TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/9 W142 2242293-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W142 2242293-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2021, Zl. 117981702/180938437, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein indischer Staatsangehöriger stellte am 05.10.2017 bei der Magistratsabteilung 35 (im Folgenden: MA 35) zunächst einen Antrag auf die Verlängerung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“, wobei sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens der MA 35 herausstellte, dass der von ihm innegehabte Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – jeglicher Aufenthaltszweck“ gemäß § 20 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: NAG) erloschen ist. Der BF änderte seinen Antrag dann dahingehend, dass er einen Aufenthaltstitel für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ beantragte. Am 19.01.2018 brachte der BF einen Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG ein.

2. Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 35, vom 28.02.2018, Zl. MA35-9/2076122-08, wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

In dem - im Akt einliegenden - Bescheid wurde ausgeführt, dass der BF am „07.11.2017“ die Verlängerung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ beantragt habe. Sein davor innegehabter Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – jeglicher Aufenthaltszweck“ sei gemäß § 20 Abs. 4 NAG erloschen, da er nicht nachweisen habe können, dass sein Lebensmittelpunkt nicht länger als 12 Monate außerhalb des EWR-Gebietes gewesen sei. Weiters sei seinen Angaben beim Amtsarzt zu entnehmen, dass er von 1990-1999 in Österreich gelebt habe und erst seit Mai 2017 wieder neuerlich in Österreich wohnhaft sei. Der BF sei informiert worden, dass sein Aufenthaltstitel erloschen sei und ihm die Möglichkeit der Beantragung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ offenstehe. Seine rechtliche Vertretung habe dann mitgeteilt, dass er sich für die Erfüllung der Voraussetzungen zur Erteilung dieses Aufenthaltstitels bemühen werde. Am 19.01.2018 habe der BF einen Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG eingebracht. Diesem sei zu entnehmen, dass es dem BF aus finanziellen Gründen nicht möglich sei auszureisen, um den Antrag rechtmäßig bei der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde einbringen zu können. Außerdem habe der BF Bedenken hinsichtlich des Umweltschutzes und der Vermeidung unnötiger Flugreisen geäußert. Dem Vorbringen des BF sei entgegenzubringen, dass es sich dabei nicht um Gründe handle, welche eine Inlandsantragstellung zulassen würden. Im Hinblick auf die Abwägung iSd § 11 Abs. 3 NAG wurde im Bescheid festgehalten, dass der BF trotz langjährigen Aufenthaltes in Österreich die deutsche Sprache nicht beherrsche. Die Bindungen zum Heimatland würden überwiegen, da er sich von 1990 –bis Mai 2017 dort aufgehalten habe und erst seit kurzem wieder in Österreich lebe. Über in Österreich lebende Familienmitglieder sei nichts bekannt. Die Entscheidung über den Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG falle daher nicht zu seinen Gunsten aus. Der BF sei dann mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme über die beabsichtigte Abweisung informiert worden und ihm eine Frist zur Einbringung einer Stellungnahme gewährt worden. Der BF habe dann mit Schreiben vom 14.02.2018 seinen Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG ergänzt und vorgebracht, dass er aufgrund wirtschaftlich ungünstiger Verhältnisse in Indien und damit einhergehenden Schulden bei örtlichen Lebensmittelgeschäften sich entschlossen habe, nach Österreich zu reisen und seine Schulden aus dem Einkommen in Österreich zu begleichen. Ihm sei von seiner Familie in Indien mitgeteilt worden, dass die Gläubiger wiederholt im Haus erscheinen und angedroht hätten, den BF zu ermorden, sofern er die Schulden nicht begleiche. Aufgrund dessen würde der BF ersuchen, ihm unter Anwendung des § 11 Abs. 3 NAG den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen.

Rechtlich kam die MA 35 dann zum Schluss, dass der BF die Voraussetzungen nach § 21a NAG nicht erfülle, er den Antrag auch unzulässiger Weise im Inland gestellt habe und deshalb keine positive Entscheidung getroffen werden könne.

3. Nachdem die MA 35, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) über den unrechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet informierte, wurde der BF am 29.10.2018 vom BFA zum Thema „Erhebung persönlicher Verhältnisse, Regelung der Ausreise“ unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi, niederschriftlich einvernommen.

Der BF gab an, seinen Reisepass vor ein paar Tagen in der U-Bahn verloren zu haben und legte dazu auch eine Verlustmeldung vor.

