Entscheidungsdatum
23.03.2021Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W159 1428907-4/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter in dem von Amts wegen eigeleitenden Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2021, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte als Minderjähriger gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich und wurde für ihn am 25.04.2012 ein Antrag auf internationaler Schutz gestellt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.07.2012, XXXX , wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Antragsteller der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem Antragsteller eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.7.2013 erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen den abweisenden Spruchpunkt I. wurde für den Antragsteller, ebenso wie von seinen Eltern, fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.08.2013 Zl. XXXX wurde der Mutter des Antragstellers XXXX Asyl gewährt. Daraufhin wurde mit Erkenntnis vom gleichen Datum auch dem Antragsteller im Familienverfahren zu Zl. XXXX Asyl gewährt. Eigene Fluchtgründe wurden für den Antragsteller nicht vorgebracht.
Der Antragsteller wurde in der Folge in Österreich mehrfach verurteilt:
1. Mit Urteil des BG Liesing vom 13.10.2016 Zl. XXXX wegen § 127 StGB zu einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren (auf Jugendstraftat).
2. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.06.2017, Zl. XXXX wegen § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitstrafe von zwei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (auf Jugendstraftat).
3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.07.2017, Zl. XXXX wegen § 142 Abs. 1 und 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (Jugendstraftat).
Aufgrund der genannten Verurteilung wegen eines schweren Verbrechens wurde eine Aberkennungsverfahren eingeleitet. Trotz persönlicher Übernahme ist der Antragsteller am 20.12.2018 zur Einvernahme vor der belangten Behörde nicht erschienen.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass die Flüchtlingseigenschaft ihm nicht mehr zukomme, unter Spruchteil II. der Status des subsidiäre Schutzberechtigten nicht zuerkannt, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchteil IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchteil V. festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, unter Spruchteil VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen festgelegt und unter Spruchteil VII. ein mit zehn Jahren befristetes Einreisverbot erlassen.
In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller ein besonders schweres Verbrechen (schwerer Raub) begangen habe und eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute, zumal er auch mehrere Vergehen begangen hatte und sei ihm deswegen der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen. Die Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde insbesondere mit dem Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative, beispielsweise in Herat oder Mazar e Sharif begründet. Weiters lägen die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht vor (Spruchpunkt III.). Zu Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass der Antragsteller wohl mit seinen Familienangehörigen in einem gemeinsamen Haushalt wohne, aber nunmehr volljährig sei und keine Hinweise auf ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestünden. Hinsichtlich des Privatlebens wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass der Antragsteller in Österreich keiner Arbeit nachgehe und auch sonstige private Bindungen zu Österreich in dem Verfahren nicht hervorgekommen seien und der Antragsteller wegen mehrfacher Verurteilungen wegen schweren Raubes, Diebstahles sowie unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, sodass kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen gewesen sei. Da keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG vorliege und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe, sei die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig zu bezeichnen gewesen. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären auch nicht hervorgekommen (Spruchpunkt VI.). Zu Spruchpunkt VII. wurde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller zu einer teilbedingten nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei und die Schwere seines Gesamtverhaltens die Erlassung eines Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer für gerechtfertigt und notwendig erscheinen lasse.
Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Schließlich wurde der Antragsteller ein viertes Mal in Österreich rechtskräftig verurteilt, nämlich mit Urteil des LG für Strafsachen in Wien vom 22.01.2019, Zl XXXX wegen § 27 Abs. 2a SMG Freiheitstrafe von sechs Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (junger Erwachsener).
Am 24.02.2021 stellte der Antragsteller einen zweiten, den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Bei der noch am gleichen Tag erfolgten Erstbefragung gab er dazu an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan schlechter würde, er noch nie in Afghanistan gewesen sei und Afghanistan ihm fremd wäre, während die gesamte Familie sich in Österreich aufhalten würde. Er würde die Fehler, die er gemacht habe, nicht mehr wiederholen.
