Entscheidungsdatum
25.05.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W104 2182868-1/48E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom XXXX , Zl. 1109612303-160438634, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4.12.2020 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. und IX. des angefochtenen Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3, § 13 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, 46 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des verhängten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs 1 iVm. Abs 3 Z 1 FPG auf drei Jahre herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 25.3.2016 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, er sei afghanischer Staatsbürger und hänge der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er sei am XXXX in der afghanischen Provinz Baghlan geboren, verheiratet und habe keine Kinder. Seine Eltern, zwei Brüder, zwei Schwestern und seine Ehegattin würden nach wie vor in der Heimatprovinz leben. Zum Fluchtgrund führte er aus, er habe sieben Jahre, nämlich vier Jahre als Chauffeur und drei Jahre als Sicherheitsbediensteter, für die NATO gearbeitet. Nach dem Abzug der Amerikaner sei er in seinem Heimatort von den Taliban gefoltert und zum Tode verurteilt worden. Er habe Angst, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan von den Taliban getötet zu werden.
3. Der Beschwerdeführer legte der belangten Behörde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor. Laut vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebener medizinischer Befundinterpretation von XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.9.2016 wurde beim Beschwerdeführer im April 2016 eine offene Tuberkulose diagnostiziert, aufgrund derer er im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Krankenhaus behandelt wurde. Mit Ende der Ansteckungsgefahr wurde der Beschwerdeführer im Mai 2016 entlassen. Zudem verletzte er sich im Sommer 2016 bei einem Freizeitunfall am Trommelfell und wurde diesbezüglich fachärztlich behandelt. Derzeit befinde sich der Beschwerdeführer im Stadium der Abheilung einer offenen Lungentuberkulose. Dem Beschwerdeführer sei die kontinuierliche Einnahme von zwei Antibiotika bis 12.10.2016 sowie eine fachärztlich-pulmologische Kontrolle empfohlen worden. Es gehe keine Ansteckungsgefahr vom Beschwerdeführer aus.
4. Am 30.6.2017 langte ein Abtretungsbericht des Stadtpolizeikommandos XXXX Fachbereich 3 – Suchtmitteldelikte, an die Staatsanwaltschaft XXXX bei der belangten Behörde ein. Diesem Bericht ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beschuldigt werde, am 3.4.2017 um 15.00 Uhr in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 0,8 Gramm in Form eines Joints, besessen und zuvor erworben zu haben. Der Beschwerdeführer habe in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, das Cannabiskraut am 2.4.2017 von einem ihm nicht näher bekannten Mann gekauft zu haben. Dieses sei ausschließlich für den Eigenkonsum bestimmt gewesen. Der Beschwerdeführer rauche wöchentlich Cannabiskraut.
5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 16.8.2017 wurde der Beschwerdeführer zur Zahl XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Dieses Urteil ist seit 22.8.2017 rechtskräftig und vollstreckbar.
6. Am 17.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Hier monierte der Beschwerdeführer, dass die anwesende Dolmetscherin iranischer Abstammung sei. Er bestehe auf einem Dolmetscher bzw. einer Dolmetscherin afghanischer Herkunft, da er sich Sorgen wegen der Verständigung mache. Der Beschwerdeführer wurde daher neuerlich für den 27.11.2017 geladen.
7. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.11.2017 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zunächst an, er nehme keine Drogen und habe mit dem Alkoholtrinken aufgehört. Er sei in der Provinz Baghlan, im Distrikt XXXX geboren und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Zu seinen familiären Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, er sei verlobt, habe sehr viele Angehörige in Afghanistan und stehe in telefonischem Kontakt mit seinem Vater. Seine Familie habe die Provinz Baghlan zwischenzeitlich verlassen und lebe seit ungefähr einem Jahr in der Provinz Takhar. Sein älterer Bruder sei dort Inhaber einer Süßigkeitenfirma, in welcher auch der jüngere Bruder arbeite. Der Beschwerdeführer habe neun Jahre die Schule besucht. Zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst aus, er habe ab dem Jahr XXXX (entspricht XXXX nach dem gregorianischen Kalender) mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Drei Jahre habe er in XXXX bei einer Waffenzentrale der Amerikaner gearbeitet. Auf Nachfrage gab er an, dass er nie direkten Kontakt mit den Amerikanern hatte, sondern dieser lediglich indirekt bestanden habe. Er habe einer Gruppe von ca. 800 Afghanen angehört, deren Aufgabe der Transport von Waffen und Nahrungsmitteln für die Amerikaner gewesen sei. Insgesamt habe er ca. sieben Jahre für die Amerikaner gearbeitet. Nach dem Abzug der Amerikaner seien eines Tages einige Personen zu ihm nach Hause gekommen und hätten mit einem Messer auf seinen Neffen, der die Tür geöffnet habe, eingestochen. Aus Angst habe der Beschwerdeführer das Heimatdorf daraufhin verlassen und zu seinem Schutz in der Provinz Kunduz im Distrikt XXXX drei bis vier Monate als Polizist gearbeitet. Dort sei er bei seiner Arbeit als Polizist von den Taliban attackiert und durch einen Schuss am Kopf verletzt worden. Nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer wieder nach Hause gegangen und habe beschlossen, Afghanistan zu verlassen.