Dem BF wurde vorgehalten, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels von der MA 35 abgewiesen worden sei. Auf die Frage, warum er das österreichische Bundesgebiet nicht verlassen habe, gab der BF an, er wisse, dass sein Antrag abgelehnt worden sei. Er sei aber der Meinung gewesen, dass er einen Bescheid bekomme, er habe aber noch keinen bekommen. Er sei bisher nicht bei der indischen Botschaft gewesen, sondern habe er gewartet, was heute hier passiere. Er wohne seit 4-5 Monaten an einer Adresse in Wien. Dort würden noch 4 weitere Personen aus Indien wohnen. Er bezahle für die Unterkunft 160 EUR/Monat. Er arbeite derzeit als Zeitungszusteller und verdiene damit 300-400 EUR/Monat.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, dass seine Eltern schon gestorben seien. Er habe fünf Brüder und zwei Schwestern, welche alle in Indien leben würden. Er habe in Indien 10 Jahre lang die Schule besucht. Sie hätten in Indien eine Landwirtschaft gehabt, dort habe er selbst mitgearbeitet. Er habe zwei Söhne (16 und 18 Jahre). Diese würden auch in Indien leben. Er sei verheiratet, auch seine Frau sei in Indien. In Österreich habe er keine Angehörigen, nur gute Freunde. Er sei nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen. Er habe keinen Deutschkurs besucht. Es sei schwierig für ihn die Sprache zu lernen, er könne die Schrift nicht lernen. Die Frage, ob er einen österreichischen Bekannten- oder Freundeskreis habe, verneinte der BF und gab er dazu an, dass es schwierig sei, weil er die Sprache nicht beherrsche. Zu seinen Angehörigen in Indien habe er regelmäßig telefonischen Kontakt. Er sei seit 16 Monaten in Österreich, im Jahr 2017 sei er hergekommen.

Auf die Frage, ob er freiwillig ausreisen werde, gab der BF an, er habe Probleme in Indien. Er könne nicht weg. Wenn es keinen anderen Weg gebe, dann werde er fahren.

Abschließend wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, da er es unterlassen habe, das österreichische Bundesgebiet fristgerecht zu verlassen und er sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Weiters wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass er sich bei einer Vertretungsbehörde einfinden müsse, um ein Reisedokument zu beantragen bzw. er eine Rückkehrberatung in Anspruch nehmen könne. Dem BF wurde eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise ausgehändigt und er angehalten, ein Formblatt zur Feststellung seiner Identität auszufüllen. Zudem wurde ihm mitgeteilt, dass das BFA die Ausstellung eines Ersatzdokumentes für ihn beantragen werde.

Befragt, ob er alles verstanden habe und noch etwas sagen wolle, fragte der BF, ob es noch einen Weg gebe, um hier bleiben zu können bzw. was er tun solle. Er sei hergekommen, um seine Probleme zu lösen.

4. Am 04.06.2020 führte das BFA zum Thema „Parteiengehör: Erlassung einer aufenthaltsbeendenen Maßnahme – Rückkehrentscheidung evtl. in Verbindung mit einem Einreiseverbot“ unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi erneut eine niederschriftliche Einvernahme durch.

Der BF gab an, nicht Deutsch zu sprechen. Seine Muttersprache sei Punjabi, sonst spreche er noch Hindi. Er spreche kein Deutsch, weil er sich dies nicht merke. Er sei gesund.

Dem BF wurde der Stand des bisherigen Ermittlungsverfahrens, seine Antragstellung bzw. seine Angaben bei der MA 35 und die rechtskräftige Abweisung seines Antrages vorgehalten. Zudem wurde dem BF vom BFA mitgeteilt, dass feststehe, dass er sich seit spätestens 18.05.2017 beharrlich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, er die Mittel zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht nachweisen könne bzw. er sich den Unterhalt aus illegalen Quellen finanziere und daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot beabsichtigt sei.

Befragt, ob er dazu Stellung nehmen wolle, gab der BF an, es stimme, dass er in Indien gewesen sei. Er wisse dies alles. Er habe sein Vorbringen bereits geschildert. Er habe keine Papiere bekommen, sonst wäre er nach Indien zurückgekehrt. Die Umstände seien auch wegen Corona schwierig. Wenn er schon zurückkehren müsse, dann würde er gerne zwei bis vier Monate warten, bis die Umstände besser werden würden.

