TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/6 W226 2205304-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch


W226 2205304-1/19E
W226 2205307-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (vormals: XXXX ), geb. XXXX , StA: Kasachstan und 2.) XXXX , geb. XXXX , StA: Kasachstan, beide vertreten durch RA Mag. Hubert Wagner, LL.M., gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2018, Zlen. 1075776504-150770151 (ad 1.) und 1075776700-150770160 (ad 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. und III. der angefochtenen Bescheide werden gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV., V. und VI. wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gegen 1.) XXXX und 2.) XXXX gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 52 FPG 2005 idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.
XXXX und XXXX wird jeweils eine „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF und § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 idgF erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1 Am 30.06.2015 brachte die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ein. Da der minderjährige Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2 und gemeinsam mit der BF1, die BF) aufgrund seiner Larynxpapillomatose, an welcher dieser - seit er drei oder vier Jahre alt ist - litt und bereits in Kasachstan, Russland und XXXX operiert bzw behandelt wurde, mit einem Kehlkopfschnitt einreiste, benötigte er zum Zeitpunkt der Antragstellung dringend ärztliche Hilfe und wurde ins Krankenhaus XXXX gebracht.

1.2 Bei der Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion XXXX am 20.04.2016 gab die BF1 an, eine elfjährige Grundschulausbildung mit Matura erhalten und eine dreijährige Fachschule sowie eine Universität für fünf Jahre besucht zu haben. Ihre Berufsausbildung sei Biomedizinische Analytik, zuletzt sei sie als Laborärztin (Biomedizinerin) im Krankenhaus in XXXX berufstätig gewesen. Sie sei verwitwet und habe einen Sohn, den BF2. Nach der Schilderung ihrer Fluchtroute nach Österreich, brachte die BF1 zu ihren Fluchtgründen vor, dass ihr verstorbener Ex-Ehemann auf der Seite der Untergrundkämpfer der Tschetschenen gekämpft habe, weshalb die kasachischen Behörden sie als Frau eines Terroristen bezichtigt hätten. Seit ihrer Ausreise seien deren Drohungen noch massiver geworden, sie habe eine Festnahme und sogar eine Haftstrafe befürchtet. Außerdem habe sie eine Blutrache aufgrund Verwicklungen ihres Ex-Ehemannes zu befürchten, welche sich auf den BF2 erstrecken würde. Zudem habe sie in Kasachstan gegen eine gesetzliche, wöchentliche Meldepflicht als angebliche Frau eines Terroristen verstoßen. Bei Verletzung dieser Meldepflicht habe ihr die kasachische Polizei gedroht, einen Bericht zu verfassen, dass sie „nach Syrien gereist sei, um dort zu kämpfen“.

Am 28.04.2016 schilderte die BF1 in einem Brief an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nochmals ihre Fluchtroute, da sie bei der Erstbefragung sehr nervös gewesen sei. Sie sei Anfang Juni zunächst mit einem Touristenvisum nach Griechenland geflogen und anschließend nach Österreich gekommen, um in XXXX einen entfernten Verwandten ihres Ex-Ehemannes zu besuchen. Erst danach seien sie nach Frankreich, wo der Bruder ihres Ex-Ehemannes lebe, gereist. Da sie aber nach kurzer Zeit bemerkt habe, dass dieser Drogenprobleme und Probleme mit anderen Tschetschenen habe und ihr zudem mit dem Entzug des Sorgerechts für den BF2 gedroht habe, sei sie zurück nach Österreich gekommen.

1.3 Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 06.09.2016 durch die Regionaldirektion XXXX der belangten Behörde führte die BF1 aus, in XXXX , im XXXX geboren worden zu sein, der Volksgruppe der Tataren und der Kasachen sowie dem Islam zuzugehören und Tatarisch, Russisch sowie Kasachisch zu sprechen. Der BF2 sei in XXXX geboren, aber in XXXX sei dieser registriert worden. Die Mutter, Schwester und der Bruder der BF1 seien in Kasachstan aufhältig; ihr Vater sei bereits verstorben. Ihr Ex-Ehemann, von dem sie geschieden sei und seit 2010 getrennt lebe, sei irgendwann im Jahr 2014 in Syrien gestorben. Sie habe Mitte 2014 davon erfahren und nur Fotos sowie eine Videoaufnahme der Bestattungszeremonie erhalten. Mit Ausnahme von den Jahren 2003 und 2004, wo die BF1 mit ihrem Ex-Ehemann in Tschetschenien gewohnt habe, habe sie stets in Kasachstan gelebt.

Befragt nach ihrem Fluchtgrund, brachte die BF1 vor, sie sei seit Ende 2014 von der Polizei zu ihrem Ex-Ehemann und dessen Bekannten befragt worden. Darüber hinaus habe die Polizei sie zu Überweisungen via Western Union aus dem Nahen Osten und zu Personen, die der BF1 Geld gebracht hätten, befragt. Die BF1 habe auf die Behandlungen des BF2 und dass sie keine Namen kenne und seit 2010 von ihrem Ex-Ehemann getrennt lebe hingewiesen. Die Polizei habe sie allerdings unter Druck gesetzt und ihr gedroht, sie ansonsten wegen Unterstützung von Terrorismus anzuklagen. Nachdem die BF1 den Drohungen nachkommend die Bekannten ihres Ex-Ehemannes, die ihr Geld gebracht hätten, identifiziert habe, sei sie von einem ihr unbekannten Mann und einer ihr unbekannten Frau angerufen worden. Diese hätten ihr Verrat vorgeworfen, sie beschimpft und gesagt, man solle sie „wie eine streunende Hündin erschießen“. Außerdem seien unbekannte Leute zu ihr gekommen, sie habe die Tür aber nicht aufgemacht.

Des Weiteren habe sie im Zuge eines Aufenthaltes für die medizinische Behandlung des BF2 im März 2015 in Südkorea vom Bruder ihres Ex-Ehemannes von einer gegen dessen Familie geschworene Blutrache erfahren. Ihr Ex-Ehemann habe einen Tschetschenen, der an einen russischen Geheimdienst berichtet haben soll, bestraft oder getötet; Namen seien der BF1 aber nicht bekannt. Aus Angst um BF2 habe sie sich nach einigen Überlegungen entschlossen, mit einem Visum nach Europa zu flüchten. Kurz bevor sie den Bruder ihres Ex-Ehemannes in Griechenland getroffen habe, sei jener in Frankreich bereits Opfer der Blutrache geworden und dreimal angeschossen worden. Mit dem Bruder ihres Ex-Ehemannes habe sich die BF1 bei einem anschließenden Aufenthalt in Frankreich wegen des „Verrats“ zerstritten und weil ihr dieser gemäß einer tschetschenischen Tradition den BF2 habe abnehmen wollen. Er habe ihr auch mit dem Tod gedroht, wenn die BF1 ihm den BF2 nicht überlassen würde. Zuvor hätten auch schon die Schwiegermutter und andere nicht näher bekannte Verwandte des Ex-Ehemannes von ihr verlangt, den BF2 in deren Obhut zu geben. Dies habe die BF1 aber nicht gewollt, zudem würden diese vom XXXX , wo sich viele dem radikalen Islam verschrieben hätten, in Georgien stammen und seien diese radikalere Muslime als die BF1.

