TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/7 I422 2241547-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2021
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Entscheidungsdatum

07.05.2021

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1 Z2
NAG §51 Abs1 Z3
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I422 2241547-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.03.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde eines deutschen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführer) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) vom 17.03.2021, Zl. XXXX , mit dem die belangte Behörde den Beschwerdeführer mangels Nachweis eines ausreichenden Versicherungsschutzes aus dem österreichischen Bundesgebiet auswies (Spruchpunkt I.) und einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit ihrer Entscheidung erteilte (Spruchpunkt II).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 13.04.2021 rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er deutscher Staatsbürger und somit EU Bürger sei. Er sei ordentlicher Student der XXXX an der Universität Wien, verfüge über eine Krankenversicherung und verfüge über ausreichende Existenzmittel. Darüber hinaus wohne er in einer Partnerschaft mit einer österreichisch-deutschen Staatsangehörigen in einem Haushalt. Somit erfülle er sämtliche Voraussetzungen für den Aufenthalt in Österreich und sei seine Ausweisung rechtswidrig. Der Beschwerde legte er eine Bescheinigung der Familienversicherung bei.

In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX , Deutschland geboren, besuchte dort die Schule und schloss seine schulische Ausbildung mit der allgemeinen Hochschulreife (Abitur) ab.

Der Beschwerdeführer ist seit dem 03.10.2019 aufrecht in Österreich gemeldet und seit spätestens diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig. In Österreich ist er beginnend mit dem Wintersemester 2019/2020 als ordentlicher Student der XXXX an der Universität Wien gemeldet. Während des Studiums wird er finanziell von seinen Eltern unterstützt. Er ist aufrecht und umfassend bei seiner Mutter mitversichert. Er geht keiner geregelten Erwerbstätigkeit nach. Er bezieht keinerlei Unterstützungen aus der Sozialhilfe.

Der Beschwerdeführer stellte am 31.01.2020 bei der Magistratsabteilung 35 in Wien einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Zweck „Ausbildung“. Diese wurde ihm nicht ausgestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, insbesondere in die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 07.12.2020, den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz des Beschwerdeführers. Ergänzend wurden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Person ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Aufgrund sich im Verwaltungsakt befindlicher identitätsbezeugender Dokumente, wie seinem Personalausweis und Reisepass, steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Diese liegen in dem Verwaltungsakt ein.

Die Wohnsitzmeldung des Beschwerdeführers in Österreich wird im Zentralen Melderegister dokumentiert. Daraus und aus seinen Angaben in seiner Stellungnahme ergibt sich auch die Feststellung zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.

Aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 07.12.2020 ergibt sich ebenfalls, dass er vor der Einreise in Deutschland gelebt und seine Schulausbildung abgeschlossen hat und im Jahr 2019 zur Aufnahme eines Studiums ins Bundesgebiet eingereist ist. Der Beschwerdeführer konnte im Zuge seiner Stellungnahme vom 07.12.2020 plausibel machen, dass eine aktuelle Meldung für das zuvor genannte Studium an der Universität Wien vorliegt. In diesem Hinblick gab er im Laufe des Administrativverfahrens an, bereits zahlreiche Unterlagen an die Magistratsabteilung 35 weitergegeben zu haben. Dieser Angabe des Beschwerdeführers war aufgrund des allgemein glaubhaften und um Mitwirkung am Verfahren bemühten Eindruck des Beschwerdeführers zu folgen. Es ergaben sich dahingehend keine widerstreitenden Anhaltspunkte.

Dass der Beschwerdeführer von seinen Eltern finanziell unterstützt wird, ergibt sich aus dessen glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Stellungnahme vom 07.12.2020. Diese Angaben sind insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer keine Sozialhilfeleistungen bezieht und darüber hinaus in Österreich nicht als erwerbstätig gemeldet ist, als glaubhaft zu werten. Abweichende Anhaltspunkte ergaben sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens nicht.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer aufrecht und umfassend versichert ist, basiert auf der mehrmals vorgelegten Versicherungspolizze der Süddeutsche Krankenversicherung a.G sowie einer Erklärung der Süddeutsche Krankenversicherung a.G (Certificate of Entitlement) vom 30.03.2021, die auch dem Akt zu entnehmen sind. In diesen scheint sowohl der Versicherungsnehmer, -geber als auch die versicherte Person auf. Darüber hinaus sind aus der Versicherungspolizze und den dabei anhängigen Versicherungsbedingungen, sowohl die Beiträge als auch die einzelnen Versicherungsleistungen ersichtlich. Somit wurde ein ausreichender und umfassender Versicherungsschutz nachgewiesen.

Die Antragstellung des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung samt Begründung der Nichtausstellung ergeben sich aus einem im Verwaltungsakt befindlichen Schreiben der Magistratsabteilung 35 vom 21.10.2020.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.1. Rechtlage:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3).

Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat die Behörde für den Fall, dass das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hiervon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

3.2. Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Deutschland EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes des § 51 Abs. 1 Z 2 und Z 3 NAG 2005 ist (unter anderem) zu beurteilen, ob der Unionsbürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und ein umfassender Krankenversicherungsschutz besteht, sodass während des Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch genommen werden müssen. Für das Vorliegen ausreichender Existenzmittel genügt, wenn dem Unionsbürger die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen; hingegen stellt die Bestimmung keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel, sodass diese auch von einem Drittstaatsangehörigen - etwa dem Elternteil des betroffenen Unionsbürgers - stammen können (Hinweis EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02; EuGH 16.7.2015, Singh u. C- 218/14; vgl. auch VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0080).

Unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung fallen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (jedenfalls) alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. VwGH 22.12.2011, 2009/16/0315).

Der Beschwerdeführer ist offenkundig zum Zwecke der Absolvierung einer akademischen Ausbildung nach Österreich eingereist und seit Oktober 2019 als ordentlicher Student für das Studium „ XXXX “ inskribiert. Ferner wies der Beschwerdeführer einen umfassenden Versicherungsschutz nach und wird er finanziell von seinen Eltern unterstützt.

Der Beschwerdeführer hat die Nachweise über das Vorliegen der Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 iVm Z 3 NAG erbracht und liegen unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur daher die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum aktuellen Zeitpunkt vor.

Die Ausweisung erweist sich nunmehr als rechtswidrig. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.3. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, weil schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall wurde unter anderem insbesondere die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0080) thematisiert. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht Ausbildung Ausweisung aufgehoben Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung EU-Bürger EWR-Bürger Familienversicherung finanzielle Mittel Kassation Krankenversicherung Studenteneigenschaft Unionsbürger Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2241547.1.00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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