TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/1 W107 2179145-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W107 2179145-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Caritas, Österreichische Caritaszentrale, Albrechtskreithgasse 19-21, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2021:

A)

– beschlossen:

Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

– Zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist.

II. Gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 1 iVm 58 Abs. 2, 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf (12) Monaten ab dem Tag der Zustellung dieses Erkenntnisses erteilt.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste gemeinsam mit XXXX (Beschwerdeführer zu W107 2179147-1), schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 11.11.2015 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute, seinem Fluchtgrund und allfälligen Rückkehrgefährdungen befragt. Hier gab er an, in der Provinz XXXX geboren worden zu sein, in XXXX zwölf Jahre lang die Grundschule besucht zu haben und zuletzt als Polizist tätig gewesen zu sein. Zu seinen Eltern und Geschwistern befragt gab er als Vater XXXX und als Mutter XXXX sowie als Geschwister einen Bruder namens XXXX 9 Jahre und vier Schwestern – XXXX , 15 Jahre, XXXX , 13 Jahre, XXXX , 11 Jahre und XXXX , 7 Jahre, an. Angaben zu einem Bruder namens XXXX sowie zu Familienangehörige in Österreich oder einem EU- Staat machte er keine.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er zusammengefasst an, dass er, als XXXX von den Taliban eingenommen worden sei, gemeinsam mit zwei anderen Polizisten einen Vorfall überlebt habe. Sie hätten sich zu einer Polizeistation begeben, wo das Militär gewesen sei. Dadurch hätten sie überlebt. Einige Offiziere des Militärs hätten sie aber beschuldigt, den Taliban geholfen zu haben, XXXX einzunehmen. Das Militär habe ihm daher gedroht, ihn umzubringen.

Der Beschwerdeführer gab am Ende der Befragung explizit an, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben habe (BFA-Akt, AS. 23) und unterzeichnete das Protokoll nach Rückübersetzung auf jeder Seite.

3. Eine durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 28.09.2015 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hat (AS 21).

4. Am 18.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers seiner Muttersprache und seines damaligen Rechtsvertreters niederschriftlich einvernommen. Hier gab er nunmehr an, in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , im Dorf XXXX , geboren worden, mit seiner Familie im Alter von vier Monaten in die Stadt XXXX gezogen und dort aufgewachsen zu sein. In XXXX habe er zwölf Jahre lang die Schule besucht und anschließend eine Aufnahmeprüfung für die Universität absolviert, welche er nicht bestanden habe. Anschließend habe er Englischkurse besucht und sei von 02.01.2010 bis 07.06.2011 nur zu Hause gewesen. Danach habe er eine Ausbildung bei der Polizei begonnen: Zunächst habe er sechs Monate lang ein Praktikum in XXXX als Unteroffizier gemacht und gelernt, wie man eine Kalschnikow bediene bzw. mit einer PIK umgehe. Nach diesem Monat habe er drei Monate in der Polizeistelle XXXX im Außendienst gearbeitet, anschließend zwei Monate im Hauptquartier in XXXX als Polizeifahrer; er habe Lebensmittel, Waffen und Munition zu anderen Dienststellen gebracht; in Folge habe er in einer anderen Polizeistation in XXXX gedient, wo er von Mitte 1390 (2011) bis 1394 (2015) im Büro tätig gewesen, dann nach XXXX , drei Tage später in das Dorf XXXX und wegen Verschlechterung der Sicherheitslage in der Stadt XXXX , in den Distirkt XXXX , konkret in das Dorf XXXX , überstellt worden sei.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, es habe im Dorf XXXX acht Tage lang Krieg geherrscht, dann hätten sie schwere Waffen, dreizehn „gepanzerte Hummer“ und vier Ranger, Handgranaten sowie Munition erhalten und mehrere Stunden gegen die Taliban gekämpft. Als er nach dem Kampf die Waffen nicht ohne Übergabebestätigung abgeben habe wollen, seien der Beschwerdeführer und seine Begleiter mit Waffen bedroht, ihnen die Augen verbunden und in Handschellen an einen unbekannten Ort in einen Keller gebracht worden. Man habe dem Beschwerdeführer und den anderen vorgeworfen, dass sie den Taliban die Autos und die schweren Waffen übergeben hätten. Der Beschwerdeführer und seine Kollegen seien mehrmals geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und am Schlaf gehindert worden. Sie seien schließlich geflüchtet und schlepperunterstützt in den Iran und weiter nach Europa gereist.