8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , zugestellt am 13.12.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Unter Spruchpunkt VIII. erließ die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer und sprach unter Spruchpunkt IX. aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 22.8.2017 verloren habe.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er für die Amerikaner gearbeitet sowie anschließend als Polizist tätig gewesen sei und eine Schussverletzung am Kopf erlitten habe, sei zwar glaubhaft; allerdings lasse sich daraus keine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers ableiten. Dem Beschwerdeführer stehe es frei, sich im Falle einer Bedrohung an die afghanischen Behörden zu wenden. Es sei außerdem in Hinblick auf das nicht existente Meldewesen in Afghanistan unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer in ganz Afghanistan gesucht und gefunden werde. Insgesamt habe der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung nach der GFK glaubhaft machen können. Für den Beschwerdeführer bestehe außerdem eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Kabul. Er weise mehrjährige Berufserfahrung als Security und LKW-Fahrer auf und sei in der Lage, durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt in Afghanistan zu finanzieren. Allenfalls könne der Beschwerdeführer auch in der Fabrik seiner Brüder in der afghanischen Provinz Takhar Arbeit finden bzw. sei auch mit finanzieller Unterstützung durch die Familie des Beschwerdeführers zu rechnen.
9. Dagegen richtet sich die am 10.1.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für den Beschwerdeführer ein günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Nach der Darlegung des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensganges führt die Beschwerde im Wesentlichen die Alkoholsucht des Beschwerdeführers ins Treffen, die es ihm unmöglich mache, nach Afghanistan zurückzukehren. Alkoholkonsum sei in Afghanistan illegal, es gebe keine Chance, in Afghanistan langfristig wegen der Alkoholerkrankung behandelt zu werden. Weiter verwies der Beschwerdeführer auf Berichte zur Situation von Unterstützern der US-Streitkräfte in Afghanistan sowie zur allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage und zur Situation von Rückkehrern. Die belangte Behörde habe ihre Ermittlungspflicht in mehrerer Hinsicht, unter anderem dadurch, dass sie keine Ermittlungen in Hinblick auf die Alkoholerkrankung des Beschwerdeführers getätigt habe, verletzt. Außerdem werde der Beschwerdeführer von den Taliban weiterhin als politischer Gegner angesehen. Eine Fluchtalternative stehe im Fall der Verfolgung durch regierungsfeindliche Gruppierungen wie die Taliban nicht zur Verfügung, da diese hinreichende operationelle Kapazitäten hätten, um Personen im ganzen Land zu verfolgen. Dem Beschwerdeführer drohe im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung durch die Taliban wegen seiner (ihm zumindest unterstellten) politischen Gesinnung sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der psychisch kranken Menschen.
10. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. Unter einem verzichtete die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
11. Mit Erkenntnis vom 22.1.2018, W104 2182868-1/3E, gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides statt und hob das verhängte Einreiseverbot ersatzlos auf (Spruchpunkt A.I.). Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A.II) und erklärte die Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt B.).
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass es in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer für die US-Streitkräfte bzw. den afghanischen Sicherheitsapparat gearbeitet habe. Ebenso sei es glaubhaft, dass der Beschwerdeführer eine Verletzung am Kopf im Dienst als Sicherheitsorgan erlitten habe. Allerdings habe der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keine asylrechtlich relevante Verfolgung aufgezeigt. Er habe lediglich auf die allgemeine Sicherheitslage verwiesen, jedoch kein konkretes, ihn persönlich betreffendes Geschehen vorgebracht, das geeignet sei, einen Asylgrund zu verwirklichen. Durch die bloße Verletzung des Beschwerdeführers im Dienst als Polizist könne nicht auf eine persönliche Verfolgung geschlossen werden. Hinsichtlich der vorgebrachten Alkoholsucht verwies das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass dieses Vorbringen erstmals in der Beschwerde erstattet worden sei und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers widerspreche, wonach er mit dem Trinken aufgehört habe. Im Übrigen bestehe auch bei Wahrunterstellung keine Gefahr für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan, da dieser seinen eigenen Angaben zufolge auch schon in Afghanistan Drogen und Alkohol konsumiert habe und diesbezüglich keiner persönlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Mangels drohender Verfolgung sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet abzuweisen gewesen. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen arbeitsfähigen, jungen Mann, der auch bereits Arbeitserfahrungen gesammelt habe und in Afghanistan über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Der Beschwerdeführer werde weder bei einer allfälligen Rückkehr in seine Heimatprovinz, noch in die Provinz Takhar, in der seine Familie derzeit lebe, oder nach Kabul mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Ihm sei daher auch nicht der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Der Beschwerdeführer habe auch kein besonderes Maß an persönlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Integration dargelegt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stelle daher auch keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf ein Privat- und Familienleben im Sinn von Art. 8 EMRK dar.
12. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG, in der er im Wesentlichen sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen wiederholte und ausführte, durch das vorliegende Erkenntnis in mehreren näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Es wurde unter anderem beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und das gegenständliche Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur Gänze aufzuheben.
13. Der Verfassungsgerichtshof gab dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit Beschluss vom 23.4.2018, E 400/2018-9, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG Folge. Begründend führte er aus, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen sei für den Beschwerdeführer mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden.
14. Mit Schreiben vom 24.4.2018, E 400/2018-10, übermittelte der Verfassungsgerichtshof dem Bundesverwaltungsgericht die auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde des Beschwerdeführers und ersuchte um Vorlage der Gerichts- und Verwaltungsakten binnen acht Wochen. Dem Bundesverwaltungsgericht und der belangten Behörde wurde die Möglichkeit eingeräumt, eine Gegenschrift zu erstatten.
15. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Verfassungsgerichtshof die Bezug habenden Akten mit Schreiben vom 8.5.2018. In einem nahm es von der Erstattung einer Gegenschrift abstand und verwies auf die Begründung in der angefochtenen Entscheidung.