Auf die Frage, welches Vorbringen er meine, stellte der BF die Gegenfrage: „Was meinen Sie?“ Nach Wiederholung der Frage und nach Aufforderung, er solle erzählen, was er letztes Mal vorgebracht habe, gab der BF an: „Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht erinnern, ist schon über ein Jahr her.“ Nach Vorhalt der Behörde, dass es dann wohl nichts Wichtiges gewesen sein könne, wenn er sich nicht erinnern könne, führte der BF aus: „So ein Gespräch gab es nicht zuvor.“

Befragt, ob sich seit der letzten Einvernahme etwas an seinen persönlichen Verhältnissen geändert habe, gab der BF an, es habe sich nicht geändert. Sein Bruder und seine Schwägerin seien ein einem Schlaganfall gestorben. Er sei bereits zwei oder dreimal bei der Botschaft (wegen dem Reisepass) gewesen, aber es würden einmal Papiere verlangt werden, einmal nicht. Bestätigung habe er keine.

Zu seiner Reise nach Österreich führte der BF aus, er sei am 16.05.2017 mit dem Flugzeug und dem unbefristeten Aufenthaltstitel eingereist. Er habe sich Österreich anschauen wollen. Sonst habe es keinen Grund für die Einreise gegeben. Auf die Frage, wann er wieder nach Indien zurückreisen wolle, gab der BF an, er habe ein oder zwei Jahre in Österreich arbeiten wollen und der Familie das Land zeigen wollen. Den Unterhalt im Bundesgebiet finanziere er sich durch seine Arbeit als Zeitungszusteller. Nach Vorhalt, dass dies nicht erlaubt sei, führte der BF aus: „Was soll ich sonst machen.“ Nach weiterem Vorhalt, dass er einen Antrag auf freiwillige Ausreise nach Indien stellen könne, gab der BF an, dass er sich beim VMÖ melden werde. Er arbeite vier bis fünf Stunden pro Woche und bekomme 300 EUR/Monat.

In Indien habe er eine Eigentumswohnung. Dort lebe derzeit seine Gattin und die zwei Söhne (19 und 17 Jahre). Ferner habe er noch drei Brüder sowie eine Schwester in Indien. Er habe Kontakt zur Familie, aber nicht zu den Geschwistern. Er sei 5-6 Jahre in die Schule gegangen und habe Berufserfahrung als Landwirt und Zeitungszusteller. Seine Frau und die Kinder würden von der Landwirtschaft leben. Sie hätten Grundstücke.

In Österreich habe er keine Verwandten. Er habe hier Bekannte, aber keine Freunde. Dies seien Leute, die er auf der Straße treffe. Er sei Zeitungszusteller, ansonsten habe er keine Bindungen. Ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe in Österreich nicht. Befragt, was er bis dato unternommen habe, um sich in Österreich zu integrieren, gab der BF an: „Nichts. Ich arbeite und sonst bin ich zuhause.“

Er werde in Indien nicht politisch oder strafrechtlich verfolgt. Die Frage, ob etwas gegen seine Rückkehr nach Indien sprechen würde verneinte der BF. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen gab weder der BF, noch sein Vertreter ab.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wurde dem BF gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.)

