Entscheidungsdatum
10.05.2021Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I 408 2240863-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. In Folge einer strafgerichtlichen Verurteilung teilte die belangte Behörde dem in Rumänien aufhältigen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 13.11.2020 mit, dass gegen ihn die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei. Dieses Schreiben war an seine in der polizeilichen Einvernahme angeführte Anschrift adressiert, konnte in Rumänien nicht zugestellt werden und wurde an die belangte Behörde retourniert.
2. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 12.02.2021 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilt ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).
3. Am 18.03.2021 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde ein Schreiben in rumänischer Sprache, welches die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht samt zugehörigem Verwaltungsakt am 29.03.2021 vorlegte.
4. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 30.03.2021 erteilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Auftrag, binnen dreiwöchiger Frist eine Übersetzung des Schreibens vorzulegen.
5. Am 22.04.2021 langte die entsprechende Übersetzung beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist rumänischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer wurde bereits vor seiner erstmaligen Einreise nach Österreich straffällig und am 05.03.2010 in Deutschland durch das Landesgericht XXXX wegen schweren Bandendiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.
Im Bundesgebiet war er erstmals von 18.08.2014 bis 20.11.2014 und von 10.12.2014 bis 25.08.2015 mit Nebenwohnsitz meldebehördlich registriert.
Wenige Tage nach seiner Einreise in Österreich wurde der Beschwerdeführer am 14.01.2020 beim Versuch einen Getränkeautomaten aufzubrechen betreten und festgenommen. In der Folge den Beschwerdeführer Wegen dieses versuchten Einbruchsdiebstahls erging mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 17.06.2020, XXXX nach §§ 15 Abs. 1, 127, 129 Abs. 1 Z 2 erster Fall StGB eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Außerdem ist der Beschwerdeführer in Deutschland drei Mal wegen besonders schweren Diebstahls und 25 Mal wegen Bandendiebstahls sowie in Rumänien wegen Körperverletzung polizeilich in Erscheinung getreten. Im Gegensatz dazu gab er In der Befragung vor der Polizei an, nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt zu haben (AS 61).
Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers liegt in Rumänien. Er lebt dort mit seiner Lebensgefährtin und Tochter und geht einer Erwerbstätigkeit als Fahrer nach. In Österreich hielt sich der Beschwerdeführer nur für wenige Tage im Jänner 2020 auf und ging er zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Eine berufliche Verfestigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet liegt nicht vor. Ebenso bestehen keine berücksichtigungswürdigen sprachlichen, privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich ohne Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Behördenaktes sowie dem vorliegenden Gerichtsakt. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Fremdenregister, dem Strafregister, der Sozialversicherung und dem Europäischen Strafregister-Informationssystem (ECRIS) wurden ergänzend eingeholt.
Die Feststellungen zur Volljährigkeit und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdenregister. Seine Identität steht aufgrund der Verifizierung durch die österreichische Justiz fest.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Deutschland und Österreich sind dem im Verwaltungsakt einliegenden Strafurteil des Landesgerichtes XXXX und der eingeholten ECRIS Auskunft zu entnehmen.
Dass der Beschwerdeführer auch darüberhinausgehend mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten ist, folgt den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wurde dort auf Basis einer Abfrage des Kriminalpolizeilichen Aktenindexes festgestellt und im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten.
Selbiges gilt für die Feststellungen zu den familiären, privaten und beruflichen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Rumänien und dem Fehlen solcher in Österreich. Diese Umstände stellte die Behörde auf Basis der polizeilichen Einvernahme des Beschwerdeführers fest und wurde dem in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Ergänzend legte der Beschwerdeführer einen rumänischen Arbeitsvertrag vor, weshalb festzustellen war, dass der Beschwerdeführer in Rumänien einer Erwerbstätigkeit nachgeht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Vorab ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer hinreichend die Möglichkeit geboten wurde, sich zur Sache zu äußern und allfällige Beweismittel in Vorlage zu bringen. Der Beschwerdeführer wurde dadurch in die Lage versetzt, seine Rechte geltend zu machen (VwGH 18.01.2001, 2000/07/0090). Eine Einvernahme schreibt weder das Gesetz noch die einschlägige Judikatur des VwGH vor (vgl. VwGH 18.01.2001, 2000/07/0099; 05.09.1995, 95/08/0002; 24.02.1988, 87/18/0126; 18.10.1990, 89/09/0145; 17.09.2002, 2002/18/0170). Zudem ist aufgrund der ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu äußern, von einer Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen, zumal der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0069).