16. Mit Erkenntnis vom 25.2.2019, E 400/2018-15, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in dem durch Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander verletzt worden sei, und hob das Erkenntnis auf (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Bund zum Ersatz der Prozesskosten an den Beschwerdeführer verpflichtet.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, das Bundesverwaltungsgericht erachte das Vorbringen des Beschwerdeführers, für die US-amerikanischen Streitkräfte sowie als Polizist gearbeitet und eine Kopfverletzung erlitten zu haben, für glaubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht gehe jedoch davon aus, dass der Beschwerdeführer keine individuell konkrete Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Zu dieser Schlussfolgerung gelange es ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder sonstiger Ermittlungen zum Hergang der Kopfverletzung. Auch sei aus der Entscheidung nicht ersichtlich, ob das Bundesverwaltungsgericht den vom Beschwerdeführer beschriebenen Vorfall an der Haustür, bei dem angeblich sein Neffe getötet worden sei, für unglaubwürdig halte. Das Bundesverwaltungsgericht setze sich mit diesem Vorbringen nicht auseinander. Insgesamt erweise sich die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts als unzureichend. Das Bundesverwaltungsgericht habe eigenständische Ermittlungen zu entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen unterlassen, wodurch das angefochtene Erkenntnis mit Willkür belastet sei. Im Ergebnis sei der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. I Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl. 390/1973) verletzt worden. Das Erkenntnis sei daher aufzuheben gewesen, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
17. Am 20.3.2018 langten der Bezug habende Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der hg. Verfahrensakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
18. Mit Beschluss vom 1.4.2019, W104 2182868-1/18Z, erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu. Begründend führte es aus, die einmalige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten sei nicht als schwerwiegender Grund im Sinn des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG zu werten, da nur eine geringe Strafe verhängt worden sei und der Beschwerdeführer seinem Vorbringen in der Beschwerde zufolge eine Suchttherapie in Anspruch nehme. Bei einer Grobprüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um „vertretbare Behauptungen“ handle, die im Fall der Ausreise des Beschwerdeführers eine Verletzung (zumindest) seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK bedeuten würden. Zudem sei die Teilnahme des Beschwerdeführers an der zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens durchzuführenden mündlichen Beschwerdeverhandlung erforderlich.
19. Am 3.4.2019 legte die bisherige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, die Vertretungs- und Zustellvollmacht zurück.
20. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 4.4.2019, W104 2182868-1/20E, stellte das Bundesverwaltungsgericht das Asylverfahren gemäß § 24 AsylG 2005 ein. Begründend führte es aus, der Beschwerdeführer sei laut Meldeauskunft des Zentralen Melderegisters (ZMR) vom 4.4.2019 von der letzten bekannten Adresse abgemeldet worden. Aktuell liege keine aktuelle Meldung vor. Auch durch Einsichtnahme in die Grundversorgungsdatenbank (GVS) und das Integrierte Zentrale Fremdenregister (IZR) habe der derzeitige Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht ermittelt werden können. Das Asylverfahren sei daher gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 einzustellen.
21. Mit E-Mail vom 30.9.2020 teilte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass der Beschwerdeführer am 29.9.2020 in Schubhaft genommen worden sei und sich derzeit im Polizeianhaltezentrum XXXX befinde.
22. Mit Schreiben vom 15.10.2020 übermittelte die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe eine vom Beschwerdeführer unterfertigte Vollmacht und beantragte die Fortführung des Verfahrens, da der Beschwerdeführer nunmehr wieder über eine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet verfüge.
23. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 9.11.2020 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 4.12.2020 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.
24. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts am 4.12.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Der bestellte länderkundige Sachverständige sowie die belangte Behörde blieben der mündlichen Beschwerdeverhandlung fern.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein bisheriges Vorbringen betreffend eine Verfolgung aufgrund seiner Tätigkeit für die NATO bzw. die Amerikaner sowie seiner Arbeit als Polizist (Arbaki) aufrecht. Weiter gab er an, er fühle sich in Europa ungerecht behandelt. Derzeit sei er im Gefängnis, ohne etwas getan zu haben. Der Beschwerdeführer habe bislang keine Prüfung zu seinen Deutschkenntnissen abgelegt. Zukünftig würde er gerne als LKW-Fahrer arbeiten. Zu seinen Familienverhältnissen führte er aus, er habe Verwandte in Takhar und in Baghlan. Er habe eine große Familie und viele Neffen und Nichten. Da der Beschwerdeführer kein Geld zum Telefonieren habe, bestehe derzeit kein Kontakt. Nach seiner Alkoholsucht gefragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe viel getrunken, da er sonst keine Beschäftigung gehabt habe. Seit er im Gefängnis (gemeint: in Schubhaft) sei, trinke er nicht. Es tue ihm gut, Alkohol zu trinken. Er denke dann nicht so viel nach und sei glücklicher. Auch in Afghanistan habe er bereits Alkohol konsumiert, als er für die Ausländer gearbeitet habe. Gefragt, ob er auch andere Drogen konsumiert habe, gab der Beschwerdeführer an, „alles“ probiert zu haben. Wenn er die Gelegenheit bekomme, ordentlich zu leben, werde er jedoch über eine Entwöhnungstherapie nachdenken.
Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers legte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ein ärztliches Attest vom 24.1.2018 zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer unter Alkoholismus leidet, vor, das zum Akt genommen wurde. Weiter brachte sie vor, die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht krankheitseinsichtig sei, lasse nicht darauf schließen, dass er nicht unter einer psychischen Erkrankung leide. Vielmehr sei dies ein Symptom für derartige psychische Erkrankungen (vgl. ICD 10, F10, Alkoholkrankheit, Stichwort: Leugnen des Suchtverhaltens). Es werde daher die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens beantragt. Eine Rückkehr sei dem Beschwerdeführer aus mehreren Gründen nicht zumutbar (Corona-Situation, schlechte Versorgungslage, schlechte medizinische Versorgung, schlechter psychischer Zustand des Beschwerdeführers). Zur Abgabe einer Stellungnahme wurde der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Frist von sieben Tagen eingeräumt.