1.4 Am 24.07.2018 wurde die BF1 erneut niederschriftlich vor der Regionaldirektion Wien des BFA einvernommen, wo die sie zu Protokoll gab, dass sie als Dolmetscherin in ihrem Wohnquartier fungiere, einem Radverein angehöre, Medikamente für die Schilddrüse einnehme und einen österreichischen Freund habe. Der BF2 werde demnächst im Spital operiert und erhalte Massagen sowie Physiotherapie. Mit ihrer Mutter habe sie ab und zu Kontakt in Kasachstan, welche ihr berichtet habe, dass Leute kämen und nach ihr fragen würden. Befragt nach den Problemen mit der Polizei, brachte die BF1 vor, die Polizei habe sie gezwungen und bedroht, mit diesen zusammen zu arbeiten, zu Zielpersonen einen Kontakt aufzubauen und Informationen über die Familie des Ex-Ehemannes in Erfahrung zu bringen. Befragt, ob sie sich nach den Anrufen der Unbekannten, die ihr „gedroht“ hätten, an die Polizei gewandt habe, gab sie an, dass die Polizei geantwortet habe, es gäbe keinen Schutz und es sei ja noch nichts passiert. Sie verwies zudem darauf, dass im Jahr 2015 2 Personen, Bekannte des verstorbenen Mannes, Geld gebracht hätten. Diese Leute hätte sie bei der Polizei identifiziert.

1.5 Am 09.08.2018 erließ die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide, mit welchen die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan abgewiesen wurden (Spruchpunkte I. und II.). Den BF wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), unter Spruchpunkt IV. wurden gegen die BF Rückkehrentscheidungen erlassen und unter Spruchpunkt V. wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG 2005 nach Kasachstan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde zur Versagung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen ausgeführt, dass die BF1 keine Verfolgung ihrer Person oder eine wohlbegründete Furcht habe glaubhaft machen können. Die Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der BF wurde damit begründet, dass vor dem Hintergrund der Angaben der BF1 und der Staatendokumentation zu Kasachstan kein Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 und/ oder Art. 3 EMRK festgestellt habe werden können und insbesondere, dass der Umstand, dass im Herkunftsland die Behandlung Kranker nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, nicht ausschlaggebend sei. Bezogen auf die Rückkehrentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass ein schützenswertes Familienleben der BF in Österreich nicht vorhanden sei und keine besondere Integration, die im Übrigen während eines Aufenthaltes, der auf einem von Anfang an nicht berechtigten Asylantrag beruhe, erworben worden sei, festzustellen gewesen sei. Ein schützenswertes Privatleben der BF sei ebenfalls nicht entstanden, da diese den größten Teil ihres Lebens nicht in Österreich verbracht hätten, nicht karitativ tätig seien und auch sonst über keine gewichtigen und berücksichtigungswürdigen familiären oder wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfügen würden, sodass die Rückkehrentscheidung daher auch im Sinne von Art. 8 EMRK als verhältnismäßig angesehen werden könne.

1.6 Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene gemeinsame Beschwerde der BF, worin die Verletzung von Verfahrensvorschriften, eine mangelhafte Beweiswürdigung und eine unrichtige rechtliche Beurteilung moniert wurde. Gegen die Abweisung des Antrages der BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde vorgetragen, dass bei mängelfreier Beweiswürdigung die Flüchtlingseigenschaft der BF zuerkannt hätte werden müssen, zumal die BF1 aufgrund einer ihr unterstellten politischen Gesinnung staatlicher Verfolgung sowie privater Verfolgung und BF2 aufgrund von Blutrache Verfolgungshandlungen und asylrelevanten Diskriminierungen ausgesetzt gewesen seien. Gegen die Abweisung des Antrages der BF auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde die Erkrankung des BF2 vor dem Hintergrund der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in Kasachstan und das damit einhergehende reale Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK angeführt. Zur Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung wurden zahlreiche Belege einer fortgeschrittenen Integration der BF vorgebracht.

1.7 Am 13.04.2021 wurde nunmehr die BF1 durch das erkennende Gericht zum Fluchtgrund und integrativen Aspekten einvernommen. Die BF1 brachte – zu integrativen Aspekten - unter anderem vor, dass sie einen Österreicher geheiratet und mit diesem ein Kind, geboren am XXXX , bekommen habe und schilderte deren gemeinsames Leben. Sie sei gesund; der BF2 müsse aufgrund seiner Erkrankung seit 2017 nur einmal pro Jahr zu einer Kontrolle ins Krankenhaus gehen und auch keine Medikamente mehr einnehmen.

1.8 Am 23.04.2021 erstatte der Rechtsvertreter der BF eine Stellungnahme zu den Länderberichten sowie zur Integration der BF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung wie folgt erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der BF, beinhaltend die Erstbefragung, niederschriftlichen Einvernahmen von BF1 vor dem BFA, die Beschwerde, die Stellungnahme der BF, durch Einsicht in die vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren von den BF vorgelegten Unterlagen, durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS, IZR und Strafregister und schließlich durch Berücksichtigung aktueller Länderinformationen zum Herkunftsstaat.

1) Feststellungen:

Feststellungen zu den BF:

Die Identität der BF steht fest. Die BF1 reiste mit dem BF2 im Juni 2015 mit einem Touristenvisum für den Schengenraum ins Bundesgebiet ein und stellte am 30.06.2015 die gegenständlichen Asylanträge.

Die BF 1 ist Staatsangehörige von Kasachstan und stammt aus dem Dorf XXXX in XXXX . Sie gehört der kasachischen sowie tatarischen Volksgruppe an und bekennt sich zum islamischen Glauben. Sie spricht Kasachisch, Russisch und Tatarisch und mittlerweile relativ gut Deutsch. Die BF1 ist gesund. Die BF lebten vor ihrer Ausreise gemeinsam in XXXX .