Am 18.03.2021 erfolgte zu dem nun mehr verfahrensgegenständlichen Antrag eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost. Eingangs der Einvernahme behauptete der Antragsteller, dass er nicht Dari sprechen könne (obwohl er bisher angegeben habe, dass dies seine Muttersprache sei), mit seinen Geschwistern Deutsch spreche und mit seinen Eltern (manchmal) Dari, weiters wurde festgehalten, dass der Antragsteller mit dem Dolmetscher Dari sprach. Über seinen gesundheitlichen Zustand führte er aus, dass er manchmal Bauchschmerzen habe und depressiv sei und regelmäßig zum Arzt gehe, aber nicht an lebensgefährlichen Erkrankungen leide. Hinsichtlich der beabsichtigten Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes führte er aus, dass er nicht nach Afghanistan wolle und er dort niemanden habe, denn seine gesamte Familie lebe in Österreich. Weiters habe er in Afghanistan Angst vor den Taliban und dass seine Familie erpresst werden könnte. Außerdem sei er schwul und drohe ihm in Afghanistan die Todesstrafe, weil er nicht möchte, dass jemand davon erfahre, speziell nicht seine Eltern. Gefragt, warum er das bisher nicht angegeben habe und seit wann er homosexuell sei, gab er an, dass er diese Gefühle seit 2018 habe und er nicht wollte, dass jemand davon erfahre. Er sei 2018 und 2019 mit einem Mann zusammen gewesen, sie hätten sich dann über Betreiben seines Partners getrennt, er suche aber derzeit einen neuen Partner. Gefragt nach diesem Mann gab er an, dass dieser XXXX heiße, nach längeren Überlegen mit Familiennamen „ XXXX “, er habe keinen Kontakt mehr, sie hätten sich manchmal getroffen, in einem Monat ca. fünf Mal. Wo dieser Mann wohne, wisse er nicht, aber er habe irgendwo im XXXX Bezirk in der XXXX gewohnt. Er sei noch nie bei ihm zu Hause gewesen, seine Telefonnummer habe er auch nicht mehr, er sei ca. XXXX Jahre und Österreicher. Sie hätten sich immer im Hotel getroffen, in einem Hotel in der XXXX , der Name falle ihm auch nicht ein, sich hätten sich dort zweimal getroffen, sonst hätten sie sich am XXXX getroffen und zwar nur einmal. Über homosexuelles Leben in Österreich wisse er nichts, sie hätten es ihm gezeigt, er sei aber nicht oft „mit denen unterwegs gewesen“. Über Vorhalt, dass dem Vorbringen glaubhafter Kern fehle und weder aus der allgemeinen Lage noch aus den persönlichen Merkmalen, Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK im vorliegenden Fall abzuleiten wäre, gab er an, dass er in Österreich aufgewachsen sei und sich hier angepasst habe. Sein Bruder habe ihn unterstützt, dass er freiwillig für das XXXX arbeiten könnte. Er habe früher falsche Freunde gehabt, jetzt sei er ein neuer Mensch. Gefragt hinsichtlich Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass er noch nie in seinem Leben in Afghanistan gewesen sei und er schon als Kind nach Österreich gekommen sei, er habe hier die Hauptschule abgeschlossen und einen Kurs beim AMS gemacht, sowie mehrere Praktika. Er möchte hier ein neues Leben beginnen.
Anschließend wurde folgender Bescheid mündlich verkündet:
„Der faktische Abschiebeschutz ist § 12 AsylG wird gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.“
In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang wiedergegeben und Länderfeststellungen, welche auch solche zu der aktuellen Covid-Lage in Afghanistan umfassen, getroffen. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass Länderfeststellungen einer vergleichenden länderkundlichen Analyse der Staatendokumentation entnommen seien. Hinsichtlich des nunmehrigen Vorbringens seit 2018 homosexuell zu sein, wurde festgehalten, dass er ein derartiges Vorbringen selbst in der Erstbefragung zum gegenständlichen Antrag nicht einmal ansatzweise getätigt habe und sich eines gesteigerten Vorbringens bediene. Für das Bundesamt stehe daher zweifelsfrei fest, dass diese Angaben keinen glaubhaften Kern aufweisen. In der rechtlichen Beurteilung wurde dargelegt, dass im vorliegenden Fall eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege und der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sei, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltens eingetreten sei und die Zurückweisung, Zurückschiebung und die Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 und 3 oder des Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zu Konvention bedeuten würde. Dem Vorbringen sei kein glaubhafter Kern zu entnehmen gewesen, die allgemeine Lage habe sich seit der letzten Entscheidung dazu nicht entscheidungswesentlich geändert, ebenso wenig die persönlichen Verhältnisse. Die aktuelle Covid-Pandemie erfordere nicht automatisch die Zuerkennung von subsidiärem Schutz, es könne somit davon ausgegangen werden, dass keine Verletzung - wie oben beschrieben - drohe und die Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes vorlägen.
Nach Übersetzung der gesamten Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides gab der Antragsteller an, dass er keine Zukunft in Afghanistan habe. Er sei Moslem und Schiit und würden die Schiiten in Afghanistan verfolgt.
Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung – nach einer Unzuständigkeitseinrede der ursprünglich zugeteilten Richterin - am 19.03.2021 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden zu Feststellungen erhoben.