In einem Lager in Griechenland habe der Beschwerdeführer dann einen afghanischen Staatsbürger namens XXXX getroffen, welcher sein Bruder sei. Auf Nachfrage, ob der Beschwerdeführer wisse, warum XXXX geflüchtet sei, gab dieser nur an, man solle ihn selbst fragen, er habe kein gutes Verhältnis zu ihm. Er glaube, dass er auch Probleme mit den Taliban gehabt habe. Zu seinen eigenen Rückkehrbefürchtungen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er befürchte, nach seiner Ankunft in XXXX festgenommen und eingesperrt zu werden.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer eine Tazkira im Original, ein Schulabschlusszeugnis der zwölften Klasse, einen Dienstausweis der afghanischen Polizei, diverse Fotos hinsichtlich seiner Tätigkeit als Polizist, vier Sprachkursbestätigungen sowie ein Empfehlungsschreiben vor.

5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 24.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt; gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen damaligen Rechtsvertreter fristgerecht vollumfängliche Beschwerde.

7. Das BFA legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2020 wurde der Beschwerdeführer, vertreten durch den damaligen Rechtsvertreter, vom Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und diesem eine Gesamtaktualisierung des Länderinformationsblatts zu Afghanistan vom 13.11.2019 (mit Kurzinformationen bis einschließlich 21.07.2020) mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.

9. Mit Eingabe vom 25.11.2020 nahm der Beschwerdeführer zum Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme Stellung. Dem Schreiben wurden eine Bestätigung der Caritas über die ehrenamtliche Arbeit des Beschwerdeführers, zwei ÖSD-Sprachzertifikate (bis einschließlich Niveau: B1), mehrere Deutschkursbestätigungen, drei Empfehlungsschreiben, drei Bestätigungen über die Teilnahme am Kurs „Integrativ“ des Unterstützungskomitees zur Integration von MigratnatInnen (UKI), eine Arbeitsbestätigung des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus vom 19.07.2018 (Abteilung Bundesgärten), eine Bestätigung von „Live Music Now“ betreffend einen Instrumentalunterricht (Gitarre) des Beschwerdeführers, ein bedingter (Arbeitserlaubnis) arbeitsrechtlicher Vorvertrag des Restaurants „ XXXX “ in XXXX , demzufolge der Beschwerdeführer als Küchenhilfe mit vierzig Stunden pro Woche und einem monatlichen Bruttogehalt von XXXX angestellt werde.

10. Mit Eingabe vom 09.03.2021 legte der ehemalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die ihm erteilte Vollmacht zurück.

11. Am 15.04.2021 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch nunmehr ausgewiesene Rechtsvertreterin, eine Stellungnahme ein samt Vorlage einer Bestätigung über die ehrenamtliche Arbeit des Beschwerdeführers, ein Sprachzertifikat (Niveau: B1), die erteilte Vollmacht, eine Bestätigung über die Teilnahme am Kurs „Integrativ“ sowie abermals den mit dem Restaurant XXXX abgeschlossenen Arbeitsvorvertrag.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.04.2021 in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters, eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie eines länderkundigen Sachverständigen eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen und zu seiner Lebenssituation in Österreich befragt wurde. Vertreter der belangten Behörde sind unentschuldigt nicht erschienen.

Bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Stand: 16.12.2020) übermittelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden die am Tag der mündlichen Verhandlung aktuellsten Länderinformationen, sowie die Berichte von EASO und UNHCR in das Verfahren eingeführt. Der Beschwerdeführer verzichtete im Beisein seines Rechtsvertreters ausdrücklich auf eine Stellungnahme sowie Aushändigung dieser Länderberichte.

Im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin nach eingehender Rechtsberatung die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte sowie Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen und ist volljähriger Staatsangehöriger von Afghanistan. Seine Muttersprache ist Dari. Er spricht auch Paschtu, Englisch und Deutsch und kann in diesen Sprachen lesen und schreiben (VP, 20.04.2021, S.5). Der Beschwerdeführer ist der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensgemeinschaft des Islam.

Der Beschwerdeführer ist in der afghanischen Provinz XXXX , Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren, übersiedelte mit seiner Familie bereits im Alter von vier Monaten in die Stadt XXXX und ist dort im Familienverband aufgewachsen.

