TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/17 W124 2181220-2

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Veröffentlicht am 17.05.2021
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Entscheidungsdatum

17.05.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §56
VwGVG §13
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W124 2181220-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) – ein gambischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom XXXX wurde der Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung nach Gambia für zulässig erklärt. Es wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3.       Mit Beschluss vom XXXX , XXXX , wurde das Beschwerdeverfahren gegen den Bescheid des BFA vom XXXX eingestellt.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass das Amt der Burgenländischen Landesregierung am XXXX mitgeteilt habe, dass der BF seine Unterkunft ohne Angaben von Gründen verlassen habe.

4.       Am XXXX fand im Beisein des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Dabei führte der BF u.a. nach Vorhalt, dass er von der Grundversorgung abgemeldet sein würde, auf die Frage, wie dieser seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreiten könne aus, dass er vor ungefähr einem Monat noch im System von XXXX gewesen sei. Davor sei er ca. drei Jahre an seiner früheren Adresse in Eisenstadt gewesen. Er sei in Eisenstadt gewesen, wo ihm sein Betreuer gesagt habe, dass unter den „Corona-Umständen“ keine Möglichkeit bestünde wieder ins System aufgenommen zu werden.

5.       Am XXXX wurde in der Personeninformation Auskunft gespeichert, dass der BF nicht nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht worden sei. „Festnahme eines Entwichenen nach pos. COVID-19 Test. Unterbringung erwünscht.“

6.       Die vom BF erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX wurde durch das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) mit Erkenntnis vom XXXX als unbegründet abgewiesen wurde. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt.

7.       Am XXXX erging von Seiten des BFA gegen den BF ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG.

8.       Der BF verblieb nach Ablauf der Frist rechtswidrig weiter im Bundesgebiet.

9.       Das BFA erließ am XXXX einen Mandatsbescheid gemäß § 56 Abs 1 und Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG und ordnete an, dass sich der BF beginnend mit XXXX jeden siebten Tag in der Zeit zwischen 08:00 Uhr und 11:00 Uhr bei der Polizeiinspektion XXXX regelmäßig zu melden habe.

Das BFA begründete dies damit, dass sich der BF seit Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, die Frist zur freiwilligen Ausreise bereits am XXXX geendet habe und der BF nicht ausreisewillig sei. Weiters sei er von XXXX bis XXXX sowie von XXXX bis XXXX nicht gemeldet gewesen, und der Behörde sei somit der Aufenthaltsort unbekannt gewesen. Die behördliche Auflage sei deswegen notwendig, weil eine Fluchtgefahr bestehe.

10.      Am XXXX erging eine Verfahrensanordnung nach § 56 Abs 4 FPG, indem um dem BF mitzuteilengeteilt wurde, dass er sich ab XXXX alle sieben Tage bei der Polizeiinspektion XXXX in der Zeit von 08:00 Uhr bis 11:00 Uhr zu melden habe.

11.      Der BF erhob am XXXX Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom XXXX und führte im Wesentlichen aus, dass das Erkenntnis vom XXXX , auf das sich der Mandatsbescheid beziehe, ihm nie zugestellt, und somit nie rechtskräftig geworden sei. Weiters wohne er mittlerweile bei einem Pensionisten in XXXX , den er gegen Kost und Logis rund um die Uhr pflege, und den die Ausreise aus dem Bundesgebiet des BF sehr treffen würde. Überdies sei er nun der deutschen Sprache ausreichend mächtig um in seiner Umgebung zu Recht zu kommen. Er falle somit niemandem, insbesondere nicht einer staatlichen Institution, zur Last.

Gleichzeitig beantragte er die Zustellung des Erkenntnisses des BVwG.