25. Am 9.12.2020 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen eine Sachverständige für die Einholung des fachärztlichen Gutachtens vorgeschlagen, Vorbringen zur Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwerdeführers erstattet und auf die aktuelle Lage in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie verwiesen wird.
26. Mit Beschluss vom 22.12.2020 bestellte das Bundesverwaltungsgericht XXXX zur Sachverständigen für das Fachgebiet „Psychiatrie und Neurologie“ zur Abklärung, ob der Beschwerdeführer an Alkoholismus oder/und einer anderen psychischen Krankheit leidet, und welche besonderen Bedürfnisse daraus folgen. Mit Schreiben vom selben Tag verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer über die Bestellung der Sachverständigen und die Anberaumung einer Beweisaufnahme am 26.1.2021 in der Ordination der Sachverständigen.
27. Am 25.1.2021 langte eine Vollmacht der BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH für den Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein.
28. Mit neuerlichem Beschluss vom 10.2.2021 bestellte das Bundesverwaltungsgericht XXXX neuerlich zur Sachverständigen für das Fachgebiet „Psychiatrie und Neurologie“ zur Abklärung, ob der Beschwerdeführer an Alkoholismus oder/und einer anderen psychischen Krankheit leidet, und welche besonderen Bedürfnisse daraus folgen. Mit Schreiben vom selben Tag verständigte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer über die Bestellung der Sachverständigen und die Anberaumung einer Beweisaufnahme am 23.3.2021 in der Ordination der Sachverständigen.
29. Am 16.4.2021 langte das psychiatrische Gutachten der Sachverständigen XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach die Symptomentrias Konzentrationsstörung, Denkstörung und affektive Auffälligkeit sowie sozial inadäquate Verhaltensweisen das Vorliegen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis vermuten lassen. Nach den vorgelegten ärztlichen Attesten und eigenen Angaben dürfte der Beschwerdeführer bis zu seiner Inhaftierung täglich größere Mengen an Alkohol konsumiert haben. Es sei daher von früherem Alkoholabusus und gegenwärtige Abstinenz auszugehen. Das klinische Bild entspreche aus fachärztlicher Sicher einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Dabei handle es sich nicht um ein lebensbedrohliches Zustandsbild, Hinweise auf Suizidalität lägen nicht vor. Allerdings sei die Suizidrate im Rahmen dieses Krankheitsbildes rein statistisch erhöht. Die Erkrankung beeinträchtige den Beschwerdeführer bei der Bewältigung des täglichen Lebens. Einsichts- und Urteilsvermögen seien ebenso beeinträchtigt wie Planungs- und Umsetzungsvermögen. Unterstützung und strukturierte Bedingungen seien erforderlich. Mit ausreichender Unterstützung (im günstigsten Fall auch Behandlung) sei der Beschwerdeführer in der Lage, sich selbst zu erhalten. Hinsichtlich der Orientierung fänden sich keine Einschränkungen. Angaben zur Vergangenheit und Gegenwart seien jedoch im Rahmen der beschriebenen Denkstörung zu interpretieren. Im Fall des Beschwerdeführers sei eine Behandlung mit einem Antipsychotikum empfehlenswert. Ohne Behandlung sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer seine Lebenssituation durch unleidliches Verhalten und paralogische Angaben weiterhin verschlechtern werde. Eine Verkürzung der Lebenserwartung sei jedoch nicht verlässlich zu prognostizieren.
30. Das Bundesverwaltungsgericht verständigte den Beschwerdeführer und die belangte Behörde mit Schreiben vom 19.4.2021 vom Ergebnis der Beweisaufnahme und gab den Parteien Gelegenheit, binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
31. Am 23.4.2021 langte eine Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen Vorbringen zur Asylrelevanz des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers sowie zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufgrund der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers erstattet wird.
32. Mit Schreiben vom 27.4.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 1.4.2021, die aktuelle Version der EASO Country Guidance vom Dezember 2020 sowie Anfragebeantwortungen betreffend die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers und den Umgang mit Alkohol in Afghanistan ins Verfahren ein. In einem gab das erkennende Gericht den Parteien die Möglichkeit, dazu binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
33. Am 28.4.2021 reichte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl polizeiliche Unterlagen betreffend die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers vom 16.8.2017 durch das Landesgericht XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und betreffend die Vorführung des Beschwerdeführers in eine Krankenanstalt wegen Fremdgefährdung gemäß § 46 Abs. 2 SPG am 28.9.2020 nach. Weiter übermittelte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht eine Verständigung der Staatsanwaltschaft von der Anklageerhebung gegen den Beschwerdeführer wegen § 83 Abs. 1 StGB vom 2.3.2021.