Der BF2 ist das erste Kind der BF1 und entstammt der ersten Ehe der BF1, wobei die BF1 aber seit 2008 staatlich geschieden ist. Der BF2 leidet an einer Larynxpapillomatose (Tumorerkrankung des Kehlkopfes) und wurde deshalb bereits seit seinen frühen Lebensjahren medizinisch behandelt und zahlreiche Male operiert. Diese Operationen wurden aufgrund nicht ausreichender Behandlungsmöglichkeiten nicht nur in Kasachstan, sondern auch in Georgien, Russland und in Südkorea vorgenommen. Die BF1 startete für die Behandlung des BF2 in Südkorea eine Internetkampagne, um Geld zu sammeln. Schließlich kamen etwa $ 25.000 zusammen. Der BF2 wurde im November 2014 und zuletzt im März 2015 in XXXX operiert. Nach der letzten Operation empfahl das Krankenhaus in XXXX eine „Second Look Operation“ nach weiteren drei Monaten sowie monatliche Untersuchungen. Da der BF2 mit einem Kehlkopfschnitt ankam, benötigte dieser unmittelbar bei seiner Antragstellung dringend ärztliche Hilfe und wurde sofort ins Krankenhaus XXXX gebracht. Anschließend war dieser stationär im XXXX bis 13.07.2015 und daraufhin wieder stationär im Krankenhaus XXXX . Operiert wurde dieser im Juli 2015 (AS 550) Nach weiteren Behandlungen bzw Operationen der Larynxpapillomatose im Jahr 2015, musste der BF2 2017 noch mehrere Male ins AKH, seitdem ist nur mehr eine jährliche Kontrolle erforderlich. Der BF2 muss dafür derzeit auch keine Medikamente einnehmen. Im September 2017 und im Juli 2018 wurde der BF2 zudem wegen eines Knickplattfußes operiert.

Die BF1 besuchte in Kasachstan die Schule, eine dreijährige Fachschule sowie eine Universität und arbeitete dort zuletzt als Krankenschwester/ Laborantin in XXXX . Die BF1 ist derzeit nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Grundversorgung. Sie möchte nach Abschluss ihres Asylverfahrens ihre Ausbildung nostrifizieren lassen und zukünftig als Krankenschwester arbeiten.

Der BF2 ging bis zu seiner Ausreise in Kasachstan in die Schule und besuchte in Österreich die Neue Mittelschule in XXXX . Derzeit geht er in die HTL in XXXX , danach möchte er die Matura machen und Medizin studieren. Der BF2 wird dieses Jahr volljährig. Zudem besuchte der BF2 2018 einen Deutschkurs auf B2-Niveau.

Die BF1 verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse und schloss bereits eine Deutschprüfung auf dem Niveau B2 ab. Sie fungiert im XXXX sowie in der Familienberatungsstelle der Caritas als ehrenamtliche Dolmetscherin. Zudem engagierte sie sich auch als Reinigungskraft bei der Diakonie. Darüber hinaus hat die BF1 an einem ÖIF Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Aufgrund ihrer vorhergehenden Anstellung als Krankenschwester/ Laborantin in Kasachstan und ihrem damit einhergehenden spezifischen Interesse besuchte die BF1 zahlreiche Kurse betreffend das österreichische Gesundheitswesen. Sie unterhält Kontakte zu österreichischen Bürgern, ist Mitglied der XXXX , hat in Österreich keine Verwandten und ist strafrechtlich unbescholten. Der BF2 ist ebenfalls strafrechtlich unbescholten.

Am XXXX heiratete die BF1 ihren aktuellen Ehemann, XXXX , welcher österreichischer Staatsbürger ist. Dieser bezieht derzeit AMS-Leistungen, da er Prüfungen zwecks Nostrifizierung seines Jus-Studiums absolviert. Zuvor war dieser Rechtsberater bei der Diakonie und möchte nach seiner Nostrifizierung als Rechtsanwalt tätig sein. Am XXXX kam deren gemeinsames Kind, XXXX , auf die Welt. Das gemeinsame Kind hat die österreichische Staatsbürgerschaft.

Die BF1 und ihr Ehemann haben derzeit noch jeweils eigene Wohnungen, nach Abschluss des Asylverfahrens möchten die beiden aber gerne eine gemeinsame Wohnung mieten. In ihrer Freizeit geht die Familie gerne in Wien oder Niederösterreich spazieren und sie verbringen am Wochenende und an Feiertagen die Zeit miteinander.

In Kasachstan leben die Mutter, die Schwester und der Bruder der BF1. Ihr Vater ist bereits verstorben. Ihr Bruder arbeitete zuvor bei der XXXX , ist aber aufgrund einer Krankheit derzeit arbeitslos. Die Mutter ist in Pension, zu dieser hat die BF1 regelmäßigen Kontakt.

Zu den Fluchtgründen der BF:

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der BF1 zu den behaupteten Bedrohungssituationen in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan. Insbesondere wird weder festgestellt, dass die BF1 einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung durch die kasachische/n Polizei/ Behörden aufgrund der Beteiligung ihres Ex-Ehemannes bei Kämpfen in Syrien oder Tschetschenien noch durch Unbekannte, deren Bekannte oder Verwandte die BF1 bei der Polizei identifiziert habe, noch durch den Bruder ihres Ex-Ehemannes ausgesetzt war. Weiters wird nicht festgestellt, dass der BF2 einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung durch eine unbekannte Familie aufgrund der durch seinen Vater ausgelösten Blutrache ausgesetzt war oder ist.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF1 bzw der BF2 wegen ihr unterstellten politischen Ansichten bzw wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedroht oder verfolgt gewesen wäre. Die BF1 wurde nach eigenen Angaben in ihrem Herkunftsstaat niemals inhaftiert oder angeklagt und wurde kein Haftbefehl gegen sie erlassen.

Schließlich konnte kein Risiko einer Trennung des BF2 von der BF1 entsprechend den tschetschenischen Traditionen, welche im Fall einer "Scheidung" oder des Todes des Vaters eine Aufnahme des BF2 in den Familienverband des Vaters vorsehen würden, festgestellt werden.

Vielmehr ergab sich, dass nach der festen Überzeugung des erkennenden Gerichts die behandlungs- und vor allem kostenintensive Krankheit des BF2 den Grund für die Ausreiseentscheidung der BF1 nach Europa darstellte, wo diese die weitere medizinische Versorgung des BF2 gewährleistet sah.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der BF:

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Covid-19

Aktuell ist die Pandemie in Kasachstan unter Kontrolle. Gemäß einer Information der Nachrichtenagentur Kazinform befindet sich mit Stand 20.2.2021 und in Bezug auf das in Kasachstan bestehende Covid-Ampelsystem keine einzige Region Kasachstans mehr in der „roten“ Zone (KI 20.2.2021; vgl. WKO 18.2.2021).