12.      Die belangte Behörde erließ am XXXX den nunmehr angefochtenen Bescheid und verpflichtete gemäß § 56 Abs 1 und Abs 2 Z 2 FPG den BF dazu, sich beginnend mit XXXX jeden siebten Tag in der Zeit zwischen 08:00 Uhr und 11:00 Uhr bei der Polizeiinspektion XXXX , zu melden (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Das BFA führte dazu im Wesentlichen dieselben Gründe, wie im Mandatsbescheid, an und verwies zusätzlich darauf, dass das Erkenntnis des BVwG vom XXXX , nachweislich durch das Zustellungsprotokoll XXXX , ordnungsgemäß an die vom BF damals gewillkürte Vertretung zugestellt worden und demnach rechtskräftig sei.

Es bestehe nach wie vor die Befürchtung, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde, da er sich seit Rechtskraft des Erkenntnisses des BVwG unrechtmäßig in Österreich aufhalte und mehrere Monate, vor allem kurz vor einer bevorstehenden Abschiebung, nicht auffindbar gewesen sei. Weiters gehe er keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach, und es sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, wovon er aktuell lebe. Es sei daher, um der Vermeidung einer Fluchtgefahr Rechnung zu tragen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit umzusetzen, erforderlich, dass der BF regelmäßig mit den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes Kontakt aufnehme. Während die anderen in § 56 FPG genannten Möglichkeiten im vorliegenden Fall nicht zielführend seien, greife diese Maßnahme nur in geringem Maße in die Persönlichkeitsrechte des BF ein.

Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde war gemäß § 13 Abs 2 VwGVG deswegen abzuerkennen, weil aufgrund der Wahrscheinlichkeit einer Fluchtgefahr ein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug bestehe. Da sich der BF jedoch aus Eigenem wieder gemeldet habe und nunmehr über eine Meldeadresse verfüge, habe die Behörde keine gravierendere Sicherungsmaßnahme ergreifen müssen.

13.      Mit Schriftsatz vom XXXX erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das BVwG. In der Beschwerde brachte der BF vor, dass er nicht über die notwendigen Reisedokumente verfüge und somit das Bundesgebiet nicht aus eigenem Entschluss verlassen könne. Ihn treffe kein Verschulden an der Tatsache, dass ihm bis dato kein Reisedokument von den gambischen Vertretungsbehörden ausgestellt worden sei. Weiters sei er zu keinem Zeitpunkt vom BFA zum Zwecke der Beschaffung eines Heimreisezertifikats geladen worden. Er habe demnach seine Mitwirkungspflichten am Verfahren nicht verletzt.

Es würden weder Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde, noch liege eine Fluchtgefahr vor, da sich der BF stets darum bemüht habe, eine aufrechte Meldung und einen Wohnsitz zu haben. Dass dies im XXXX für eine kurze Zeit nicht möglich gewesen sei, habe nicht er zu verantworten, da er obdachlos gewesen sei. Weiters sei der BF unbescholten und stelle daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Der Bescheid sei überdies zweckwidrig und entspreche nicht dem Sachlichkeitsgebot, da das Ziel der belangten Behörde vielmehr sein müsse, so rasch wie möglich die Ausreise aus Österreich zu organisieren, was nur unter Vorführung des BF zur gambischen Botschaft möglich sei, um seitens der Vertretung eine Bewilligung zur Ausstellung von Reisedokumenten zu erlangen.

Überdies beantragte er in seiner Beschwerde, dass das BFA das Verfahren einstellen und in eventu aufgrund der Rechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit des Bescheids von dessen Vollzug absehen möge. In eventu möge das BFA weiters ein ordentliches Verfahren einleiten und einen Vorstellungsbescheid erlassen und falls nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde geltend gemacht worden seien, diese amtswegig aufgreifen.

14.      Die belangte Behörde legte die Beschwerde am XXXX dem BVwG vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Das BFA hat keine ausreichenden Ermittlungen getroffen, inwieweit der BF nicht gewillt ist seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

2.2. Unstimmigkeiten ergeben sich zunächst darin, dass das BFA ausführt, dass der BF die Frist zur freiwilligen Ausreise bislang fruchtlos verstreichen hat lassen und auch keine vom BF gezeigten Bemühungen seiner Ausreisepflicht auch tatsächlich nachzukommen aktenkundig oder erkennbar wären. Stattdessen sei der BF bereits kurz vor seiner bevorstehenden Abschiebung im XXXX untergetaucht und habe der Aufenthaltsort vom BFA nicht mehr festgestellt werden können.

