gegen den BF weder einen Haftbefehl noch eine Anzeige gibt (BVwG 17.03.2021 S 7).

Festgestellt wird, dass nach Aussagen des BF dieser weder verhaftet wurde noch von einem Gericht gesucht wird (BVwG 17.03.2021, S 7).

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, bei homosexuellen Handlungen mit einem Freund von einem Nachbarn erwischt worden zu sein und dieser einen Eintrag ins Tagespolizeiprotokoll veranlasst habe.

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, dass es einen Eintrag ins Tagespolizeiprotokoll vom 20.03.2017 gäbe; festgestellt wird, dass dies das einzig schriftlich vorgelegte Dokument ist, jedoch in diesem Schriftstück, welches vom BVwG einer Übersetzung zugeführt wurde, kein klarer Vorfallsort genannt wird. Festgestellt wird, dass schriftliche Beweismittel in Bangladesch leicht gefälscht werden.

Festgestellt wird, dass sich der BF hinsichtlich des behaupteten fluchtauslösenden Vorfalles widerspricht: zum einen gab er an, dass ein Nachbar ihn und seinen behaupteten Freund bei homosexuellen Handlungen „in einer kleinen, leerstehenden Wohnung“ gesehen habe (Aussage 27.04.2017), dazu widersprüchlich, dass er bei intimem Handlungen „draußen, in einem wäldlichen Gebiet“ (BVwG 17.03.2021 S 7 und S 9) betreten wurde.

Widersprüchlich zum Fluchtvorbringen ist, dass der BF behauptet, er habe seine Homosexualität in Bangladesch „seit 2014 offen leben“ können und hätten davon viele im Dorf gewusst. Festgestellt wird, dass der BF behauptet, dass seine Familie hingegen erst „2016“ von seiner Homosexualität erfahren habe. Festgestellt wird, dass dies widersprüchlich ist zu seiner Aussage, dass er 2015 (und 2016) von Koranschülern verprügelt wurde und sich sein Vater erkundigt habe, weshalb dies geschehen sei.

Festgestellt wird, dass der BF behauptet, dass er in Österreich seit 03.03.2020 eine homosexuelle Beziehung zu einem Bengalen namens XXXX habe. Diese Behauptung kann weder verifiziert noch falsifiziert werden, jedoch machte XXXX die gleiche Aussage.

Festgestellt wird, dass der Antrag des XXXX , auf internationalen Schutz aus dem Jahr 2016 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.05.2017, XXXX , sowie ein Folgeantrag aus dem Jahr 2018 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.12.2018, XXXX , rechtskräftig abgewiesen wurden. Festgestellt wird, dass der Freund des BF in keinem Verfahren homosexuelle Gründe geltend machte. Es wird deshalb die Aussage des XXXX , er habe mit dem BF eine homosexuelle Beziehung, ausdrücklich nicht als gegeben festgestellt.

Festgestellt wird, dass der Zeuge XXXX vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Verfahrensstandes seiner beiden Asylanträge die Unwahrheit gesagt hat. Festgestellt wird, dass sowohl der BF als auch der Zeuge XXXX hinsichtlich der Kenntnis über Stand und Inhalte der Asylverfahren des XXXX widersprüchliche und entgegengesetzte Aussagen machten.

Festgestellt wird, dass der Vermieter (Mitbewohner) in Österreich keine Wahrnehmung zu einer homosexuellen Handlung des BF mit dem Freund hat, jedoch behauptet, dass der BF homosexuell sei. Festgestellt wird, dass der Vermieter kein homosexuelles Verhältnis zum BF hat.

Festgestellt wird, dass dem BF auf Grund seiner behaupteten sexuellen Orientierung im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung droht.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

COVID-19:

Letzte Änderung: 11.11.2020

Die COVID-Krise trifft Bangladesch sehr hart, nachdem am 8.3.2020 die ersten Fälle nachgewiesen wurden. Die Regierung verhängte ab dem 22.3.2020 einen umfassenden Lockdown, der jedoch de facto immer brüchig war und einmal mehr und einmal weniger eingehalten wurde. Am 30.5.2020 wurde der Lockdown wieder aufgehoben, da eine weiter Fortsetzung wirtschaftlich nicht mehr vertretbar war (ÖB 9.2020). Die bangladeschische Regierung hat im April 2020 Hilfspakete mit einem Volumen in Höhe von 12 Milliarden USD beschlossen. Die Konjunkturmaßnahmen zielen unter anderem auf eine Stützung von für die Wirtschaft bedeutende Industriezweige wie die Textil- und Bekleidungsherstellung sowie den Agrar- und Nahrungsmittelsektor ab (GTAI 21.9.2020a). Im Zuge der COVID-Krise 2020 verloren nach Schätzungen der Bangladesh Economic Association etwa 36 Mio. Menschen während des Lockdowns ihre Arbeit, 25 Mio. rutschen zurück in die absolute Armut (ÖB 9.2020).

Das ohnehin schwache Gesundheitssystem Bangladeschs ist mit der Pandemie völlig überlastet (ÖB 9.2020). Durch die Coronakrise gerät das seit Jahrzehnten unterfinanzierte staatliche Gesundheitswesen in Bangladesch enorm unter Druck und die Versorgung von Covid-19-Patienten stößt an ihre Grenzen (GTAI 21.9.2020b). So sind landesweit nur etwas mehr als knapp 1.000 Intensivbetten verfügbar (GTAI 21.9.2020; vgl. WKO 4.2020). Davon sind 400 für die Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen ausgerüstet. Während es in der Hauptstadt Dhaka 400 Intensivbetten gibt, stehen in 47 der insgesamt 64 Verwaltungsbezirke überhaupt keine zur Verfügung (GTAI 21.9.2020).

Eine weitere Problemstellung für das Land stellen die zahlreichen Rückkehrer aus den Ländern des Nahen Ostens dar. Auf Grund der beengten Arbeits- und Lebensverhältnissen in den Gastländern sind diese Arbeiter besonders von Ansteckungen mit dem Virus betroffen. Darum, aber auch wegen des mit COVID verbundenen weltweiten Wirtschaftsabschwungs, schicken vor allem die Staaten des Nahen Osten tausende Arbeiter wieder zurück nach Bangladesch. Viele bringen so das Virus auf ihrem Heimweg mit ins Land. Da viele Migranten aus Bangladesch im Nahen Osten im Zuge der COVID-Krise ihre Arbeit verloren haben und ausgewiesen wurden, ist in den kommenden Jahren mit einem vermehrten Aufkommen von AsylwerberInnen aus Bangladesch in (West-)Europa zu rechnen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020a): Covid-19: Maßnahmen der Regierung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/covid-19-massnahmen-der-regierung-260866, Zugriff 5.11.2020

?        GTAI - Germany Trade and Invest (21.9.2020b): Covid-19: Gesundheitswesen in Bangladesch: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/bangladesch/bangladeschs-wirtschaft-behauptet-sich-trotz-coronakrise-260868, Zugriff 5.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (25.4.2020): Coronavirus: Situation in Bangladesch, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-bangladesch.html, Zugriff 8.5.2020

Politische Lage:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Bangladesch ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 4.11.2020; vgl. GIZ 5.2020, AA 6.11.2020).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 492 Polizeidistrikte (Thana/Upazila), mehr als 4.500 Gemeindeverbände (Unions) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 9.2020). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 9.2020). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 9.2020) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 9.2020).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 9.2020; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, in dem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB 9.2020).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen überragenden Sieg (ÖB 9.2020) mit 96 Prozent der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. DT 27.1.2019, DW 14.2.2019).

Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 31.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden rund 20 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet und Tausende verletzt (ÖB 9.2020; vgl. Reuters 1.1.2019). Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen (ÖB 9.2020).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Da die Politik in Bangladesch generell extrem korrupt ist, sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend. Sicherheitskräfte sind in jüngster Vergangenheit sowohl bei Demonstrationen von Anhängern der beiden Großparteien, als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen. Im Zuge des Wahlkampfes Ende 2018 wurden gegen Anhänger und KandidatInnen der oppositionellen BNP durch die Sicherheitsbehörden falsche Anzeigen verfasst (ÖB 9.2020).

Im Vorfeld der elften Parlamentswahl in Bangladesch wurden nach Angaben der Opposition seit Anfang November 2018 bis zu 21.000 ihrer Mitglieder und Aktivisten verhaftet. Mehrere Menschenrechtsgruppen haben seit Anfang 2018 einen dramatischen Anstieg von fingierten Klagen gegen Gegner der Regierungspartei festgestellt. Unter den Verhafteten befinden sich prominente Führer des Oppositionsbündnisses, wie Mainul Hosain wegen krimineller Diffamierung und Dr. Zaffrullah Chowdhury wegen Verrats, Erpressung und Fischdiebstahls (FIDH 9.1.2019). Die BNP-Vorsitzende, Khaleda Zia, war von März 2018 bis März 2020 aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Gefängnis (AA 21.6.2020; vgl. NAU 25.3.2020). Seit Zia auf freiem Fuß ist, sind praktisch keine Aktivitäten der BNP mehr wahrnehmbar (ÖB 9.2020).