Es besteht eine umfassende Pflicht, im öffentlichen Raum einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Abstand zu halten. Öffentliche Verkehrsmittel dürfen ohne Mund-Nasen-Schutz nicht genutzt werden. In Geschäften und im öffentlichen Raum gelten besondere Hygienemaßnahmen (AA 17.2.2021; vgl. WKO 18.2.2021, BMEIA 11.2.2021). Verboten sind die Durchführung von Massen-, Familien- und Gedenkveranstaltungen, Konferenzen usw. (WKO 18.2.2021).

In Kasachstan besteht keine Covid-Impfpflicht. Risikogruppen werden kostenlos geimpft werden (KI o.D.). Derzeit werden in der Hauptstadt Kasachstans Impfungen mit dem russischen Impfstoff Sputnik-V durchgeführt. Dreitausend Freiwillige wurden ab 25.12.2020 mit dem kasachischen Impfstoff QazCovid-In geimpft (Phase 3 der klinischen Studien). Dieser Impfstoff wurde befristet auf neun Monate registriert (KI 19.2.2021).

Die Einreise nach Kasachstan wird nur bei Vorlage eines negativen PCR-Tests gestattet, welcher zum Zeitpunkt des Grenzübertritts nicht älter als 72 Stunden sein darf. Direkt nach der Ankunft in Kasachstan werden Temperaturmessungen vorgenommen. Bei erhöhter Temperatur müssen Reisende sich bis zu zwei Tage in einem Quarantänekrankenhaus aufhalten. Dort erfolgt ein erneuter PCR-Test. Bei negativem Ergebnis darf das Quarantänekrankenhaus verlassen werden, bei positivem Testergebnis werden Reisende in ein Krankenhaus für ansteckende Krankheiten gebracht und müssen sich so lange dort aufhalten, bis das Virus nicht mehr nachgewiesen werden kann. Jeder Reisende muss zusätzlich bei Einreise einen Fragebogen ausfüllen. Reisende müssen ihren Aufenthaltsort in Kasachstan sowie ihre Kontaktdaten angeben (AA 17.2.2021).

Der internationale Flugverkehr findet regelmäßig statt. Inlandsflüge verkehren zwischen den

meisten großen Städten des Landes. Auch Busse und Bahnen verkehren regelmäßig (AA 17.2.2021; vgl. WKO 18.2.2021).

Quellen:

?        AA –Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.2.2021): Kasachstan: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342, Zugriff 18.2.2021

?        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (11.2.2021): Kasachstan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kasachstan/, Zugriff 18.2.2021

?        KI – Kazinform / ???????? ? ????????????? (??????????) [Coronavirus-Situation -offiziell] (o.D.): ??? ????? ????? ? ??????? ?? COVID-19 [Was man über den COVID-19- Impfstoff wissen muss], https://www.coronavirus2020.kz/ru/vaccine, Zugriff 23.2.2021

?        KI – Kazinform / ???????? ? ????????????? (??????????) [Coronavirus-Situation - offiziell] (20.2.2021): ??????????? ? ??????????: ? «???????» ???? ?? ???????? ?? ?????? ??????? [Coronavirus in Kasachstan: Es gibt keine Regionen mehr in der „roten” Zone], https://www.coronavirus2020.kz/ru/koronavirus-v-kazahstane-v-krasnoy-zone-ne- ostalos-ni-odnogo-regiona_a3755567 , Zugriff 23.2.2021

?        KI – Kazinform / ???????? ? ????????????? (??????????) [Coronavirus-Situation -offiziell] (19.2.2021): ?????? ???? ?????????? ?? ???????????? ? ???-??????? ?????? ? 22 ??????? [Zweite Covid-Impfphase in Nur-Sultan beginnt am 22. Februar], https://www.coronavirus2020.kz/ru/vtoroy-etap-vakcinacii-ot-koronavirusa-v-nur-sultane- nachnut-s-22-fevralya_a3755213, Zugriff 23.2.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (18.2.2021): Coronavirus: Situation in Kasachstan, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-kasachstan.html, Zugriff 22.2.2021

3. Politische Lage

Kasachstan ist eine Präsidialrepublik mit starker Stellung des Präsidenten (GIZ 11.2020a; vgl. AA 26.2.2020a, AA 26.2.2020b). Die Verfassung aus dem Jahr 1995 orientiert sich an der französischen Verfassung und räumt dem Präsidenten weitgehende Befugnisse ein. Der Präsident hat das Vorschlagsrecht für den Premier- und weitere Minister und ernennt und entlässt die Regierung sowie die Hakims (Gouverneure) der Gebiete des Landes (GIZ 11.2020a). Der Präsident ernennt und entlässt den Generalstaatsanwalt und Richter (USDOS 11.3.2020; vgl. BTI 2020). Die Richter des Obersten Gerichtshofes werden vom Präsidenten vorgeschlagen (FH 6.3.2020). Der Präsident hat das Recht, das Parlament aufzulösen, und ist Oberbefehlshaber der Armee. Für Verfassungsänderungen ist die Zustimmung des Präsidenten erforderlich. Die Regierung ist dem Präsidenten gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig gegenüber dem Parlament. Der Präsident wird vom Volk direkt gewählt für eine Amtszeit von fünf Jahren. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2017 erfolgte eine Kompetenzverlagerung vom Präsidenten zu Parlament und Regierung (GIZ 11.2020a; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Dadurch erhielt das Parlament unter anderem mehr Einfluss bei der Auswahl des Premierministers und der Kabinettsmitglieder. Außerdem wurden die Möglichkeiten des Präsidenten eingeschränkt, durch Dekrete zu regieren (FH 4.3.2020).

Am 9.6.2019 fanden vorgezogene Präsidentenwahlen statt. Die Wahlbeteiligung betrug ca. 77,5%. Die Anzahl der Wahlberechtigten betrug ca. 12 Millionen. Insgesamt traten 7 Kandidaten zur Wahl an. Tokaew von der Partei Nur Otan (Vaterlandspartei) erhielt 70,96% der Stimmen, gefolgt von Amirschan Kosanow mit 16,23% der Stimmen und der bisher einzigen weiblichen Kandidatin Danija Espaewa mit 5,05% der Stimmen (GIZ 11.2020a; vgl. OSCE/ODIHR 4.10.2019, ZK 10.6.2019, AA 26.2.2020b, IFES o.D.c, ZA 28.6.2019). Die OSZE kritisierte Unzulänglichkeiten des Wahlgesetzes und stellte in Bezug auf die Präsidentenwahlen am 9.6.2019 signifikante Unregelmäßigkeiten fest (OSCE/ODIHR 4.10.2019; vgl. CACA 18.6.2019). Die Präsidentenwahl 2019 war von Bürgerprotesten begleitet, welche zu zahlreichen Festnahmen führten (GIZ 11.2020a; vgl. OSCE/ODIHR 4.10.2019).

