TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/27 95/20/0178

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Veröffentlicht am 27.02.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1994, Zl. 4.342.529/1-III/13/93, betreffend Ausdehnung der Gewährung von Asyl, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Syriens, reiste zusammen mit ihrem Ehegatten T (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/20/0819 (vormals 95/01/0210)) am 3. Februar 1993 in das Bundesgebiet ein. Am 9. Februar 1993 beantragte sie zusammen mit ihrem Ehegatten beim Bundesasylamt, Außenstelle Oberösterreich, Asyl.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin wurde am 10. Februar 1993 vor dem Bundesasylamt einvernommen. Im Anschluß an die Darstellung seiner Fluchtgründe gab er an, "für" die Beschwerdeführerin "einen Erstreckungsantrag" zu stellen. Die Beschwerdeführerin selbst wurde nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten nicht einvernommen.

Mit Bescheiden vom 10. Februar 1993 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Ehegatten der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Asylgesetz 1991 und den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Asylgesetz 1991 ab. Im Fall der Beschwerdeführerin wurde dazu ausgeführt, sie habe "einen Asylantrag gestellt" und sei die Ehegattin des T, dem mit Bescheid vom selben Tag kein Asyl gewährt worden sei. Damit erfülle sie nicht die Voraussetzungen des § 4 Asylgesetz 1991.

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte erhoben folgende von ihnen gemeinsam unterfertigte Berufung:

"Berufung

Gegen die 2 o.g. Bescheide erhebe ich die Berufung. Hiemit führe ich die Gründe an:

In die 2 Bescheide erwähnten Begebenheiten entsprechen nicht der Wahrheit und daher komme ich zu der Vermutung, daß der anwesende Dolmetscher meine Aussage und die Aussage meiner Frau nicht richtig gedolmetscht hat. Ich werde in diesem Schreiben meine Geschichte richtig darstellen.

Ich bin Irakische Staatsbürger. Meine Familie hält sich seit ca. 35 Jahren im Libanon auf. Daher bin ich im Libanon geboren.

1981 war ich 8 Jahre alt und mußte zum christlichen Militzen gehen und dort eine militärische Ausbildung erhalten. Ab 1984 mußte ich an verschiedenen Militäroperationen teilnehmen. Diese Operationen waren ausschließlich gegen syrische Streitkräfte gerichtet. 1989 wurde ich Ausbildner. 1991 sind wir zum ersten Mal gegen die libanischen Streitkräfte vorgegangen (Bürgerkrieg). Die libanesische Regierung hat die syrische Armee gebeten, uns zu liquidieren.

Während der Ausbildungsjahr 1990 hat sich einen syrischen Agent bei uns eingeschlichen. Ihm gelang die Registrierung unserer Namen und hat Lichtbilder von vielen von uns gemacht. Er ist mit diesen Informationen zu den Syrer gegangen. Nachdem unsere Identität bekannt geworden ist, haben die Syrer uns einzeln gesucht. In meiner Abwesenheit haben sie meinem Haus durchsucht und haben militärische Gegenstände gefunden, worauf sie das Haus in Brand gesteckt haben. Ich habe erfahren, daß nicht nur diese Syrer mich suchen, sondern auch die libanische Armee.

Dann bin ich zu dem Hauptquartier der christlichen Militzen geflüchtet. Kurze Zeit später (Sommer 1992) sind die syrischen Streitkräfte gekommen und haben uns in einen großen Zeltlager interniert. Einige von uns versuchten zu flüchten wobei sie erschoßen worden sind. Ich persönlich weiß von 27 getöteten Kameraden.

Ich habe gewußt, daß ich dieses Land verlassen muß, ansonsten werde ich getötet.

Die Wahl meines Fluchtlandes Österreich stand bereits fest, nachdem meine Mutter und meine Schwester dort bereits leben.

Mir ist gelungen einen Kontakt zu einer Person herzustellen, der mir einen gültigen offiziellen libanesischen Fremdenpaß besorgt hat. Diese Person hat für mich ein Visum (für 15 Tage) für Bulgarien verschafft hat mir geholfen, das Lager zu verlassen und am 11.12.1992 mit einen Schiff nach Zypern zu gelangen. Am 12.12.1992 bin ich mit von dort nach Bulgarien geflogen. Statt 15 Tage bin ich 2 Monate geblieben und habe erfolgreich versucht ein Visum für Österreich zu bekommen. Ich bin am 3.02.1993 nach Österreich geflogen und bin in Wien Schwechat gelandet und legal nach Österreich eingereist.

Wenn ich nach den Libanon abgeschoben werde, droht mir dort seitens der Libanesen und der Syrer der Tod.

Im August 1992 habe ich geheiratet. Meine Frau L hat mich auf der Flucht begleitet. Sie hat auch einen negativen Asylbescheid erhalten."

