TE Vfgh Beschluss 1995/6/12 B690/95, B691/95

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Veröffentlicht am 12.06.1995
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33

Leitsatz

Stattgabe von Wiedereinsetzungsanträgen aufgrund des Vorliegens eines durch bloß leichte Fahrlässigkeit verursachten Fehlers der Mutter des Rechtsanwaltes bei Auswahl der Telefax-Nummer des Verfassungsgerichtshofes

Spruch

Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

1. Der beschwerdeführende Verein wandte sich mit zwei auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden gegen zwei Bescheide der Regionalradiobehörde vom 25. Jänner 1995. Diese Bescheide wurden dem Beschwerdeführer am 1. Februar 1995 zugestellt. Die Beschwerdeschriften langten am 15. März 1995 per Telefax beim Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser übermittelte die Beschwerden am 16. März 1995 an den Verfassungsgerichtshof. Weiters wurden am 16. März 1995 zwei gleichlautende Beschwerden zur Post gegeben, die am 17. März 1995 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt sind.

Die sechswöchige Beschwerdefrist hat am 1. Februar 1995 begonnen und ist am 15. März 1995 abgelaufen. Die Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelangt und auch nicht vor Ablauf der Frist an ihn zur Post gegeben worden. Sie sind daher verspätet.

Da der Beschwerdevertreter aus einer Rückfrage beim Verwaltungsgerichtshof am 16. März 1995 den Fehler erkannte, stellte er - fristgerecht - Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.

2. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1981, 11706/1988).

3. Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdevertreters, das in Zweifel zu ziehen für den Verfassungsgerichtshof auch zufolge der vorgelegten eidesstaatlichen Erklärungen kein Anlaß besteht, hat der Beschwerdevertreter die Beschwerden erst am letzten Tag der Beschwerdefrist fertiggestellt, da bis zum Schluß Besprechungen in der Sache geführt wurden. Da es nicht möglich war, die Beschwerden rechtzeitig der Post zur Beförderung zu übergeben, sei eine Übermittlung per Telefax notwendig geworden. Diese Arbeit wurde der Mutter des Rechtsanwaltes, die pensionierte Hauptschullehrerin ist und 20 Jahre lang Kanzleileiterin beim Bezirksschulrat Oberpullendorf war und seit mehreren Jahren oftmals in der Kanzlei ihres Sohnes auch bei Fristarbeiten ausgeholfen hat, übertragen. Im vorliegenden Fall wurden die an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerden irrtümlich per Telefax dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt, wobei die Mutter des Rechtsanwaltes nach erfolgloser Suche im Telefonbuch für Wien und nach gleichfalls erfolglosem Versuch, die Telefaxnummer des Verfassungsgerichtshofes durch die Telefonauskunft mitgeteilt zu bekommen, die - vermeintliche - Telefaxnummer des Verfassungsgerichtshofes einem Verzeichnis betreffend Rechtsanwälte entnahm, dem handschriftlich Telefaxnummern angefügt waren. Offenbar infolge eines Ablesefehlers wurde dabei die Telefax-Nummer des Verwaltungsgerichtshofes auf den Begleitzettel geschrieben und angewählt. Infolgedessen kam es zur Fristversäumung.

4. Der Verfassungsgerichtshof findet, daß der unterlaufene Fehler einen minderen Grad des Versehens darstellt und (noch) als leichte Fahrlässigkeit gewertet werden kann. Den Wiedereinsetzungsanträgen war daher Folge zu geben.

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B690.1995

Dokumentnummer

JFT_10049388_95B00690_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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