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Als Staatsangehöriger Rumäniens ist der Beschwerdeführer EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 26.11.2020, Ra 2020/21/0104).
Bereits die belangte Behörde hat das ausgesprochene Aufenthaltsverbot nicht (bloß) auf die Tatsache seiner Verurteilung und der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dabei hob sie besonders die wiederkehrenden Tathandlungen und den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer offenbar nur zur Begehung von Straftaten im Bundesgebiet aufgehalten hat hervor.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt aufgrund der Delinquenz des Beschwerdeführers ebenfalls zu dem Schluss, dass durch seinen Verbleib im Bundesgebiet eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt besteht, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Eigentumskriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).
Gerade die einschlägige Verurteilung des Beschwerdeführers in Deutschland zu einer mehrjährigen Haftstrafe belegt unzweifelhaft die gravierende kriminelle Energie des Beschwerdeführers und eine daraus ableitbare hohe Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch eine etwaige Rückkehr in das Bundesgebiet. Auch hat der Beschwerdeführer aus seiner Verurteilung im Jahr 2010 offenbar nichts gelernt und beging in Österreich einen Einbruchsdiebstahl, weshalb nicht von einer nennenswerten Verhaltensänderung des Beschwerdeführers in den vergangenen zehn Jahren auszugehen ist. Dem entspricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeschriftsatz keinerlei Reue erkennen lässt, sondern in Bezug auf seine jüngste Verurteilung nur auf „Unschuldsvermutung in Bezug auf die mutmaßlichen Verbrechen gegenüber meiner Person, die nicht bewiesen werden“ verweist und somit klar erkennen lässt, dass er das Unrecht seiner Taten nicht einsieht. Von einem Gesinnungswandel (vgl. VwGH 05.03.2021, Ra 2020/21/0289) kann daher nicht die Rede sein.
Auch die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen kann nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen, zumal der Beschwerdeführer keinerlei private, familiäre oder sonstige Anknüpfungen in Österreich hat, sondern hier nur durch die Begehung strafbarer Handlungen in Erscheinung getreten und im Anschluss wieder nach Rumänien zurückgekehrt ist, wo seine Lebensgefährtin und seiner Tochter leben und sein Lebensmittelpunkt liegt.
Bei Abwägung aller relevanten Umstände sind die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes somit höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers. Das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten ist als schwerwiegend und geeignet, die öffentlichen Interessen maßgeblich zu gefährden, anzusehen, sodass die Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG gegenständlich vorliegen und unter den gegebenen Umständen die Erlassung eines solchen auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG zulässig ist.
Auch was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem Bundesamt zur Verfügung stehenden Rahmens. So sieht § 67 Abs. 2 FPG die Erlassung eines bis zu zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes vor. In Anbetracht der massiven strafrechtlichen Delinquenz des Beschwerdeführers sowie unter Berücksichtigung fehlender Bezugspunkte und Integration in Österreich ist die von der belangten Behörde gewählte Dauer von sechs Jahren nicht zu beanstanden und bedarf daher keiner Korrektur. Diese Dauer ist vielmehr dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers entsprechend und auch geeignet, dem freiwillig ausgereisten Beschwerdeführer nach allfällig bestandener Probezeit in drei Jahren einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu ermöglichen.
Da sich der Beschwerdeführer bereits in Rumänien aufhält, erübrigt sich einer Auseinandersetzung mit der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides).
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die belangte Behörde hat den entscheidungswesentlichen Sachverhalt abschließend und mit der gebotenen Aktualität ermittelt. In der Beschwerde wurde kein relevantes Vorbringen erstattet, sondern lediglich suggeriert, dass die jüngste rechtskräftige Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei. Da jedoch unsubstantiiertes Bestreiten außer Acht bleiben kann (vgl. VwGH 08.04.2021, Ra 2020/20/0232) lag somit kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor. Selbst bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten kann für ihn kein günstigeres Ergebnis erzielt werden und vermag daran auch eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht und ein dabei gewonnener (positiver) persönlicher Eindruck nichts zu ändern (vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0430). Der Vollständigkeit halber gilt es noch anzuführen, dass im Beschwerdevorbringen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und auch für die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367; 19.12.2019, Ra 2019/21/0276; ua.).
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Entscheidung an der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientierte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2240863.1.00Im RIS seit
16.08.2021Zuletzt aktualisiert am
16.08.2021