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass der BF nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfülle und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des BF angesichts des unrechtmäßigen Aufenthalts und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegenstehe. Aus dem Fehlen einer Gefährdung im Herkunftsstaat ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Indien. Die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei erforderlich, da er sich rechtswidrig in Österreich aufhalte, über keine ausreichenden Existenzmittel aus legalen Quellen verfüge und er auch nicht dazu in der Lage sei, diese rechtmäßig zu erwerben. Er gehe einer unerlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach, ignoriere bewusst gesetzliche Bestimmungen und sei wissentlich unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Durch dieses Verhalten gefährde er die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes. Die sofortige Ausreise bzw. die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei notwendig, um zu verhindern, dass der BF weiterhin Schwarzarbeit nachgehe oder zu einer Belastung für die öffentliche Hand werde, um seinen Aufenthalt zu finanzieren. Zur Verhängung des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt sei, da der Aufenthalt des BF dem wirtschaftlichen Wohl des Landes und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuwiderlaufe. Der BF halte sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, verfüge über kein gültiges Reisedokument, habe die erlaubte Aufenthaltsdauer massiv überschritten, verfüge über keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und sei auch nicht in der Lage, diese rechtmäßig zu erwerben. Er habe die rechtlichen Bestimmungen übertreten, gehe einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nach und habe die Aufenthaltsbestimmungen missachtet. Er habe keine Bereitschaft gezeigt, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten. Angesichts seines Fehlverhaltens und des Umstandes, dass an der Bekämpfung von „Schwarzarbeit“ ein Grundinteresse der Gesellschaft bestehe, liege eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung vor, welche die Anordnung des Einreiseverbotes erforderlich mache. Ebenso gefährde der BF durch seine Mittellosigkeit die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF könne daher nur eine negative Zukunftsprognose erstellt werden und sei ein Einreiseverbot in der Höhe von drei Jahren notwendig.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte darin zusammengefasst vor, dass die Behörde dem BF zu Unrecht Tatsachen zu seinem Privat- und Familienverfahren vorwerfe und sich dabei auf fragwürdige und weit hergeholte Gründe stütze. Dem BF sei die Verletzung der Mitwirkungspflichten betreffend die Erlangung des Ersatzreisedokumentes vorgeworfen worden und sei sein Vorbringen von der belangten Behörde als nicht überzeugend und nicht ausreichend eingestuft worden. Das BFA gehe davon aus, dass der BF im Bundesgebiet nach wie vor Schwarzarbeit nachgehe und stelle gleichzeitig fest, dass der BF im Bundesgebiet unbescholten sei. Es liege somit eine vorgefasste Meinung der Behörde vor, welche sodann durch die Beweiswürdigung und in den diesbezüglichen Erwägungen bestätigt werden solle. Bei einer derartigen, dem Objektivitätsgebot und dem Prinzip der Ermittlungen der materiellen Wahrheit widersprechenden „Beweiswürdigungsmethodik“ sei es von vornhinein ausgeschlossen, dass die Behörde das Entstehen eines Privat- und Familienlebens überhaupt akzeptiere. Für die Beurteilung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei relevant, dass sich der BF seit dem 05.10.2017 – sohin seit nahezu 4 Jahren – durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und integrationswillig sei. Die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der BF zu keiner Zeit erwerbstätig gewesen sei. Die Chancen eine Arbeit zu finden, seien gleich null. Auch die Beweiswürdigung zeige, dass die Behörde mit sehr fragwürdigen Mitteln versuche, den Integrationswillen des BF in Frage zu stellen. Der BF habe sehr oft versucht, eine Arbeitsstelle zu finden, dies sei ihm leider aufgrund der Hürden nicht gelungen. Der BF bemühe sich im Lebensalltag mit Österreichern auf Deutsch zu kommunizieren, was seinen Deutschkenntnissen sehr zugute gekommen sei. Die Entscheidung über die Integrationsschritte des BF sei unsachlich, unkorrekt und befremdlich. Soweit die belangte Behörde dem BF vorwerfe, betreffend die Beschaffung eines Ersatzdokumentes untätig gewesen zu sein, so sei dem zu entgegnen, dass der BF einen Reisepass besitze und auch keinerlei Ladungen vom BFA zur Beschaffung des Reiseersatzdokumentes erhalten habe. Dennoch werde ihm aber vorgeworfen, die behördlichen Anordnungen missachtet zu haben. Der BF sei seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen, die Behörde habe es aber verabsäumt, den vorgebrachten Hinweisen und Beweismitteln von Amts wegen weiter nachzugehen. Der BF sei unbescholten und sei daher die Annahme, eine freiwillige Rückkehr werde von ihm versäumt oder verhindert, nicht richtig. Der BF habe aufgrund der sozialen, privaten und persönlichen Entwurzelung und Entfremdung in seinem Herkunftsstaat keinerlei Möglichkeit sich eine Existenz aufzubauen, sondern wäre er von existenzbedrohender Armut bedroht, was im Rahmen der Interessensabwägung zu gewichten und würdigen wäre. Aufgrund der vom BF in Österreich aufgebauten privaten Lebensbeziehungen und der katastrophalen, höchstpersönlichen, privaten, familiären und sozioökonomischen Lebenssituation, welche den BF im Herkunftsstaat erwarten würde, bestehe eine besondere Schutzwürdigkeit des auf Österreich konzentrierten Privatlebens des BF vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Der BF weise im Inland auch intensive Bindungen zu Freunden auf, er bemühe sich nach Kräften um eine Teilnahme am wirtschaftlichen Leben. Es wäre daher im öffentlichen Interesse, dem arbeitswilligen, einsatzbereiten, genügsamen, aus einem Elends-, Armuts- und Menschenunrechtsland stammenden BF, welcher diese Charaktereigenschaften während seines 4-jährigen Aufenthaltes in Österreich zur Genüge bewiesen habe, endlich die Möglichkeit eingeräumt werden würde, in Österreich legal bleiben zu dürfen und ebenso einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen, um seiner Bürgerpflicht als Steuerzahler gleichfalls nachkommen zu können.

