Entscheidungsdatum
07.06.2021Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W104 2212753-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , vom 6.12.2018, Zl. 1098671600-151970671, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.4.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
III. XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt.
IV. Die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und zwei Brüdern in die Republik Österreich ein und stellte am 17.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.12.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei am XXXX in der afghanischen Provinz Parwan geboren, afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Sadat und hänge der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Mutter, seine beiden Brüder und seine Schwester seien mit ihm gemeinsam in die Republik Österreich eingereist. Sein Vater sei bereits verstorben. Zuletzt habe die Familie in Kabul gelebt. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, seine Familienmitglieder hätten für die Regierung gearbeitet: Seine Schwester sei in der IT-Abteilung tätig gewesen, sein Bruder in der Sicherheitsabteilung und seine Mutter habe bei der Airline „ XXXX “ gearbeitet. Die Familie des Beschwerdeführers sei deshalb mehrfach von den Taliban bedroht worden. Die Regierung habe ihnen mitgeteilt, dass sie nicht für ihre Sicherheit sorgen könne. Aus Angst um ihr Leben seien der Beschwerdeführer und seine Angehörigen gezwungen gewesen, aus Afghanistan zu flüchten.
3. Am 14.6.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson niederschriftlich einvernommen. Hier merkte der Beschwerdeführer eingangs an, es sei zu Fehlern in der Niederschrift seiner Erstbefragung betreffend die Geburtsdaten und den Reiseweg von Afghanistan gekommen. Dieser sei mit zwei Monaten protokolliert worden, was so nicht stimme. Der Beschwerdeführer habe sich bereits im Iran aufgehalten, als seine Familie Afghanistan verlassen habe. Er sei zudem nicht in Parwan, sondern im Iran in Teheran geboren. Er habe im Iran elf Jahre die Schule besucht und in einer Schneiderei gearbeitet. Die zwölfte Klasse habe er in Afghanistan abgeschlossen. Nach seinem Schulabschluss habe er in Afghanistan als Glaser und Reiseleiter gearbeitet. Zuletzt habe der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Familie in Kabul gelebt. Nach seinen Ausreisegründen gefragt, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst aus, er sei Inhaber eines Reisebüros gewesen und habe Reisegruppen zu heiligen Stätten begleitet. Einen Teil der Einnahmen habe der Beschwerdeführer den Armen gespendet. Zielgruppe der Tätigkeit des Beschwerdeführers seien schiitische Moslems gewesen, weshalb er oft von Sunniten bedroht und beschimpft worden sei. Zuletzt habe der Beschwerdeführer eine Reisegruppe in den Irak und weiter in den Iran begleitet. Dort habe ein Mitglied der Reisegruppe beschlossen, ohne Aufenthaltsberechtigung im Iran zu bleiben, um dort zu arbeiten. Der Beschwerdeführer sei von iranischen Sicherheitskräften als Reiseleiter befragt worden, wo sich diese Person aufhalte. Man habe ihn festgenommen und 20 Tage im Iran angehalten, ehe man die Person gefunden habe. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer sein Reisepass abgenommen worden und er habe eine provisorische Aufenthaltskarte für den Iran erhalten. Währenddessen sei sein Onkel in Afghanistan von den Taliban entführt und kurz danach das Reisebüro geschlossen worden. Als man den Onkel gefunden habe, habe die Familie erfahren, dass der Name des Beschwerdeführers auf der schwarzen Liste der Taliban stehe. Die Geschäftskollegen des Beschwerdeführers seien ebenfalls festgenommen worden, da man ihnen vorgeworfen habe, dass sie Spione seien. Die Schwester des Beschwerdeführers, welche für die Regierung gearbeitet habe, habe einen Kollegen, der Sicherheitsbeauftragter gewesen sei, nach dem Beschwerdeführer gefragt. Dieser habe bestätigt, dass der Beschwerdeführer auf der schwarzen Liste der Taliban stehe, weil er Leiter des Reisebüros gewesen sei. Aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer im Iran geblieben und nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt.
4. Mit Schreiben vom 1.8.2018 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die aktuelle Version des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Stand: 29.6.2018) ins Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen.
5. Am 4.12.2018 langte eine gemeinsame Stellungnahme des Beschwerdeführers, seiner Mutter, seiner beiden Brüder und seiner Schwester bei der belangten Behörde ein, in der im Wesentlichen auf die Situation der Hazara verwiesen und Vorbringen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, erstattet wird.
6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6.12.2018, zugestellt am 11.12.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe von keiner persönlichen Bedrohung gesprochen und erst auf Aufforderung angegeben, er habe von seiner Schwester und seinem Onkel erfahren, dass sein Name auf der schwarzen Liste der Taliban stehe. Der Beschwerdeführer habe diese Liste nie selbst gesehen und lediglich durch Erzählungen von deren Existenz erfahren. Hätte sich der Name des Beschwerdeführers tatsächlich auf dieser Liste befunden, wäre es ihm kaum möglich gewesen, Afghanistan legal mit einem Reisepass zu verlassen. Zudem habe sich der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Reisepasses in Widersprüche verstrickt. Insgesamt habe sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft erwiesen. Eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr habe damit nicht festgestellt werden können. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen jungen und arbeitsfähigen Mann mit mehrjähriger Berufserfahrung, weshalb dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Kabul zumutbar sei.