Kasachstan wird autoritär regiert (FH 6.3.2020; vgl. BTI 2020, HSS 19.1.2021). Die Gewaltenteilung bleibt schwach ausgeprägt. Am stärksten ist die Machtfülle bei der Exekutive und hier im Speziellen beim Präsidenten. Das Regime verhindert durch Unterdrückung oppositioneller Strömungen das Entstehen neuer politischer Kräfte (BTI 2020; vgl. GIZ 11.2020a). Politische Parteien müssen beim Justizministerium registriert sein. Derzeit gibt es in Kasachstan sechs registrierte Parteien. Seit mehreren Jahren wurden keine neuen Parteien mehr registriert (HSS 19.1.2021; vgl. ZA 29.1.2021, OSCE/ODIHR 11.1.2021).

Das Parlament besteht aus zwei Kammern: Senat und Maschilis. Der Senat hat 47 Sitze. 15 Senatoren werden direkt vom Präsidenten ernannt, 32 von den Volksvertretungen der Gebiete für sechs Jahre gewählt. Die Maschilis, das Unterhaus des Parlaments, hat 107 Sitze. 98 Abgeordnete werden alle fünf Jahre nach Parteilisten von der Bevölkerung gewählt, neun Sitze von der Volksversammlung Kasachstans, einer speziellen Vertretung der vielen Nationalitäten des Landes, besetzt (GIZ 11.2020a; vgl. AA 26.2.2020b, IFES o.D.b, HSS 19.1.2021).

Am 10.1.2021 fanden in Kasachstan die letzten Parlamentswahlen statt. Es wurden 98 Abgeordnete des Unterhauses gewählt. Nach Angaben der Wahlkommission setzte sich am 10.1.2021 die Regierungspartei Nur Otan mit 71,09% der abgegebenen Stimmen (76 Sitze) gegen die übrigen angetretenen, regierungsfreundlichen Parteien durch. Die Demokratische Partei Ak Schol erhielt 10,95% der abgegebenen Stimmen (12 Sitze), die Volkspartei 9,10% (10 Sitze), die Volksdemokratische Patriotische Partei Auyl 5,29% und die Partei Adal 3,57% der abgegebenen Stimmen. Die Nationale Sozialdemokratische Partei hatte die Wahl boykottiert. In den Monaten vor der Wahl und am Wahltag selbst wurden Dutzende Oppositionelle festgenommen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte mangelnde Transparenz des Wahlprozesses, fehlenden Wettbewerb und Unregelmäßigkeiten beim Auszählen sowie der Auswertung der abgegebenen Stimmen. Auch kritisierte die OSZE, dass folgende Personengruppen nicht wahlberechtigt waren: Personen, welche aufgrund intellektueller und psychosozialer Beeinträchtigungen gerichtlich entmündigt waren, und alle Häftlinge. Die Wahlbeteiligung betrug 63,3% (BAMF 18.1.2021; vgl. OSCE/ODIHR 11.1.2021, ZK 12.1.2021, IFES o.D.a, IWPR 18.1.2021, HSS 19.1.2021, ZA 29.1.2021).

Am 1.3.2020 trat ein erweitertes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kasachstan in Kraft (EEAS o.D.).

Quellen:

?        AA –Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020a): Kasachstan: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/steckbrief/

?        206340, Zugriff 18.2.2021 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020b): Kasachstan: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/politisches-portrait/206674, Zugriff 18.2.2021

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (18.1.2021): Briefing Notes,https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw03-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 18.2.2021

?        -BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report–Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        CACA – Central Asia-Caucasus Analyst (18.6.2019): Kazakhstan Elects New President, http://cacianalyst.org/publications/analytical-articles/item/13575-kazakhstan-elects-new-

?        president.html, Zugriff 22.2.2021

?        EEAS – European Union External Action Service (o.D.): EU-Kazakhstan Relations,

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?        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe / Office for Democratic Institutions and Human Rights (4.10.2019): Republic of Kazakhstan – Early Presidential Election 9 June 2019 – ODIHR Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/files/f/documents/2/7/434459_0.pdf, Zugriff 18.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

?        ZA – Zentralasien-Analysen (29.1.2021): Parlamentswahlen in Kasachstan (Nr. 145), https://www.laender-analysen.de/zentralasien-analysen/145/ZentralasienAnalysen145.pdf, Zugriff 22.2.2021

?        ZA – Zentralasien-Analysen (28.6.2019): Auf dem Weg zu einem anderen Kasachstan? Anmerkungen zur Präsidentschaftswahl (Nr. 135), https://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen135.pdf, Zugriff 22.2.2021

?        ZK – ??????????? ????????????? ???????? ?????????? ????????? [Zentrale Wahlkommission der Republik Kasachstan] [Kasachstan] (12.1.2021): ????????? ??????????? ????????????? ???????? ?? ?????? ????????? ??????? ????????? ???????? ?????????? ?????????? ????????? VII ?????? [Sitzung der Zentralen Wahlkommission zu den Ergebnissen der regulären Wahlen der Abgeordneten des Maschilis-Parlaments der Republik Kasachstan (VII. Legislaturperiode)], https://www.election.gov.kz/rus/news/releases/index.php?ID=6198, Zugriff 1.3.2021

?        ZK – ??????????? ????????????? ???????? ?????????? ????????? [Zentrale Wahlkommission der Republik Kasachstan] [Kasachstan] (10.6.2019): ????????? ?? ?????? ???????????? ??????? ?????????? ?????????? ?????????, ???????????? 9 ???? 2019 ???? [Bekanntgabe der Ergebnisse der außerordentlichen Wahlen des Präsidenten der Republik Kasachstan vom 9. Juni 2019], https://www.election.gov.kz/rus/news/releases/index.php?ID=5289, Zugriff 1.3.2021

4. Sicherheitslage

In Kasachstan gibt es vereinzelt terroristische Angriffe, zuletzt im Jahr 2016 auf ein Waffengeschäft in Aktobe und auf eine Polizeistation in Almaty. Die innenpolitische Lage ist derzeit stabil. Vereinzelte Demonstrationen und Festnahmen wie nach den Präsidentenwahlen 2019 oder zuletzt nach den Parlamentswahlen Anfang Jänner 2021 können nicht ausgeschlossen werden (AA 17.2.2021; vgl. GIZ 11.2020a, OSCE/ODIHR 4.10.2019, MR 2020).

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung.

Hauptverantwortlich für den Anti-Terror-Bereich ist das Komitee für Nationale Sicherheit, welches Maßnahmen der staatlichen Agenturen koordiniert. 2017 unterzeichnete der [damalige] Präsident ein Gesetz, welches es der Regierung erlaubt, Kasachen im Falle von Verurteilungen für Terrorismus- und Extremismusverbrechen ihre Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Bisher wandte die Regierung dieses Gesetz in der Praxis nicht an. Laut offiziellen Schätzungen befanden sich 2019 mehr als 90 Kasachen in Syrien, und sechs Frauen waren im Irak inhaftiert (USDOS 24.6.2020).

Zwischen Jänner und Juni 2019 wurden von der Regierung 595 Kasachen aus Syrien nach Kasachstan rückgeführt, darunter 33 männliche Auslandsterrorkämpfer/FTFs [Foreign Terrorist Fighters]. Was den Umgang mit Rückkehrern aus Syrien und Irak anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits finden Verhaftungen und gerichtliche Verfolgungen statt. In manchen Fällen scheinen Terrorismusanklagen mit politischen Oppositionsaktivitäten in Verbindung zu stehen. Ortsansässige Forscher schätzen, dass 90% der Anklagen nach Terrorismus- und Extremismusgesetzen mit keinen begangenen oder geplanten Gewalttaten im Zusammenhang stehen. Mit Stand Juni 2019 verbüßten in etwa 600 Personen eine Haftstrafe wegen Terrorismus und „Extremismus“ (USDOS 24.6.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.2.2021): Kasachstan: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kasachstan-node/kasachstansicherheit/206342, Zugriff 18.2.2021

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH [Deutschland] (11.2020a): Kasachstan – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kasachstan/geschichte-staat/, Zugriff 17.2.2021

?        MR – Missio (Internationales Katholisches Missionswerk e.V.) / Renovabis e.V. (Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa) (2020): Länderberichte: Religionsfreiheit (Nr. 47): Kasachstan (veröffentlicht von Konrad- Adenauer-Stiftung), https://www.kas.de/documents/266501/0/MIS_12733_La%CC%88nderbericht_47_Kasachstan_WEB+%281%29.pdf/7a41bae4-dbe0-2ad9-50e6- e7a4c0e2858c?version=1.0&t=1600950036066, Zugriff 18.2.2021

?        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Co-operation in Europe / Office for Democratic Institutions and Human Rights (4.10.2019): Republic of Kazakhstan – Early Presidential Election 9 June 2019 – ODIHR Election Observation Mission Final Report, https://www.osce.org/files/f/documents/2/7/434459_0.pdf, Zugriff 18.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (24.6.2020): Country Report on Terrorism 2019 Chapter 1 - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2032497.html, Zugriff 15.2.2021

5. Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz sieht keine unabhängige Justiz vor. Diese wird in der Praxis von der Exekutive stark eingeschränkt. Überdies dominiert der Staatspräsident generell die Justiz. Der Präsident ernennt und entlässt den Generalstaatsanwalt und Richter. Die Richter des Obersten Gerichtshofes werden auf Vorschlag des Präsidenten vom Oberhaus des Parlaments (Senat) gebilligt (USDOS 11.3.2020; vgl. BTI 2020, FH 6.3.2020).

Alle Angeklagten genießen die Unschuldsvermutung. Für Schwerverbrechen wie Menschenhandel und die Beteiligung Minderjähriger an kriminellen Aktivitäten sind Geschworenenprozesse vorgesehen. Aktivisten kritisieren, dass Geschworene, Experten und Zeugen Druck durch Richter ausgesetzt sind. Bei Nichtumsetzung richterlicher „Empfehlungen“ kann die Geschworenenversammlung leicht aufgelöst werden. Mittellose Angeklagte in Strafsachen haben das Recht auf Beratung und einen von der Regierung zur Verfügung gestellten Anwalt. Laut Beobachtern dominieren Staatsanwälte die Prozesse, Verteidiger spielen eine untergeordnete Rolle. Angeklagte haben das Recht, eine Entscheidung vor einem höheren Gericht anzufechten. Fehlende Rechtsstaatlichkeit bleibt ein Problem, insbesondere in Prozessen mit Bürgeraktivisten, welche gegen die Präsidentenwahl 2019 protestierten. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichteten über zahlreiche Probleme im Justizsystem, darunter fehlenden Zugang zu Gerichtsverfahren, mangelnden Zugang zu staatlichen Beweismitteln, häufige Verfahrensverstöße, Verweigerung von Verteidigungsanträgen und das Versäumnis von Richtern, Vorwürfen gegen die Behörden bezüglich durch Folter erzwungener Geständnisse nachzugehen. Korruption ist in gerichtlichen Verfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am besten verdienenden Regierungsbediensteten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Richter wurden wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft. Gemäß offiziellen Statistiken wurden im ersten Halbjahr 2019 fünf Richter wegen Korruption verurteilt. Staatsanwälte haben eine quasi-richterliche Funktion und sind befugt, Gerichtsentscheidungen auszusetzen. Obgleich es den Gerichten obliegt, Haftbefehle zu bewilligen oder zu verweigern, werden Haftanträge der Staatsanwaltschaft in der überwiegenden Mehrheit der Fälle bewilligt. Staatsanwälte sind befugt, die durch die Verfassung gewährleisteten Rechte der Bürger zu beschränken (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2035822.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

6. Sicherheitsbehörden

Die Zentralregierung hat die Kontrolle über die Mehrheit des Territoriums Kasachstans. Teilweise werden Gebiete, vor allem in West- und Südkasachstan, von organisierten kriminellen Gruppierungen kontrolliert (BTI 2020). Die Sicherheitskräfte werden effektiv von den zivilen Behörden kontrolliert (USDOS 11.3.2020).

Das kasachische Innenministerium beaufsichtigt die nationale Polizei, welche vor allem für die innere Sicherheit verantwortlich ist. Das Komitee für Nationale Sicherheit spielt eine wichtige Rolle bei der Grenzsicherheit, der inneren Sicherheit, bei Anti-Terror-Maßnahmen und bei der Ermittlung und dem Verbot von illegalen oder nicht registrierten Gruppen, wie z.B. extremistischen, militärischen, politischen, religiösen Gruppierungen und Gewerkschaften. Das Komitee für Nationale Sicherheit legt seine Berichte direkt dem Präsidenten vor (USDOS 11.3.2020).

Das Komitee für Nationale Sicherheit hat die Befugnis, Korruption durch Beamte von Geheimdiensten, des Antikorruptionsbüros und des Militärs zu untersuchen. Korruption unter den Gesetzesvollzugsorganen ist weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).

Personen, welche verhaftet, festgehalten oder beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, haben von Anfang an das Recht auf einen Anwalt. Die Strafprozessordnung verpflichtet die Polizei, Verhaftete über ihre Rechte aufzuklären. Es ist erlaubt, bei Schwerverbrechen, Terrorverbrechen, Drogenhandelsdelikten usw. einen Gefangenen bis zu 72 Stunden vor der Anklage festzuhalten. Gemäß Menschenrechtsbeobachtern nutzen Behörden gelegentlich die Untersuchungshaft, um Geständnisse mittels Folter und Misshandlungen zu erlangen. Willkürliche Verhaftungen und Festnahmen sind gesetzlich verboten, kommen in der Praxis aber vor (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

7. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter. Dennoch existieren Berichte, dass Häftlinge von Polizei- und Strafvollzugsbeamten gefoltert und misshandelt wurden (USDOS 11.3.2020).

Die Ombudsperson verzeichnete im Jahr 2018 148 Beschwerden über Folter, Gewalt und andere grausame und erniedrigende Behandlungen und Bestrafungen und äußerte sich besorgt über berichtete steigende Zahlen von Misshandlungen in Haftanstalten (USDOS 11.3.2020). Amnesty International berichtet, dass der Nationale Präventionsmechanismus im Jahr 2018 176 Beschwerden wegen mutmaßlicher Misshandlungen und Folter in Haftanstalten an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet hat (AI 16.4.2020). Die Coalition Against Torture, ein Netzwerk von NGOs und Experten, berichtet, zwischen Jänner und Juni 2020 140 Beschwerden wegen Foltervorwürfen erhalten zu haben (HRW 13.1.2021).

Es besteht Straflosigkeit für Folter und Misshandlungen (HRW 13.1.2021). Misshandlungsvorwürfe werden von Behörden nicht ausreichend untersucht (USDOS 11.3.2020).

2014 wurde per Gesetz der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) geschaffen. Der NPM ist Teil der Ombudsstelle (Büro des Menschenrechtsbeauftragten) und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifiziertem und ausgebildetem Personal mangelt (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Eastern Europe and Central Asia – Review of 2019 – Kazakhstan [EUR 01/1355/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028167.html, Zugriff 17.2.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043639.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

8. Korruption

Politische Korruption und Vetternwirtschaft bleiben weit verbreitet (BTI 2020). Korruption ist bei Gerichtsverfahren offensichtlich. Obwohl Richter zu den am besten verdienenden Regierungsangestellten gehören, behaupten Anwälte und Menschenrechtsbeobachter, dass Richter, Staatsanwälte und andere Beamte Bestechungsgelder im Austausch für günstige Entscheidungen in vielen Straf- und Zivilsachen verlangen. Richter wurden wegen Verstößen gegen die gerichtliche Ethik bestraft. Gemäß offiziellen Statistiken wurden im ersten Halbjahr 2019 fünf Richter wegen Korruption verurteilt (USDOS 11.3.2020).

Das Innenministerium, die Korruptionsbekämpfungsagentur, das Komitee für nationale Sicherheit und die Disziplinarkommission für den Staatsdienst sind für die Korruptionsbekämpfung verantwortlich. Korruption durch Beamte von Geheimdiensten, des Antikorruptionsbüros und des Militärs wird vom Komitee für Nationale Sicherheit untersucht. Das Gesetz sieht Strafen für Korruption bei Beamten vor, jedoch hat die Regierung das Gesetz nicht effektiv umgesetzt, und Beamte wenden ungestraft korrupte Praktiken an. Laut offiziellen Statistiken wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres 2019 1.682 Korruptionsvergehen registriert. 873 Fälle wurden vor Gericht gebracht (USDOS 11.3.2020). 2019 wurden 1.002 Personen wegen Korruption verurteilt, darunter 297 Gesetzesvollzugsbeamte, 261 Bedienstete von Hakimaten [Regionalverwaltungen] und 49 Bedienstete des Staatskomitees für Öffentliche Einnahmen (FH 6.3.2020).

Die Regierung verfolgt vor allem in hochkarätigen Korruptionsfällen selektiv Beamte, welchen Missbrauch vorgeworfen wird. Dennoch bleibt Korruption weit verbreitet, und es besteht Straffreiheit, sowohl für Personen, welche Autoritätspositionen innehaben, als auch für Personen, welche mit Regierungs- oder Gesetzesvollzugsbeamten in Verbindung stehen (USDOS 11.3.2020).

Kasachstan wird von Transparency International bzw. dem Corruption Perceptions Index 2020 mit 38 von 100 Punkten bewertet (0=sehr korrupt, 100=sehr wenig korrupt). Kasachstan liegt auf Rang 94 von 180 untersuchten Staaten. Der Corruption Perceptions Index misst das von Experten und Geschäftsleuten wahrgenommene Korruptionsniveau im öffentlichen Sektor (TI 2021).

Quellen:

?        BTI – Bertelsmann Transformation Index / Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029513/country_report_2020_KAZ.pdf, Zugriff 17.2.2021

?        FH – Freedom House (6.3.2020): Nations in Transit 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2035822.html, Zugriff 17.2.2021

?        TI – Transparency International (2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://images.transparencycdn.org/images/2020_Report_CPI_EN.pdf, Zugriff 18.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

9. Wehrdienst

Alle männlichen Personen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren müssen dem Militär für mindestens ein Jahr dienen (Grundwehrdienst). Bei Umgehung dieser verfassungsmäßigen Verpflichtung drohen straf- und verwaltungsrechtliche Konsequenzen (VRK 26.2.2021; vgl. CIA 16.2.2021).

Die Möglichkeit einer Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen (religiösen Gründen) ist gesetzlich nicht vorgesehen, jedoch sind Zeugen Jehovas von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes ausgenommen (USDOS 10.6.2020).

Quellen:

?        CIA – Central Intelligence Agency (16.2.2021): The World Factbook: Kazakhstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kazakhstan/, Zugriff 19.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom - Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031359.html, Zugriff 15.2.2021

?        VRK – ???????????? ??????? ?????????? ????????? [Verteidigungsministerium der Republik Kasachstan] [Kasachstan] (26.2.2021): ??????? ????? ???????? ?????? ?????????????? ??????? ?????? [Am 1. März beginnt Einberufung der Grundwehrdiener], https://www.gov.kz/memleket/entities/mod/press/news/details/166408?lang=ru, Zugriff 1.3.2021

10. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Gründung und Arbeit von NGOs sind gesetzlich stark eingeschränkt. Die Nicht- Einhaltung von Vorschriften zieht harte Strafen nach sich (FH 4.3.2020). NGOs müssen sich bei den Behörden registrieren lassen (AI 16.4.2020).

Gemäß dem NGO-Finanzierungsgesetz von 2015 sind alle NGOs, deren Zweigstellen sowie Vertretungsbüros ausländischer und internationaler nichtkommerzieller Organisationen aufgefordert, Informationen über ihre Aktivitäten, ihre Gründer, Vermögen, Finanzquellen und Ausgaben zu liefern. „Autorisierte Institutionen“ können eine Überprüfung der übermittelten Informationen einleiten. Das Gesetz verbietet die unrechtmäßige Einmischung von öffentlichen Vereinigungen in die Arbeit der Regierung, was zu einer Geldstrafe in der Höhe von bis zu 1.049 US-Dollar oder einer Haft von bis zu 40 Tagen führen kann. Für den Vorsitzenden einer Organisation ist das drohende Strafausmaß höher. Der Begriff „illegale Einmischung“ ist im Gesetz nicht klar definiert (USDOS 11.3.2020).

Einige internationale und inländische Menschenrechtsgruppen arbeiten mit einem gewissen Grad an Freiheit, Untersuchungen bei Menschenrechtsverletzungen durchzuführen und Ergebnisse zu veröffentlichen. Doch einige Restriktionen bleiben bestehen. Internationale und lokale Menschenrechtsgruppen berichten, dass die Regierung NGO-Aktivitäten bei sensiblen Themen überwacht und es zu Belästigungen, inklusive Besuche durch die Polizei, kommt (USDOS 11.3.2020; vgl. EN 20.1.2021).

Quellen:

?        AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Eastern Europe and Central Asia – Review of 2019 – Kazakhstan [EUR 01/1355/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028167.html, Zugriff 17.2.2021

?        EN – EurasiaNet (20.1.2021): Kazakhstan: Authorities punish NGOs that called out vote irregularities, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043975.html, Zugriff 22.1.2021

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030881.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen, Folter, politische Gefangene, mangelnde Unabhängigkeit der Justiz, Meinungsfreiheitsdefizite, Einschränkungen der Pressefreiheit, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, mangelnde politische Partizipationsmöglichkeiten, Korruption, Menschenhandel sowie das Verbot von unabhängigen Gewerkschaften (USDOS 11.3.2020).

Die Opposition wird von den Behörden unterdrückt und mit Haftstrafen belegt. Tonangebende Medien sind entweder in staatlichen Händen oder im Besitz von regierungsfreundlichen Geschäftsleuten (FH 4.3.2020).

Trotz Reformierung des Gewerkschaftsgesetzes bestehen weiterhin Einschränkungen für unabhängige Organisationen. Die größte unabhängige Gewerkschaft des Landes, der Kongress Freier Gewerkschafter, bleibt unregistriert. Regierungskritiker und Journalisten werden schikaniert und strafrechtlich verfolgt. Es besteht Straflosigkeit für Folter und Misshandlungen (HRW 13.1.2021).

2014 wurde per Gesetz der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) geschaffen. Der NPM ist Teil der Ombudsstelle (Büro des Menschenrechtsbeauftragten) und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifiziertem und ausgebildetem Personal mangelt. Die Ombudsperson für Menschenrechte wird vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt. Die Ombudsperson darf zwar Beschwerden gegen Personen untersuchen, nicht aber Beschwerden gegen Entscheidungen des Präsidenten, des Parlaments, des Verfassungsrates, des Generalstaatsanwalts, der Zentralen Wahlkommission, von Gerichten usw. (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030881.html, Zugriff 17.2.2021

?        HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043639.html, Zugriff 17.2.2021

?        USDOS – US Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Kazakhstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026424.html, Zugriff 15.2.2021

12. Meinungs- und Pressefreiheit

Während die Verfassung Presse- und Meinungsfreiheit garantiert, schränkt die Regierung die Meinungsfreiheit ein und nimmt Einfluss auf die Medien. Dies geschieht durch Festnahmen, Gesetze, Schikanierung, Lizenzvergaben, Internetbeschränkungen sowie Straf- und Verwaltungsanzeigen. Die Vorgabe, dass Medien den Wahrheitsgehalt einer veröffentlichten Information prüfen müssen, förderte die Selbstzensur. Gesetzlich sind zusätzliche Maßnahmen und Einschränkungen während „sozialer Notfälle“ vorgesehen. Solche liegen vor, wenn in einem bestimmten Gebiet Gegensätze und Konflikte in den sozialen Beziehungen herrschen, welche zu Verlust von Menschenleben, Personenschaden, beträchtlichem Sachschaden oder zur Verschlechterung der Lebensbedingungen der Bevölkerung führen können. In diesem Fall kann die Regierung Zensur ausüben, indem sie von den Medien 24 Stunden im Voraus das Druck-, Audio- und Videomaterial verlangt, bevor eine Veröffentlichung genehmigt wird. Viele private Zeitungen und Fernsehstationen erhalten Regierungssubventionen. Der Mangel an Transparenz in Bezug auf Eigentumsverhältnisse stellt ein signifikantes Problem dar. Die Mehrheit der nicht direkt von der Regierung kontrollierten Medien gehört mutmaßlich Familienmitgliedern des früheren Präsidenten Nasarbaew oder dessen engen Vertrauten. Unabhängige Journalisten sowie Journalisten, welche für Oppositionsmedien arbeiten oder über Korruptionsfälle und Demonstrationen schreiben, berichten von Schikanen und Einschüchterungen durch Regierungsbeamte und private Akteure (USDOS 11.3.2020; vgl. ROG o.D.). Selbstzensur ist im Medienbereich und bei Internetbenutzern weit verbreitet (FH 6.3.2020). Seit Juli 2020 stellt Verleumdung/Diffamierung keine Straftat mehr dar. Die EU äußert sich besorgt darüber, dass Beleidigungen von Regierungsvertretern weiterhin strafrechtlich belangbar sind (GIZ 11.2020a; vgl. DEUK 11.2.2021).

Die Meinungs- und Pressefreiheit wird in Kasachstan seit 2012 zunehmend durch staatliche Eingriffe eingeschränkt. Kritische Zeitungen werden mit Steuerprozessen überzogen oder zu ruinösen Entschädigungszahlungen verurteilt, Websites blockiert; kritische Journalisten verbal und durch Tätlichkeiten eingeschüchtert und strafrechtlich verfolgt. In den letzten Jahren wurden mehr als 30 unabhängige oder oppositionelle Zeitungen/Zeitschriften verboten. Auch Fernsehsender, Radiosender, Videoportale und zunehmend auch das Internet sind von der restriktiven Politik betroffen. Staatliche Medien erhalten hingegen direkte finanzielle Unterstützung (GIZ 11.2020a).

Die EU äußert weiterhin Besorgnis über Berichte, dass Aktivisten, Blogger und Journalisten immer häufiger angeklagt werden wegen wissentlicher Verbreitung von Falschinformationen, was zu Haftstrafen von bis zu sieben Jahren führen kann (DEUK 11.2.2021).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2020 von Reporter ohne Grenzen rangiert Kasachstan gegenwärtig auf Platz 157 von 180 Staaten. Kasachstan verbesserte sich demnach um einen Platz gegenüber der Reihung des Vorjahres (ROG 21.4.2020).

Quellen:

?        DEUK – Delegation of the European Union to Kazakhstan (11.2.202

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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