Beantragt wurden die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Die Identität des BF steht fest.

Er ist Staatsangehöriger von Indien und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der BF hat seinen indischen Reisepass im Bundesgebiet als verloren gemeldet.

Der BF wurde in Indien in Rajan Wali, im Bundesstaat Punjab, geboren.

Seine Muttersprache ist Punjabi.

Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF ist seit 18.05.2017 im Bundesgebiet gemeldet und hält sich spätestens seit diesem Zeitpunkt in Österreich auf.

Der BF verfügte über den Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – jeglicher Aufenthaltsweck“, welcher mittlerweile erloschen ist. Der vom BF am 05.10.2017 gestellte Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 35, vom 28.02.2018, Zl. MA35-9/2076122-08, abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Der BF verfügt über keinen Aufenthaltstitel in Österreich.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich. Er verfügt auch nicht über sonstige nennenswerte soziale Bindungen im Bundesgebiet und spricht kein Deutsch. Der BF ist im Bundesgebiet einer illegalen Beschäftigung nachgegangen. Er ist strafrechtlich unbescholten. Die Familie des BF (Ehefrau, zwei Kinder, Geschwister) lebt in Indien.

1.2. Zur Lage in Indien sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:

Es liegen keine Gründe vor, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Der BF läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Indien wird auf die im Bescheid des BFA getroffenen Länderfeststellungen verwiesen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens sind auch keine wesentlichen Änderungen der Lage bekannt geworden.

Grundversorgung und Wirtschaft

Letzte Änderung: 23.10.2020

Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Mio. Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020).

Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und 2017/18 bei 6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4,9 Prozent. Für 2020 wurde ein Wachstum der Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Doch schrumpfte im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2020/2021 (1. April 2020 bis 30. Juni 2021) aufgrund der COVID-19-Pandemie das Wirtschaftswachstum um beispiellose 23,9 Prozent. Der private Konsum und die Investitionen gingen stark zurück. Gleichzeitig verringerte sich in derselben Periode der Output der Industrie (Minus 38 Prozent) und des Dienstleistungssektors (Minus 21 Prozent) dramatisch. Für das am 1.4.2020 begonnene Geschäftsjahr erwarten Experten, dass die indische Wirtschaft um 9,6 Prozent schrumpfen und danach nur sehr langsam eine Erholung einsetzen wird. Die schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland dürfte auch die Handelsbilanz in beide Richtungen belasten (WKO 10.2020).

2017 lag die Erwerbsquote bei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Frauen sind weniger häufig als Männer berufstätig (FES 9.2019). Indien besitzt mit ca. 520 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 7,6 Prozent, 2020 bei 10,8 Prozent. Für 2021 wird eine Arbeitslosenrate von 9,5 Prozent erwartet (WKO 10.2020).

Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).

Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2019; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2019).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (BICC 7.2020).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 2019).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).

55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf, Zugriff 22.10.2020

BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019

BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf, (Zugriff 18.3.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.20120): World Report 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022689.html, Zugriff 17.1.2020

HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 17.1.2019

ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020

Shah-Paulini, Purvi (2017): Chefsache Integrales Business mit Indien. Den Subkontinent aus verschiedenen Perspektiven verstehen. Springer Gabler Verlag. Seite 40

StBA – Statistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 15.3.2020

Wiemann, Kristina N. (2019): Qualifizierungspraxis deutscher Produktionsunternehmen in China, Indien und Mexiko: Eine Analyse der Übertragbarkeit dualer Ausbildungsansätze. Springer Verlag. Seite 201

WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

WKO - Aussenwirtschaft Austria (1.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 11.2.2020

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 05.11.2020

Eine gesundheitliche Minimalversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt (ÖB 9.2020; vgl. BAMF 3.9.2018). Sie ist aber durchwegs unzureichend (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten europäische Standards. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 23.9.2020). Darüber hinaus gibt es viele weitere Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 3.9.2018). Ebenfalls gibt es Gemeindegesundheitszentren und spezialisierte Kliniken. Diese sind für alle möglichen generellen Gesundheitsfragen ausgestattet und bilden die Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden. Sie werden von der Regierung betrieben und nehmen auf Empfehlung der Ersteinrichtungen Patienten auf. Jede dieser Einrichtungen ist für 120.000 Menschen aus städtischen bzw. 80.000 Patienten aus abgeschiedenen Orten zuständig. Für weitere Behandlungen können Patienten von den Gemeindegesundheitszentren zu Allgemeinkrankenhäusern transferiert werden. Die Zentren besitzen daher auch die Funktion einer Erstüberweisungseinrichtung. Sie sind dazu verpflichtet, durchgängig Neugeborenen- bzw. Kinderfürsorge zu leisten sowie Blutkonservenvorräte zu besitzen. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben (BAMF 3.9.2018).