7. Dagegen richtet sich die am 9.1.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche gemeinsame Beschwerde des Beschwerdeführers, seiner Mutter und seiner beiden Brüder wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und mangelhafter Beweiswürdigung sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Nach der Darlegung des Sachverhaltes, des Fluchtvorbringens und des bisherigen Verfahrensganges führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Bruder und die Schwester des Beschwerdeführers seien für die afghanische Regierung tätig gewesen. Seine Schwester habe im Präsidialamt gearbeitet und sein Bruder als Sicherheitsbeauftragter für die afghanische Regierung. Staatsbedienstete würden von den Taliban als Feinde und Verräter wahrgenommen werden. Aus den Länderinformationen ergebe sich, dass auch der Beschwerdeführer als Familienangehöriger seiner Schwester und seines Bruders aufgrund deren Arbeit für die afghanische Regierung bei einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevanter Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei. Die staatlichen Behörden seien aufgrund der weitverzweigten Präsenz der Taliban in Afghanistan nicht in der Lage, dem Beschwerdeführer Schutz vor Verfolgung zu bieten. Außerdem drohe dem Beschwerdeführer Verfolgung durch die Taliban wegen der Organisation von Reisen zu schiitischen Heiligtümern aufgrund einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung und aufgrund seiner religiösen Gesinnung. Weiter komme es in Afghanistan zu einer Diskriminierung und systematischen Verfolgung von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer. Sowohl die allgemeine Sicherheitslage als auch die allgemeinen Lebensbedingungen und die Versorgunglage seien in Afghanistan nach wie vor prekär. Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wäre der Beschwerdeführer einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK sowie einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt.
8. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. In einem beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde.
9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.2.2021 wurde die gegenständliche Rechtssache der erkennenden Gerichtabteilung zugewiesen.
10. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 17.3.2021 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 30.4.2021 an, brachte Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme.
11. Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 24.3.2021 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen werde die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt und um Übersendung des Verhandlungsprotokolls ersucht.
12. Mit Schreiben vom 6.4.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 1.4.2021 (Version 3) ins Verfahren ein. In einem gab es den Parteien die Möglichkeit, dazu binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
13. Am 28.4.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der im Wesentlichen auf die bisherigen Integrationserfolge des Beschwerdeführers hingewiesen und vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe sich seit seiner Einreise nach Österreich nachhaltig integriert und eine Existenz aufgebaut. Aus den vom Bundesverwaltungsgericht ins Verfahren eingebrachten Länderberichten ergebe sich, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor volatil sei. Weiter wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in Afghanistan aufgrund der Corona-Pandemie stark verschlechtert hätten. In einem legte der Beschwerdeführer dem erkennenden Gericht ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.
14. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts am 30.4.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb der mündlichen Verhandlung fern. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat wegen seiner Tätigkeit als Reiseleiter aufrecht. Allerdings gab er hier an, die Verfolgungsgefahr gehe vom afghanischen Staat (nicht von den Taliban) aus, der ihn verdächtige, ein Spion der iranischen Regierung zu sein. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers verwies in der mündlichen Beschwerdeverhandlung darauf, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe glaubhaft und schlüssig dargelegt habe, und legte ein Empfehlungsschreiben und ein Zeugnis zur Integrationsprüfung des ÖIF vor. Diese Unterlagen wurden zum Akt genommen.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Bestätigung von UNHCR „Voluntary Repatriation Form“ vom 24.8.2002 betreffend die Rückkehr des Beschwerdeführers und seiner Familie nach Afghanistan;
? Afghanisches Maturazeugnis betreffend den Beschwerdeführer, ausgestellt von einer Schule in Parwan namens XXXX vom 21.6.2005;
? Auszeichnung des Olympischen Komitees Fußball für die gute Zusammenarbeit mit dem Beschwerdeführer (undatiert);
? Zeugnis zur Integrationsprüfung des ÖIF, Sprachniveau A1 vom 18.8.2020;
? Bestätigung der XXXX über die Teilnahme am Kurs Deutsch als Fremdsprache (Kurs A1.1) im Zeitraum 19.4.2016 bis 29.6.2016 vom 29.6.2016;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs Deutsch als Fremdsprache (Kurs A1.2) im Zeitraum 5.9.2016 bis 21.11.2016 vom 21.11.2016;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs Deutsch als Fremdsprache (Kurs A2.1) im Zeitraum 29.11.2016 bis 21.2.2017 vom 21.2.2017;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Förderkurs – Deutsch im Zeitraum 23.4.2018 bis 18.6.2018 vom 29.5.2018;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs Deutsch als Fremdsprache (Kurs A2.2) im Zeitraum 18.1.2021 bis 15.3.2021 vom 15.3.2021;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Pflichtschulabschlusskurs, 2. Semester im Zeitraum 12.2.2018 bis 6.7.2018 vom 15.5.2018;
? Schnupperbestätigung über Praktikum beim unprotokollierten Einzelunternehmen XXXX von 6.12.2018 bis 7.12.2018 im Rahmen des Pflichtschulabschluss-Vorbereitungslehrganges der XXXX ;
? Bestätigung der XXXX betreffend die Vollständigkeit des Portfolios des Beschwerdeführers (undatiert);
