Entscheidungsdatum
13.04.2021Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I422 2240963-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch Rechtsanwälte XXXX , XXXX , 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung erließ die belangte Behörde mit Bescheid vom 17.02.2021, Zahl: XXXX , über den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren (Spruchpunkt I.) und erteilte einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat (Spruchpunkt II.).
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 24.03.2021 fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der im Bescheid enthaltene Inhalt rechtswidrig sei und zentrale Verfahrensvorschriften verletzt worden seien.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 31.03.2021 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Er wurde am XXXX in XXXX , Rumänien geboren, wuchs dort auf und besuchte zunächst in seinem Herkunftsstaat die Grundschule, ehe er im Jahr 2000 mit seiner Familie nach Österreich übersiedelte.
Im Bundesgebiet ist der Beschwerdeführer durchgehend seit dem 22.12.2000 melderechtlich erfasst. Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich die dritte und vierte Klasse einer Hauptschule und absolvierte einen polytechnischen Lehrgang in den Jahren 2002 bis 2004. In der Folge absolvierte er im Zeitraum 08.11.2004 bis 18.03.2005 am Berufsförderungsinstitut Wien das Qualifizierungsmodul für junge Erwachsene mit nicht deutscher Muttersprache mit der Kurzqualifizierung Gastgewerbe und absolvierte im Zuge dessen zugleich eine Sprachprüfung im Niveau A2. Er verfügt über einen gültigen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet und war seit seiner Einreise in das Bundesgebiet regelmäßig legal beschäftigt. Darüber hinaus bezog er in Zeiträumen im Gesamtausmaß von zwei Jahren und drei Monat Arbeitslosengeld und insgesamt ungefähr drei Jahre und zehn Monate Leistungen aus der Notstandshilfe. Der Beschwerdeführer arbeitet seit dem 11.11.2019 bei der G[...] Technik GmbH und ist aus seiner Beschäftigung vollversichert.
Seit dem 28.11.2010 ist der Beschwerdeführerin mit einer rumänischen Staatsangehörigen verheiratet und leben sie seit 01.04.2011 an einem gemeinsamen Wohnsitz. Der Beschwerdeführer und seine Gattin haben einen gemeinsamen im Mai 2013 geborenen Sohn. Seine Ehegattin bringt zudem einen im Oktober 2006 geborenen Sohn aus einer früheren Beziehung in die Ehe mit ein. Im Bundesgebiet leben seine Ehegattin, sein Sohn und sein Stiefsohn zusammen mit dem Beschwerdeführer in einem Haushalt. Darüber hinaus sind seine Eltern und andere nahe Verwandten in Österreich wohnhaft. In Rumänien verfügt der Beschwerdeführer ebenfalls über familiäre Anknüpfungspunkte. In seinem Herkunftsstaat leben ein Onkel, der dort selbständig einen Bauernhof betreibt sowie über eine Tante, die im Pflegedienst tätig ist. Zu seinen Verwandten in Rumänien besteht ein aufrechter, aber loser Kontakt und war er zuletzt vor über einem Jahr in Rumänien auf Besuch aufhältig.
Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet insgesamt viermal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.
Erstmalig wurde er mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 27.11.2006, zu XXXX wegen des Verbrechens des versuchten schweren gewerbsmäßigen und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs. 1, 130 (zweiter, dritter und vierter Fall) StGB und §§ 15, 128 Abs. 1 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten, davon zehn Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31.08.2011, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des FinStrG wegen des Vergehens der Abgabenhehlerei nach § 11 dritter Fall FinStrG, § 44 Abs. 1 lit. a FinStrG und §§ 37 Abs. 1 lit. a, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 40.000,00 und einer zweimonatigen Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall verurteilt.
Weiters wurde er mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 14.11.2019, zu XXXX wegen unbefugten Waffenbesitzes nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 700,00 und einer 50tägigen Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall verurteilt.
Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.12.2019, zu XXXX rechtskräftig wegen Körperverletzung und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang gemäß § 83 Abs. 1 StGB, § 86 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.