Zur Person des Antragstellers wird insbesondere festgestellt, dass dessen Identität feststeht, er afghanischer Staatsbürger, Moslem-schiit und volljährig ist, er leidet unter keine schwerwiegenden Erkrankungen, er hat in Österreich die Pflichtschule besucht und Kurse und Praktika absolviert. Der Antragsteller spricht Dari und wurde in einer afghanischen Familie sozialisiert. Das nunmehrige Vorbringen, dass er homosexuell ist, ist nicht glaubhaft. Der Antragsteller ist nicht selbsterhaltungsfähig und sind auch sonst keine besonderen Bindungen in Österreich (Ehe oder Lebensgemeinschaft, Kinder, Patenschaften, Vereinsmitgliedschaften etc.) feststellbar.
Hinsichtlich der Situation in Afghanistan wird auf die Feststellungen in dem mündlich verkündeten Bescheid verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Länderfeststellungen mündlich verkündeten Bescheid sind dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation entnommen, das auf zahlreichen aktuellen, seriösen, staatlichen und nicht staatlichen Quellen beruht, die von der Staatendokumentation gesammelt und nach wissenschaftlichen Kriterien zusammengestellt wurden.
Die Feststellungen zur Person und zum Verfahrensgang beruhen auf den Verfahrensakt der belangten Behörde zur IFA Zl. XXXX sowie dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.08.2013 zu Zahl XXXX , und dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018 zu Zl. XXXX .
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religion weiters zum Ausbildungsstand und zur gesundheitlichen Situation sind dem Vorbringen des Antragstellers in der jüngst erfolgten Einvernahme vom 18.03.2021 zu entnehmen. Das Geburtsdatum zieht sich durch alle behördlichen Entscheidungen die die Volljährigkeit des Antragstellers steht außer Zweifel.
Nicht glaubhaft sind die Angaben des Antragstellers, dass er nicht Dari sprechen könne, somal diese seine Muttersprache ist und er in einer darisprachigen afghanischen Familie aufgewachsen ist und selbst auch zugegeben hat, mit seinen Eltern (manchmal) Dari zu sprechen und der Antragsteller auch in der zuletzt erwähnten Einvernahme mit dem Dolmetscher auf Dari gesprochen hat. Dass er diese Sprache im Zuge seines Aufenthaltes in Österreich völlig verlernt hat, ist gänzlich lebensfremd.
Wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zutreffend ausgeführt hat, hat der Antragssteller die bei der zuletzt erfolgten Einvernahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstmals behauptetete Homosexualität in der Erstbefragung zu dem gegenständlichen Asylantrag mit keinem Wort erwähnt, obwohl er sonst durchaus ausführliche Angaben zu diesen Gründen des verfahrensgegenständlichen Antrages gemacht hat.
Mag die Ersteinvernahme gem. § 19 Abs. 1 AsylG 2005 auch in erster Linie der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dienen, so hat der Antragsteller im vorliegenden Fall sehr konkrete und ausführliche Angaben gemacht. In diesem Sinne sind andere Angaben in der Erstbefragung als in der folgenden Befragung durch das BFA durchaus als ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe zu werten (siehe z.B. auch BVwG vom 20.10.2015, Zahl W159 1435846-1/11E), zumal grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (so schon VwGH vom 08.04.1987, Zahl 85/01/0299, VwGH vom 05.10.1988, Zahl 88/01/0155, VwGH vom 02.01.2017, Ra 2016/18/0323).
In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein gesteigertes nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als unglaubwürdig einzustufen ist (VwGH vom 08.04.1987, Zl. 85/01/0299, VwGH vom 02.02.1994, Zl. 93/01/1035), weil grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (VwGH vom 05.10.1988, Zl. 88/01/0155, VwGH vom 11.11.1998, Zl. 98/01/261 u.v.a.m.) und die Berufung auf die Steigerung des Vorbringens zwischen Erstbefragung und Einvernahme zulässig ist (jüngst VwGH vom 04.02.2021, Ra2021/18/0010).
Darüber hinaus sind die Angaben des Antragstellers zu der nunmehr behaupteten Homosexualität nicht nur äußerst vage und oberflächlich (der Antragsteller konnte nichts Näheres zu seinem angeblichen homosexuellen Partner ausführen, weder zu seiner Wohnadresse noch zu seiner Telefonnummer noch zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum; weiters sind auch seine sonstigen Ausführungen über das homosexuelle Leben in Österreich äußerst vage) und widersprüchlich:
Der Antragsteller behauptete nämlich, dass er seinen Partner monatlich ca. fünf Mal getroffen habe und dass sie sich immer im Hotel getroffen hätten. Er gab jedoch dann widersprüchlich an, dass er sich lediglich zwei Mal in einem Hotel in der XXXX getroffen hätten, dessen Namen er nicht nennen konnte und einmal am XXXX , wo sie in einen Park gegangen wären. Damit kommt er auf lediglich auf drei Treffen, was im eklatanten Widerspruch zu den vorherigen Behauptungen, dass er sich auf durchschnittlich in einem Monat fünf Mal getroffen habe, steht.