Demgegenüber ist auf Grund der Aktenlage erkennbar, dass der BF im Zuge der eingebrachten Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX , der für den am XXXX anberaumten Verhandlung Folge geleistet hat und in der Folge am XXXX die den BF vertretene „ XXXX “ das Erkenntnis des BVwG, Zl. XXXX nachweislich zugestellt wurde. Insofern ist es für das BVwG nicht nachvollziehbar, inwiefern sich der BF im XXXX einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung entzogen hat, als der Bescheid des BFA vom XXXX , indem dem BF eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise nach § 55 FPG eingeräumt wurde, erst in Folge der Erlassung des Erkenntnisses des BVwG in Rechtskraft erwachsen ist. Das BFA hält im gegenständlichen Bescheid in den Feststellungen selbst fest, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise erst am XXXX geendet hat und wird daher diesbezüglich einer entsprechenden Abklärung bedürfen, als sich keine weiteren Anhaltspunkte hinsichtlich einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung im gegenständlichen Akt befinden. Hinzu kommt, dass der BF in der Beschwerde vorbringt über kein entsprechendes Reisedokument zu verfügen. Offen bleibt damit somit, inwieweit das BFA diesen Umstand nachgegangen ist bzw. welche entsprechenden Schritte gesetzt wurden, um für den BF ein Heimreisezertifikat zu erlangen, wenn eine Abschiebung unmittelbar angestanden sein soll. Diesbezüglich finden sich im Akt keine Anhaltspunkte und wird in der Beschwerde überdies angeführt, dass der BF auch keine Ladung zum Zwecke der Beschaffung eines Heimreisezertifikates erhalten hat. Insofern wird dieser Umstand einer näheren Erörterung bedürfen.

Dass der BF in der Zeit vom XXXX bis XXXX im Zentralmelderegister nicht aufgeschienen und in der Zeit vom XXXX bis XXXX lediglich als obdachlos gemeldet gewesen ist, ergibt sich aus dem historischen Zentralmelderegister. Gleichzeitig geht aus der „Personeninformation Auskunft“ des BF vom XXXX hervor, dass dieser seit dem XXXX abgängig gewesen ist. Des weiteres wird darin festgehalten, dass der BF demnach nicht nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht worden sei, allerdings zu diesem Zeitpunkt eine Festnahme des BF nach einem positiven Covid-19 Test erwünscht gewesen und dieser offensichtlich am XXXX wieder freiwillig zurückgekehrt sei. Demnach bleibt in diesem Zusammenhang der genaue Beweggrund seiner Abwesenheit aber ungeklärt. Überdies rechtfertigt sich der BF in der Beschwerde damit, dass er nur kurze Zeit obdachlos gewesen ist, weil er in der Flüchtlingsunterkunft nicht mehr angenommen worden sei. Offen bleibt überdies in diesem Zusammenhang, weshalb der BF nicht schon früher bei seinem bereits in der Verhandlung vom XXXX namentlich genannten „Unterstützer“, bei welchem er mittlerweile seit dem XXXX durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, Unterkunft genommen hat.

Unstimmigkeiten ergeben sich überdies hinsichtlich der Begründung des BFA im gegenständlichen Bescheid, dass der BF bis zum XXXX von der Grundversorgung gelebt hat und seither nicht ersichtlich sei, woraus der BF seinen Lebensunterhalt bestreitet. Demgegenüber hat der seinerzeitige rechtsfreundliche Vertreter bereits im Schriftsatz vom XXXX angemerkt, dass der BF bereits seit XXXX fix eine namentlich genannte Person rund um die Uhr betreuen würde und dem BF als Gegenleistung dafür Kost und Quartier gewährt werden würde. Offenbar hat das BFA daran aber entsprechende Zweifel gehegt, weshalb eine entsprechende Abklärung u.a. mit einer diesbezüglich zeugenschaftlichen Einvernahme durchgeführt werden hätte müssen.

Dass der illegale Aufenthalt bzw. das Ignorieren von Ausreiseverpflichtungen eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, ergibt sich für das BVwG auch zweifellos darin, dass in derartigen Fällen auch die Verhängung eines Einreiseverbotes gerechtfertigt ist.

Zusammenfassend hält die belangte Behörde damit dem BF einerseits das „Verstreichenlassen“ der Frist für die freiwillige Ausreise und anderseits die mangelnde Setzung sichtbarer Schritte, die zumindest eine Ausreisewilligkeit dokumentieren würden, wie z.B. die Besorgung von Reisedokumenten, vor. Demgegenüber hält der BF der belangten Behörde entgegen, dass der BF über kein Reisedokument verfüge und Österreich aus eigenem Entschluss nicht verlassen habe könne. Dem BF würde daher kein Verschulden daran treffen, dass er seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachkommen habe können, zumal dem BF von den gambischen Vertretungsbehörden bis dato kein Reisedokument ausgestellt worden sei.

Abgesehen davon, dass der BF keine entsprechenden Unterlagen zum Nachweis dieser Behauptungen vorgelegt hat, wurde es von Seiten des BFA verabsäumt mit dem BF die näheren Umstände der mangelnden Vorlage entsprechender Unterlagen zu erörtern und hat sich dieses in der Folge mit den behaupteten Hinderungsgründen unter Durchführung geeigneter Ermittlungsschritte nicht näher damit auseinandergesetzt.

Das BFA hat es im durchgeführten Ermittlungsverfahren diesbezüglich verabsäumt die entsprechende Grundlage für eine umfassende abschließende Beurteilung zu schaffen. Darüber hinaus hat das BFA die persönlichen Verhältnisse des BF nicht vollständig ermittelt und seine Entscheidung in wesentlichen Punkten auf diesbezüglich unvollständige nicht schlüssige Ermittlungsergebnisse gestützt.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zu Spruchteil A)

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde

1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

1.3. Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.

Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen und des hierzu abzuklärenden entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht, bzw. nicht ausreichend ermittelt und festgestellt. Damit konnte das BFA die bereits bei der Beweiswürdigung angeführten verfahrenswesentlichen Feststellungen nicht unter Zugrundelegung der noch zu ermittelnden Punkte bzw. der aktuellen privaten Situation des BF treffen.

Das BFA konnte damit in dem angefochtenen Bescheid auf wesentliche Verfahrensfragen nicht ausreichend eingehen bzw. unterließ die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen und Abwägungen gänzlich. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit diesbezüglich grundlegend entsprechend ergänzungsbedürftig.

Das BFA wird somit diese Ermittlungen im Zuge einer umfassenden ergänzenden Befragung nachzuholen und aktuell abzuklären zu haben. Erst auf diese aktuellen Abklärungen aufbauend wird es der Behörde möglich sein eine valide Entscheidung im gegenständlichen Verfahren zu treffen.

Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden.

Eine solcherart durchzuführende Vornahme eines betreffend der oben angeführten Punkte verfahrenswesentlich erstmalig und aktuell durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde für die Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes primär zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten, sowie aktuellen Aspekte abdeckende Ermittlung und Prüfung eines Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.

Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen des Antrages der Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.

Auf Grundlage der nachzuholen aktuellen Ermittlungsergebnisse wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen somit einen die wesentlich veränderte Situation des BF berücksichtigenden neuen Bescheid zu erlassen haben.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, liegen vor.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

II.3.2. Zu Spruchteil B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Beweiswürdigung anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W124.2181220.2.00

Im RIS seit

17.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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