Entscheidungsdatum
01.06.2021Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W159 2183738-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2021, beschlossen:
A) Das Verfahren wird hinsichtlich des Spruchpunktes II. wegen der Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGV eingestellt.
II.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2021, zu Recht erkannt:
A)
1. Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG wird abgewiesen.
2. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
3. Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan auf Dauer unzulässig ist und XXXX eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §§ 54, 55 und 58 AsylG 2005 idgF erteilt wird.
Zu I. und II:
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang zu I. und II. :
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan, gelangte (spätestens) am 27.12.2015 irregulär nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch die Grenzpolizeiinspektion XXXX gab er an, dass er der Volksgruppe „Kochai“ angehöre. Zu den Fluchtgründen gab er an, dass die Taliban ihn für den Jihad zwangsrekrutieren hätten wollen.
Am 21.11.2017 erfolgte eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich. Er sei in der Provinz Kabul im Bezirk XXXX im Dorf XXXX geboren. Das Datum könne er nicht sagen. Seine Mutter habe gesagt, dass er 20 Jahre alt sei. Das Datum XXXX habe er nicht angegeben. Seine Muttersprache sei Paschtu. Von seiner Geburt bis zu seinem 18. Geburtstag sei er in seinem Heimatdorf gewesen. Er sei Hirte gewesen und habe keine Schule besucht. Die ersten neun Jahre sei er zuhause geblieben, dann habe er als Hirte gearbeitet. Er habe auch eine Tazkira gehabt, diese aber auf der Flucht zwischen der Türkei und Griechenland verloren. Er habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Er habe bis zur Ausreise in seinem Heimatdorf gelebt. Zum Zeitpunkt der Ausreise hätten seine Mutter, zwei Brüder und zwei Kinder seines Bruders noch gelebt. Sein Vater und seine Frau seien verstorben. Sein Vater sei schon verstorben, als er sieben Jahre alt gewesen sei. Seine Schwester hätte im Heimatdorf gelebt. Von seinen Brüdern wisse er nichts. Er habe einen Sohn, aber seine Frau sei schon vor sechs Jahren verstorben. Sein Sohn lebe bei seiner Mutter. Er sei jetzt ca. sechs Jahre alt. Sie hätten von ca. 200 Tieren „ganz gut“ leben können. Er sei Paschtune und habe, seit er von Afghanistan weggegangen sei, keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Er habe ca. eineinhalb Jahre im Iran gelebt. Dort gebe es aber keine Sicherheit. Mit den Behörden seines Heimatlandes habe er keine Probleme gehabt, er sei auch nicht politisch tätig gewesen, habe auch weder wegen seines Religionsbekenntnisses noch wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt, auch keine Probleme mit Privatpersonen und habe auch nicht aktiv an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.
Weiters wurde er zu den Fluchtgründen befragt.
Er könne in seiner Muttersprache weder lesen noch schreiben. In Österreich habe er ein bisschen Deutsch gelernt. Er habe viele Kontakte zu Österreichern. Er möchte gerne Polizist werden. Gefragt, ob er noch etwas angeben möchte, gab er an, dass zu der Zeit, als er in der Türkei angekommen sei, sein Freund im Iran gewesen sei. Dieser sei aber nach Afghanistan abgeschoben worden. Er habe ihn gebeten, mit seiner Familie Kontakt aufzunehmen. Er habe diese aber nicht gefunden. Er habe aber seinen Onkel mütterlicherseits gefunden.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 14.12.2017, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 27.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dieser Antrag unter Spruchteil II. auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchpunkt IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchpunkt V. die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt und unter Spruchpunkt VI. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt, die Beweismittel aufgelistet und Feststellungen zur Person und zum Herkunftsstaat getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass hinsichtlich der behaupteten Bedrohung dem Vorbringen kein Glauben habe geschenkt werden können, weil die Angaben tatsachenwidrig, widersprüchlich, keineswegs plausibel und nachvollziehbar gewesen seien. Außerdem habe der Antragsteller sein Vorbringen gesteigert. Zu Spruchpunkt I. wurde insbesondere ausgeführt, dass aufgrund des Umstandes, dass dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei, keine Asylgewährung habe erfolgen können. Auch könne weder aus jedem Rekrutierungsversuch der Taliban noch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan eine Asylgewährung abgeleitet werden. Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der Bezug habenden Rechtslage und Judikatur zunächst darauf hingewiesen, dass eine individuelle Gefährdung aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens nicht angenommen werden könne und eine existenzgefährdende Versorgungslage in ganz Afghanistan nicht gegeben sei. Auch aus der allgemeinen Sicherheitslage sei subsidiärer Schutz nicht ableitbar, zumal der Beschwerdeführer über 17 Jahre offenbar ohne größere Probleme in Afghanistan gelebt habe. Weiters habe keine Erkrankung des Beschwerdeführers festgestellt werden können, sodass sich bei Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde, ergeben hätten. Auch die Voraussetzungen des § 57 AsylG lägen nicht vor (Spruchpunkt III.). Weiters sei das Bestehen eines Familienlebens zu negieren gewesen und sei hinsichtlich des Privatlebens zunächst einmal auf die illegale Einreise hinzuweisen. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor in seinem Herkunftsland verwurzelt und deute nichts darauf hin, dass er dort in hohem Maße mit Desintegration zu rechnen hätte. Besondere Hinweise auf eine außerordentliche Integration in Österreich hätten sich nicht ergeben. Es sei daher kein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung als zulässig zu bezeichnen gewesen (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt V. wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Tatbestände des § 50 FPG nicht erfüllt wären und einer Abschiebung nach Afghanistan auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichthofes für Menschenrechte entgegenstehe, sodass diese als zulässig zu bezeichnen sei; auch Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären nicht hervorgekommen (Spruchpunkt VI.).
Mit Schriftsatz vom 10.02.2020 gab Rechtsanwalt XXXX seine Bevollmächtigung bekannt und legte ein Zeugnis über eine nichtbestandene A2-Prüfung sowie einen Mietvertrag des Beschwerdeführers vor.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung am 19.03.2020 an, die Corona-bedingt auf den 07.05.2020 verlegt werden musste. Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung seines ausgewiesenen Vertreters. Der Behördenvertreter ist entschuldigt nicht erschienen. Der Beschwerdeführervertreter legte ein Empfehlungsschreiben der XXXX und der XXXX vor.
Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und wollte nichts korrigieren oder ergänzen. Er sei afghanischer Staatsangehöriger. Seine Dokumente habe er leider im Meer verloren. Er sei Paschtune und sunnitischer Moslem. Er bete hin und wieder und faste auch. Er gehöre zum Stamm XXXX und dieser gehörte zur (Unter)volksgruppe der Kutschis. Den Tag seiner Geburt könne er nicht sagen. Seine Mutter hat ihm nur das Jahr gesagt. Er wisse auch nach dem afghanischen Kalender sein Geburtsjahr nicht. Er gab jedoch an, 25 Jahre alt zu sein, während der Beschwerdeführervertreter den Beschwerdeführer auf etwa 30 Jahre schätzte. Er sei im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Kabul geboren und habe immer in diesem Dorf gelebt. Afghanistan habe er bereits im Jahre 2013 verlassen und habe er eineinhalb Jahre lang im Iran gelebt. Er habe überhaupt keine Schule besucht und sei er als Analphabet nach Österreich gekommen. In Österreich habe er ein bisschen lesen und schreiben gelernt, aber eigentlich sei er noch immer Analphabet. In Afghanistan sei er als Hirte tätig gewesen. Er sei in der Früh mit den Tieren hinausgegangen und bis spät abends mit diesen unterwegs gewesen, aber am gleichen Tag sei er nach Hause zurückgekehrt. Der Beschwerdeführervertreter brachte vor, dass der Beschwerdeführer keine Konflikte mit den Hazaras gehabt habe. Der Beschwerdeführer ergänzte, dass in ihrem Dorf auch keine Hazaras gelebt hätten. Ab dem Alter von neun Jahren habe er begonnen, Schafe und Ziegen zu hüten. Es sei ihnen wirtschaftlich gut gegangen. Schon mit sechs Jahren sei er verlobt worden. Mit sieben Jahren hätten sie geheiratet, obwohl sie beide noch Kinder gewesen wären. Er habe auch einen Sohn, dieser sei acht oder neun Jahr alt, aber seine Frau sei bei der Geburt des Sohnes verstorben. Den genauen Grund für den Tod seiner Frau wisse er auch nicht. Er habe sie nach XXXX ins Krankenhaus gebracht und am Weg ins Krankenhaus sei sie verstorben. Seine Mutter habe, solange er noch in Afghanistan gewesen sei, noch im Dorf gelebt. Seit dem Verlassen Afghanistans habe er allerdings keinen Kontakt mehr mit ihr. Sein Vater sei schon verstorben, als er sieben Jahre alt gewesen sei. Deswegen hätten sie die Hochzeit um zwei, drei Monate verschoben. Vier Geschwister seien älter als er und ein Bruder jünger. Insgesamt habe er zwei Brüder und drei Schwestern.
Sodann wurden die Fluchtgründe erfragt.
Gefragt, was er derzeit in Österreich mache, gab er an, dass er fast nichts mache. Er sei zuhause und versuche Deutsch zu lernen, aber als Analphabet sei er nicht so schnell. Er sei ungefähr fünf Jahre in Österreich. Er sei Single und lebe mit einem Kollegen in seiner Wohnung. Er habe Deutschkurse bis A2 gemacht, aber die Prüfung nicht geschafft. Sonstige Ausbildungen habe er in Österreich nicht absolviert. Gearbeitet habe er nicht, er habe nur gelegentlich bei der Gemeinde geholfen. Er sei auch nicht Mitglied in einem Verein. Er könne sich den Mitgliedsbeitrag nicht leisten. Er bete gelegentlich in der Moschee in XXXX . Dort habe er auch einen Freund kennengelernt. Er habe aber auch schon österreichische Freunde. Frau XXXX habe ihm privat Deutsch gelernt und ihrer Mutter XXXX helfe er gelegentlich im Alltag.
Wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde für ihn Todesgefahr bestehen. Er könne sich auch nicht in Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen. Er sei dort nicht sicher und könne auch dort keine Arbeit finden. Die Taliban könnten ihn überall in Afghanistan auffinden. Eine andere berufliche Erfahrung als als Schaf- und Ziegenhirte habe er eigentlich nicht, er habe nur im Iran als Hilfskraft in der Baubranche gearbeitet.
Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem keine Verurteilung aufscheint. Den Verfahrensparteien wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan zur Kenntnis gebracht.
Mit gesondertem Schreiben vom 14.05.2020 wurde eine Kurzinformation der Staatendokumentation, Stand 09.04.2020, eine Information von OCHA betreffend COVID 19 in Afghanistan vom 10.05.2020 sowie einen Bericht über Situation zwischen 27. April und 04. Mai 2020 sowie weiters aus Wikipedia die COVID 19 Pandemie in Afghanistan zur Kenntnis gebracht.
Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte ausschließlich der Beschwerdeführer Gebrauch. In dieser wurde darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Infizierten in den ersten drei Wochen verdreifacht und die Zahl der Toten wegen COVID 19 verdoppelt hätte. Die Testkapazität in Afghanistan sei ungefähr nur ein Zehntel von der von Österreich. Entscheidend sei allerdings nicht so sehr das Ansteckungsrisiko, sondern die mit der Bekämpfung der Pandemie einhergehenden Beschränkungen des Wirtschaftslebens. Insbesondere für Taglöhner sei es kaum möglich, Arbeit zu ergattern. Außerdem gäbe es immer wieder Anschuldigungen gegen Rückkehrer aus Europa, das Virus einzuschleppen, was zu sozialer Ablehnung bei der Suche nach Arbeit und Wohnung führe, wie die deutsche Wissenschaftlerin Friederike STAHLMANN ausführte. Im Falle einer COVID 19 Infektion scheint jedenfalls in Afghanistan kein Zugang zu einer angemessenen Behandlung zu bestehen und sei daher eine inländische Fluchtalternative derzeit auch für kräftig gebaute junge Männer nicht zumutbar. Es sei daher subsidiärer Schutz, zumindest für ein Jahr, zu gewähren. Wenn es in der Zwischenzeit eine Impfung gäbe, sei neu zu entscheiden.
Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 17.07.2020, GZ. XXXX die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. gem § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Mit Spruchpunkt II. wurde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Unter Spruchpunkt III. wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt und unter Spruchpunkt IV. die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht geglaubt habe. Die Fluchtgründe seien vage, widersprüchlich und unlogisch darstellt worden, weswegen sie als nicht glaubhaft anzusehen seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe jedoch ein gewisses Bemühen um Integration geglaubt.
Rechtlich führte das Bundesverwaltungsgericht zu Spruchpunkt I. aus, dass die dargelegten Fluchtgründe nicht glaubhaft seien. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie und den verhängten Ausgangsbeschränkungen sich die Lage für Tagelöhner weiter verschärft hätte, sie könnten nicht mehr arbeiten, weshalb sie akut von Hunger bedroht seien. Grundnahrungsmittel hätten eine erhebliche Preissteigerung erfahren, die Lebensmittelversorgung von Millionen von Menschen sei gefährdet. Unter Berücksichtigung dieser aktuellen Situation hinsichtlich gestiegener Nahrungsmittelpreise sowie der großen Anzahl afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan, welche großteils in den afghanischen Städten siedeln, wäre die Versorgung des Beschwerdeführers derzeit überall in Afghanistan, insbesondere ohne familiäre oder sonstige Unterstützung in den genannten Städten, nicht gewährleistet, sodass eine Rückkehr nach Afghanistan aktuell nicht zumutbar sei. Der Beschwerdeführer zähle zwar nicht zur Risikogruppe der Covid-19 gefährdeten Personen, sodass für den Beschwerdeführer Lebensgefahr zwar nicht ausgeschlossen werden könne, zumal auch junge, und derzeit gesunde Menschen aufgrund einer Infektion mit dem Covid-19 Virus sterben könnten, die gesundheitlichen Folgen bei einer Rückkehr nach Afghanistan seien jedoch insbesondere hinsichtlich einer möglichen Mangelernährung, aufgrund der nunmehr angespannten Situation und der steigenden Preise von Lebensmittel nicht absehbar, sodass nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet werden könne, dass der Beschwerdeführer in keine besorgniserregende bzw. lebensbedrohliche Situation geraten würde. Daher sei derzeit eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar. Individuelle Umstände, die für die Erteilung einer subsidiären Schutzberechtigung sprechen würde, sei, dass er nahezu über keine Schulausbildung verfügen würde, in Afghanistan lediglich als Hirte gearbeitet hätte und über kein soziales und familiäres Netzwerk mehr in Afghanistan verfügen würde. Da der Status des subsidär Schutzberechtigten gewährt wurde, sei eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr zu erteilen gewesen (Spruchpunkt III.) und die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund der ao. Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit Erkenntnis vom 16.03.2021, XXXX zu Recht erkannt, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Spruchpunkte A II., A III. und A IV. wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wird.
Der Verwaltungsgerichtshof führte hierzu u.a. aus:
„Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 21.10.2020, Ra 2020/19/0288; 3.12.2020, Ra 2020/19/0108; 22.10.2020, Ra 2020/14/0456; 7.9.2020, Ra 2020/18/0273; alle mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auch auf die ständige Judikatur des EGMR, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos darzulegen, dass ihr im Fall der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. etwa VwGH 3.9.2020, Ra 2020/19/0253, mwN).
Wie vom Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, mag es zutreffen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan auf Grund der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 verschlechtert haben (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2020/19/0288; 23.6.2020, Ra 2020/20/0188, mwN). Davon zu unterscheiden ist aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das - wie dargelegt - für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095, mwN).
Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass weder die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK (vgl. erneut VwGH Ra 2020/20/0188, mwN; zur bloßen Möglichkeit einer Covid-19-Erkrankung VwGH 6.7.2020, Ra 2020/01/0176, mwN), noch eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für die Annahme der realen Gefahr einer drohenden Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts ausreicht (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0309, mwN).
Schließlich ist festzuhalten, dass die Prüfung des Vorliegens einer realen Gefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 eine rechtliche Beurteilung darstellt, die auf Basis der getroffenen Feststellungen zu erfolgen hat (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0217, mwN).
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinen Feststellungen zwar eine schwierige Lebenssituation für den Mitbeteiligten im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat bezogen auf das gesamte Staatsgebiet aufgezeigt, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen des Mitbeteiligten und die durch die Covid-19-Pandemie und ihren Folgen bedingte angespannte Arbeitsmarktsituation und Versorgungslage in Großstädten. Darauf gestützt verneint das Bundesverwaltungsgericht explizit auch das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative im gesamten Herkunftsstaat. Weshalb der Mitbeteiligte durch diese Umstände - trotz Vertrautheit mit den kulturellen Gegebenheiten, der Sprache und der Tatsache, dass es sich bei ihm um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, der nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes auch keiner Covid-19-Risikogruppe angehört - aber in eine Situation ernsthafter individueller Bedrohung des Lebens käme, zeigt das Bundesverwaltungsgericht nicht auf. Es ist eine solche auch nicht von vornherein erkennbar. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, er würde im gesamten Herkunftsstaat in eine ausweglose Situation geraten, ist eine Schlussfolgerung, die in den Feststellungen keine Deckung findet.“
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 18.05.2021 neuerlich eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, zu dem der Beschwerdeführer in in Begleitung seines ausgewiesenen Vertreters erschien. Der Behördenvertreter ist entschuldigt nicht erschienen.
Der Rechtsvertreter brachte eine Arbeitsbestätigung der XXXX vom 03.05.2021, eine Lohn und Gehaltsabrechnung April 2021 sowie ein Unterstützungsschreiben der XXXX und XXXX vom 12.05.2021 in Vorlage.
Die Rechtsvertretung brachte vor: „Im Hinblick auf die nach wie vor volatile Lage in Afghanistan, aber dennoch aufrechte Kontrolle der Regierung über die Zentren wird im Hinblick auf das Erkenntnis des VwGH und im Hinblick auf die Integration in den Arbeitsmarkt die Beschwerde hinsichtlich subsidiären Schutz zurückgezogen und beantragt eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen.“
Befragt gab der Beschwerdeführer an, er halte sich seit dem 27.12.2015 in Österreich auf. Er sei sunnitischer Moslem und würde seine Religion in Österreich ausüben. Er hätte zwar Familie (Mutter, fünf Geschwister, ein Sohn) in Afghanistan, zu denen würde aber kein Kontakt bestehen. Er hätte keine Telefonnummer seiner Familie und die Verbindung würde nicht funktionieren. Auch der Kontakt zu einem afghanischen Freund, welcher von Österreich nach Afghanistan abgeschoben worden wäre, würde nicht mehr bestehen. Der Beschwerdeführer gab an, er habe keine Verwandte in Österreich, Europa oder außerhalb von Afghanistan. Er persönlich habe sich im Jahr 2013 das letzte Mal in Afghanistan aufgehalten.
Befragt zu seiner Gesundheit gab der Beschwerdeführer an, er leide unter keinen Krankheiten, habe aber viel Angst und deswegen Schlafstörungen.
Zurzeit würde er in Österreich arbeiten, in Kurzarbeit, aufgrund der Coronakrise. Sein Einkommen schwanke zwischen 1.100 und 1.400 € aufgrund der Kurzarbeit. Er sei seit dem 01.10.2020 als Reinigungsmitarbeiter in einem Schwimmbad im XXXX angestellt. Zuvor sei er bei der Firma XXXX als Abwäscher für zwei Monate beschäftigt gewesen.
Er habe keine Ausbildungen in Österreich gemacht, aber Deutschkurse besucht. Er habe ÖSD A1 positiv bestanden sowie den Integrationskurs besucht. Er habe vieles über Österreich gelernt, z.B. über die Gesetze, was es für Rechte und Pflichten gibt und welche Sanktionen einem drohen bei Nichtbefolgung. Aufgrund seines Analphabetismus versuche er nunmehr seinen A2-Kurs positiv zu absolvieren und seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Sein Ziel sei es danach den Führerschein zu machen. Er habe in Österreich lesen und schreiben gelernt.
Der Beschwerdeführer gab an, er würde in keiner Ehe oder Lebensgemeinschaft leben. Er sei verheiratet gewesen, seine Frau sei bereits in Afghanistan verstorben. Sein Sohn würde in Afghanistan leben, seine Mutter hätte auf ihn aufgepasst, er würde jedoch aufgrund des mangelnden Kontaktes keine weiteren Informationen besitzen.
Er sei kein Mitglied bei Vereinen oder Institutionen, habe aber österreichische Freunde. Er habe auch eine feste Freundin, in Österreich geboren und aufgewachsen, gehabt. Sie seien jedoch auseinandergegangen. Sie hätten versucht auf Deutsch, so gut es gegangen wäre, zu kommunizieren.
Der Beschwerdeführer schilderte seinen Tagesablauf auf Deutsch: „Ich stehe in der Früh auf ca. um 6 Uhr, gehe ins Badezimmer, Zähne putzen, ich esse Frühstück und gehe dann arbeiten. Wenn ich nach Hause komme koche ich ein bisschen und schlafe dann. … Das ist eine Wohnung von Seiten der Firma für mich. … Ich habe ein eigenes Zimmer für mich. … ich zahle nur die Stromrechnung.“
In seiner Freizeit versuche der Beschwerdeführer seine Deutschkenntnisse zu verbessern, durch Selbststudium oder mit Hilfe seiner Lehrerin, Frau XXXX .
Der Beschwerdeführer gab befragt zu seinen Plänen, wenn er in Österreich bleiben dürfe an, er wolle vor allem Deutsch lernen und arbeiten. Er würde auf seinen eigenen Beinen stehen wollen, österreichische Kontakte pflegen und Freunde haben. Momentan sei seine Arbeit vorrangig. Seine Arbeitskollegen würden aus Bosnien und Albanien und auch verschiedenen anderen Ländern kommen. Sie würden zur Verständigung sich der deutschen Sprache bedienen.
Im aktuellen Strafregisterauszug des Beschwerdeführers scheint keine Verurteilung auf.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen (Zu I. und II.):
Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, führt den Namen XXXX in Österreich, gehört der paschtunischen Volksgruppe an und ist sunnitischer Moslem. Er gehört der Untervolksgruppe der Kutschis an, hatte jedoch keine Konflikte mit Hazaras. Seinen eigenen Angaben zufolge ist der Beschwerdeführer 25 Jahre alt. Er wurde im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX in der Provinz Kabul geboren und hat auch dort bis zur Ausreise im Jahre 2013 gelebt. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine Schule besucht, sondern war bereits ab dem neunten Lebensjahr als Schaf- und Ziegenhirte (aber nicht Nomade) tätig. Er hatte keine wirtschaftlichen Probleme in Afghanistan. Er wurde bereits im Alter von sieben Jahren verheiratet. Er hat einen Sohn, der jetzt ca. acht bis neun Jahre alt ist. Seine Frau ist bei der Geburt des Sohnes verstorben. Sein Vater verstarb bereits, als er sieben Jahre alt war, seine Mutter lebte beim Verlassen Afghanistans noch. Er hat zwei Bruder und drei Schwestern, aber derzeit seinem Vorbringen zufolge mit seinen Familienangehörigen keinen Kontakt.
Es ist nicht erforderlich zu den Fluchtgründen Feststellungen zu treffen.
Der Beschwerdeführer hat im Jahre 2013 Afghanistan verlassen und lebte ca. ein Jahr lang als Bauhilfsarbeiter im Iran, wo er immer wieder Probleme mit der Polizei hatte. Am 27.12.2015 gelangte er irregulär nach Österreich, ist seitdem in Österreich aufhältig und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen organischen Problemen und gibt an, manchmal unter Schlafstörungen aufgrund von Angst zu leiden, ist aber diesbezüglich nirgends in Behandlung. Der Beschwerdeführer hat in Österreich mehrere Deutschkurse besucht und ein bisschen Schreiben und lesen gelernt, sowie ein Deutschdiplom A1 erworben. Er hat zeitweilig bei der Gemeinde geholfen und hat auch schon österreichische Freunde. Er hilft einer alten Dame bei der Bewältigung des Alltags, ihre Tochter lernt mit ihm Deutsch. Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich und ist unbescholten.
Der Beschwerdeführer arbeitet seit 01.10.2020 im XXXX als Reinigungsmitarbeiter. Sein Einkommen schwankt aufgrund der Kurzarbeit während der Coronakrise zwischen 1.100 und 1.400 € und liegt somit deutlich über dem Mindesteinkommen. Zuvor war er bei der Firma XXXX als Abwäscher für zwei Monate beschäftigt.
Der Beschwerdeführer hilft Frau XXXX , einer alten Dame, österreichische Staatsbürgerin, ehrenamtlich den Alltag zu bewältigen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und hat keinen Eintrag in das Strafregister.
In Anbetracht der rechtskräftig negativen Asylentscheidung und der Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes ist es auch nicht erforderlich, länderkundliche Feststellungen zu treffen.
Beweis wurde erhoben durch Erstbefragung des Beschwerdeführers durch die Grenzpolizeiinspektion XXXX , durch Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, am 20.11.2017 und durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.05.2020, und vom 18.05.2021 durch Vorlage eines Deutschzertifikats A1, von Deutschkurs- und Alphabetisierungskursbestätigungen, eines Sozialberichtes der XXXX , einer Arbeitsbestätigung der XXXX und der Stadtgemeinde XXXX , eines Unterstützungsschreiben der XXXX samt Fotos des Beschwerdeführers mit ihrer Mutter XXXX , zuletzt vom 12.05.2021, eines (negativen) Prüfungsergebnisses A2 sowie eines Mietvertrages durch den Beschwerdeführer bzw. seine Vertretung, eine Arbeitsbestätigung des XXXX vom 03.05.2021 und der Lohn/Gehaltsabrechnung vom April 2021 und Einsichtnahme in den, den Beschwerdeführer betreffenden Strafregisterauszug.
2. Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:
Für den Beschwerdeführer wurde bei er asylrechtlichen Erstbefragung das Geburtsdatum „ XXXX “ protokolliert. Unbestritten ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger ist, der Volksgruppe der Paschtunen angehört, sunnitischer Moslem ist und sich seit dem 27.12.2015 im österreichischen Bundesgebiet befindet.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer zur Gänze selbsterhaltungsfähig ist, ergibt sich aus der vorgelegten Einstellungsbestätigung sowie der Lohnabrechnung des XXXX . Dort ist der Beschwerdeführer als Reinigungsmitarbeiter, seit 01.10.2020 beschäftigt.
Dass der Beschwerdeführer Frau XXXX bei der Bewältigung ihres Alltags hilft, ergibt sich aus dem vorgelegten Unterstützungsschreiben. Aus den Angaben der letzten Verhandlung ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer sich ein Privatleben in Österreich aufgebaut hat.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer zurzeit in Österreich ein Familienleben führt. Er hat keinen Kontakt zur Familie in Afghanistan.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt auch aus seinen eigenen Aussagen in der Beschwerdeverhandlung und der Nichtvorlage gegenteiliger medizinischer Befunde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu I. A.:
Vorausgeschickt wird, dass der (VwGH) die negative Asylentscheidung des BVwG (Spruchteil A I.) nicht behoben hat und diese-weiterhin-rechtskräftig und unanfechtbar ist.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Beschluss.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde zum Spruchpunkt II. ist das Verfahren hinsichtlich dieser dieses Spruchpunktes auch rechtskräftig geworden und das Bundesverwaltungsgericht hat das diesbezügliche Verfahren lediglich mit Beschluss einzustellen (siehe VwGH vom 29.04.2015 Fr 2014/20/0047-11).
Zu II. 1. A)
§ 57 AsylG 2005 lautet:
„§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.“
§ 58 AsylG 2005 lautet:
„§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
[…].“
Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 27.12.2015 im österreichischen Bundesgebiet. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels weder zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen ist notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt geworden. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen somit nicht vor, zumal dies weder im Verfahren noch in den Beschwerden behauptet wurde.
Zu II. 2. und 3. A)
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBL I Nr 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).
Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd. Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).
Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer kein Familienleben in Österreich führt. Er verfügt in Österreich weder über Verwandte, noch lebt er hier in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft. Sein minderjähriger Sohn lebt vielmehr in Afghanistan.
Unter „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland).
Hierbei ist neben diesen (beispielhaft angeführten) Kriterien, aber auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal etwa das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH vom 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH vom 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH vom 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach integrationsbegründete Schritte in einem Zeitraum, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein habe müssen, zu relativieren sind (VwGH vom 28.02.2019 Ro 2019/01/003, jüngst VwGH vom 10.04.2020 Ra 2019/19/0430) trifft im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zu, wobei der Verwaltungsgerichtshof auch erst jüngst ausgeführt hat, dass auch eine im Zuge eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangte Integration nicht ohne Gewicht ist (VwGH vom 06.04.2020 Ra 2020/20/0055-9).
Der Beschwerdeführer ist bemüht trotz seines Analphabetismus die deutsche Sprache zu erlernen. So konnte er bis jetzt nur die A1 Prüfung positiv ablegen. Er ist aufrichtig bemüht auch die A2 Prüfung zu absolvieren. Sofort nach Erhalt des Status des subsidiären Schutzes durch das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdeführer zu arbeiten begonnen. In den Verhandlungen hat er immer wieder betont, auf eigenen Füßen stehen zu wollen.
In die Interessenabwägung ist auch die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852ff.). Zwar hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479), der Beschwerdeführer ist seit 27.12.2015 in Österreich aufhältig. Er hat seine Familie nicht in Afghanistan besucht und hat somit die „magische Grenze“ der Aufenthaltsdauer von fünf Jahren überschritten.
Der Beschwerdeführer ist in hohen Maße in Österreich integriert. Der Beschwerdeführer hat sich einen Freundeskreis aufgebaut, mit welchen er auch seine Freizeit verbringt. Er unterstützt eine alte Dame, sodass diese das alltägliche Leben bewältigen kann. Im Gegenzug unterrichtet die Tochter dieser Dame den Beschwerdeführer in der deutschen Sprache.
Der Beschwerdeführer ist völlig selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer arbeitet als Reinigungskraft im XXXX und verdient (während der Kurzarbeit in der Coronakrise) 1.300 Euro netto monatlich. Ihm wurde außerdem eine Unterkunft im XXXX zur Verfügung gestellt.
Der Beschwerdeführer hat das A1 Diplom erworben. Er ist in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen und kam vor fünfeinhalb Jahren als Analphabet nach Österreich. So ist es verständlich, dass das Erlernen von Lesen und Schreiben sowie einer neuen Alltagssprache Zeit intensiv ist. Der Beschwerdeführer spricht jedoch bereits Deutsch und ist bemüht diese Kenntnisse zu erweitern, wie das während der Verhandlung ersichtlich war. Der Beschwerdeführer ist bemüht ein Deutschdiplom A2 zu absolvieren.
Der Beschwerdeführer ist nicht vorbestraft.
Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aufgrund der dargestellten Gründe in einer Gesamtabwägung aller Umstände die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründeten Rechtfertigungen erkennen lassen (vgl. VwGH 22. 2. 2005, 2003/21/0096; vgl. ferner VwGH 26. 3. 2007, 2006/01/0595, sowie VfSlg 17.457/2005). Die vom Bundesamt verfügte Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers nach Afghanistan ist daher aktuell nicht mehr im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.
Eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen (siehe auch BVwG vom 04.12.2017, W107 2163499-1/13E).
Da die maßgeblichen Umstände in ihrem Wesen nicht bloß vorübergehend sind, war die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (in diesem Sinne auch schon AsylGH vom 11.08.2009, Zl. B5 241.319-2/2009/3E, AsylGH vom 29.10.2009, Zl. D8 263154-0/2008/20E, AsylGH vom 09.11.2009, Zl. D7 242438-9/2008/20E, AsylGH vom 27.10.2009, Zl. E3 249.769-2/2009/5E, AsylGH vom 29.01.2010 D3 400226-1/2008/15E, u.a.).
Gemäß dem (mit 01.10.2017 in Kraft getretenen) § 55 Abs. AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 leg. cit. eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.
Auch wenn der Beschwerdeführer derzeit auf Kurzarbeit ist (wegen der Corona Krise), so übersteigt sein Einkommen jedenfalls erheblich die monatliche Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.
Das Bundesverwaltungsgericht erteilt dem Beschwerdeführer aus diesem Grund mit konstitutiver Wirkung den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten (§ 54 Abs. 2 Asylgesetz 2005). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer diesen Aufenthaltstitel in Kartenform auszustellen.
Zu Spruchteil I. + II. B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr handelt es sich um einen individuellen Einzelfall. Die Entscheidung hat sich an der maßgeblichen Rechtsprechung des VwGH orientiert und diese auch zitiert.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse ehrenamtliche Tätigkeit Ersatzentscheidung ersatzlose Teilbehebung Erwerbstätigkeit Geringfügigkeitsgrenze Integration Interessenabwägung private Interessen Privatleben Rechtsanschauung des VwGH Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Selbsterhaltungsfähigkeit Teileinstellung ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2183738.1.00Im RIS seit
13.08.2021Zuletzt aktualisiert am
13.08.2021