34. Am 5.5.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den ins Verfahren eingebrachten Anfragebeantwortungen beim erkennenden Gericht ein, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, diesen sei lediglich zu entnehmen, dass rein theoretisch Zugang zu einer effektiven Behandlung der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers besteht. Öffentliche Krankenhäuser seien nicht in der Lage, allen Patienten kostenlose medizinische Leistungen zur Verfügung zu stellen. Behandlungen oder Untersuchungen durch Fachärzte seien selbst zu bezahlen; allenfalls müsse die Familie der Patienten für die Kosten aufkommen. Die Kosten für die Behandlung seien eine Herausforderung für Patienten mit durchschnittlichem Einkommen. Der Beschwerdeführer sei vermögenslos und aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage, selbständig ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, um die Kosten seiner notwendigen Behandlung zu tragen. Menschen mit psychischer Erkrankung seien mit Vorurteilen konfrontiert und würden ausgegrenzt bzw. marginalisiert. Patienten würden gegen ihren Willen festgehalten und häufig angekettet oder sediert. Auch der Beschwerdeführer drohe im Fall seiner Rückkehr unter unmenschlichen und erniedrigenden Umständen in eine traditionelle Versorgung untergebracht und angekettet zu werden. Alkoholkonsum stehe in Afghanistan unter Strafe; dem Beschwerdeführer drohe daher eine unmenschliche und erniedrigende Bestrafung in Form von Peitschenhieben.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Tazkira;
? Konvolut medizinischer Befunde aus dem Jahr 2016;
? Ärztliches Attest von XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, Notarzt und Mikrobiologe vom 24.1.2018.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;
? Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;
? Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Berichte:
- Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021;
- European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020;
https://easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Afghanistan_2020_0.pdf;
- European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017; https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports
- European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018;
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports;
- Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31.5.2018;
- Ecoi.net – European Country of Origin Information Network: Anfrage-beantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke), 15.2.2013;
- Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staaten-dokumentation), 23.8.2017; https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf;
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Alkohol: Konsum, Verkauf, Produktion, Import, Schwarzmarkt; Alkoholismus, Bestrafungen, Stigma, 13.3.2018;
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Gesellschaftliche Wahrnehmung von Personen mit psychischen Erkrankungen; Stigmatisierung, schädigende Praktiken, religiöse Aspekte, Wunderheilung; Umgang von staatlichen Stellen/Institutionen mit psychischen Erkrankten, Diskriminierung [a-11251], 7.5.2020;
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Allgemeine Verfügbarkeit von Behandlungen bei paranoider Schizophrenie, Verfügbarkeit und Kosten von Medikamenten, 20.12.2018;
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan: Paranoide Schizophrenie & Medikament Risperdal, 17.10.2016;
? Einsichtnahme in folgende Berichte und Informationen zur aktuell maßgeblichen Situation in Afghanistan aufgrund der COVID-19-Epidemie:
- Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021;
- Homepage der Word Health Organization (WKO), letzter Zugriff jeweils am 20.5.2021;
https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19;
https://covid19.who.int/region/emro/country/af;
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Masar-e Sharif und Umgebung; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 30.4.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030099.html
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 23.4.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030080.html;
? Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte;
XXXX Einsichtnahme in das eingeholte psychiatrische Sachverständigengutachten XXXX
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz Baghlan geboren. Er ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er ist verlobt und kinderlos.
Der Beschwerdeführer wuchs in seinem Heimatdorf im afghanischen Familienverband mit seinen Eltern, zwei Brüdern und zwei Schwestern im familieneigenen Haus auf. Er besuchte neun Jahre die Schule und arbeitete nebenbei als Kind ungefähr drei Jahre als Mechaniker. Ab seinem 21. Lebensjahr arbeitete der Beschwerdeführer für die amerikanischen Truppen: Drei Jahre war er in XXXX als Security tätig und gehörte einer Gruppe bestehend aus ungefähr 800 Afghanen an, deren Aufgabe in der Bewachung von Waffen- und Nahrungsmitteltransporten bestand (Transporteskorte). Weiter arbeitete er ungefähr vier Jahre als Tankwagen- und LKW-Fahrer für die Amerikaner. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen schloss sich der Beschwerdeführer der örtlichen Milizpolizei (Arbaki) in der afghanischen Provinz Kunduz, Distrikt XXXX , an und war drei bis fünf Monate als Polizist tätig.
Die Eltern, Brüder und Schwestern des Beschwerdeführers leben zwischenzeitlich in der afghanischen Provinz Takhar. Der ältere Bruder ist dort Inhaber einer Süßigkeitenfabrik, in der auch der jüngere Bruder des Beschwerdeführers beschäftigt ist. Derzeit besteht kein Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner Familie. Der Beschwerdeführer ist jedoch in der Lage, den Kontakt zur Familie jederzeit wiederherzustellen. Die finanzielle Situation der Kernfamilie des Beschwerdeführers ist sehr gut. Die Angehörigen des Beschwerdeführers haben diesen bereits in der Vergangenheit während seines Aufenthaltes in Österreich bzw. in Europa finanziell unterstützt. Die Familie des Beschwerdeführers ist in der Lage, den Beschwerdeführer auch im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan finanziell und beratend zu unterstützen. Abgesehen von seiner Kernfamilie leben noch weitere Verwandte und Angehörige des Beschwerdeführers in den Provinzen Baghlan und Takhar. Der Beschwerdeführer verfügt über ein familiäres unterstützungsfähiges Netzwerk in Afghanistan. Ein Neffe des Beschwerdeführers lebt in Deutschland.