? Bestätigung des ÖIF über Teilnahme an einer Informationsveranstaltung am 5.11.2019 vom 5.11.2019;
? Bestätigung des XXXX über Teilnahme am Kurs „Abfallcoaching“ von Juni 2017;
? Bescheinigung des Österreichischen Roten Kreuzes über Teilnahme am Erste-Hilfe-Kurs am 18.12.2017 vom 18.12.2017;
? Bestätigung der XXXX über Teilnahme am Kurs „Gut wohnen mit weniger Energie und Wasser“ am 7.2.2018 vom 9.2.2018;
? Bestätigung des Österreichischen Rettungsdienstes, Bezirksstelle XXXX über Teilnahme am Schwimmkurs im Zeitraumraum 9.5.2018 bis 9.6.2018 vom 9.6.2018;
? Arbeitsbestätigung des Bildungszentrums XXXX über Mithilfe in der Dienstküche im Jänner und Februar 2018 vom 28.5.2018;
? Bestätigung des Vereins XXXX über ehrenamtliche Mitarbeit des Beschwerdeführers bei einem Nähprojekt vom 29.5.2018;
? Bestätigung des Amtes der Stadt XXXX über gemeinnützige Tätigkeiten seit Mai 2018 vom 7.6.2017 (gemeint vermutlich 7.6.2018);
? Bestätigung des Stadtbauhofleiters der Stadt XXXX über Mitarbeit des Beschwerdeführers als Wegmacher seit April 2018 vom 11.6.2018;
? Arbeitsbestätigung des Landesforstgartens XXXX über Mitarbeit des Beschwerdeführers im Zeitraum Juni bis September 2017 vom 13.6.2018;
? Dankesschreiben des Bürgermeisters der Stadt XXXX über Teilnahme des Beschwerdeführers am Nähprojekt zur Herstellung von Stoffmasken vom 2.7.2020;
? Bestätigung des Tennisclubs XXXX über gemeinnützige Arbeit des Beschwerdeführers vom 19.4.2021;
? Bestätigung der Stadt XXXX , Abteilung XXXX über ehrenamtliches Engagement im Rahmen des Projektes „Herstellung von Mund-Schutz-Masken“ im Zeitraum März bis April 2020 vom 20.4.2021;
? Bestätigung des Fußballvereins XXXX über ehrenamtliche Mitarbeit seit Sommer 2019 (undatiert);
? Versicherungsdatenauszug des Beschwerdeführers, Stand 11.9.2019;
? Einstellungszusage der XXXX als Hausmeister vom 7.4.2021 samt Dienstzettel;
? Auszug aus dem Reiseführer zum XXXX ;
? Bestätigung des Vereins XXXX über Mitgliedschaft des Beschwerdeführers seit 2019 (undatiert);
? Diverse Empfehlungs- und Unterstützungsschreiben;
? Diverse Zeitungsartikel betreffend die Integration des Beschwerdeführers;
? Konvolut an Lichtbildern betreffend das Leben des Beschwerdeführers in Österreich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl;
? Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht;
? Einsichtnahme in folgende vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Berichte:
- Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021;
- European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020;
https://easo.europa.eu/sites/default/files/Country_Guidance_Afghanistan_2020_0.pdf;
- European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017;
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports;
- European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018;
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports
- Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31.5.2018;
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Afghanistan: Covid-19, 5.6.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2031621.html
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Masar-e Sharif und Umgebung; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie, 30.4.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030099.html
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie, 23.4.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030080.html;
- Ecoi.net – European Country of Origin Information Network: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke), 15.2.2013;
- Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staaten-dokumentation), 23.8.2017; https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf;
? Einsichtnahme in folgende Berichte und Informationen zur aktuell maßgeblichen Situation in Afghanistan aufgrund der COVID-19-Epidemie:
- Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021;
- Homepage der Word Health Organization (WKO), letzter Zugriff jeweils am 2.6.2021;
https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19;
https://covid19.who.int/region/emro/country/af;
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Afghanistan: Covid-19, 5.6.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2031621.html
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Masar-e Sharif und Umgebung; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie, 30.4.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030099.html
- ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom, 23.4.2020;
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030080.html;
? Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente und Berichte.
2. Feststellungen:
2.1. Zur Person und den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am XXXX im Iran in Teheran geboren. Er ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, in der er über Lese- und Schreibkenntnisse verfügt. Weiter spricht der Beschwerdeführer bereits gut Deutsch. Er ist mit einer im Iran lebenden Frau verlobt und kinderlos.
Die Familie des Beschwerdeführers stammt aus der afghanischen Provinz Parwan. Der Beschwerdeführer wuchs im Iran in Teheran im afghanischen Familienverband mit seinen Eltern, einer Schwester und zwei Brüdern auf. Er besuchte im Iran elf Jahre lang eine iranische Schule und arbeitete nebenbei in einer Schneiderei. Im Jahr 2002 verließ der Beschwerdeführer mit seiner Familie den Iran und ließ sich im Herkunftsstaat in der afghanischen Provinz Parwan nieder, wo der Beschwerdeführer sein zwölftes Schuljahr im Jahr 2005 mit Matura abschloss. Der Beschwerdeführer und seine Familie übersiedelten schließlich in die Stadt Kabul, wo sie zunächst im XXXX Bezirk ( XXXX ) und schließlich im XXXX . Bezirk ( XXXX ) in Mietwohnungen lebten. In den Jahren 2004/2005 war der Beschwerdeführer kurzzeitig Mitglied im nationalen afghanischen Fußballteam. Anschließend bildete sich der Beschwerdeführer zum Fußballtrainer weiter und trainierte ein eigenes Hallenfußballteam.