Nachdem die oppositionelle BNP nunmehr nicht existent ist und im politischen Prozess kaum bis gar keine Rolle mehr spielt, ist eine Verfolgung, bzw. Unterdrückung ihrer AnhängerInnen aus Sicht der Regierung offenbar nicht mehr nötig. Anzumerken ist, dass seit März 2020 das politische Geschehen vollständig von der COVID-Krise überlagert wird. Von einer staatlichen Überwachung der politischen Opposition ist auszugehen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.11.2020): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 10.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 11.11.2020

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 10.11.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (4.11.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 10.11.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 10.11.2020

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 10.11.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse . Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.11.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (9.1.2019): Joint statement [by AHRC - Asian Human Rights Commission; ANFREL - Asian Network for Free Elections; GNDEM - Global Network of Domestic Election Monitors; FIDH - International Federation for Human Rights; CMEV - Centre for Monitoring Election Violence, Sri Lanka] on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 10.11.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (5.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 10.11.2020

?        Guardian, The (31.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 10.11.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 10.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 11.11.2020

?        NAU – Schweizer Nachrichtenportal (25.3.2020): Bangladeschs Oppositionsführerin Zia aus Haft entlassen, https://www.nau.ch/politik/international/bangladeschs-oppositionsfuhrerin-zia-aus-haft-entlassen-65684195, Zugriff 10.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 10.11.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 10.11.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch anhaltende Schikanen gegenüber der Opposition und den als mit ihr verbündet wahrgenommenen Personen sowie gegenüber kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft gefestigt (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere der Opposition, Islamisten, Studenten) geht in vielen Fällen nach wie vor Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 12.11.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 6.8.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna (UKFCO 12.11.2020b). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für solche Vorfälle sind (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Der inter-ethnische Konflikt in Myanmar wirkt sich auf Bangladesch aus. Er hat politische und soziale Spannungen insbesondere aufgrund der Ankunft von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen seit August 2017 verstärkt. Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019). Die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden ist grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB 9.2020).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsicherungsorganen. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 12.11.2020a). Auch wenn sich die dortige Lage zeitweise etwas entspannt, bleibt sie grundsätzlich labil (EDA 14.8.2020).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2018 insgesamt 135 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2019 wurden 104 solcher Vorfälle, bis zum 8.11.2020 wurden im Jahr 2020 insgesamt 82 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 8.11.2020).

Das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) verzeichnet im Berichtzeitraum 2019 insgesamt 1.713 Konfliktvorfälle (angeführt werden beispielsweise Demonstrationen, Ausschreitungen, Kampfhandlungen, Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen u.a.) bei denen 337 Personen getötet wurden (ACCORD 29.6.2020). 2020 wurden bis Ende Oktober in insgesamt 1.189 Konfliktvorfällen 244 Personen getötet (ACLED 4.11.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 9.11.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 9.11.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation (29.6.2020): Bangladesh, year 2019: Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/2032553/2019yBangladesh_en.pdf, Zugriff 5.11.2020

?        ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (4.11.2020): South Asia Regional Overview: Bangladesh, https://acleddata.com/2020/11/04/regional-overview-south-asia25-31-october-2020/, Zugriff 5.11.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 5.11.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 13.11.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 13.11.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (6.8.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 16.11.2020

?        EDA - Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (14.8.2020): Bangladesch, Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#par_textimage, Zugriff 10.11.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 16.11.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 16.11.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (8.11.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 10.11.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 16.11.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 16.11.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (12.11.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 16.11.2020

Rechtsschutz / Justizwesen:

Letzte Änderung: 11.11.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019). Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus „Magistrates“, die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie Session und District Judges, die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen
Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 9.2020).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 9.2020). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage des „Public Safety Act“, des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act” sowie des „Special Powers Act“ wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB 9.2020).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom Dezember 2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (9.2020): Asylländerbericht Bangladesch

Allgemeine Menschenrechtslage:

Letzte Änderung: 16.11.2020

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 9.2020; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 9.2020). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs (Rapid Action Battalion (RAB), Spezialkräfte für u.a. den Antiterrorkampf) wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 9.2020, siehe auch Abschnitt 4).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Verleumdungsdelikten juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).

Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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