Der Beschwerdeführer legte im Zuge seines Verfahrens eine Tazkira im Original vor, bei der es sich um ein Duplikat handelt, das mit dem länderkundigen Sachverständigen nach dem Registerbuch gemäß den Daten der ursprünglichen Tazkira ausgestellt wurde (VP, S. 15).

In XXXX besuchte der Beschwerdeführer zwölf Jahre die Schule, absolvierte eine Aufnahmeprüfung für die Universität, die er jedoch nicht bestand und nahm an Englischkursen teil. Anschließend absolvierte der Beschwerdeführer eine Ausbildung bei der Polizei, zunächst für sechs Monate ein Praktikum in XXXX als Unteroffizier, danach arbeitete er drei Monate im Außendienst in der Polizeistelle in XXXX , weitere zwei Monate im Hauptquartier als Polizeifahrer und war dann von 1390 (2011) bis 1394 (2015) in einer Polizeistation in XXXX im Büro tätig.

Im Jahr 2015 verließ der Beschwerdeführer Afghanistan und flüchtete nach Europa, stellte am 28.09.2015 in Griechenland einen Asylantrag (BFA Akt, AS 20,21) über den jedoch nicht entschieden wurde, reiste im Oktober 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 14.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer hält sich seit Oktober 2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist ledig und strafrechtlich unbescholten, bezog bis 01.03.2021 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und wohnt seit 02/2021 in einer privat gemieteten Wohnung gemeinsam mit seinem Cousin XXXX , mit dem er sich die Miete teilt. Der Beschwerdeführer bezahlt Miete in Höhe EUR XXXX monatlich sowie EUR XXXX monatlich für Heizung und Wasser. Der Beschwerdeführer ist aktuell privat bei der SVS versichert und bezahlt einen Beitrag in Höhe von EUR XXXX - für drei Monate (VP, 20.04.2021, S. 19).

In Österreich leben eine Tante namens XXXX , ihr Ehemann und deren neun Kinder (Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers, darunter auch die während der Verhandlung anwesende Vertrauensperson XXXX ) sowie ein Onkel (ledig), die alle über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen.

Nicht festgestellt werden kann, dass es sich bei dem zu XXXX protokollierten und beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Beschwerdeverfahren des Beschwerdeführers XXXX um den Bruder des gegenständlichen Beschwerdeführers handelt.

Der Beschwerdeführer verfügt über einen großen österreichischen Freundeskreis und ist bereits außerordentlich gut in die österreichische Gesellschaft integriert:

Er besuchte während seines Aufenthaltes in Österreich zahlreiche Sprachkurse und konnte am 23.01.2018 die ÖSD-Sprachprüfung auf dem Niveau B1 bestehen. Derzeit bereitet sich der Beschwerdeführer auf die Prüfung für die Sprachprüfung auf dem Niveau B2 vor. Er spricht sehr gut Deutsch (VP, 20.04.2021, S. 19 und 20) und zeigt außerordentliche großes Interesse an der Pflege anderer, auch alter, Menschen. Weiters hat der Beschwerdeführer beim XXXX Bezirk per 16.02.2021 das Gewerbe „Botendienst“ angemeldet (VP20.04.2021, Beilage ./3) und finanziert sich seinen Lebensunterhalt aus der Tätigkeit durch Lieferdienste für XXXX . Monatlich verdient der Beschwerdeführer ca. EUR XXXX ,-. Zudem liegt dem Beschwerdeführer ein bedingter Arbeitsvorvertrag des Restaurants „ XXXX “ (VP Beilage ./7) vor, demzufolge er im Falle eines positiven Bescheides Vollzeit als Küchenhilfe mit einem Bruttomonatsgehalt von EUR XXXX angestellt wird. Der Beschwerdeführer zeigt auch großes soziales Engagement und ging in Österreich bereits mehreren ehrenamtlichen Tätigkeiten nach: Seit Dezember 2017 verrichtet er unentgeltlich diverse Tätigkeiten im Funktionsteam der Caritas im Ausmaß von zwei Wochenstunden. Zudem war der Beschwerdeführer zwischen 03.05.2018 und 30.06.2018 als Gärtnerhilfe in den Österreichischen Bundesgärten gemeinnützig beschäftigt.

Der Beschwerdeführer besuchte zwischen August 2017 und Februar 2018 den Kurs „Integrativ“ beim Unterstützungskomitee zur Integration von MigrantInnen (UKI). In seiner Freizeit spielt der Beschwerdeführer gerne Gitarre und nimmt seit Oktober 2017 im „Jam Music Lab“ von „Live Music Now“ regelmäßig – außer aufgrund der pandemiebedingten Ausfälle – Gitarre- Unterricht. Dem vorgelegten Empfehlungsschreiben ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ein eifriger Schüler ist und er am 16.01.2018 auch an einem öffentlichen Abschlusskonzert im Gasometer als Gitarrist im Orchester teilgenommen hat.

Die Freizeit verbringt der Beschwerdeführer meist mit seinen Freunden, die aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen stammen, so verfügt der Beschwerdeführer über Freunde aus Österreich, aus Afghanistan und anderer Nationalitäten. Zudem liest er häufig Bücher, vorwiegend auf Deutsch, um seine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Seine Cousine XXXX besucht er nahezu täglich und diese leiht ihm auch deutschsprachige Bücher. Zurzeit ist der physische Kontakt aufgrund der Pandemiebedingungen eingeschränkt. Er kocht zudem gerne und hat- aufgrund seiner Teilnahme an einer Coaching Konferenz – die Absicht, Lebens- und Sozialberatung zu studieren.

Der Beschwerdeführer leidet an Nierenproblemen und befindet sich diesbezüglich in ärztlicher Behandlung. Er nimmt die ihm verschriebenen Medikamente für jeweils drei Monate. Er ist nicht lebensbedrohlich krank. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.

Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers, seines Lebensverlaufs seit seiner Einreise und seinen Zukunftsperspektiven ist von einer überaus positiven Prognose auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben:

Der im Spruch angeführte Name, das angeführte Geburtsdatum und seine Identität stehen aufgrund der Vorlage eines geeigneten Identitätsnachweises fest.

Die weiteren Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, sohin zu seiner Herkunftsprovinz, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seinem Familienstand, gründen sich auf die konsistenten und diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Negativfeststellung betreffend einen Bruder namens XXXX beruht auf der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung keinerlei Angaben zu einem Bruder dieses Namens machte (AS 15), diesen erstmals bei der Einvernahme vor dem BFA erwähnte (AS 51) und auch zu dessen Fluchtgründen keine Angaben machen konnte (AS 64).

Die Feststellungen zu der in Afghanistan absolvierten Schulbildung basieren auf den eigenen, dahingehend gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers und den im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Dokumenten.

Die Feststellungen zur Berufsausbildung als Unteroffizier im Dienste der Polizei basieren auf den Angaben des Beschwerdeführers (BFA-Akt, AS. 50), die vom länderkundigen Sachverständigen im Zuge der Beschwerdeverhandlung gestützt wurden (VP. S 17).

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich basieren auf den im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA sowie im Rahmen der Beschwerde und der hiergerichtlich eingeholten Abfrage aus der Speicherdatenbank des Grundversorgungssystems-GVS.

Die Feststellungen zu den Bildungs- und Integrationsmaßnahmen, die der Beschwerdeführer in Österreich gesetzt hat, gründen auf den diesbezüglich vorgelegten Bestätigungsschreiben, Dokumenten und Integrationsunterlagen. Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen basieren insbesondere auf den vorgelegten Sprachdiplomen und dem persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung, in welcher die erkennende Richterin feststellen konnte, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spricht, auf die ihm gestellten Fragen ohne Probleme antwortete sowie in flüssigem Deutsch über sein Leben, seine Berufspläne etc. Auskunft geben konnte (VP, 20.4.2021 S. 19 und 20).

Der vorgelegte bedingte Arbeitsvorvertrag und die Gewerbeanmeldung („Botendienst“) unterstreichen seine glaubhaft dargelegte Arbeits- und Integrationsabsicht.

Die Feststellungen zu den vielen Sozialkontakten und Freundschaften ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren in Übereinstimmung mit den vorgelegten Dokumenten und Unterstützungsschreiben.

Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit seinem bisherigen Lebensverlauf seit seiner Einreise in Österreich ist – unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers – insgesamt von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. Der Beschwerdeführer hat mit zahlreichen Unterlagen, mehreren Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben sowie dem vorgelegten Arbeitsvorvertrag und der Gewerbeanmeldung seine intensiven Integrationsbestrebungen und die fortgesetzte Integration in Österreich nachgewiesen. Er möchte zudem eine Ausbildung im Pflegebereich machen bzw. Lebens – und Sozialberatung studieren, hat bereits mehrere Jahre im Pflegebereich (Seniorenheim der Caritas) gearbeitet, kann sich aber auch eine Ausbildung als Kellner vorstellen, zumal er gerne kocht und diesbezüglich eine bedingte Einstellungszusage als Vollzeitkraft in einem Restaurant in Wien vorweisen kann.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Verfahrens. Aufgrund seiner bisherigen Tätigkeiten ergibt sich die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid des BFA vom 24.10.2017. Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich als rechtzeitig und zulässig.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Die Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts ist durch den Anfechtungsumfang der Beschwerde begrenzt, sofern der im angefochtenen Bescheid enthaltene Abspruch rechtlich in mehrere selbständige Teile trennbar ist (vgl. z.B. VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0138).

Bei den Aussprüchen über die (Nicht-)Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, über die (Nicht-)Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und über die (Nicht-)Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. die Erlassung einer Rückkehrentscheidung handelt es sich um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche, die unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können und separat anfechtbar sind (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/004706.07.2016, Ra 2014/01/0217; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, mwN).

Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten) wurde in der mündlichen Verhandlung am 20.04.2021 ausdrücklich nach eingehender Rechtsberatung durch die ausgewiesene Rechtsvertreterin vom Beschwerdeführer zurückgezogen. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich somit nunmehr ausschließlich gegen die Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung). Angesichts des nachträglich eingeschränkten Anfechtungsumfangs der Beschwerde ist das erkennende Gericht ausschließlich zur Überprüfung der Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides berufen.

3.2. Zu Spruchpunkt A) Zur Einstellung des Verfahrens:

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Wird eine Beschwerde zurückgezogen, kommt eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr in Betracht und der Bescheid wird rechtskräftig (vgl. dazu Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (2014) RZ 742; Eder/Martschin/Schmied, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K 6 zu § 7 VwGVG).

Eine Einstellung eines Verfahrens ist dann vorzunehmen, wenn ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren gegangen ist. Dies liegt unter anderem dann vor, wenn eine Beschwerde zurückgezogen wird (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anmerkung 5 zu § 28 VwGVG; s. auch BVwG vom 25.11.2014, W107 2008534-1).

Die Annahme, dass eine Partei das von ihr erhobene Rechtsmittel zurückziehe, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Dabei kommt es auf das Vorliegen einer in diese Richtung abzielenden eindeutigen Erklärung an (siehe dazu VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320). Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich (VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601; VwGH vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049).

Durch den in der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2021 unmissverständlich formulierten Parteiwillen, die gegenständliche Beschwerde gegen die Spruchpunkt I. und II. des verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheides zurückzuziehen, ist der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bezüglich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides die Grundlage entzogen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Anmerkung 5 zu § 28 VwGVG, mit Verweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG III § 66 Rz 56f), weshalb das Verfahren über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides mit Beschluss einzustellen ist (vgl. dazu auch VwGH vom 10.03.1994, Zl. 94/19/0601; VwGH vom 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049 sowie VwGH vom 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320).

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass Entscheidungen der Verwaltungsgerichte mit ihrer Erlassung in Rechtskraft erwachsen (vgl. etwa VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099).

Bei den Aussprüchen über die (Nicht-)Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, die (Nicht-)Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und die (Nicht-)Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. die Erlassung einer Rückkehrentscheidung handelt es sich um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche, die unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/004706.07.2016, Ra 2014/01/0217; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121, mwN).

3.3. Zu Spruchpunkt A) I. Zur Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl I 189/1955) erreicht wird. Wenn gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat-und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht K15 ff zu § 9 BFA-VG).

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Der Begriff des „Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst jedoch nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235).

Der Beschwerdeführer verfügt über Familienangehörigen in Österreich. Er teilt zwar mit seinem Cousin eine gemeinsame Wohnung, jeder bezahlt jedoch seinen Anteil an der Miete selbst und besteht keine finanzielle Abhängigkeit des Beschwerdeführers. Mit den übrigen Familienangehörigen besteht kein „in einer gewissen Beziehungsintensität“ effektives Zusammenleben; es bestehet auch keine sonstige Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich. Es ist auch sonst keine (finanzielle) Abhängigkeit des Beschwerdeführers von einer in Österreich aufhältigen Person hervorgekommen. Es ist daher davon auszugehen, dass ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich nicht vorliegt. Eine Rückkehrentscheidung greift daher nicht in ein in Österreich bestehendes Familienleben des Beschwerdeführers ein.

Der vom Beschwerdeführer als Bruder bezeichnete XXXX (W107 2179147-1) ist zwar in Österreich aufhältig, sein Antrag auf internationalen Schutz wurde jedoch in erster Instanz abgewiesen. Ein Beschwerdeverfahren ist derzeit am Bundesverwaltungsgericht anhängig.

Es ist weiters zu prüfen, ob mit einer Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird und bejahendenfalls, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.03.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Der unbescholtene Beschwerdeführer lebt seit Oktober 2015 – sohin seit mehr als fünf Jahren – durchgehend im österreichischen Bundesgebiet und hat sich in diesem Zeitraum von Beginn an intensiv um eine umfassende Integration bemüht. In dieser Zeit entwickelte der Beschwerdeführer ein schützenswertes Privatleben in Österreich, von welchem sich das erkennende Gericht auf Basis der vorgelegten Integrationsunterlagen und im Rahmen der abgehaltenen mündlichen Verhandlung persönlich zu überzeugen vermochte.

Wie sich aus den Feststellungen und der korrespondierenden Beweiswürdigung ergibt, hat der Beschwerdeführer seine Zeit in Österreich äußerst erfolgreich genutzt, um sich in vielerlei Hinsicht über das übliche Maß hinausgehend in die österreichische Gesellschaft zu integrieren:

Er besuchte während seines Aufenthalts in Österreich zahlreiche Deutschkurse, konnte im am 23.01.2018 das ÖSD-Sprachzertifikat auf dem Niveau B1 mit der Note „gut“ bestehen und bereitet sich intensiv auf die Prüfung für das ÖSD-Sprachzertifikat auf dem Niveau B2 vor. Von den sehr guten Deutschkenntnissen konnte sich die erkennende Richterin zudem im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen. Der Beschwerdeführer verfolgt konsequent sein Ziel, sich auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nachhaltig zu integrieren. So arbeitet er derzeit als Essenslieferant für MJAM, hat ein Gewerbe beim XXXX für den XXXX für das Gewerbe „Botendienst“ angemeldet und finanziert seinen Lebensunterhalt dadurch im Wesentlichen selbstständig. Der Beschwerdeführer verfügt zudem über einen bedingten arbeitsrechtlichen Vorvertrag des Restaurants „ XXXX wo er Vollzeit als Küchenhilfe arbeiten kann. Außerdem zeigte der Beschwerdeführer ausgeprägtes soziales Engagement und ging in Österreich diesbezüglich mehreren ehrenamtlichen Tätigkeiten nach: Seit Dezember 2017 verrichtet er unentgeltlich diverse Tätigkeiten sowohl im Pflegeberreich als auch im Funktionsteam der Caritas im Ausmaß von zwei Wochenstunden. Zudem war der Beschwerdeführer zwischen 03.05.2018 und 30.06.2018 als Gärtnerhilfe in den Österreichischen Bundesgärten gemeinnützig beschäftigt.

Der Beschwerdeführer strebt darüber hinaus ein Studium im Bereich Lebens-und Sozialberatung an. In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen und angesichts der hervorragenden sprachlichen Fähigkeiten – neben Deutsch, auch Englisch und Paschtu – sowie der bereits nachgewiesenen großen Lernwilligkeit ist im konkreten Fall mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch zukünftig für seinen Lebensunterhalt selbstständig aufkommen wird.

Der Beschwerdeführer nimmt seit seiner Einreise in Österreich intensiv am sozialen Leben in Österreich teil. Er verfügt über zahlreiche soziale Kontakte und hat einen großen österreichischen Bekannten- und Freundeskreis. Die vorgelegten Beweismittel - darunter Unterstützungsschreiben seiner Mitmenschen - belegen die große Kontaktfreudigkeit und die zielgerichteten Integrationsbestrebungen des Beschwerdeführers in der österreichischen Gesellschaft. So besuchte er zwischen August 2017 und Februar 2018 den Kurs „Integrativ“ beim Unterstützungskomitee zur Integration von MigrantInnen (UKI), spielt in seiner Freizeit Gitarre und nimmt seit Oktober 2017 im „Jam Music Lab“ von „Live Music Now“ regelmäßig Gitarrenunterricht. Dem vorgelegten Empfehlungsschreiben ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer ein eifriger Schüler ist und er am 16.01.2018 an einem Abschlusskonzert im XXXX als Gitarrist eines Orchesters teilgenommen hat. Der Beschwerdeführer vor der Pandemie bei der Caritas im Haus XXXX ehrenamtlich tätig. Selbst in seiner Freizeit zeigt der Beschwerdeführer vor allem durch das Lesen deutscher Bücher große Bemühungen, seine Sprachkenntnisse – sowohl in Wort als auch in Schrift - noch weiter auszubauen und sich weiterzubilden.