Nach seinem Schulabschluss arbeitete der Beschwerdeführer mehrere Jahre lang als selbständiger Glaser. Ungefähr im Jahr 2010 gründete der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Onkel mütterlicherseits und einem weiteren Geschäftspartner namens XXXX ein Reisebüro, welches sich auf Pilgerreisen für schiitische Muslime spezialisierte. Als Leiter des Reisebüros organisierte der Beschwerdeführer Pilgerfahrten nach Syrien, in den Iran (insbesondere nach Maschhad) und in den Irak. Sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Onkel mütterlicherseits und sein Geschäftspartner begleiteten diese Pilgerfahrten abwechselnd als Reiseleiter. Zuletzt verließ der Beschwerdeführer Afghanistan am 23.9.2014 und flog mit einer Reisegruppe in den Irak, von wo aus er weiter in den Iran reiste. Dort lebte der Beschwerdeführer etwas länger als ein Jahr und arbeitete als Kältetechniker bei einer Firma, welche Lüftungs- und Klimaanlagen in Gebäuden errichtete. Im Herbst 2015 folgten die Mutter des Beschwerdeführers, seine Schwester und seine beiden Brüder dem Beschwerdeführer in den Iran, von wo aus sie gemeinsam Richtung Europa ausreisten.
Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. In Afghanistan leben noch eine Tante väterlicherseits in Kabul und ein Onkel väterlicherseits in der Provinz Parwan. Weitere – allenfalls entfernte – Verwandte des Beschwerdeführers leben nicht in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt mit seinen in Afghanistan lebenden Angehörigen. Zwei Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben zwischenzeitlich in der Türkei. In Österreich lebt die Schwester des Beschwerdeführers, welcher der Status der Asylberechtigten zukommt. Weiter sind seine Mutter und seine beiden Brüder in Österreich als Asylwerber aufhältig. Ihre Verfahren auf internationalen Schutz sind derzeit beim Bundesverwaltungsgericht zu W150 2212758-1, W241 2212752-1 und W150 2212767-1 anhängig.
Der Beschwerdeführer ist im Wesentlichen gesund sowie arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer stellte am 17.11.2015 gemeinsam mit seiner Mutter, seiner Schwester und seinen beiden Brüdern seinen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und hält sich seither durchgehend in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit seiner Mutter, seiner asylberechtigten Schwester und seinen beiden Brüdern in einer gemeinsamen Unterkunft der XXXX in XXXX . Er hat seit seiner Einreise an mehreren Deutsch- und Integrations- bzw. Basisbildungskursen teilgenommen. Er absolvierte unter anderem einen Erste-Hilfe-Kurs des Österreichischen Roten Kreuzes im Dezember 2017 und einen Schwimmkurs beim Österreichischen Rettungsdienst, Bezirksstelle XXXX im Jahr 2018. Trotz bestehender Schwierigkeiten beim Erlernen der deutschen Sprache zeigte der Beschwerdeführer diesbezüglich besonderes Interesse und Engagement. Neben dem regulären Angebot an Deutschkursen besucht der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2016 regelmäßig das Deutschcafé der Pfarre XXXX , wo er durch seinen Lernwillen auffällt. Weiter nahm er an einem Deutsch-Förderkurs der XXXX teil und besuchte in den Jahren 2017 und 2018 einen Pflichtschulabschlusskurs der XXXX . Zudem suchte der Beschwerdeführer aktiv den Kontakt zu österreichischen Staatsbürgern, um so seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Insbesondere die Familie XXXX und Frau XXXX unterstützen den Beschwerdeführer beim Deutschlernen. Der Beschwerdeführer nahm im November 2019 an einer Informationsveranstaltung des ÖIF teil und legte im August 2020 erfolgreich die Integrationsprüfung des ÖIF bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen und zu Werte- und Orientierungswissen ab.
Seit seiner Einreise zeigte der Beschwerdeführer besonderes ehrenamtliches Engagement und arbeitete freiwillig bei einer Vielzahl von Organisationen und Vereinen: Bereits im Jahr 2016 unterstützte der Beschwerdeführer den Verein XXXX ehrenamtlich bei einem Nähprojekt und half unter der Leitung von XXXX bei der Produktion von Stofftaschen, welche in der Region verteilt wurden. Von Juni bis September 2017 arbeitete der Beschwerdeführer gemeinnützig im Rahmen eines Landesprojektes im Landesforstgarten XXXX und verrichtete einfache Gartenarbeiten. Weiter war der Beschwerdeführer über das Projekt Nachbarschaftshilfe der XXXX im Jänner und Februar 2018 ehrenamtlich in der Dienstküche im Bildungszentrum XXXX tätig. Er unterstützte unter anderem das Küchenpersonal und half bei der Essensausgabe. Im Jahr 2018 verrichtete der Beschwerdeführer ab April 2018 gemeinnützige Tätigkeiten für das Amt der Stadt XXXX . Zu seinen Aufgaben zählte insbesondere die Unterstützung des Stadtbauhofes der Stadt XXXX als Wegmacher. Im Rahmen dieser Tätigkeit war der Beschwerdeführer unter anderem für die Reinigung der Außenanlagen, das Entfernen von Unkraut, das Freimachen von Schächten sowie das Ein- und Ausräumen von Möbeln verantwortlich und unterstützte das Amt der Stadt XXXX tatkräftig beim Städtetag XXXX des Österreichischen Städtebundes. Weiter half der Beschwerdeführer ehrenamtlich beim XXXX , den er unter anderem beim Auf- und Abbau der Traglufthalle unterstützte. Zuletzt engagierte sich der Beschwerdeführer im März und April ehrenamtlich bei der Stadt XXXX während des ersten pandemiebedingten Lockdowns im Rahmen des Projektes „Herstellung von Mund-Schutz-Masken“. Der Beschwerdeführer leistete im Rahmen dieses Projektes einen Beitrag zum Schutz der Gesellschaft und unterstützte die Bevölkerung, indem er gemeinsam mit zehn anderen Personen in eigenständiger Heimarbeit ehrenamtlich insgesamt 1.000 Mund-Nasenschutz-Masken nähte. Für dieses Engagement erhielt der Beschwerdeführer eine Dankurkunde des Bürgermeisters der Stadt XXXX . Aktuell ist der Beschwerdeführer seit Sommer 2019 durchgehend ehrenamtlich als Zeugwart für den Fußballverein XXXX tätig. Dem Beschwerdeführer kommt die Verantwortung über die Mannschafttrikots zu; weiter ist er für das Aufpumpen der Bälle zuständig und sorgt für einen optimalen Zustand in und rund um die Kabinen.