Der Verurteilung vom 19.12.2019, zu XXXX lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer einen anderen am Körper verletzt hatte und dadurch fahrlässig dessen Tod herbeigeführt hatte, indem er einem Dritten einen heftigen Schlag mit der Hand gegen den Kopf versetzte, wodurch dieser ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt und infolgedessen an einer Atem- und Hirnlähmung erlag. Zudem stieß er einen anderen Dritten mit beiden Händen von sich, wodurch dieser eine Schwellung im Bereich der rechten Schläfe bis zu Jochbein erlitt. Dem ging nachstehender Sachverhalt voraus:
Am 13.06.2019 gegen 22:00 Uhr trafen sich S[...] D[...] und J[...] J[...] im Lokal „A[...]“ in 1150 Wien, wo J[...] J[...] als Kellnerin tätig war. Am 14.06.2019 gegen 1:00 Uhr stieß M[...] B[...] dazu. Sie konsumierten gemeinsam insgesamt jeweils 9-10 Flaschen Corona Bier und eine nicht mehr feststellbare Menge an Kokain. Zwischen 05:00 und 6:00 Uhr zogen die drei weiter in das „T[...] P[...]“ in 1150 Wien. Dort nahmen sie jeweils 3-4 Jägermeister zu sich.
Der Beschwerdeführer brachte am 14.06.2019 gegen 09:00 Uhr in der Früh seinen Sohn in den Kindergarten. Anschließend ging er ebenfalls in das „T[...] P[...]“, wo seine Ehefrau als Kellnerin beschäftigt war. Er stellte sich zu S[...] T[...], dem Inhaber des Lokals, an den Tisch. Gegen 09.30 Uhr wollten S[...] D[...] und seine Begleiter das Lokal verlassen, wobei es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Kellnerin I[...] D[...] und J[...] J[...] wegen der Bezahlung der Rechnung kam. S[...] D[...] war mit 3 Promille sehr stark alkoholisiert und stand unter dem Einfluss von Kokain. Auch seine beiden Begleiter waren stark alkoholisiert. I[...] D[...] hatte den Eindruck die drei Gäste würden das Lokal ohne zu bezahlen verlassen wollen, während J[...] J[...] der Ansicht war, sie hätten die Kellnerin bereits mehrfach wegen der Rechnung gerufen. I[...] D[...] ging hinter den Tresen der Bar. S[...] D[...] trat sodann an die Theke heran und warf eine leere Zigarettenpackung in ihre Richtung, verfehlte sie aber. I[...] D[...] hob die Zigarettenschachtel auf, gab sie S[...] D[...] zurück und sprach ein Lokalverbot über die drei Besucher aus. Danach ging sie zu J[...] J[...], während S[...] D[...] erneut eine Zigarettenpackung nach ihr warf. Wieder verfehlte er sie. Als I[...] D[...] sah, dass J[...] J[...] Geld in der Hand hielt, ging sie erneut hinter die Theke um die Rechnung der drei Besucher auszudrucken. S[...] D[...] begann sie dabei in serbischer Sprache zu beschimpfen. Danach holte er mit seinem rechten Arm aus, um ihr über die Theke hinweg, mit der flachen Hand einen Schlag ins Gesicht zu versetzen. I[...] D[...] konnte den Schlag mit ihrem Unterarm abwehren. Danach schlug sie S[...] D[...] auf die linke Hand.
Der Beschwerdeführer stand währenddessen mit dem Rücken zum Geschehen. Zudem spricht er kein serbisch und konnte daher auch die Beschimpfungen des S[...] D[...] nicht verstehen. S[...] T[...], der Inhaber des Lokals, hatte den Vorfall jedoch verfolgt und stellte S[...] D[...] in deutscher Sprache zur Rede. Dadurch wurde auch der Beschwerdeführer auf die Auseinandersetzung aufmerksam und drehte sich in Richtung seiner Frau I[...] D[...]. Dann ging er auf S[...] D[...] zu und versetzte ihm einen heftigen Schlag mit offener Hand gegen den Kopf, wodurch dieser zu Boden fiel. M[...] B[...] lief daraufhin auf den Beschwerdeführer zu, woraufhin ihn dieser mit beiden Händen wegstieß. M[...] B[...] erlitt dabei eine Schwellung im Bereich der rechten Schläfe bis zum Jochbein und verließ anschließend das Lokal. S[...] T[...] versuchte den am Boden liegenden S[...] D[...] aufzurichten und stützte ihn dabei. Er konnte wahrnehmen, dass dieser noch atmete. Kurz darauf, überprüfte der Beschwerdeführer den Puls und musste feststellen, dass die Atmung ausgesetzt hatte, woraufhin er mittels Herzdruckmassage und Mund zu Mund Beatmung versuchte den S[...] D[...] wiederzubeleben. Er sagte dabei immer wieder „werd wach!“. I[...] D[...] alarmierte die Rettung und übergab das Telefon mit weiteren Anweisungen zur Wiederbelebung an den Beschwerdeführer. Dieser wiederum reichte es dem Lokalbesucher F[...] R[...], welcher die Anleitungen des Rettungsnotdienstes an ihn weitergab. Der Beschwerdeführer setzte die Reanimation bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes um 09.40 Uhr fort. S[...] D[...] wurde sodann unter Aufsicht eines Notarztes ins Sozialmedizinische Zentrum Ost gebracht, in welchem er intensivmedizinisch und fachgerecht behandelt wurde.
S[...] D[...] erlitt durch den Schlag ein Schädel-Hirn-Trauma, welches mit einer akuten Blutung aus der dadurch eingerissenen linken Wirbelschlagader in die Schädelhöhe einherging. Er verstarb am 23.06.2019 um 01:00 Uhr unter Einklemmung des Hirnstamms an Atem- und Hirnlähmung, als Folge des durch den Beschwerdeführer zugefügten Schlages.
Der Beschwerdeführer wurde unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem Strafsatz des § 86 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei ein zweijähriger Teil unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Als mildernd wertete das Gericht sein reumütiges Geständnis und als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbaren Handlungen. Das Gericht führte zu Strafbemessung weiters aus: „Aufgrund der geständigen und reumütigen Verantwortung des Angeklagten, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen begehen wird, weswegen zwei Jahre der verhängten Freiheitsstrafe für die Dauer einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43a Abs. 4 StGB bedingt nachzusehen waren (…)“.
Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde ihm die Verbüßung des unbedingten Teiles seiner Haftstrafe durch elektronisch überwachten Hausarrest gewährt und trat er diese am 17.12.2020 an.
Neben seinen strafgerichtlichen Verurteilungen weist der Beschwerdeführer im Bundesgebiet auch mehrere Verwaltungsstrafen auf:
So wurde er am 22.05.2020 beim Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung – nachdem ihm diese bereits zuvor mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 05.02.2020, GZ: XXXX entzogen worden war – betreten und wurde über ihn wegen der Übertretungen der Bestimmungen der § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 21.07.2020, GZ: XXXX eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 900,- und im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 17 Tage und acht Stunden verhängt.
Am 06.07.2020 wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge ihrer dienstlichen Wahrnehmung bei der Verletzung einer Vorrangregel beobachtet und im Zuge dessen festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr erneut ein Kraftfahrzeug ohne Lenkerberechtigung lenkte, nachdem ihm diese entzogen worden war. Infolge verhängte die Landespolizeidirektion Wien mit Straferkenntnis vom 14.08.2020, GZ: VStV/9020301177337/2020 über den Beschwerdeführer wegen der Übertretung der Bestimmungen der § 19 Abs. 7 iVm § 19 Abs. 1 StVO sowie der § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 1.540,- und im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von insgesamt 29 Tage und 15 Stunden.
Als Folge seiner ersten strafgerichtlichen Verurteilung vom 27.11.2006 wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 31.07.2007, Zl. XXXX ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren verhängt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und wurde dieser im Rechtsmittelweg mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vom 29.04.2013, GZ: XXXX stattgegeben und der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien behoben.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung, der sich darin Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 18.01.2021, des bekämpften Bescheides und seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Informationssystems Zentrales Fremdenregister, des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger und des Strafregisters eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine sich dort einliegende Kopie seines rumänischen Reisepasses ist die Identität des Beschwerdeführers belegt.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden weder im Administrativverfahren noch im Beschwerdeverfahren vorgebracht. In Zusammenschau mit seinem Alter und seiner bereits ausgeübten Erwerbstätigkeiten ergibt sich seine Arbeitsfähigkeit.
Die Feststellungen, dass er in Rumänien geboren wurde und dort die ersten Lebensjahre verbrachte, ergeben sich ebenso wie die Feststellung zu seinem im Jahr 2000 erfolgten Umzug nach Österreich sowie seine im Bundesgebiet erworbene Schul- und Berufsbildung aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Stellungnahme vom 18.01.2021. Aus der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister gründen die Feststellungen über den Aufenthalt und die melderechtliche Erfassung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Sein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt sich aus der Einsicht in die vorgelegten fremdenrechtlichen Dokumente, insbesondere den Aufenthaltstiteln. Dass der Beschwerdeführer über eine Anmeldebescheinigung verfügt, ergibt sich aus der sich im Verwaltungsakt befindlichen Kopie seiner Anmeldebestätigung.
Dass er regelmäßig mit Unterbrechungen in Österreich erwerbstätig war und zwischenzeitig Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bezog, leitet sich aus einer Einsicht in das Sozialversicherungsverzeichnis AJ-Web ab und lassen sich diesem auch sein gegenwärtiges Beschäftigungsverhältnis und seine daraus ableitbare Vollversicherung entnehmen.
Das erkennende Gericht wertet die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Familienstand als glaubhaft und wurde dies auch eine Heiratsurkunde und die Geburtsurkunde seines Sohnes und seines Stiefsohnes auch belegt. Ebenfalls glaubhaft erachtet das erkennende Gericht die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Wohnsituation, nämlich der gemeinsamen Unterkunft mit Ehefrau und Kindern und ist dies auch durch einen aktuellen ZMR-Auszug und einem vorgelegten Mietvertrag belegt. Die Feststellungen zu seinen weiteren in Österreich wohnhaften Familienangehörigen ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 18.01.2021, welche auch durch weiteres Vorbringen in der Beschwerde und den beiliegenden Kopien der Dokumente einiger Familienmitglieder belegt sind.
Die Feststellungen zu seinen familiären Anknüpfungspunkten in seinem Herkunftsstaat ergeben sich ebenso aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben in seiner Stellungnahme vom 18.01.2021 und wird seinen diesbezüglichen Angaben im Beschwerdeschriftsatz – wonach er in Rumänien niemanden mehr habe – nicht gefolgt und als Schutzbehauptung gewertet.
Aus den sich zum Teil ebenfalls im Verwaltungsakt befindlichen Urteilen der Strafgerichte resultiert die Feststellung über seine rechtskräftigen Verurteilungen, deren Grundlage sowie die Strafbemessungsgründe Die Einsicht in den Strafregisterauszug ergab übereinstimmend die einschlägigen Vorbestrafungen. Dass dem Beschwerdeführer auf Antrag die Verbüßung des unbedingten Teiles seiner Haftstrafe durch elektronisch überwachten Hausarrest gewährt wurde und er diese am 17.12.2020 antrat, ist ebenfalls aus der sich im Verwaltungsakt einliegenden Mitteilung der Justizanstalt zu entnehmen.
Im Verwaltungsakt liegen auch die beiden angeführten Straferkenntnisse der Landespolizeidirektion Wien ein und basieren darauf die in den Feststellungen getroffenen Feststellungen zu seinen Verwaltungsstrafen.
Sein erstmals über ihn erlassenes Aufenthaltsverbot und dessen weitere Behebung sind durch den im Verwaltungsakt einliegenden Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 31.07.2007, Zl. XXXX und dem Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vom 29.04.2013, GZ: XXXX belegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Der Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Aufgrund seines seit 20.12.2000 durchgehenden und somit mehr als zehn Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich, kommt der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG (d.h. nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet) als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbotes zur Anwendung.
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).
Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FrPolG 2005 soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Unionsbürger-RL (§ 2 Abs. 4 Z 18 FrPolG 2005) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzt sein sollen; es ist vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen „besonders hohen Schweregrad“ aufweist (vgl. EuGH 23.11.2010, C-145/09; EuGH 22.05.2012, C-348/09, wo überdies darauf hingewiesen wurde, dass es „besonders schwerwiegende(r) Merkmale“ bedarf.).
Es ist der belangten Behörde dahingehend zuzustimmen, dass in Zusammenschau seines seit seiner Einreise gesetzten mehrfachen Fehlverhaltens (zuletzt insbesondere sein Verstoß gegen das Waffengesetz, seiner Kriminalität in Hinblick auf körperliche Gewalt und dem daraus resultierenden Tod eines Menschen sowie seine Verwaltungsübertretungen), seine mehrfache Straffälligkeit und sein sich daraus ergebendes Charakterbild und sein offenkundiger Unwille, sich nicht an die hiesige Rechtsordnung halten zu wollen, eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit resultiert. Auch wenn die besondere Gefährlichkeit von Gewaltdelikten berücksichtigt wird, ist der qualifizierte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG („nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich“) im gegenständlichen Fall trotz der Schwere der von ihm zu verantwortenden Kriminalität nicht erfüllt.
Zweifelsfrei lässt sich aufgrund der Vielzahl und des Unrechtsgehaltes der verübten Straftaten und der breiten Deliktspalette eine Gefährlichkeit des Beschwerdeführers erkennen. Ohne den Unrechtsgehalt seiner (vor allem letztmaligen) Tat und die mit der Tat einhergehende Todesfolge für sein Opfer zu verkennen, übersteigen die von ihm verübten Straftaten und sein Gesamtverhalten jedoch nicht die Schwelle des von der höchstgerichtlichen Judikatur geforderten notwendigen Maßes um die Begriffe „nachhaltig und maßgeblich“ zu erfüllen. Bei zwei seiner vier Verurteilungen fanden die Strafgerichte mit der Verhängung einer Geldstrafe das Auslangen. Hinzu kommt, dass nach den Verurteilungen aus 2006 und 2011 ein mehrjähriger Zeitraum des Wohlverhaltens folgte, der an sich jeweils ein Mehrfaches des Zeitraumes der ausgesprochenen und verbüßten Freiheitsstrafe umfasste. Lediglich im Jahr 2019 trat der Beschwerdeführer zwei Mal innerhalb eines Monats strafgerichtlich in Erscheinung, wobei seine Verurteilung durch das Bezirksgericht XXXX vom 14.11.2019 wegen unbefugten Waffenbesitzes „lediglich“ eine Geldstrafe nach sich zog. Aus seinem letztmaligen deliktischen Handeln lässt sich an sich keine derart grobe Gefährlichkeit des Beschwerdeführers erkennen, die – unter Berücksichtigung seines langen Aufenthalts im Bundesgebiet und seiner hier entstandenen privaten und familiären Anbindungen – eine Ausweisung rechtfertigen würde. Es handelt sich hierbei keinesfalls um eine Verharmlosung der Tat zumal bereits das Strafgericht aussprach, dass es bei Berücksichtigung der Heftigkeit des Schlages lebensfremd anzunehmen wäre, dass das Opfer aufgrund des Schlages keine Kopfverletzung erleiden kann, welche zum Tod führt. Somit musste es dem Beschwerdeführer bewusst sein, dass sein Schlag weitreichende Konsequenzen auf die Gesundheit seines Opfers mit sich bringt. In diesem Zusammenhang lässt das erkennende Gericht aber auch nicht außer Acht, dass der Beschwerdeführer bei letzter Tatbegehung versuchte, den Verletzungserfolg seines Opfers durch unmittelbare Hilfeleistungen in Form einer Herzdruckmassage und einer Mund-zu-Mund-Beatmung abzuwenden, was wiederum ein sofortiges Erfassen des eigenen Fehlverhaltens durch den Beschwerdeführer erkennen lässt. Es ist des Weiteren aber auch zu berücksichtigen, dass – wie das Strafgericht zuletzt feststellte – sich der Beschwerdeführer reumütig zeigte und er ein umfassendes Geständnis ablegte. Aber auch die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer ein Strafausmaß von zwei Jahren bedingt nachgesehen wurde und er den unbedingten Teil seiner Haftstrafe letztendlich in elektronisch überwachtem Hausarrest verbüßt, zeugt davon, dass die auch die Strafgerichtsbarkeit von keiner permanenten gravierenden Gefährdung seitens des Beschwerdeführers ausgeht. Überdies ist gemäß § 9 BFA-VG angesichts des jahrelangen rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers, seiner beruflichen Verankerung am Arbeitsmarkt und der familiären Anbindung zu seiner Kernfamilie und seinen Eltern, die aufgrund ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ebenfalls in Österreich leben sowie aufgrund der Tatsache, dass es sich nachweislich und regelmäßig um seine ebenfalls in Österreich lebenden Söhne kümmert und für diese auch Unterhalt leistet von einem unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK durch das Aufenthaltsverbot auszugehen.
Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer somit nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgabe der Beschwerde zu beheben. Dies schließt aber nicht aus, dass – sollte der Beschwerdeführer in naher Zukunft wieder straffällig werden – die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen ist, insbesondere bei einem entsprechend schwerwiegenden Rückfall auf Gewalt- oder Eigentumsdelikte.
Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, weil schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die maßgebliche Judikatur in Hinblick auf das Aufenthaltsverbot von EWR-Bürgern nach Straffälligkeit und der dabei zu prüfende Maßstab sind in der Judikatur der Höchstgerichte bereits einstimmig und ausreichend judiziert, sodass auf die vorgenannte Judikatur verwiesen werden durfte.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abgabenhinterziehung Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Aufenthaltsverbot aufgehoben Behebung der Entscheidung Diebstahl ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewalttätigkeit Gewerbsmäßigkeit Integration Interessenabwägung Kassation Körperverletzung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen schwere Straftat Tod Verbrechen Verhältnismäßigkeit Waffenbesitz Wiederholungsgefahr WiederholungstatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2240963.1.00Im RIS seit
16.08.2021Zuletzt aktualisiert am
16.08.2021