Das Bundesamt ist daher zu Recht von der Unglaubwürdigkeit dieser Angaben ausgegangen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Bundesveraltungsgericht im Falle einer Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde. Die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wird mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl. die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik).
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.
Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das Bundesamt, wenn der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt hat und kein Fall des Abs. 1 vorliegt, den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Ein Folgeantrag im Sinne von § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgende weitere Antrag.
Die Z 2 des § 12a AsylG 2005 verlangt, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Aus den erläuternden Bemerkungen zum mit BGBl. 122/2009 eingefügten § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Z 2 des § 12a eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages verlangt.
§ 22 BFA-VG lautet auszugsweise:
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Behauptet die Partei in einem neuen Antrag (z.B. Asylantrag), dass in den für die Beurteilung ihres Begehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, so muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz für das Verfahren zukommt und an den die Prognose anknüpfen kann, dass eine andere Beurteilung des Antrages und ein anderes Verfahrensergebnis nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen (grundlegend VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626; 21.03.2006, 2006/01/0028). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" auseinander zu setzen (VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; 15.03.2006, 2006/17/0020).
Jedoch berechtigt nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).
Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen:
Gegen den Asylwerber liegt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.
Eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der gegenständliche Antrag des Asylwerbers vom 21.10.2020 voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts in substantiierter Weise dargelegt wurde bzw. eingetreten ist:
Der Antragsteller hat wohl zu dem gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein neues Vorbringen erstattet, die behauptete Sachverhaltsänderung weist jedoch keinen „glaubhaften Kern“ im Sinne der oben zitierten Judikatur auf und wurde vom Bundesamt zu Recht auf nicht glaubhaft qualifiziert. Es liegt somit zur Person des Antragstellers kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt vor.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern, für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status, auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus. Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht. Insbesondere sind keine schwerwiegenden Erkrankungen des Antragstellers festzustellen.
Auch die für den Asylwerber hinsichtlich der Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiären Schutz maßgebliche Ländersituation in Afghanistan ist im Wesentlichen gleichgeblieben, wie das Bundesamt auch feststellte.
Im Vorverfahren wurde ausgesprochen, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.
Auch im gegenständlichen Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sind keine Risiken für den Asylwerber im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind weiters keine erheblichen in der Person des Asylwerbers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - für den Asylwerber somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
Dem Vorbringen des Antragstellers, dass er nie in Afghanistan gewesen sei und in Afghanistan niemanden habe, ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, dass die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative bei einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprache Afghanistans beherrscht und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist, auch dann zumutbar ist, wenn er selbst nicht in Afghanistan geboren wurden, dort nie gelebt habe und keine Angehörigen in Afghanistan habe (zB VwGH vom 30.01.2020, Ra 2020/20/0003, VwGH vom 01.10.2020, Ra 2020/20/0332, VwGH vom 12.10.2020, Ra 2020/20/0001 u.v.a.). Daran hat sich auch durch die Covid 19 Pandemie, auf die in dem mündlich verkündeten Bescheid eingegangen wurde, nichts geändert (zB. VwGH vom 24.09.2020, Ra 2020/20/0334, VwGH vom 28.12.2020, Ra 2020/14/0528 u.v.a.).
Das Bundesverwaltungsgericht teilt auch die Ansicht der belangten Behörde, dass sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens das Privat- und Familienleben des Asylwerber nicht geändert habe.
Der Antragsteller ist jedenfalls volljährig, lebt kinderlos und es besteht keine Selbsterhaltungsfähigkeit und hat sich durch die mehrfache teilweise sehr gravierende Straffälligkeit des Antragsstellers in Österreich das öffentliche Interesse an einer Außerlandesbringung im Sinne des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit stark verdichtet.
Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung wiegt daher im vorliegenden Fall schwerer, als das Interesse des Asylwerbers am Verbleib in Österreich.
Nach der Erstbefragung am 24.02.2021 wurde der Antragssteller am 18.03.2021 vom Bundesamt ausgiebig einvernommen, es wurde ihm auch die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen eingeräumt. Dem Asylwerber wurde weiters mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 aufzuheben.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war keine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 18.03.2021 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Entscheidung beruft sich vielmehr auf die oben, zitierte, aktuelle, häufig erst jüngst ergangene Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag glaubhafter KernEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W159.1428907.4.00Im RIS seit
17.08.2021Zuletzt aktualisiert am
17.08.2021