Der Beschwerdeführer erkrankte im Jahr 2016 an einer offenen Lungentuberkulose, die zwischenzeitlich jedoch ausgeheilt ist. In der Vergangenheit litt der Beschwerdeführer unter Alkoholismus. Er konsumierte bereits während seiner Tätigkeit für die amerikanischen Truppen in Afghanistan Alkohol und steigerte diesen Konsum während seines Aufenthaltes in Europa auf ein bis zwei Flaschen Wodka täglich. Ende 2017 bis Anfang 2018 unterzog sich der Beschwerdeführer in Österreich einer Entzugstherapie, wurde jedoch rückfällig. Seit September 2020 ist der Beschwerdeführer abstinent und trockener Alkoholiker (Status Post Alkoholabusus). Weiter besteht beim Beschwerdeführer der Verdacht auf eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Er befindet sich derzeit jedoch nicht in psychiatrischer Behandlung und ist nicht krankheitseinsichtig. Beim Beschwerdeführer zeigen sich keine Einschränkungen hinsichtlich Orientierung, er ist jedoch in der Konzentrationsleistung deutlich beeinträchtigt. Seine Gedankengänge zeigen sich als nur im Ansatz zielführend, assoziativ gelockert bis paralogisch und wiederholen sich phrasenhaft. Beim Beschwerdeführer besteht eine Tendenz zu paranoider Interpretation sowie eine völlig unkritische, letztlich wahnhaft anmutende, Verarbeitungstendenz. Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Vergangenheit und Gegenwart sind im Rahmen seiner Denkstörung zu interpretieren. Die Symptomentrias Konzentrationsstörung, Denkstörung und affektive Auffälligkeit sowie soziale inadäquate Verhaltensweisen lassen das Vorliegen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis beim Beschwerdeführer vermuten. Das Zustandsbild des Beschwerdeführers ist jedoch nicht lebensbedrohlich. Im Fall des Beschwerdeführers finden sich keine Hinweise auf Suizidalität. Die Erkrankung beeinträchtigt den Beschwerdeführer bei der Bewältigung seines täglichen Lebens. Sein Einsichts- und Urteilsvermögen sind ebenso beeinträchtigt wie sein Planungs- und Umsetzungsvermögen. Mit ausreichender Unterstützung und im günstigsten Fall auch Behandlung wäre der Beschwerdeführer jedoch in der Lage, sich selbst zu erhalten. Im Fall des Beschwerdeführers wäre eine medikamentöse Behandlung mit einem Antipsychotikum indiziert. Sollte die Erkrankung des Beschwerdeführers unbehandelt bleiben, ist zu befürchten, dass der Beschwerdeführer seine Lebenssituation durch unleidliches Verhalten und paralogische Angaben weiterhin verschlechtern würde. Eine Verkürzung der Lebenserwartung ist jedoch nicht verlässlich zu prognostizieren.
Insgesamt leidet der Beschwerdeführer an keiner schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankung. In den Städten Mazar-e Sharif und Herat existieren medizinische Einrichtungen, in welchen paranoide Schizophrenie behandelt werden kann. Der Beschwerdeführer bedarf aufgrund seiner Erkrankung lediglich einer medikamentösen Therapie. Eine stationäre Behandlung ist nicht erforderlich. Antipsychotika sind in Afghanistan in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) in Apotheken in der Nähe von psychiatrischen Kliniken in Tablettenform erhältlich. Die Medikamente sind rezeptpflichtig und mit einer Verschreibung durch einen Spezialisten erhältlich. Eine Behandlung ist im Regionalkrankhaus Balkh in Mazar-e Sharif und im Regionalkrankenhaus in Herat (Stadt) möglich. Eine Untersuchung durch einen Facharzt kostet durchschnittlich 500 AFN. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers steht einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen. Er ist zwar infolge seiner psychischen Erkrankung nur beschränkt arbeits- und erwerbsfähig, verfügt jedoch über ein hinreichendes unterstützungsfähiges soziales Netzwerk in Afghanistan, das ihn finanziell unterstützen könnte. Die Angehörigen des Beschwerdeführers sind wirtschaftlich in der Lage, dem Beschwerdeführer eine adäquate medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung in Afghanistan zu finanzieren und ihn bei seinem Lebensunterhalt zu unterstützen, sodass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, so wie es auch seine Landleute führen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich bescholten. Mit Urteil des XXXX vom 16.8.2017 (rechtskräftig seit 22.8.2017) wurde der Beschwerdeführer zur Zahl XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Konkret hat der Beschwerdeführer in XXXX vorschriftswidrig Suchtgift an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, anderen gegen Entgelt überlassen und teils zu überlassen versucht, indem er am 1.6.2017 im XXXX ca. 0,8 Gramm Delta-9-THC-haltiges Cannabiskraut an einen unbekannten Abnehmer und 2,6 Gramm Delta-9-THC-haltiges Cannabiskraut gewinnbringend an einen zivilen Polizeibeamten veräußerte, während sich in unmittelbarer Nähe zumindest 30 Passanten aufhielten. Weiter hat er vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem er seit einem unbekannten Zeitpunkt über die oben genannte Menge hinaus Delta-9-THC-haltiges Cannabiskraut bis zum Eigenkonsum innehatte. Bei der Strafzumessung wertete das Landesgericht XXXX die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers mildernd und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und die Sicherstellung des Suchtgiftes erschwerend.
In der Schubhaftverhandlung am 23.10.2020 (hg Verfahren zu G312 2236213-1) gab der Beschwerdeführer an, er würde wieder mit Suchtgift handeln, sobald man ihn aus der Schubhaft entlasse. Während seines Aufenthaltes in Frankreich habe er ebenfalls mit Drogen gehandelt. Derzeit ist ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Vorwurfs der Körperverletzung beim Bezirksgericht XXXX anhängig.
Der Beschwerdeführer stellte am 25.3.2016 seinen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Im April 2018 verließ der Beschwerdeführer das österreichische Bundesgebiet und reiste nach Frankreich, wo er am 13.4.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Nach einem Jahr reiste der Beschwerdeführer weiter nach Deutschland und stellte dort am 21.6.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seit September 2020 ist der Beschwerdeführer wieder in Österreich aufhältig und befindet sich seit 29.9.2020 in Schubhaft (derzeit im Anhaltezentrum XXXX ).