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Personen-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 25.500 solcher Kliniken in Indien, von denen 15.700 von nur einem Arzt betrieben werden. Einige Zentren besitzen spezielle Schwerpunkte, darunter Programme zu Kinder-Schutzimpfungen, Seuchenbekämpfung, Verhütung, Schwangerschaft und bestimmte Notfälle (BAMF 3.9.2018).

Von den Patienten wird viel Geduld abverlangt, da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssektors sehr groß ist. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen fortschrittlicher Infrastruktur und qualifizierterem Personal einen besseren Ruf, ein Großteil der Bevölkerung kann sich diesen aber nicht leisten. In allen größeren Städten gibt es Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Fast alle gängigen Medikamente sind in Indien (meist als Generika westlicher Produkte) auf dem Markt erhältlich. Für den (relativ geringen) Teil der Bevölkerung, welcher sich in einem formellen Arbeitsverhältnis befindet, besteht das Konzept der sozialen Absicherung aus Beitragszahlungen in staatliche Kassen sowie einer Anzahl von – vom Arbeitgeber zu entrichtenden – diversen Pauschalbeträgen. Abgedeckt werden dadurch Zahlungen für Renten, Krankenversicherung, Mutterkarenz sowie Abfindungen für Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit (ÖB 9.2020).

Für 10.000 Inder stehen 0,8 praktizierende Ärzte (StBA 26.8.2019) und 0,5 Klinikbetten je tausend Einwohnern zur Verfügung (GTAI 23.4.2020). In ländlichen Gebieten ist der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden. Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen (WKO 10.2020).

Die staatliche Krankenversicherung erfasst nur indische StaatsbürgerInnen unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. (BAMF 3.9.2018).

Im September 2019 wurde mit der Einführung des indienweiten Pradhan Mantri Jan Arogya Abhiyaan begonnen (auch „Modicare“ genannt), einer Krankenversicherung, die insgesamt 500 Millionen Staatsbürger umfassen soll, welche sich ansonsten keine Krankenversicherung leisten können. Diese Krankenversicherung deckt die wichtigsten Risiken und Kosten ab. Dazu kommen noch verschiedene öffentliche Krankenversicherungen in einzelnen Unionsstaaten mit unterschiedlichem Empfänger- und Leistungsumfang (ÖB 9.2020). Eine private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und die Patienten müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personalausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN) (BAMF 3.9.2018).

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 23.9.2020). Apotheken sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 3.9.2018). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 23.9.2020). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente sind staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 3.9.2018).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 18.3.2020

GTAI – German Trade and Invest (23.4.2020): Covid-19: Gesundheitswesen in Indien, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/covid-19-gesundheitswesen-in-indien-234420, Zugriff 15.5.2020

StBA – Stadistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 19.3.2020

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

Rückkehr

Letzte Änderung: 23.10.2020

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020).

Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Der Umstand, dass der BF Staatsangehöriger von Indien ist, gründet auf seine eigenen Angaben während des Verfahrens und ist auch aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) ersichtlich. Im ZMR ist der indische Reisepass samt Dokumentennummer sowie die Staatsangehörigkeit des BF vermerkt. Die Identität des BF samt Geburtsdatum steht damit ohne Zweifel fest und wurde auch schon von der belangten Behörde als erwiesen angenommen. Der Umstand, dass der BF seinen indischen Reisepass als verloren gemeldet hat, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Verlustmeldung vom 25.10.2018.

Die Feststellungen zum Geburtsort und der Muttersprache des BF ergeben sich aus den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des BF während des Verfahrens.

Der Umstand, dass der BF gesund ist, ergibt sich ebenso aus seinen Angaben während des Verfahrens, insbesondere aus seinen Angaben in den beiden Einvernahmen vor dem BFA, wo er zu keinem Zeitpunkt vorbrachte, an Krankheiten zu leiden oder Medikamente einzunehmen. Auch in der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges behauptet. Da der BF gesund ist, konnte ebenso festgestellt werden, dass der BF arbeitsfähig ist.