Durch die glaubhaften und nachweislich intensiven Bemühungen des Beschwerdeführers, in Österreich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen und die deutsche Sprache zu beherrschen, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er seine Integration in Österreich von Beginn an außerordentlich erfolgreich betrieben hat. Zusammenfassend ist an dieser Stelle daher festzuhalten, dass im konkreten Fall durch die erfolgreichen Bemühungen des Beschwerdeführers bereits ein besonders hohes Maß an Integration erreicht wurde.

In die Interessenabwägung ist weiters die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat mit einzubeziehen, wobei die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (vgl. dazu VwGH 30.07.2015, Zl. 2014/22/0055; VwGH 23.06.2015, Zl. 2015/22/0026; VwGH 10.11.2010, Zl. 2008/22/0777, VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Allerdings betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass nicht schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen sei.

Die bereits mehr als fünfjährige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich erreicht damit im Sinne der obzitierten Judikatur bereits jenen Zeitraum, dem Bedeutung beizumessen ist, zumal wohl von einem fließenden Übergang auszugehen ist. Folglich tritt in den Hintergrund, dass sich sein Aufenthalt im Bundesgebiet bisher nur auf einen Antrag auf internationalen Schutz stützte, da der Beschwerdeführer stets überaus bemüht war, sich zu integrieren und er keine Handlungen setzte, welche die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes verzögerte. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die fast fünfjährige Verfahrensdauer dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden kann, zumal er keine verfahrensverzögernden Handlungen setzte, sondern stets am Verfahren mitwirkte (vgl. VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014).

Vor dem Hintergrund der bisher unternommenen, überaus erfolgreichen Bemühungen und intensiven Anstrengungen des Beschwerdeführers und des sich daraus entwickelten, schützenswerten Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich würden im konkreten Einzelfall die Auswirkungen einer Rückkehrentscheidung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u.v.a.). Berücksichtigt man jedoch all die oben dargelegten Aspekte, so überwiegen im konkreten Einzelfall im gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt die aus den erwähnten Umständen in ihrer Gesamtheit betrachteten und erwachsenden privaten Interessen des gebildeten und zielstrebig agierenden Beschwerdeführers am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet und an der Fortführung seines bestehenden Privatlebens in Österreich die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde sich im konkreten Einzelfall daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.

Da die maßgeblichen Umstände, auf denen die drohende Verletzung des Privatlebens des Beschwerdeführers im Falle dessen Rückkehr nach Afghanistan beruht, ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind, war im konkreten Einzelfall die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig zu erklären.

3.4. Zu Spruchpunkt A) II. Zur Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I 68/2017 (in Kraft seit 01.10.2017) ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 leg. cit. eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Der Beschwerdeführer hat per 22.02.2021 eine Gewerbeanmeldung für das Gewerbe „Botendienst“ vorgenommen, arbeitet als Essenslieferant für MJAM und verdient ca. EUR XXXX ,- im Monat. Der Beschwerdeführer übt damit zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Er erfüllt damit die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Es ist dem Beschwerdeführer somit im konkreten Fall gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ auszufolgen (§ 58 Abs. 7 AsylG 2005). Der Antragsteller hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

3.5. Zu Spruchpunkt A) III. Zur ersatzlosen Behebung des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall ist die Rückkehrentscheidung betreffend den Beschwerdeführer auf Dauer unzulässig. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, war der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH vom 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

3.6. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse ehrenamtliche Tätigkeit ersatzlose Teilbehebung Erwerbstätigkeit Geringfügigkeitsgrenze Integration Interessenabwägung private Interessen Privatleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Selbsterhaltungsfähigkeit Teileinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W107.2179145.1.00

Im RIS seit

13.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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