Neben seinem sozialen Engagement ist der Beschwerdeführer um seine wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit bemüht. Der Beschwerdeführer bewarb sich seit seiner Ankunft in Österreich laufend um eine Erwerbstätigkeit, erhielt jedoch keine Arbeitserlaubnis. Im Rahmen des von ihm besuchten Pflichtschulabschlusskurses der XXXX absolvierte der Beschwerdeführer im Dezember 2018 ein Schnupperpraktikum beim unprotokollierten Einzelunternehmen XXXX . Derzeit lebt der Beschwerdeführer von der Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Zuletzt gelang es ihm jedoch, die XXXX von sich zu überzeugen, welche dem Beschwerdeführer im April 2021 die Einstellung als Hausmeister zusicherte, sobald er über eine Arbeitsbewilligung verfügt. Es ist dem Beschwerdeführer äußerst wichtig, zukünftig arbeiten zu dürfen und selbsterhaltungsfähig zu sein.
In seiner Freizeit zeigt sich der Beschwerdeführer sehr um seine Integration bemüht und an Sport und Kultur interessiert. Im Februar 2016 nahm der Beschwerdeführer an einer Projektwoche der HTL XXXX zum Thema „Erstellung von Flüchtlingshäusern“ teil und beteiligte sich in den Jahren 2016 und 2017 an einem Integrationsprojekt des Gymnasiums XXXX . Weiter nahm der Beschwerdeführer nach seiner Ankunft in Österreich an einem Kunstprojekt des Vereins XXXX teil. Die im Rahmen dieses Projektes entstandenen Kunstwerke wurden im Dezember 2017 im Theater XXXX in XXXX , im Mai 2018 beim „ XXXX “ im XXXX anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Diözese XXXX und im Oktober 2018 im XXXX im Rahmen der Sonderausstellung „ XXXX “ präsentiert. Seit Sommer 2019 unterstützt der Beschwerdeführer den Fußballverein XXXX ehrenamtlich als Zeugwart. Der Obmann des Fußballvereins bezeichnet den Beschwerdeführer als „Mädchen für alles“ und beschreibt ihn als verlässlich, immer pünktlich, hilfsbereit und bestens in den Verein integriert. Der Fußballverein XXXX rief zudem die Online-Petition „ XXXX “ ins Leben, welche zwischenzeitlich von 1.050 Personen unterzeichnet wurde XXXX ; letzter Zugriff am 1.6.2021). Neben seiner Tätigkeit im Fußballverein XXXX ist der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2019 Mitglied im Verein XXXX . Im Rahmen dieses Vereins engagiert sich der Beschwerdeführer aktiv bei der Betreuung und Integration der Jugendlichen. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesstaat über zahlreiche soziale Kontakte, hat viele österreichische Freunde und ist bereits sehr gut in die österreichische Gesellschaft integriert. Seine Freunde beschreiben ihn als sehr freundlich, höflich, respektvoll, weltoffen, engagiert, hilfsbereit und an der österreichischen Gesellschaft und Lebensweise interessiert.
Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation des Beschwerdeführers, dessen Lebens- und Ausbildungsverlaufs seit seiner Einreise und seinen Zukunftsperspektiven ist von einer positiven Prognose auszugehen.
Der Schwester des Beschwerdeführers, XXXX , geboren XXXX , wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.6.2018, Zl. 1098671905-151970680, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Die Anträge auf internationalen Schutz seiner Mutter, XXXX , geboren am XXXX , und seiner beiden Brüder, XXXX , geboren am XXXX , und XXXX , geboren am XXXX , wurden hingegen abgewiesen. Derzeit sind die Beschwerdeverfahren der Mutter und der Brüder des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht zu W150 2212758-1, W241 2212752-1 und W150 2212767-1 anhängig.
Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit seiner Mutter, seiner asylberechtigten Schwester und seinen beiden Brüdern in einer gemeinsamen Unterkunft der XXXX im gemeinsamen Haushalt. Die Familie lebte bereits vor der Einreise in österreichische Bundesgebiet in Afghanistan zusammen in einer Wohnung und war seit der Einreise nach Österreich nie getrennt. Es besteht ein enges Familienleben des Beschwerdeführers zu seiner Mutter, seiner asylberechtigten Schwester und seinen beiden Brüdern, welches über die übliche emotionale Bindung zwischen volljährigen Verwandten hinausgeht. Die asylberechtigte Schwester des Beschwerdeführers ist erwerbstätig und unterstützt den Beschwerdeführer und die Familie finanziell. Die Familie und der Beschwerdeführer unterstützen sich gegenseitig im Alltag und verbringen auch einen Großteil der Freizeit zusammen. Es besteht eine intensive Nahebeziehung des Beschwerdeführers zu seiner Mutter, seiner asylberechtigten Schwester und zu seinen beiden jüngeren Brüdern. Eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner in Österreich lebenden Familie würde sowohl für den Beschwerdeführer als auch für seine Mutter, seine asylberechtigte Schwester und seine beiden Brüder eine große Belastung darstellen.
Abgesehen von seiner Mutter, seiner asylberechtigten Schwester und seiner beiden Brüder leben keine weiteren Verwandten oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers in Österreich. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.
2.2. Zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.
Der Beschwerdeführer arbeitete nach seinem Schulabschluss im Jahr 2005 mehrere Jahre lang als selbständiger Glaser in Afghanistan. Der Beschwerdeführer transportierte die Ware aus dem Iran über Herat nach Kabul. Bei der Durchführung eines solchen Transportes wurden der Beschwerdeführer und seine Begleitpersonen öfter von den Taliban angehalten. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um Übergriffe auf die Person des Beschwerdeführers, sondern um allgemeine Kontrollen durch die Taliban im Rahmen eines ihrer Checkpoints. Aus diesen Vorfällen lässt sich keine Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan ableiten.
Ungefähr im Jahr 2010 gründete der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Onkel mütterlicherseits und einem Geschäftspartner namens XXXX ein Reisebüro, welches sich auf Pilgerreisen für schiitische Muslime spezialisierte. Als Leiter des Reisebüros organisierte der Beschwerdeführer Pilgerfahrten nach Syrien, in den Iran (insbesondere nach Maschhad) und in den Irak. Diese Touren wurden hauptsächlich vom Geschäftspartner des Beschwerdeführers, Herrn XXXX , begleitet. Der Beschwerdeführer selbst führte nur zwei- bis dreimal Pilgerfahrten als Reiseleiter durch. Weiter sammelte das Reisebüro nebenbei (Sach-)Spenden für hilfsbedürftige Menschen, die sie unter der ärmeren Bevölkerung verteilten. Der Beschwerdeführer geriet durch diese Tätigkeit weder ins Visier der Taliban, noch ins Visier der afghanischen Regierung. Insbesondere befindet sich der Name des Beschwerdeführers nicht auf der schwarzen Liste der Taliban; auch sein Onkel mütterlicherseits wurde nicht wegen seiner Tätigkeit im Reisebüro von den Taliban entführt. Die afghanische Regierung verdächtigt den Beschwerdeführer nicht der Spionage für den Iran. Es kam auch zu keinen gezielten Übergriffen auf den Beschwerdeführer und seine Familie etwa durch das gezielte Werfen einer Handgranate auf das Haus der Familie. Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer keinen Übergriffen bzw. Verfolgung durch die Taliban, den afghanischen Staat oder sonstige Akteure bis hin zu seiner Tötung etwa aus Gründen seiner Religion oder aufgrund unterstellter politischer (oppositioneller) Gesinnung ausgesetzt.
Die Schwester des Beschwerdeführers, XXXX , und sein Bruder, XXXX , arbeiteten für die afghanische Regierung. Den Geschwistern des Beschwerdeführers kam jedoch keine besonders exponierte Rolle im Rahmen ihrer Tätigkeit für die afghanische Regierung zu. Bei den Geschwistern des Beschwerdeführers handelte es sich um einfache Mitarbeiter ohne Leitungsfunktion, denen eher eine untergeordnete Rolle zukam. Weder die Geschwister des Beschwerdeführers, noch der Beschwerdeführer selbst gerieten aufgrund ihrer untergeordneten Rolle aufgrund ihrer Tätigkeit für die afghanische Regierung ins Visier aufständischer Gruppierungen wie etwa der Taliban. Auch erhielten weder die Geschwister des Beschwerdeführers, noch der Beschwerdeführer selbst Drohbriefe der Taliban. Es kam zu keinen Übergriffen oder Bedrohungen gegen den Beschwerdeführer, seine Geschwister bzw. sonstige Familienangehörige durch die Taliban oder sonstige Akteure wegen der Tätigkeit der Schwester und des Bruders des Beschwerdeführers für die afghanische Regierung. Der Beschwerdeführer wird auch nicht von den Taliban gesucht. Im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer keinen Übergriffen bzw. Verfolgung durch die Taliban bis hin zu seiner Tötung, etwa aufgrund einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie wegen der Tätigkeit seiner Schwester bzw. seines Bruders ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat auch keine Verfolgung oder Übergriffe wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit.
Ebenso wenig drohen dem Beschwerdeführer als Rückkehrer aus dem westlichen Ausland im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch Privatpersonen, staatliche Stellen oder sonstige Akteure.
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Die Heimatprovinz des Beschwerdeführers (Parwan) zählte bis Mai 2019 zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans. Seither hat sich die Sicherheitslage in manchen Distrikten der Provinz jedoch verschlechtert. Im Jahr 2020 wurde die Sicherheitslage in der Provinz Parwan als nicht stabil bezeichnet. Aufständische, insbesondere die Taliban, sind in mehreren Distrikten der Provinz präsent. Es werden Sicherheitsoperationen und Luftschläge durch die afghanischen Sicherheitskräfte durchgeführt. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Aufständischen und afghanischen Streitkräften finden statt.
Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Parwan droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer militanter Gruppierungen betroffen. Kabul verzeichnet eine hohe Anzahl ziviler Opfer. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch.
Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Provinzen Balkh und Herat zählten zu den relativ friedlichen Provinzen Afghanistans, die vom Konflikt relativ wenig betroffen sind. In Balkh hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren in einigen der abgelegenen Distrikte der Provinz verschlechtert, da militante Taliban versuchen, in dieser wichtigen nördlichen Provinz Fuß zu fassen. Die Taliban greifen nun häufiger an und kontrollieren auch mehr Gebiete im Westen, Nordwesten und Süden der Provinz. Anfang Oktober 2020 galt der Distrikt Dawlat Abad als unter Talibankontrolle stehend, während die Distrikte Char Bolak, Chimtal und Zari als umkämpft galten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif ist davon jedoch wenig betroffen und gilt nach wie vor als vergleichsweise sicher. Im Jahr 2019 kam es beinahe monatlich zu kleineren Anschlägen mit improvisierten Sprengkörpern, meist in der Nähe der Blauen Moschee. Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Kriminalität in Mazar-e Sharif ein Problem. Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Mazar-e Sharif jedoch so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein.
Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Die Sicherheitslage auf Stadt- und Distriktebene unterscheidet sich voneinander. Während einige Distrikte, wie z.B. Shindand, als unsicher gelten, weil die Kontrolle zwischen der Regierung und den Taliban umkämpft ist, ist die Hauptstadt der Provinz – Herat (Stadt) – davon wenig betroffen. In Herat (Stadt) kam es in den letzten Jahren vor allem zu kriminellen Handlungen und kleineren sicherheitsrelevanten Vorfällen, jedoch nicht zu groß angelegten Angriffen oder offenen Kämpfen, die das tägliche Leben vorübergehend zum Erliegen gebracht hätten. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle, die in letzter Zeit in der Stadt Herat gemeldet wurden, fielen meist in zwei Kategorien: gezielte Tötungen und Angriffe auf Polizeikräfte. Die Distrikte um die Stadt Herat stehen unter der Kontrolle der Regierung. Je weiter man sich von der Stadt Herat, die im Jänner 2019 als „sehr sicher“ galt, und ihren Nachbardistrikten in Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer ist der Einfluss der Taliban. Herat (Stadt) gilt trotz Anstiegs der Kriminalität nach wie vor als relativ sicher.
Sowohl Mazar-e Sharif in Balkh als auch Herat (Stadt) stehen unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sie sicher erreicht werden können.
Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) droht diesem nicht die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Provinzen Balkh und Herat waren im Jahr 2018 von einer Dürre betroffen. Durch die sozioökonomischen Auswirkungen der derzeit bestehenden COVID-19-Pandemie und dem damit einhergehenden Anstieg der Lebensmittelpreise hat die Ernährungsunsicherheit inzwischen wieder ein ähnliches Niveau erreicht wie während dieser Dürre. In Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) sind Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Wasser und medizinische Versorgung jedoch grundsätzlich gegeben. Der Zugang zu einer medizinischen Versorgung in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) ist zwar aufgrund der derzeit bestehenden Pandemie durch das Corona-Virus beschränkt, jedoch grundsätzlich vorhanden. In Krankenhäusern sind sogenannte „Fix-Teams“ stationiert, die verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort untersuchen und in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung stehen. In den Großstädten wurden einige der Regional- und Provinzkrankhäuser in Hinblick auf COVID-19 mit Test- und Quarantäneeinrichtungen ausgestattet. COVID-19-Patienten können in öffentlichen Krankenhäusern stationär diagnostiziert und behandelt werden. Das als Reaktion auf COVID-19 eingestellte Personal wurde zu Beginn der Pandemie von der Regierung und Organisationen geschult. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet. Aufgrund kurzfristiger Lockdowns kann auch die Möglichkeit, sich durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, zeitlich begrenzt eingeschränkt sein. Gegenwärtig gibt es jedoch weder in Mazar-e Sharif, noch in Herat (Stadt) Ausgangssperren. Aktuell sind alle Grenzübergänge geöffnet. Die internationalen Flughäfen in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) werden aktuell international wie auch national angeflogen. Derzeit verkehren Busse, Sammeltaxis und Flugzeuge zwischen den Provinzen und Städten. Die derzeitige Situation führt zu keiner Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden. Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten sind derzeit nur für Geschäftsreisende geöffnet, wobei Hotels bzw. Teehäuser nicht genau nachfragen, weil sie Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können. Seit Februar 2021 sind COVID-19-Tests in Afghanistan leichter zugänglich geworden, da mehr Krankenhäuser von der Regierung die Genehmigung erhielten, diese durchzuführen. Im Februar 2021 hat Afghanistan mit seiner COVID-19-Impfkampagne begonnen; bis zum 10.3.2021 wurden insgesamt 34.743 Impfstoffdosen verabreicht. Mit Stand 17.3.2021 wurden der WHO 56.016 bestätigte Fälle von COVID-19 mit 2.460 Todesfällen gemeldet.
Im Falle einer Rückführung des – volljährigen, gesunden und arbeitsfähigen – Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) ist davon auszugehen, dass er sich – wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten – eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können. Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Niederlassung in Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) ein mit anderen dort lebenden Afghanen vergleichbares Leben ohne unbillige Härten führen können. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder Mann von XXXX Jahren, der an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet und (hinsichtlich COVID-19) nicht unter die Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten oder Bluthochdruck fällt. Der Beschwerdeführer wurde zwar im Iran geboren und ist dort aufgewachsen, er kehrte jedoch im Jahr 2002 mit seiner Familie nach Afghanistan zurück und lebte bis 2014 – sohin insgesamt zwölf Jahre – in Afghanistan. Er ist daher mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut, verfügt über eine zwölfjährige Schulausbildung und weist mehrjährige Berufserfahrung als Schneider, Glaser, Reiseleiter und Kältetechniker auf. Zudem spricht der Beschwerdeführer mit Dari eine weit verbreitete Sprache seines Herkunftsstaates muttersprachlich. Der Beschwerdeführer wurde im Iran im afghanischen Familienverband sozialisiert und verbrachte im jungen Erwachsenenalter insgesamt zwölf Jahre in Afghanistan, wo er bis zu seiner Ausreise im September 2014 lebte. Der Beschwerdeführer ist arbeits- und erwerbsfähig und hat keine Sorgepflichten in Afghanistan. Der Aufbau einer Existenzgrundlage in den Großstädten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) ist ihm, wenn auch nach anfänglichen Schwierigkeiten, möglich. Seine Existenz könnte sich der Beschwerdeführer – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern.
Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationale Organisationen, die der Beschwerdeführer in Anspruch nehmen könnte. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die folgenden Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation, Stand 1.4.2021 (im Folgenden: LIB);
? European Asylum Support Office (EASO): Country Guidance: Afghanistan, Dezember 2020 (im Folgenden: EASO);
https://easo.europa.eu/country-guidance-afghanistan-2020;
? UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018 (im Folgenden: UNHCR);
? European Asylum Support Office (EASO): Country of Origin Information Report: Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, December 2017 (im Folgenden: EASO Individuals); https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports;
? European Asylum Support Office (EASO): Bericht Afghanistan Netzwerke (Übersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), Stand Jänner 2018 (im Folgenden: EASO Netzwerke);
https://www.easo.europa.eu/information-analysis/country-origin-information/country-reports;
? Landinfo, Informationszentrum für Herkunftsländer: Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation), 23.8.2017 (im Folgenden: Landinfo 1);
https://landinfo.no/asset/3590/1/3590_1.pdf;
? Homepage der Word Health Organization (WKO), letzter Zugriff jeweils am 13.1.2021 (im Folgenden: WHO);
https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/coronavirus-disease-covid-19;
https://covid19.who.int/region/emro/country/af;
? ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen (Methoden; Netzwerke) [a-8282] vom 15.2.2013 (im Folgenden: ACCORD, Fähigkeit der Taliban);
? ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Masar-e Sharif und Umgebung; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 30.4.2020 (im Folgenden: ACCORD Masar-e Sharif);
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030099.html
? ACCORD, Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Lokale Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Herat; Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie vom 23.4.2020 (im Folgenden: ACCORD Herat);
https://www.ecoi.net/de/dokument/2030080.html
Allgemeine Sicherheitslage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen bis 39 Millionen Menschen (LIB, Kapitel Politische Lage).
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen, welche in der Nähe von Provinzhauptstädten stationiert sind. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hochburg in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (LIB, Kapitel Sicherheitslage).
Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA (Afghanische Nationalarmee) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanischen bzw. Koalitionskräften unterstützt (LIB, Kapitel Sicherheitsbehörden).
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB, Kapitel Regierungsfeindliche Gruppierungen).
Aktuelle Entwicklungen
Die afghanischen Regierungskräfte und die US-Amerikaner können die Taliban, die über rund 60.000 Mann verfügen, nicht besiegen. Aber auch die Aufständischen sind nicht stark genug, die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. 2020 fanden die ersten ernsthaften Verhandlungen zwischen allen Parteien des Afghanistan-Konflikts zur Beendigung des Krieges statt. Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet - die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nicht amerikanischen NATO-Truppen sollen abgezogen werden (LIB, Kapitel Politische Lage).
Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann. Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt. Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (LIB, Kapitel Sicherheitslage).
Der Abzug der ausländischen Truppenangehörigen, von denen die meisten Beratungs- und Ausbildungsfunktionen wahrnehmen, ist abhängig davon, ob die Taliban ihren Teil der Abmachung einhalten. Sie haben im Abkommen zugesichert, terroristischen Gruppierungen wie etwa Al-Qaida keine Zuflucht zu gewähren. Die Taliban verpflichteten sich weiter, innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung Gespräche mit einer afghanischen Delegation aufzunehmen. Die Taliban haben die politische Krise im Zuge der Präsidentschaftswahlen derweil als Vorwand genutzt, um den Einstieg in Verhandlungen hinauszuzögern. Sie werfen der Regierung vor, ihren Teil der am 29.2.2020 von den Taliban mit der US-Regierung geschlossenen Vereinbarung weiterhin nicht einzuhalten, und setzten ihre militärische Kampagne gegen die afghanischen Sicherheitskräfte mit hoher Intensität fort. Die Kämpfe zwischen den afghanischen Regierungstruppen, den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen hielten an und forderten in den ersten neun Monaten des Jahres fast 6.000 zivile Opfer (LIB, Kapitel Politische Lage).
Im September 2020 starteten die Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban in Katar (LIB, Kapitel Politische Lage). Die Gespräche fanden vor dem H