Dass der BF seit 18.05.2017 im Bundesgebiet gemeldet ist, ist dem im Akt einliegenden ZMR-Auszug zu entnehmen. Es steht damit auch fest, dass sich der BF spätestens seit diesem Zeitpunkt im österreichischen Bundesgebiet aufhält.

Die Feststellung, dass der BF über den Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – jeglicher Aufenthaltsweck“ verfügte und diese mittlerweile erloschen ist, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Bescheid der MA 35 vom 28.02.2018, in Zusammenschau mit dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister. Die Feststellungen zur Stellung eines Antrages auf Erteilung eines „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ bei der MA 35, der Nichtgewährung des Aufenthaltstitels bzw. dem Nichtvorliegen eines Aufenthaltstitels in Österreich beruhen auf dem insoweit unbestrittenen Verwaltungsakt und dem darin einliegenden rechtskräftig gewordenen Bescheid der MA 35 vom 28.02.2018.

Die Feststellungen, dass der BF in Österreich keine Familienangehörigen hat und auch nicht über sonstige nennenswerten sozialen Bindungen im Bundesgebiet verfügt, gründet auf seine eigenen Angaben während des Verfahrens. In der letzten Einvernahme vor dem Bundesamt gab der BF explizit an, in Österreich nur „Bekannte“ und keine Freunde zu haben bzw. dies Leute seien, die er auf der Straße treffe (vgl. AS 42). Soweit in der Beschwerde ausgeführt wurde, dass der BF in Österreich „intensive Beziehungen“ zu Freunden hat, so stimmen diese Angaben nicht mit den eigenen Aussagen des BF überein und sind daher als Schutzbehauptung zu werten. Im Übrigen wurde in der Beschwerde auch nicht näher ausgeführt, wie sich die Beziehung zu seinen Freunden darstellen sollte oder was er mit den Freunden unternehmen würde und wurden weder deren Namen, noch deren Nationalitäten genannt.

Der Umstand, dass der BF kein Deutsch spricht, gründet auf seine eigenen Angaben in den Einvernahmen vor dem BFA. In der letzten Einvernahme des BFA gab er selbst an, kein Deutsch zu sprechen bzw. er sich die deutsche Sprache nicht merke (vgl. AS 39). Der BF legte im Verfahren auch keine Bestätigungen betreffend den Besuch eines Deutschkurses oder den Abschluss einer Deutschprüfung vor und war bei den Einvernahmen des BF auch stets ein Dolmetscher für die Sprache Punjabi anwesend bzw. notwendig. Die Ausführungen in der Beschwerde, wonach sich der BF im Lebensalltag bemühe mit Österreichern Deutsch zu sprechen und dies seinen Deutschkenntnissen sehr zugute gekommen sei, sind damit nicht mit den eigenen Angaben des BF während des Verfahrens vereinbar und daher als Schutzbehauptungen zu werten.

Die Feststellung, dass der BF in Österreich einer illegalen Beschäftigung nachgegangen ist, ergibt sich aus dem vom BFA eingeholten und im Akt einliegenden AJ-WEB Auskunftsverfahren (Stand 04.06.2020, AS 36). Daraus geht hervor, dass der BF im Bundesgebiet als geringfügig beschäftigter Arbeiter angemeldet war. Der BF gab im Verfahren vor dem BFA selbst zu, als Zeitungszusteller zu arbeiten (vgl. AS 14 und 41). Da der BF weder über einen Aufenthaltstitel, noch über eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung verfügt, ist diese Beschäftigung als illegal anzusehen.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung zum Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen in Indien, ergibt sich aus den eigenen glaubwürdigen Angaben des BF während des Verfahrens.

2.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Indien sowie einer möglichen Rückkehr des BF dorthin:

Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, denen zu entnehmen wäre, dass der BF im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat konkret Gefahr liefe, dort der Folter, der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Wie die belangte Behörde richtigerweise schon im Bescheid ausführte, konnte der BF keine Gründe vorbringen, welche eine Abschiebung in den Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen lassen würden. Vielmehr führte der BF in der Einvernahme vor dem BFA am 29.10.2018 auf die Frage, ob er freiwillig ausreisen werde, nur aus, „Probleme“ in Indien zu haben bzw. er nach Österreich gekommen sei, um seine „Probleme“ zu lösen, er konkretisierte diese Angaben aber nicht weiter, sondern gab in dieser Einvernahme gleichzeitig auch an, dass er nach Indien fahren würde („Wenn es keinen anderen Weg gibt, werde ich fahren.“, vgl. AS 15). In der zweiten Einvernahme vor dem BFA am 04.06.2020 führte der BF dann aus, sein Vorbringen bereits geschildert zu haben bzw. er nach Indien zurückkehren könnte, wenn er Papiere bekommen würde. Ansonsten brachte er nur vor, dass die Umstände wegen dem Corona-Virus derzeit schwierig seien bzw. er - wenn er schon zurückkehren müsste - gerne zwei bis vier Monate abwarten würde, bis die Umstände besser werden würden. Eine konkrete Bedrohung oder konkrete „Probleme“ in Indien brachte der BF im Verfahren vor dem BFA gänzlich nicht vor, sondern gab er an späterer Stelle der Einvernahme sogar selbst zu, sich an sein damaliges Vorbringen nicht mehr erinnern zu können (vgl. AS 40).

Der BF verneinte am Ende der zweiten Einvernahme auch explizit, in Indien politisch oder strafrechtlich verfolgt zu werden. Die Frage der Behörde, ob irgendetwas gegen seine Rückkehr nach Indien spreche, beantwortete der BF mit „Nein“ (vgl. AS 43).

Lediglich der vollständigkeitshalber wird dazu noch angemerkt, dass die vom BF vor der MA 35 geschilderte Verfolgung in Indien (eine gegenüber den Familienmitgliedern in Indien ausgesprochene Todesdrohungen gegen den BF wegen Schulden bei örtlichen Lebensmittelhändlern, vgl. die Ausführungen im Bescheid der MA 35, AS 3) nicht der Wahrheit entsprechen kann, ansonsten der BF diese Verfolgung/Bedrohung in Indien auch im Verfahren vor dem BFA zumindest ansatzweise erwähnt hätte.

Auch im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des BF im Herkunftsstaat ergibt sich nicht, dass eine Abschiebung des BF unzulässig wäre. Der BF ist der Landessprache Indiens ausreichend mächtig, er ist gesund und arbeitsfähig. Dem BF ist im Fall einer Rückkehr nach Indien aufgrund der dortigen Lage - die sich aus den vom BFA zugrundegelegten Länderfeststellungen ergibt und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse - die Teilnahme am dortigen Erwerbsleben möglich und zumutbar und ist davon auszugehen, dass der gesunde und arbeitsfähige BF, der über Schulbildung verfügt und laut seinen eigenen Angaben in Indien bereits Berufserfahrung als Landwirt gesammelt hat (vgl. AS 42), seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat erwirtschaften können wird. Abgesehen davon, verfügt der BF in Indien nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Ehefrau, seinen beiden Kindern sowie seinen Geschwistern. Der BF gab in der letzten Einvernahme vor dem BF auch explizit an, dass er eine Eigentumswohnung in Indien habe, seine Familie in Indien Grundstücke besitze und seine Frau und die Kinder von der Landwirtschaft leben würden (vgl. AS 42). Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, sondern er eine Arbeit in der familieneigenen Landwirtschaft und eine Wohnmöglichkeit bei seiner Familie vorfinden wird.

Die belangte Behörde hat im Bescheid zudem richtig ausgeführt, dass sich auch unter Berücksichtigung der derzeit vorherrschenden Corona-Pandemie kein anderes Bild ergibt. Der BF ist zwar schon 62 Jahre alt und steigt das Risiko einer schweren COVID-19 Erkrankung mit dem Alter stetig an, es wurden aber keine sonstigen Risikofaktoren wie spezifische Vorerkrankungen, die Einnahme von Medikamenten oder eine vorliegende Immunschwäche vorgebracht, sodass keine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der BF bei einer Rückkehr nach Indien eine COVID-19 Erkrankung mit schwerwiegenden oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätte.

Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben. Den Länderberichten wurde weder vom BF noch seinem rechtsfreundlichen Vertreter substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist gegen einen Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt und dem kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wird, eine Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu erlassen.

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich seit spätestens Mai 2017 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Dem BF kommt kein Aufenthaltsrecht in Österreich zu. Sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ wurde mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, MA 35, vom 28.02.2018 rechtskräftig abgewiesen.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird –insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente spielt jedoch eine zentrale Rolle, da – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua, mwH).

Der BF hält sich seit spätestens 18.05.2017 - sohin seit etwas mehr als 4 Jahren -durchgehend im Bundesg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten