TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 W226 2204338-1

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Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch


W226 2204338-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Kasachstan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2018, Zl. 607974706-160094790 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.03.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VII. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 52 FPG 2005 idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird eine „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1 Am 19.01.2016 brachte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Die BF wurde am selben Tage im Zuge einer Erstbefragung zu den Fluchtgründen einvernommen und führte dabei aus, dass keine Fluchtgründe vorlägen, sie auch sonst keine Furcht vor einer Rückkehr nach Kasachstan habe und ihr bei einer Rückkehr dort keine unmenschliche Behandlung, Strafe oder sonstige Sanktion drohe. Vielmehr sei der Grund für ihren Asylantrag, dass ihr (damaliger) Ehemann nicht um eine Rot-Weiß-Rot Karte ansuchen könne.

Am 09.04.2018 wurde die BF durch die Außenstelle Wien der belangten Behörde niederschriftlich zum Fluchtgrund einvernommen. Die BF führte aus, dass sie im Dezember 2012 legal mittels eines Visums in Österreich eingereist sei und zunächst als Schülerin ein „College“ besucht habe, Ende 2015 aber keinen Verlängerungsantrag mehr für eine Aufenthaltsbewilligung gestellt habe, da ihr Unterlagen gefehlt hätten. Anfang 2016 habe sie ihren ersten Ehemann, XXXX , welcher Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei und eine „graue Karte“ innehabe, geheiratet, von dem sie sich allerdings am XXXX wieder scheiden habe lassen. Hätte dieser eine Niederlassungsbewilligung bekommen, hätte sie auch eine solche erhalten.

Zum Grund für ihren Asylantrag befragt, wiederholte die BF, dass sie in Kasachstan nie Probleme gehabt habe, weder bedroht, noch aus irgendwelchen Gründen verfolgt worden sei und sie bei einer Rückkehr nach Kasachstan auch nichts zu befürchten habe. Sie gab erneut an, dass sie den Asylantrag nur auf Anraten ihres damaligen Ehemannes gestellt habe, da dieser bzw. die BF als dessen Ehefrau keine entsprechende Aufenthaltsbewilligung erhalten habe.

Nach allgemeinen Schilderungen zu ihrem bisherigen Ausbildungs- und Berufsweg führte die BF aus, dass ihre Eltern und zwei Brüder in Kasachstan leben, mit welchen sie einmal pro Woche Kontakt habe. Sie habe auch acht Onkeln väterlicherseits. Ihre Mutter sei an Lungenkrebs erkrankt, weshalb sie derzeit nicht arbeiten könne, ihr Vater sei als Taxifahrer tätig. In Österreich habe sie 2017 XXXX , welcher österreichischer Staatsbürger sei und von dem sie ein Kind erwarte, kennengelernt und am XXXX geheiratet. Befragt nach unterschiedlichen Wohnadressen laut ZMR-Auszügen gab die BF an, dass sie ihre alte Wohnung mit aufrechtem Mietvertrag erst weitergeben müsse, aber bereits mit ihrem Ehemann in seiner Wohnung leben würde. In Kasachstan sei sie zuletzt im Jahr 2015 gewesen. Die BF brachte vor, dass sie derzeit von ihrem Ehemann, der gelernter Elektriker, aber gerade arbeitslos sei, finanziell abhängig sei. Nach ihrem Asylantrag habe sie keiner Arbeit mehr nachgehen können. Das Familienleben mit ihrem Ehemann beschrieb die BF so, dass sie alles miteinander unternehmen würden, z.B. Eis essen. Zu weiteren integrativen Aspekten befragt, schilderte die BF, dass sie österreichische, russische und ukrainische Freunde in Österreich habe und legte ein Zeugnis eines Deutschkurses Niveau B2 aus 2013 und Niveau C1 aus 2014 des Innovationszentrums Universität XXXX vor.

Am 12.06.2018 fand eine Zeugeneinvernahme des Ehemannes der BF, XXXX , in Bezug auf die BF statt, wo dieser das Familienleben mit der BF sowie deren Wohn- und finanzielle Situation schilderte.

1.2. Am 14.06.2018 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, in welchem der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan abgewiesen wurde (Spruchpunkte I. und II.). Der BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), unter Spruchpunkt IV. wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG 2005 nach Kasachstan zulässig sei und unter Spruchpunkt VI. wurde abgesprochen, dass die BF ihr Recht zum Aufenthalt gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verloren habe. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII.).

Die belangte Behörde stellte vor dem Hintergrund der Angaben der BF und der Staatendokumentation zu Kasachstan weder eine Verfolgung aufgrund asylrelevanter Fluchtgründe gegen die Person der BF, noch irgendwelche Anhaltspunkte, welche die Gewährung von subsidiärem Schutz oder einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 57 AsylG 2005 an die BF verlangen würden, fest. Bezogen auf die Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass ein schützenswertes Familienleben (zu welchem ein ungeborenes Kind im Übrigen noch nicht gezählt werden könne) mit ihrem Ehemann in Österreich erst seit kurzer Zeit bestehe und zu einem Zeitpunkt entstanden sei, in dem sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei. Die belangte Behörde verwies zudem auf die Möglichkeit einer Fortsetzung des Ehelebens bzw die Aufrechterhaltung des Kontakts in Kasachstan, wo die BF noch familiäre Anknüpfungspunkte habe und einer Beschäftigung nachgehen könne. Weiters legte die belangte Behörde dar, dass die letzten Jahre des Aufenthaltes der BF in Österreich auf einem unbegründeten Asylantrag beruhten, die BF nicht karitativ tätig sei und keiner geregelten Beschäftigung nachgehe. Im Rahmen einer Gesamtabwägung, so die Schlussfolgerung der belangten Behörde, könne die Rückkehrentscheidung daher auch im Sinne von Art. 8 EMRK als verhältnismäßig angesehen werden.

1.3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, dabei wurde das bisherige Verfahren kritisiert und ua die Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie die Aufhebung der Rückkehrentscheidung beantragt. Gegen die Abweisung des Antrages der BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw subsidiär Schutzberechtigten wurde keine nähere Begründung vorgetragen. Zum Familienleben wurde vorgebracht, dass der persönliche Kontakt des Kindes der BF zu seinem Vater nach seiner Geburt nur durch den weiteren Aufenthalt der BF in Österreich aufrecht erhalten werden könne, da in Kasachstan „kein funktionierendes Staatswesen bestehe“.

Außerdem würde die BF nach einer Rückkehr nach Kasachstan in eine wirtschaftlich ausweglose Situation geraten, da sie weder auf finanzielle Ressourcen der Eltern zurückgreifen könne, noch eine finanzielle Unterstützung durch ihren Ehemann dort gesichert wäre. Angesichts der seit 2017 bestehenden Beziehung und späteren Heirat mit ihrem Ehemann, welcher für die BF und das gemeinsame Kind sorgen könne, und der bevorstehenden Geburt des gemeinsamen Kindes bestehe ein schützenswertes Familienleben der BF in Österreich.

1.4. Am 23.03.2021 wurde nunmehr die BF durch das erkennende Gericht zum Fluchtgrund und integrativen Aspekten nochmals einvernommen. Die BF brachte vor, dass in der Zwischenzeit ihre Mutter verstorben sei und ein regelmäßiger Kontakt nur noch zum Vater der BF bestehe. Sie habe ein weiteres Kind mit ihrem Ehemann bekommen, weshalb sie derzeit nicht berufstätig sei und nur von staatlicher Unterstützung lebe, da auch ihr Mann gerade arbeitslos sei. Weiters verwies sie auf ihr Familienleben in Österreich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen von BF und ihrem Ehemann vor dem BFA, die Beschwerde, die Stellungnahme der BF, durch Einsicht in die vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen, durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung aktueller Länderinformationen zum Herkunftsstaat.

1) Feststellungen:

Feststellungen zur BF:

Die Identität der BF steht fest. Die BF ist Staatsangehörige von Kasachstan und gehört der kasachischen Volksgruppe an. Die BF bekennt sich zum islamischen Glauben. Die Muttersprache der BF ist Russisch. Die BF ist gesund und strafgerichtlich unbescholten. 2014 wurde die BF zu einer bedingten dreimonatigen Haftstrafe verurteilt (AS 1-9), welche allerdings mittlerweile getilgt ist.

Die BF stellte Ende 2012 einen Antrag auf eine Aufenthaltsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit für Österreich, welche ihr für die Dauer eines Jahres bewilligt wurde und woraufhin sie mit einem Studentenvisum ins Bundesgebiet einreiste. Von Ende 2013 bis Ende 2015 war die BF aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung – Schüler zum Aufenthalt berechtigt, welche allerdings Ende 2015 nicht mehr verlängert wurde.

Die BF befindet sich sohin seit etwa 8 Jahren in Österreich. Im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 ging die BF geringfügigen Beschäftigungen als Arbeiterin nach und besuchte ein Business College in XXXX . Sie absolvierte Deutschkurse auf dem Niveau B2 im Jahr 2013 und auf dem Niveau C1 im Jahr 2014. Nach Stellung ihres Asylantrages am 19.01.2016 ging die BF keiner Beschäftigung mehr nach und absolvierte keine weiteren Deutschkurse. Aufgrund ihrer familiären Situation spricht die BF aber seit vielen Jahren nur noch Deutsch und verständigte sich auch in der Einvernahme vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung problemlos in deutscher Sprache. In Kasachstan besuchte die BF zuvor für 11 Jahre die Schule und ein Kolleg, wo ihr ein Diplom der Fachausbildung zur Lehrerin an der Grundschule/ Lehrerin für Fremdsprachen an der Grundschule verliehen wurde, und arbeitete als Köchin und Rezeptionistin.

Am XXXX heiratete BF ihren ersten Ehemann, XXXX , von welchem sie sich am XXXX einvernehmlich scheiden ließ. Noch im Jahr 2017 lernte sie ihren derzeitigen Ehemann, XXXX , kennen, den sie am XXXX heiratete und welcher österreichischer Staatsbürger ist. Dieser ist gelernter Elektroinstallateur, allerdings derzeit arbeitslos. Der Ehemann der BF war noch nie länger in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz aufhältig oder berufstätig.

Die beiden leben seit 2017 zusammen in XXXX und haben zwei Kinder: XXXX , geboren am XXXX , und XXXX , geboren am XXXX . Beide Kinder besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft.

Die Familie lebt aufgrund der derzeitigen Arbeitslosigkeit des Ehemannes der BF derzeit von staatlicher Unterstützung. Die BF kümmert sich im Moment ausschließlich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder, von denen eines halbtags den Kindergarten besucht und das andere unter einem Jahr alt ist. Der Ehemann hilft der BF bei der Kindererziehung und ist derzeit auf Jobsuche. Das kleinere Kind wird noch von BF gestillt und ist sehr anhänglich zur BF. Am Wochenende besucht die Familie vor allem die Familie des Ehemannes der BF. Die BF ist im Moment ebenfalls erwerbslos und finanziell von ihrem Ehemann abhängig, möchte aber die Integrationsprüfung absolvieren und eine Ausbildung als Kindergartenassistentin beginnen. Die BF geht keiner Tätigkeit in Vereinen oder einer anderen karitativen Tätigkeit nach.

In Kasachstan halten sich Verwandte der BF auf. Zu ihrem 60-jährigen Vater, der aufgrund einer Krankheit derzeit nicht arbeitet, hat die BF regelmäßig Kontakt. Zu ihren Onkeln hat die BF keinen regelmäßigen Kontakt. Ihre Mutter ist während des laufenden Asylverfahrens verstorben. Zu ihren Brüdern hat die BF seit dem Tod der Mutter nur mehr sporadischen Kontakt, was diese beruflich machen, ist der BF nicht bekannt. Die BF reiste zuletzt im Jahr 2015 nach Kasachstan.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der BF:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Covid-19

Aktuell ist die Pandemie in Kasachstan unter Kontrolle. Gemäß einer Information der Nachrichtenagentur Kazinform befindet sich mit Stand 20.2.2021 und in Bezug auf das in Kasachstan bestehende Covid-Ampelsystem keine einzige Region Kasachstans mehr in der „roten“ Zone (KI 20.2.2021; vgl. WKO 18.2.2021).