Ergänzend brachten die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte folgenden gleichfalls gemeinsam unterfertigten Schriftsatz ein:

"In Ergänzung auf die Berufung zu unseren Bescheiden Zl. 9300541 und Zl. 9300543 beantrage ich im Falle der Abweisung nach § 8 des Asylgesetzes um eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Es wohnen hier in G meine Mutter und meine Schwester, beide stehen in ungekündigten Arbeitsverhältnissen. Die Wohnverhältnisse sind ausreichend, da die Wohnung meiner Mutter insgesamt 116 m2 umfaßt. Herr K, von der Pfarre G, hat für mich eine notariell beglaubigte Verpflichtungserklärung abgegeben, die bei der Fremdenpolizei der BH-Ried hinterlegt wurde."

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab. Begründend führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe "am 9. Februar 1993 ... einen Antrag gemäß § 4 Asylgesetz 1991 auf Ausdehnung der Gewährung von Asyl" gestellt, den das Bundesasylamt abgewiesen habe. Nach einer Wiedergabe des Inhalts der Berufung führte die belangte Behörde weiter aus, mangels Asylgewährung zugunsten des Ehegatten der Beschwerdeführerin fehle es in bezug auf diese bereits an der "grundlegenden Voraussetzung" für eine Asylgewährung "gemäß § 8" (gemeint wohl: eine Ausdehnung der Gewährung von Asyl gemäß § 4) Asylgesetz 1991. Der "Anregung" der Beschwerdeführerin auf Bewilligung des befristeten Aufenthalts gemäß § 8 Asylgesetz 1991 sei nicht entsprochen worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insoweit die Beschwerde Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über den auf § 8 Asylgesetz 1991 gestützten Antrag geltend macht, genügt ein Hinweis darauf, daß der angefochtene Bescheid keine derartige Entscheidung enthält. Die belangte Behörde hat nur die Begründung ihrer spruchmäßigen Abweisung der Berufung durch den Hinweis ergänzt, der auf § 8 Asylgesetz 1991 bezogenen "Anregung" der Beschwerdeführerin sei nicht entsprochen worden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Der Rest der Beschwerdebegründung lautet wie folgt:

"Anträge sind nicht formalistisch auszulegen, sondern ihrem Inhalte nach. Ich habe in meiner Berufung ausführlich die Situation meiner Familie dargelegt, was darauf hinweist, daß mein Asylantrag nicht als bloßer Ausdehnungsantrag, sondern als eigenständiger Antrag zu verstehen ist. Die gesamte Verfolgungssituation betraf nämlich - und dies geht auch aus meinen Ausführungen hervor - nicht nur meinen Gatten, sondern auch mich. Dadurch, daß die belangte Behörde dies nicht erkannte, ist der Bescheid inhaltlich rechtswidrig.

Da die belangte Behörde aufgrund der Fehlinterpretation meines Antrages jegliches Ermittlungsverfahren unterließ, hat sie die entsprechenden Verfahrensnormen nicht eingehalten. Auch insofern ist der hier angefochtene Bescheid gesetzwidrig."

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß gerade der Inhalt der gemeinsam erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten nicht den Schluß erlaubt, der Asylantrag der Beschwerdeführerin sei "als eigenständiger Antrag zu verstehen". Die in der Ich-Form gehaltene Berufung beschreibt ausschließlich die Verhältnisse des Ehegatten der Beschwerdeführerin und erwähnt letztere zunächst nur in Verbindung mit der Behauptung, auch ihre Aussage ("die Aussage meiner Frau") sei "nicht richtig gedolmetscht" worden. Diesen Gesichtspunkt - dem das Fehlen einer aktenkundigen Aussage der Beschwerdeführerin entgegensteht - greift die Beschwerde nicht mehr auf. Davon abgesehen kommt die Beschwerdeführerin nur in den letzten Sätzen der Berufung vor:

"Im August 1992 habe ich geheiratet. Meine Frau L hat mich auf der Flucht begleitet. Sie hat auch einen negativen Asylbescheid erhalten."

Daß die Beschwerdeführerin die Absicht gehabt habe, eine auf sie selbst abzielende Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe geltend zu machen, und sie durch Mängel des in erster Instanz durchgeführten Ermittlungsverfahrens daran gehindert worden sei, wurde mit diesen Ausführungen - entgegen der pauschalen, nicht näher begründeten Behauptung in der Beschwerde - nicht geltend gemacht. Da die Beschwerde, abgesehen von der in dieser Hinsicht nicht zielführenden Verweisung auf das Berufungsvorbringen, keinen Hinweis darauf enthält, daß und wodurch die Beschwerdeführerin selbst die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 erfülle, ist - anders als etwa in den mit den Erkenntnissen vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0131, und vom 14. März 1995, Zl. 94/20/0780, entschiedenen Fällen - auch die Wesentlichkeit des behaupteten Verstoßes gegen Verfahrensnormen nicht erkennbar.

Die Voraussetzungen einer Ausdehnung der Asylgewährung nach § 4 Asylgesetz 1991 hat die belangte Behörde richtig erkannt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200178.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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