Es besteht die Gefahr, dass sich der Beschwerdeführer durch Flucht seiner Pflicht zur Ausreise entzieht. Er stellt weiters eine gravierende Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 67 FPG dar.
Der Beschwerdeführer hat nach seiner Einreise ungefähr sechs Monate lang einen Deutschkurs besucht. Er spricht ein bisschen Deutsch, hat jedoch noch keine Prüfung zu seinen Deutschkenntnissen abgelegt. Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied in einem Verein und geht keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach. Er war in Österreich auch nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer hat in Österreich soziale Kontakte geknüpft und möchte zukünftig als LKW-Fahrer arbeiten.
In Österreich leben keine Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.
2.2. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.
Der Beschwerdeführer arbeitete sieben Jahre für die amerikanischen Truppen: Drei Jahre war er in XXXX als Security tätig und gehörte einer Gruppe bestehend aus ungefähr 800 Afghanen an, deren Aufgabe in der Bewachung von Waffen- und Nahrungsmitteltransporten bestand (Transporteskorte). Vier Jahre arbeitete er als Tankwagen- und LKW-Fahrer für die Amerikaner, wobei er insbesondere Lebensmittel transportierte. Dem Beschwerdeführer kam keine besonders exponierte Rolle im Rahmen seiner Tätigkeit für die amerikanischen Truppen zu. Er erhielt keine militärische Ausbildung und war ein einfaches Mitglied innerhalb einer 800-köpfigen Gruppe afghanischer Staatsangehöriger ohne Leitungsfunktion. Nach dem Abzug der amerikanischen Truppen schloss sich der Beschwerdeführer der örtlichen Milizpolizei (Arbaki) in der afghanischen Provinz Kunduz, Distrikt XXXX , an und war drei bis fünf Monate als einfacher Polizist tätig.
Der Beschwerdeführer geriet aufgrund seiner untergeordneten Rolle weder aufgrund seiner Tätigkeit für die Amerikaner, noch aufgrund seiner Tätigkeit für die Arbaki ins Visier aufständischer Gruppierungen wie etwa der Taliban. Im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen der örtlichen Milizpolizei und den Taliban erlitt der Beschwerdeführer eine Schussverletzung am Kopf. Es handelte sich hierbei nicht um einen gezielten Anschlag auf die Person des Beschwerdeführers. Es kam zu keinen Übergriffen oder Bedrohungen des Beschwerdeführers bzw. seiner Familie durch die Taliban oder sonstige Akteure wegen seiner Tätigkeit für die amerikanischen Truppen bzw. die Arbaki. Insbesondere wurde nicht auf den Neffen des Beschwerdeführers eingestochen. Der Beschwerdeführer wird auch aktuell nicht von den Taliban gesucht. Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer keinen Übergriffen bzw. Verfolgung durch die Taliban bis hin zu seiner Tötung, etwa aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung ausgesetzt. Ein konkreter Anlass, aus dem der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen hat, kann nicht festgestellt werden.
Dem Beschwerdeführer droht im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auch keine asylrelevante Verfolgung durch Privatpersonen oder staatliche Stellen aufgrund seiner psychischen Erkrankung.
Ebenso wenig drohen dem Beschwerdeführer als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch Privatpersonen, staatliche Stellen oder sonstige Akteure.
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers (Baghlan) zählt zu den unruhigsten Provinzen Afghanistans. Es kommt häufig zu Kämpfen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen, wobei die Taliban oft Sicherheitsposten der Regierungstruppen angreifen. In der Provinz werden Luftangriffe und Räumungsoperationen durchgeführt; es kommt auch zu Detonationen von Sprengfallen am Straßenrand. Hauptursache für zivile Opfer sind Kämpfe am Boden, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern.
Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Baghlan droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Auch die Provinz Takhar, in der die Kernfamilie des Beschwerdeführers derzeit lebt, gehört zu den volatilen Provinzen in Afghanistan, in denen der Großteil der Distrikte zwischen Aufständischen und Regierungstruppen umkämpft ist. Sowohl die Taliban als auch der Islamische Staat sind in der Provinz präsent. Es werden regelmäßig Sicherheitsoperationen und Luftanschläge durchgeführt. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und afghanischen Sicherheitskräften, bei denen es zu Todesopfern auf beiden Seiten und bei Zivilisten kommt.
Im Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in der Provinz Takhar droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer militanter Gruppierungen betroffen. Kabul verzeichnet eine hohe Anzahl ziviler Opfer. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch.
Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Provinzen Balkh und Herat zählten zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans, die vom Konflikt relativ wenig betroffen sind. In Balkh hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren in einigen der abgelegenen Distrikte der Provinz verschlechtert, da militante Taliban versuchen, in dieser wichtigen nördlichen Provinz Fuß zu fassen. Die Taliban greifen nun häufiger an und kontrollieren auch mehr Gebiete im Westen, Nordwesten und Süden der Provinz. Anfang Oktober 2020 galt der Distrikt Dawlat Abad als unter Talibankontrolle stehend, während die Distrikte Char Bolak, Chimtal und Zari als umkämpft galten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif ist davon jedoch wenig betroffen und gilt nach wie vor als vergleichsweise sicher. Im Jahr 2019 kam es beinahe monatlich zu kleineren Anschlägen mit improvisierten Sprengkörpern, meist in der Nähe der Blauen Moschee. Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Kriminalität in Mazar-e Sharif ein Problem. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif jedoch so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein.
Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Die Sicherheitslage auf Stadt- und Distriktebene unterscheidet sich voneinander. Während einige Distrikte, wie z.B. Shindand, als unsicher gelten, weil die Kontrolle zwischen der Regierung und den Taliban umkämpft ist, ist die Hauptstadt der Provinz – Herat (Stadt) – davon wenig betroffen. In Herat (Stadt) kam es in den letzten Jahren vor allem zu kriminellen Handlungen und kleineren sicherheitsrelevanten Vorfällen, jedoch nicht zu groß angelegten Angriffen oder offenen Kämpfen, die das tägliche Leben vorübergehend zum Erliegen gebracht hätten. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle, die in letzter Zeit in der Stadt Herat gemeldet wurden, fielen meist in zwei Kategorien: gezielte Tötungen und Angriffe auf Polizeikräfte. Die Distrikte um die Stadt Herat stehen unter der Kontrolle der Regierung. Je weiter man sich von der Stadt Herat, die im Jänner 2019 als „sehr sicher“ galt, und ihren Nachbardistrikten in Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer ist der Einfluss der Taliban. Herat (Stadt) gilt trotz Anstiegs der Kriminalität nach wie vor als relativ sicher.
Sowohl Mazar-e Sharif in Balkh als auch Herat (Stadt) stehen unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sie sicher erreicht werden können.
Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) droht diesem nicht die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Provinzen Balkh und Herat waren im Jahr 2018 von einer Dürre betroffen. Durch die sozioökonomischen Auswirkungen der derzeit bestehenden COVID-19-Pandemie und dem damit einhergehenden Anstieg der Lebensmittelpreise hat die Ernährungsunsicherheit inzwischen wieder ein ähnliches Niveau erreicht wie während dieser Dürre. In Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) sind Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Trinkwasser und medizinische Versorgung jedoch grundsätzlich gegeben. Der Zugang zu einer medizinischen Versorgung in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) ist zwar aufgrund der derzeit bestehenden Pandemie durch das Corona-Virus beschränkt, jedoch grundsätzlich vorhanden. In Krankenhäusern sind sogenannte „Fix-Teams“ stationiert, die verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort untersuchen und in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung stehen. In den Großstädten wurden einige der Regional- und Provinzkrankhäuser in Hinblick auf COVID-19 mit Test- und Quarantäneeinrichtungen ausgestattet. COVID-19-Patienten können in öffentlichen Krankenhäusern stationär diagnostiziert und behandelt werden. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet. Aufgrund kurzfristiger Lockdowns kann auch die Möglichkeit, sich durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zeitlich begrenzt eingeschränkt sein. Gegenwärtig gibt es jedoch weder in Mazar-e Sharif, noch in Herat (Stadt) Ausgangssperren. Aktuell sind alle Grenzübergänge geöffnet. Die internationalen Flughäfen in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) werden aktuell international wie auch national angeflogen. Derzeit verkehren Busse, Sammeltaxis und Flugzeuge zwischen den Provinzen und Städten. Die derzeitige Situation führt zu keiner Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden. Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten sind derzeit nur für Geschäftsreisende geöffnet, wobei Hotels bzw. Teehäuser nicht genau nachfragen, weil sie Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können. Seit Februar 2021 sind COVID-19-Tests in Afghanistan leichter zugänglich geworden, da mehr Krankenhäuser von der Regierung die Genehmigung erhielten, diese durchzuführen. Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen; bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht. Mit Stand 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet.
Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) ist davon auszugehen, dass er sich – wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten – mit finanzieller Unterstützung seiner in Afghanistan lebenden Angehörigen eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft und medizinische Versorgung wird decken können. Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Niederlassung in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) ein mit anderen dort lebenden Afghanen vergleichbares Leben ohne unbillige Härten führen können. Der Beschwerdeführer ist ein junger Mann von XXXX Jahren, der an keiner schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankung leidet. Die Beschwerdeführer litt zwar in der Vergangenheit an Alkoholismus, ist derzeit jedoch abstinent bzw. trocken. Es bedarf daher keiner Behandlung hinsichtlich der Alkoholerkrankung des Beschwerdeführers. Die diagnostizierte Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis kann in Afghanistan medikamentös behandelt werden. Eine Behandlung ist in Herat (Stadt) bzw. Mazar-e Sharif für den Beschwerdeführer mit finanzieller Unterstützung seiner Angehörigen auch zugänglich und finanzierbar. Trotz seiner psychischen Erkrankung fällt der Beschwerdeführer (hinsichtlich COVID-19) nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten oder Bluthochdruck. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers steht seiner Rückkehr nach Afghanistan daher nicht entgegen. Der Beschwerdeführer ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut und verfügt über mehrjährige Berufserfahrung als Mechaniker, Security und LKW-Fahrer. Zudem spricht er mit Dari eine Sprache seines Herkunftsstaates muttersprachlich. Der Beschwerdeführer verbrachte sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Spätsommer 2015 in Afghanistan und wurde dort im afghanischen Familienverband sozialisiert. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung ist der Beschwerdeführer zwar nur beschränkt arbeits- und erwerbsfähig; er hat jedoch keine Sorgepflichten und seine Familie ist in der Lage, ihn finanziell zu unterstützen sowie eine adäquate medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung in Afghanistan zu finanzieren. Dadurch ist dem Beschwerdeführer der Aufbau einer Existenzgrundlage in den Großstädten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt), wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, möglich.
Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationale Organisationen, die der Beschwerdeführer in Anspruch nehmen könnte. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die folgenden Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021 (im Folgenden: LIB);
? European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020 (im Folgenden: EASO);
https://easo.europa.eu/country-guidance-afghanistan-2020;
? UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018 (im Folgenden: UNHCR);
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