Es besteht eine umfassende Pflicht, im öffentlichen Raum einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Abstand zu halten. Öffentliche Verkehrsmittel dürfen ohne Mund-Nasen-Schutz nicht genutzt werden. In Geschäften und im öffentlichen Raum gelten besondere Hygienemaßnahmen (AA 17.2.2021; vgl. WKO 18.2.2021, BMEIA 11.2.2021). Verboten sind die Durchführung von Massen-, Familien- und Gedenkveranstaltungen, Konferenzen usw. (WKO 18.2.2021).

In Kasachstan besteht keine Covid-Impfpflicht. Risikogruppen werden kostenlos geimpft werden (KI o.D.). Derzeit werden in der Hauptstadt Kasachstans Impfungen mit dem russischen Impfstoff Sputnik-V durchgeführt. Dreitausend Freiwillige wurden ab 25.12.2020 mit dem kasachischen Impfstoff QazCovid-In geimpft (Phase 3 der klinischen Studien). Dieser Impfstoff wurde befristet auf neun Monate registriert (KI 19.2.2021).

Die Einreise nach Kasachstan wird nur bei Vorlage eines negativen PCR-Tests gestattet, welcher zum Zeitpunkt des Grenzübertritts nicht älter als 72 Stunden sein darf. Direkt nach der Ankunft in Kasachstan werden Temperaturmessungen vorgenommen. Bei erhöhter Temperatur müssen Reisende sich bis zu zwei Tage in einem Quarantänekrankenhaus aufhalten. Dort erfolgt ein erneuter PCR-Test. Bei negativem Ergebnis darf das Quarantänekrankenhaus verlassen werden, bei positivem Testergebnis werden Reisende in ein Krankenhaus für ansteckende Krankheiten gebracht und müssen sich so lange dort aufhalten, bis das Virus nicht mehr nachgewiesen werden kann. Jeder Reisende muss zusätzlich bei Einreise einen Fragebogen ausfüllen. Reisende müssen ihren Aufenthaltsort in Kasachstan sowie ihre Kontaktdaten angeben (AA 17.2.2021).

Der internationale Flugverkehr findet regelmäßig statt. Inlandsflüge verkehren zwischen den

meisten großen Städten des Landes. Auch Busse und Bahnen verkehren regelmäßig (AA 17.2.2021; vgl. WKO 18.2.2021).

Quellen:

?        AA –Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.2.2021): Kasachstan: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342, Zugriff 18.2.2021

?        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (11.2.2021): Kasachstan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan/, Zugriff 18.2.2021

?        KI – Kazinform / ???????? ? ????????????? (??????????) [Coronavirus-Situation -offiziell] (o.D.): ??? ????? ????? ? ??????? ?? COVID-19 [Was man über den COVID-19- Impfstoff wissen muss], https://www.coronavirus2020.kz/ru/vaccine, Zugriff 23.2.2021

?        KI – Kazinform / ???????? ? ????????????? (??????????) [Coronavirus-Situation - offiziell] (20.2.2021): ??????????? ? ??????????: ? «???????» ???? ?? ???????? ?? ?????? ??????? [Coronavirus in Kasachstan: Es gibt keine Regionen mehr in der „roten” Zone], https://www.coronavirus2020.kz/ru/koronavirus-v-kazahstane-v-krasnoy-zone-ne- ostalos-ni-odnogo-regiona_a3755567 , Zugriff 23.2.2021

?        KI – Kazinform / ???????? ? ????????????? (??????????) [Coronavirus-Situation -offiziell] (19.2.2021): ?????? ???? ?????????? ?? ???????????? ? ???-??????? ?????? ? 22 ??????? [Zweite Covid-Impfphase in Nur-Sultan beginnt am 22. Februar], https://www.coronavirus2020.kz/ru/vtoroy-etap-vakcinacii-ot-koronavirusa-v-nur-sultane- nachnut-s-22-fevralya_a3755213, Zugriff 23.2.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Kasachstan, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-kasachstan.html, Zugriff 22.2.2021

3. Politische Lage

Kasachstan ist eine Präsidialrepublik mit starker Stellung des Präsidenten (GIZ 11.2020a; vgl. AA 26.2.2020a, AA 26.2.2020b). Die Verfassung aus dem Jahr 1995 orientiert sich an der französischen Verfassung und räumt dem Präsidenten weitgehende Befugnisse ein. Der Präsident hat das Vorschlagsrecht für den Premier- und weitere Minister und ernennt und entlässt die Regierung sowie die Hakims (Gouverneure) der Gebiete des Landes (GIZ 11.2020a). Der Präsident ernennt und entlässt den Generalstaatsanwalt und Richter (USDOS 11.3.2020; vgl. BTI 2020). Die Richter des Obersten Gerichtshofes werden vom Präsidenten vorgeschlagen (FH 6.3.2020). Der Präsident hat das Recht, das Parlament aufzulösen, und ist Oberbefehlshaber der Armee. Für Verfassungsänderungen ist die Zustimmung des Präsidenten erforderlich. Die Regierung ist dem Präsidenten gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig gegenüber dem Parlament. Der Präsident wird vom Volk direkt gewählt für eine Amtszeit von fünf Jahren. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2017 erfolgte eine Kompetenzverlagerung vom Präsidenten zu Parlament und Regierung (GIZ 11.2020a; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Dadurch erhielt das Parlament unter anderem mehr Einfluss bei der Auswahl des Premierministers und der Kabinettsmitglieder. Außerdem wurden die Möglichkeiten des Präsidenten eingeschränkt, durch Dekrete zu regieren (FH 4.3.2020).

Am 9.6.2019 fanden vorgezogene Präsidentenwahlen statt. Die Wahlbeteiligung betrug ca. 77,5%. Die Anzahl der Wahlberechtigten betrug ca. 12 Millionen. Insgesamt traten 7 Kandidaten zur Wahl an. Tokaew von der Partei Nur Otan (Vaterlandspartei) erhielt 70,96% der Stimmen, gefolgt von Amirschan Kosanow mit 16,23% der Stimmen und der bisher einzigen weiblichen Kandidatin Danija Espaewa mit 5,05% der Stimmen (GIZ 11.2020a; vgl. OSCE/ODIHR 4.10.2019, ZK 10.6.2019, AA 26.2.2020b, IFES o.D.c, ZA 28.6.2019). Die OSZE kritisierte Unzulänglichkeiten des Wahlgesetzes und stellte in Bezug auf die Präsidentenwahlen am 9.6.2019 signifikante Unregelmäßigkeiten fest (OSCE/ODIHR 4.10.2019; vgl. CACA 18.6.2019). Die Präsidentenwahl 2019 war von Bürgerprotesten begleitet, welche zu zahlreichen Festnahmen führten (GIZ 11.2020a; vgl. OSCE/ODIHR 4.10.2019).

Kasachstan wird autoritär regiert (FH 6.3.2020; vgl. BTI 2020, HSS 19.1.2021). Die Gewaltenteilung bleibt schwach ausgeprägt. Am stärksten ist die Machtfülle bei der Exekutive und hier im Speziellen beim Präsidenten. Das Regime verhindert durch Unterdrückung oppositioneller Strömungen das Entstehen neuer politischer Kräfte (BTI 2020; vgl. GIZ 11.2020a). Politische Parteien müssen beim Justizministerium registriert sein. Derzeit gibt es in Kasachstan sechs registrierte Parteien. Seit mehreren Jahren wurden keine neuen Parteien mehr registriert (HSS 19.1.2021; vgl. ZA 29.1.2021, OSCE/ODIHR 11.1.2021).

Das Parlament besteht aus zwei Kammern: Senat und Maschilis. Der Senat hat 47 Sitze. 15 Senatoren werden direkt vom Präsidenten ernannt, 32 von den Volksvertretungen der Gebiete für sechs Jahre gewählt. Die Maschilis, das Unterhaus des Parlaments, hat 107 Sitze. 98 Abgeordnete werden alle fünf Jahre nach Parteilisten von der Bevölkerung gewählt, neun Sitze von der Volksversammlung Kasachstans, einer speziellen Vertretung der vielen Nationalitäten des Landes, besetzt (GIZ 11.2020a; vgl. AA 26.2.2020b, IFES o.D.b, HSS 19.1.2021).

Am 10.1.2021 fanden in Kasachstan die letzten Parlamentswahlen statt. Es wurden 98 Abgeordnete des Unterhauses gewählt. Nach Angaben der Wahlkommission setzte sich am 10.1.2021 die Regierungspartei Nur Otan mit 71,09% der abgegebenen Stimmen (76 Sitze) gegen die übrigen angetretenen, regierungsfreundlichen Parteien durch. Die Demokratische Partei Ak Schol erhielt 10,95% der abgegebenen Stimmen (12 Sitze), die Volkspartei 9,10% (10 Sitze), die Volksdemokratische Patriotische Partei Auyl 5,29% und die Partei Adal 3,57% der abgegebenen Stimmen. Die Nationale Sozialdemokratische Partei hatte die Wahl boykottiert. In den Monaten vor der Wahl und am Wahltag selbst wurden Dutzende Oppositionelle festgenommen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte mangelnde Transparenz des Wahlprozesses, fehlenden Wettbewerb und Unregelmäßigkeiten beim Auszählen sowie der Auswertung der abgegebenen Stimmen. Auch kritisierte die OSZE, dass folgende Personengruppen nicht wahlberechtigt waren: Personen, welche aufgrund intellektueller und psychosozialer Beeinträchtigungen gerichtlich entmündigt waren, und alle Häftlinge. Die Wahlbeteiligung betrug 63,3% (BAMF 18.1.2021; vgl. OSCE/ODIHR 11.1.2021, ZK 12.1.2021, IFES o.D.a, IWPR 18.1.2021, HSS 19.1.2021, ZA 29.1.2021).

Am 1.3.2020 trat ein erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kasachstan in Kraft (EEAS o.D.).

Quellen:

?        AA –Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020a): Kasachstan: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/steckbrief/

?        206340, Zugriff 18.2.2021 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020b): Kasachstan: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/politisches-portrait/206674, Zugriff 18.2.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (18.1.2021): Briefing Notes,https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw03-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 18.2.2021

?        -BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report–Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        CACA – Central Asia-Caucasus Analyst (18.6.2019): Kazakhstan Elects New President, http://cacianalyst.org/publications/analytical-articles/item/13575-kazakhstan-elects-new-

?        president.html, Zugriff 22.2.2021

?        EEAS – European Union External Action Service (o.D.): EU-Kazakhstan Relations,

?        https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eeas-ca_ministerial_factsheets-2020-kazakhstan-

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?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2035822.html, Zugriff 17.2.2021

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030881.html, Zugriff 17.2.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (11.2020a): Kasachstan–Geschichte &Staat, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 17.2.2021

?        HSS – Hanns Seidel  Stiftung (19.1.2021): Parlamentswahl in Kasachstan, https://www.hss.de/news/detail/kasachstan-news7199/, Zugriff 22.2.2021

?        IFES – International Foundation for Electoral Systems (o.D.a): Election Guide: Republic of Kazakhstan

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?        IFES – International Foundation for Electoral Systems (o.D.c): Election Guide: Republic of Kazakhstan – Election for President, https://electionguide.org/elections/id/3257/, Zugriff 19.2.2021

?        IWPR – Institute for War and Peace Reporting (18.1.2021): Kazakstan’s Unsurprising Elections, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043890.html, Zugriff 22.2.2021

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?        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe / Office for Democratic Institutions and Human Rights (4.10.2019): Republic of Kazakhstan – Early Presidential Election 9 June 2019 – ODIHR Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/files/f/documents/2/7/434459_0.pdf, Zugriff 18.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

?        ZA – Zentralasien-Analysen (29.1.2021): Parlamentswahlen in Kasachstan (Nr. 145), https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/145/ZentralasienAnalysen145.pdf, Zugriff 22.2.2021

?        ZA – Zentralasien-Analysen (28.6.2019): Auf dem Weg zu einem anderen Kasachstan? Anmerkungen zur Präsidentschaftswahl (Nr. 135), https://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen135.pdf, Zugriff 22.2.2021

?        ZK – ??????????? ????????????? ???????? ?????????? ????????? [Zentrale Wahlkommission der Republik Kasachstan] [Kasachstan] (12.1.2021): ????????? ??????????? ????????????? ???????? ?? ?????? ????????? ??????? ????????? ???????? ?????????? ?????????? ????????? VII ?????? [Sitzung der Zentralen Wahlkommission zu den Ergebnissen der regulären Wahlen der Abgeordneten des Maschilis-Parlaments der Republik Kasachstan (VII. Legislaturperiode)], https://www.election.gov.kz/rus/news/releases/index.php?ID=6198, Zugriff 1.3.2021

?        ZK – ??????????? ????????????? ???????? ?????????? ????????? [Zentrale Wahlkommission der Republik Kasachstan] [Kasachstan] (10.6.2019): ????????? ?? ?????? ???????????? ??????? ?????????? ?????????? ?????????, ???????????? 9 ???? 2019 ???? [Bekanntgabe der Ergebnisse der außerordentlichen Wahlen des Präsidenten der Republik Kasachstan vom 9. Juni 2019], https://www.election.gov.kz/rus/news/releases/index.php?ID=5289, Zugriff 1.3.2021

4. Sicherheitslage

In Kasachstan gibt es vereinzelt terroristische Angriffe, zuletzt im Jahr 2016 auf ein Waffengeschäft in Aktobe und auf eine Polizeistation in Almaty. Die innenpolitische Lage ist derzeit stabil. Vereinzelte Demonstrationen und Festnahmen wie nach den Präsidentenwahlen 2019 oder zuletzt nach den Parlamentswahlen Anfang Jänner 2021 können nicht ausgeschlossen werden (AA 17.2.2021; vgl. GIZ 11.2020a, OSCE/ODIHR 4.10.2019, MR 2020).

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung.

Hauptverantwortlich für den Anti-Terror-Bereich ist das Komitee für Nationale Sicherheit, welches Maßnahmen der staatlichen Agenturen koordiniert. 2017 unterzeichnete der [damalige] Präsident ein Gesetz, welches es der Regierung erlaubt, Kasachen im Falle von Verurteilungen für Terrorismus- und Extremismusverbrechen ihre Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Bisher wandte die Regierung dieses Gesetz in der Praxis nicht an. Laut offiziellen Schätzungen befanden sich 2019 mehr als 90 Kasachen in Syrien, und sechs Frauen waren im Irak inhaftiert (USDOS 24.6.2020).

Zwischen Jänner und Juni 2019 wurden von der Regierung 595 Kasachen aus Syrien nach Kasachstan rückgeführt, darunter 33 männliche Auslandsterrorkämpfer/FTFs [Foreign Terrorist Fighters]. Was den Umgang mit Rückkehrern aus Syrien und Irak anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits finden Verhaftungen und gerichtliche Verfolgungen statt. In manchen Fällen scheinen Terrorismusanklagen mit politischen Oppositionsaktivitäten in Verbindung zu stehen. Ortsansässige Forscher schätzen, dass 90% der Anklagen nach Terrorismus- und Extremismusgesetzen mit keinen begangenen oder geplanten Gewalttaten im Zusammenhang stehen. Mit Stand Juni 2019 verbüßten in etwa 600 Personen eine Haftstrafe wegen Terrorismus und „Extremismus“ (USDOS 24.6.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.2.2021): Kasachstan: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342, Zugriff 18.2.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (11.2020a): Kasachstan – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 17.2.2021

?        MR – Missio (Internationales Katholisches Missionswerk e.V.) / Renovabis e.V. (Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa) (2020): Länderberichte: Religionsfreiheit (Nr. 47): Kasachstan (veröffentlicht von Konrad- Adenauer-Stiftung), https://www.kas.de/documents/266501/0/MIS_12733_La%CC%88nderbericht_47_Kasachstan_WEB+%281%29.pdf/7a41bae4-dbe0-2ad9-50e6- e7a4c0e2858c?version=1.0&t=1600950036066, Zugriff 18.2.2021

?        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe / Office for Democratic Institutions and Human Rights (4.10.2019): Republic of Kazakhstan – Early Presidential Election 9 June 2019 – ODIHR Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/files/f/documents/2/7/434459_0.pdf, Zugriff 18.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 Chapter 1 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032497.html, Zugriff 15.2.2021

5. Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz sieht keine unabhängige Justiz vor. Diese wird in der Praxis von der Exekutive stark eingeschränkt. Überdies dominiert der Staatspräsident generell die Justiz. Der Präsident ernennt und entlässt den Generalstaatsanwalt und Richter. Die Richter des Obersten Gerichtshofes werden auf Vorschlag des Präsidenten vom Oberhaus des Parlaments (Senat) gebilligt (USDOS 11.3.2020; vgl. BTI 2020, FH 6.3.2020).

Alle Angeklagten genießen die Unschuldsvermutung. Für Schwerverbrechen wie Menschenhandel und die Beteiligung Minderjähriger an kriminellen Aktivitäten sind Geschworenenprozesse vorgesehen. Aktivisten kritisieren, dass Geschworene, Experten und Zeugen Druck durch Richter ausgesetzt sind. Bei Nichtumsetzung richterlicher „Empfehlungen“ kann die Geschworenenversammlung leicht aufgelöst werden. Mittellose Angeklagte in Strafsachen haben das Recht auf Beratung und einen von der Regierung zur Verfügung gestellten Anwalt. Laut Beobachtern dominieren Staatsanwälte die Prozesse, Verteidiger spielen eine untergeordnete Rolle. Angeklagte haben das Recht, eine Entscheidung vor einem höheren Gericht anzufechten. Fehlende Rechtsstaatlichkeit bleibt ein Problem, insbesondere in Prozessen mit Bürgeraktivisten, welche gegen die Präsidentenwahl 2019 protestierten. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichteten über zahlreiche Probleme im Justizsystem, darunter fehlenden Zugang zu Gerichtsverfahren, mangelnden Zugang zu staatlichen Beweismitteln, häufige Verfahrensverstöße, Verweigerung von Verteidigungsanträgen und das Versäumnis von Richtern, Vorwürfen gegen die Behörden bezüglich durch Folter erzwungener Geständnisse nachzugehen. Korruption ist in gerichtlichen Verfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am besten verdienenden Regierungsbediensteten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Richter wurden wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft. Gemäß offiziellen Statistiken wurden im ersten Halbjahr 2019 fünf Richter wegen Korruption verurteilt. Staatsanwälte haben eine quasi-richterliche Funktion und sind befugt, Gerichtsentscheidungen auszusetzen. Obgleich es den Gerichten obliegt, Haftbefehle zu bewilligen oder zu verweigern, werden Haftanträge der Staatsanwaltschaft in der überwiegenden Mehrheit der Fälle bewilligt. Staatsanwälte sind befugt, die durch die Verfassung gewährleisteten Rechte der Bürger zu beschränken (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2035822.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

6. Sicherheitsbehörden

Die Zentralregierung hat die Kontrolle über die Mehrheit des Territoriums Kasachstans. Teilweise werden Gebiete, vor allem in West- und Südkasachstan, von organisierten kriminellen Gruppierungen kontrolliert (BTI 2020). Die Sicherheitskräfte werden effektiv von den zivilen Behörden kontrolliert (USDOS 11.3.2020).

Das kasachische Innenministerium beaufsichtigt die nationale Polizei, welche vor allem für die innere Sicherheit verantwortlich ist. Das Komitee für Nationale Sicherheit spielt eine wichtige Rolle bei der Grenzsicherheit, der inneren Sicherheit, bei Anti-Terror-Maßnahmen und bei der Ermittlung und dem Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z.B. extremistischen, militärischen, politischen, religiösen Gruppierungen und Gewerkschaften. Das Komitee für Nationale Sicherheit legt seine Berichte direkt dem Präsidenten vor (USDOS 11.3.2020).

Das Komitee für Nationale Sicherheit hat die Befugnis, Korruption durch Beamte von Geheimdiensten, des Antikorruptionsbüros und des Militärs zu untersuchen. Korruption unter den Gesetzesvollzugsorganen ist weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).

Personen, welche verhaftet, festgehalten oder beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, haben von Anfang an das Recht auf einen Anwalt. Die Strafprozessordnung verpflichtet die Polizei, Verhaftete über ihre Rechte aufzuklären. Es ist erlaubt, bei Schwerverbrechen, Terrorverbrechen, Drogenhandelsdelikten usw. einen Gefangenen bis zu 72 Stunden vor der Anklage festzuhalten. Gemäß Menschenrechtsbeobachtern nutzen Behörden gelegentlich die Untersuchungshaft, um Geständnisse mittels Folter und Misshandlungen zu erlangen. Willkürliche Verhaftungen und Festnahmen sind gesetzlich verboten, kommen in der Praxis aber vor (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

7. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter. Dennoch existieren Berichte, dass Häftlinge von Polizei- und Strafvollzugsbeamten gefoltert und misshandelt wurden (USDOS 11.3.2020).

Die Ombudsperson verzeichnete im Jahr 2018 148 Beschwerden über Folter, Gewalt und andere grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen und äußerte sich besorgt über berichtete steigende Zahlen von Misshandlungen in Haftanstalten (USDOS 11.3.2020). Amnesty International berichtet, dass der Nationale Präventionsmechanismus im Jahr 2018 176 Beschwerden wegen mutmaßlicher Misshandlungen und Folter in Haftanstalten an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet hat (AI 16.4.2020). Die Coalition Against Torture, ein Netzwerk von NGOs und Experten, berichtet, zwischen Jänner und Juni 2020 140 Beschwerden wegen Foltervorwürfen erhalten zu haben (HRW 13.1.2021).

Es besteht Straflosigkeit für Folter und Misshandlungen (HRW 13.1.2021). Misshandlungsvorwürfe werden von Behörden nicht ausreichend untersucht (USDOS 11.3.2020).

2014 wurde per Gesetz der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) geschaffen. Der NPM ist Teil der Ombudsstelle (Büro des Menschenrechtsbeauftragten) und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifiziertem und ausgebildetem Personal mangelt (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Eastern Europe and Central Asia – Review of 2019 – Kazakhstan [EUR 01/1355/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028167.html, Zugriff 17.2.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043639.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

8. Korruption

Politische Korruption und Vetternwirtschaft bleiben weit verbreitet (BTI 2020). Korruption ist bei Gerichtsverfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am besten verdienenden Regierungsangestellten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Richter wurden wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft. Gemäß offiziellen Statistiken wurden im ersten Halbjahr 2019 fünf Richter wegen Korruption verurteilt (USDOS 11.3.2020).

Das Innenministerium, die Korruptionsbekämpfungsagentur, das Komitee für nationale Sicherheit und die Disziplinarkommission für den Staatsdienst sind für die Korruptionsbekämpfung verantwortlich. Korruption durch Beamte von Geheimdiensten, des Antikorruptionsbüros und des Militärs wird vom Komitee für Nationale Sicherheit untersucht. Das Gesetz sieht Strafen für Korruption bei Beamten vor, jedoch hat die Regierung das Gesetz nicht effektiv umgesetzt, und Beamte wenden ungestraft korrupte Praktiken an. Laut offiziellen Statistiken wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres 2019 1.682 Korruptionsvergehen registriert. 873 Fälle wurden vor Gericht gebracht (USDOS 11.3.2020). 2019 wurden 1.002 Personen wegen Korruption verurteilt, darunter 297 Gesetzesvollzugsbeamte, 261 Bedienstete von Hakimaten [Regionalverwaltungen] und 49 Bedienstete des Staatskomitees für Öffentliche Einnahmen (FH 6.3.2020).

Die Regierung verfolgt vor allem in hochkarätigen Korruptionsfällen selektiv Beamte, welchen Missbrauch vorgeworfen wird. Dennoch bleibt Korruption weit verbreitet, und es besteht Straffreiheit, sowohl für Personen, welche Autoritätspositionen innehaben, als auch für Personen, welche mit Regierungs- oder Gesetzesvollzugsbeamten in Verbindung stehen (USDOS 11.3.2020).

Kasachstan wird von Transparency International bzw. dem Corruption Perceptions Index 2020 mit 38 von 100 Punkten bewertet (0=sehr korrupt, 100=sehr wenig korrupt). Kasachstan liegt auf Rang 94 von 180 untersuchten Staaten. Der Corruption Perceptions Index misst das von Experten und Geschäftsleuten wahrgenommene Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor (TI 2021).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2035822.html, Zugriff 17.2.2021

?        TI – Transparency International (2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://images.transparencycdn.org/images/2020_Report_CPI_EN.pdf, Zugriff 18.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

9. Wehrdienst

Alle männlichen Personen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren müssen dem Militär für mindestens ein Jahr dienen (Grundwehrdienst). Bei Umgehung dieser verfassungsmäßigen Verpflichtung drohen straf- und verwaltungsrechtliche Konsequenzen (VRK 26.2.2021; vgl. CIA 16.2.2021).

Die Möglichkeit einer Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen (religiösen Gründen) ist gesetzlich nicht vorgesehen, jedoch sind Zeugen Jehovas von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes ausgenommen (USDOS 10.6.2020).

Quellen:

?        CIA – Central Intelligence Agency (16.2.2021): The World Factbook: Kazakhstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/, Zugriff 19.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031359.html, Zugriff 15.2.2021

?        VRK – ???????????? ??????? ?????????? ????????? [Verteidigungsministerium der Republik Kasachstan] [Kasachstan] (26.2.2021): ??????? ????? ???????? ?????? ?????????????? ??????? ?????? [Am 1. März beginnt Einberufung der Grundwehrdiener], https://www.gov.kz/memleket/entities/mod/press/news/details/166408?lang=ru, Zugriff 1.3.2021

10. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Gründung und Arbeit von NGOs sind gesetzlich stark eingeschränkt. Die Nicht- Einhaltung von Vorschriften zieht harte Strafen nach sich (FH 4.3.2020). NGOs müssen sich bei den Behörden registrieren lassen (AI 16.4.2020).

Gemäß dem NGO-Finanzierungsgesetz von 2015 sind alle NGOs, deren Zweigstellen sowie Vertretungsbüros ausländischer und internationaler nichtkommerzieller Organisationen aufgefordert, Informationen über ihre Aktivitäten, ihre Gründer, Vermögen, Finanzquellen und Ausgaben zu liefern. „Autorisierte Institutionen“ können eine Überprüfung der übermittelten Informationen einleiten. Das Gesetz verbietet die unrechtmäßige Einmischung von öffentlichen Vereinigungen in die Arbeit der Regierung, was zu einer Geldstrafe in der Höhe von bis zu 1.049 US-Dollar oder einer Haft von bis zu 40 Tagen führen kann. Für den Vorsitzenden einer Organisation ist das drohende Strafausmaß höher. Der Begriff „illegale Einmischung“ ist im Gesetz nicht klar definiert (USDOS 11.3.2020).

Einige internationale und inländische Menschenrechtsgruppen arbeiten mit einem gewissen Grad an Freiheit, Untersuchungen bei Menschenrechtsverletzungen durchzuführen und Ergebnisse zu veröffentlichen. Doch einige Restriktionen bleiben bestehen. Internationale und lokale Menschenrechtsgruppen berichten, dass die Regierung NGO-Aktivitäten bei sensiblen Themen überwacht und es zu Belästigungen, inklusive Besuche durch die Polizei, kommt (USDOS 11.3.2020; vgl. EN 20.1.2021).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Eastern Europe and Central Asia – Review of 2019 – Kazakhstan [EUR 01/1355/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028167.html, Zugriff 17.2.2021

?        EN – EurasiaNet (20.1.2021): Kazakhstan: Authorities punish NGOs that called out vote irregularities, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043975.html, Zugriff 22.1.2021

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030881.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen, Folter, politische Gefangene, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, Meinungsfreiheitsdefizite, Einschränkungen der Pressefreiheit, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, mangelnde politische Partizipationsmöglichkeiten, Korruption, Menschenhandel sowie das Verbot von unabhängigen Gewerkschaften (USDOS 11.3.2020).

Die Opposition wird von den Behörden unterdrückt und mit Haftstrafen belegt. Tonangebende Medien sind entweder in staatlichen Händen oder im Besitz von regierungsfreundlichen Geschäftsleuten (FH 4.3.2020).

Trotz Reformierung des Gewerkschaftsgesetzes bestehen weiterhin Einschränkungen für unabhängige Organisationen. Die größte unabhängige Gewerkschaft des Landes, der Kongress Freier Gewerkschafter, bleibt unregistriert. Regierungskritiker und Journalisten werden schikaniert und strafrechtlich verfolgt. Es besteht Straflosigkeit für Folter und Misshandlungen (HRW 13.1.2021).

2014 wurde per Gesetz der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) geschaffen. Der NPM ist Teil der Ombudsstelle (Büro des Menschenrechtsbeauftragten) und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifiziertem und ausgebildetem Personal mangelt. Die Ombudsperson für Menschenrechte wird vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt. Die Ombudsperson darf zwar Beschwerden gegen Personen untersuchen, nicht aber Beschwerden gegen Entscheidungen des Präsidenten, des Parlaments, des Verfassungsrates, des Generalstaatsanwalts, der Zentralen Wahlkommission, von Gerichten usw. (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030881.html, Zugriff 17.2.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043639.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

12. Meinungs- und Pressefreiheit

Während die Verfassung Presse- und Meinungsfreiheit garantiert, schränkt die Regierung die Meinungsfreiheit ein und nimmt Einfluss auf die Medien. Dies geschieht durch Festnahmen, Gesetze, Schikanierung, Lizenzvergaben, Internetbeschränkungen sowie Straf- und Verwaltungsanzeigen. Die Vorgabe, dass Medien den Wahrheitsgehalt einer veröffentlichten Information prüfen müssen, förderte die Selbstzensur. Gesetzlich sind zusätzliche Maßnahmen und Einschränkungen während „sozialer Notfälle“ vorgesehen. Solche liegen vor, wenn in einem bestimmten Gebiet Gegensätze und Konflikte in den sozialen Beziehungen herrschen, welche zu Verlust von Menschenleben, Personenschaden, beträchtlichem Sachschaden oder zur Verschlechterung der Lebensbedingungen der Bevölkerung führen können. In diesem Fall kann die Regierung Zensur ausüben, indem sie von den Medien 24 Stunden im Voraus das Druck-, Audio- und Videomaterial verlangt, bevor eine Veröffentlichung genehmigt wird. Viele private Zeitungen und Fernsehstationen erhalten Regierungssubventionen. Der Mangel an Transparenz in Bezug auf Eigentumsverhältnisse stellt ein signifikantes Problem dar. Die Mehrheit der nicht direkt von der Regierung kontrollierten Medien gehört mutmaßlich Familienmitgliedern des früheren Präsidenten Nasarbaew oder dessen engen Vertrauten. Unabhängige Journalisten sowie Journalisten, welche für Oppositionsmedien arbeiten oder über Korruptionsfälle und Demonstrationen schreiben, berichten von Schikanen und Einschüchterungen durch Regierungsbeamte und private Akteure (USDOS 11.3.2020; vgl. ROG o.D.). Selbstzensur ist im Medienbereich und bei Internetbenutzern weit verbreitet (FH 6.3.2020). Seit Juli 2020 stellt Verleumdung/Diffamierung keine Straftat mehr dar. Die EU äußert sich besorgt darüber, dass Beleidigungen von Regierungsvertretern weiterhin strafrechtlich belangbar sind (GIZ 11.2020a; vgl. DEUK 11.2.2021).

Die Meinungs- und Pressefreiheit wird in Kasachstan seit 2012 zunehmend durch staatliche Eingriffe eingeschränkt. Kritische Zeitungen werden mit Steuerprozessen überzogen oder zu ruinösen Entschädigungszahlungen verurteilt, Websites blockiert; kritische Journalisten verbal und durch Tätlichkeiten eingeschüchtert und strafrechtlich verfolgt. In den letzten Jahren wurden mehr als 30 unabhängige oder oppositionelle Zeitungen/Zeitschriften verboten. Auch Fernsehsender, Radiosender, Videoportale und zunehmend auch das Internet sind von der restriktiven Politik betroffen. Staatliche Medien erhalten hingegen direkte finanzielle Unterstützung (GIZ 11.2020a).

Die EU äußert weiterhin Besorgnis über Berichte, dass Aktivisten, Blogger und Journalisten immer häufiger angeklagt werden wegen wissentlicher Verbreitung von Falschinformationen, was zu Haftstrafen von bis zu sieben Jahren führen kann (DEUK 11.2.2021).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2020 von Reporter ohne Grenzen rangiert Kasachstan gegenwärtig auf Platz 157 von 180 Staaten. Kasachstan verbesserte sich demnach um einen Platz gegenüber der Reihung des Vorjahres (ROG 21.4.2020).

Quellen:

?        DEUK – Delegation of the European Union to Kazakhstan (11.2.2021): Kazakhstan: Speech on behalf of High Representative/Vice-President Josep Borrell at the EP debate on the human rights situation in the country,https://eeas.europa.eu/delegations/kazakhstan/93031/kazakhstan-speech-behalf-hight-representative-president-josep-borrell-ep-debate-human.en, Zugriff 1.3.2021

?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2035822.html, Zugriff 17.2.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (11.2020a): Kasachstan – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 17.2.2021

?        ROG – Reporter ohne Grenzen (21.4.2020): Rangliste der Pressefreiheit 2020, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2020/Rangliste_der_Pressefreiheit_2020_-_RSF.pdf, Zugriff 19.2.2021

?        ROG – Reporter ohne Grenzen (o.D.): Kasachstan, https://www.reporter-ohne-grenzen.de//kasachstan, Zugriff 19.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Das Gesetz gewährt beschränkte Versammlungsfreiheit. In der Praxis jedoch bestehen weitgehende Einschränkungen. Das Gesetz definiert unerlaubte Versammlungen, öffentliche Treffen, Demonstrationen, Märsche und Streiks, welche die soziale und politische Stabilität gefährden, als Bedrohung der nationalen Sicherheit. Gemäß Gesetz müssen Demonstrationen oder öffentliche Zusammenkünfte bei den lokalen Behörden mindestens zehn Tage im Voraus angemeldet werden. Oppositionsvertreter und Menschenrechtsbeobachter beschweren sich, dass das Prozedere kompliziert und vage sei, und die Zehn-Tage-Frist es Gruppen schwer mache, öffentliche Zusammenkünfte und Demonstrationen zu organisieren. Zudem würden die lokalen Behörden viele Ansuchen zurückweisen oder Demonstrationen nur außerhalb des Stadtzentrums zulassen (USDOS 11.3.2020).

Alle zivilgesellschaftlichen Organisationen (religiöse Organisation usw.) müssen sowohl beim Justizministerium als auch bei den lokalen Außenstellen des Ministeriums registriert werden. NGOs berichten von Schwierigkeiten, öffentliche Vereinigungen zu registrieren. Vereinigungen müssen laut Gesetz ihre spezifischen Aktivitäten festlegen. Jede Organisation, welche außerhalb ihres Betätigungsfeldes agiert, kann verwarnt, mit Geldstrafen belegt, in ihren Tätigkeiten ausgesetzt oder letztendlich verboten werden (USDOS 11.3.2020).

In Kasachstan gibt es keine nennenswerte Opposition (ZA 29.1.2021). Das Regime verhindert durch Unterdrückung oppositioneller Strömungen das Entstehen neuer politischer Kräfte (BTI 2020; vgl. GIZ 11.2020a). Es kam zu regelmäßigen Verhaftungen von politischen Gegnern, manchmal wegen geringfügiger Verstöße (z.B. nicht genehmigte Versammlungen), welche zu Geldstrafen oder zu bis zu 10-tägigen Verwaltungshaftstrafen führten (USDOS 11.3.2020).

Politische Parteien müssen beim Justizministerium registriert sein. Derzeit gibt es in Kasachstan sechs registrierte Parteien. Für die Registrierung einer Partei sind 20.000 Unterstützungserklärungen notwendig (HSS 19.1.2021; vgl. ZA 29.1.2021). Seit mehreren Jahren wurden keine neuen Parteien mehr registriert. Gesetzliche Beschränkungen und verwaltungsbehördlicher Druck verhindern die Registrierung neuer Parteien (OSCE/ODIHR 11.1.2021; vgl. FH 6.3.2020).

Das Gesetz verbietet Parteien auf ethnischer, religiöser oder Genderbasis. Mitglieder der Streitkräfte, Bedienstete der Gesetzesvollzugsorgane und anderer nationaler Sicherheitsorganisationen sowie Richter dürfen keiner politischen Partei beitreten (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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