Entscheidungsdatum
10.06.2021Norm
AlVG §49Spruch
W238 2243180-1/4E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , gegen Spruchpunkt B des Bescheides des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 20.04.2021, VN XXXX , betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.04.2021 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und Spruchpunkt B des Bescheides gemäß § 13 Abs. 5 sowie § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Dem nunmehrigen Beschwerdeführer wurde seitens des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße (im Folgenden: AMS) mit RSb-Schreiben vom 03.03.2021 eine Kontrollmeldung für den 22.03.2021 um 10:00 Uhr vorgeschrieben. Darin befindet sich eine Information über die Rechtsfolgen einer unentschuldigten Nichtbefolgung des Termins. Den Kontrollmeldetermin am 22.03.2021 nahm der Beschwerdeführer nicht wahr.
2. Mit Bescheid des AMS Wien Laxenburger Straße vom 20.04.2021 wurde unter Bezugnahme auf § 49 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 22.03.2021 bis 13.04.2021 kein Arbeitslosengeld erhält (Spruchpunkt A). Begründend wurde diesbezüglich im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 22.03.2021 nicht eingehalten und sich erst wieder am 16.04.2021 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.
Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B). Dies wurde wie folgt begründet: Die Einhaltung einer Kontrollmeldung sei ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und diene der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen sei. Die im öffentlichen Interesse gelegene rasche Arbeitsmarktintegration gestalte sich umso schwieriger, je länger der Arbeitslose der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibe, indem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnehme. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich gewesen sei, stehe eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde in der Sache ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Folge einer fehlerhaften Zustellung erst am 23.03.2021 durch seine Nachbarin von der Hinterlegung des Schreibens des AMS erfahren und dieses am selben Tag bei der Post behoben habe. Am 25.03.2021 habe er das AMS per E-Mail um einen neuen Termin ersucht, jedoch keine Antwort erhalten. Er habe noch nie Arbeitslosengeld bezogen und sei daher mit dem System nicht vertraut. Er sei davon ausgegangen, dass er bis 13.04.2021 Arbeitslosengeld beziehe, und habe daher am 16.04.2021 beim AMS vorgesprochen. Seit 26.04.2021 stehe er wieder in einem Dienstverhältnis. Betreffend den zweiten Spruchpunkt des Bescheides führte der Beschwerdeführer aus, dass er für den Unterhalt seiner drei Kinder zu sorgen habe und seine Frau wegen Krankheit keinen Beitrag zum Unterhalt leisten könne. Eine Gegenüberstellung seiner Einkünfte (gesamt € 2.231,24) und Ausgaben (gesamt € 3.830,-) im März/April 2021 ergebe ein Minus von € 1.598,76. Die Familie sei daher auf die Leistung des AMS angewiesen. Im konkreten Fall liege keine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses vor, die den sofortigen Vollzug des Bescheides rechtfertige. Zudem verfüge er mittlerweile wieder über eine Beschäftigung.
4. Eine unverzügliche Vorlage der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfolgte nicht.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 20.05.2021 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.04.2021 hinsichtlich des Ausspruchs des Verlustes der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nach § 49 AlVG gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG mit näherer Begründung abgewiesen.
6. Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein.
7. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom AMS einlangend erst am 09.06.2021 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war vom 29.06.2020 bis 13.11.2020 bei der XXXX GmbH vollversichert als Arbeiter beschäftigt. Ab 25.11.2020 bezog er Arbeitslosengeld und vom 16.04.2021 bis 25.04.2021 Notstandshilfe.
Seitens des AMS wurde dem Beschwerdeführer mit RSb-Schreiben vom 03.03.2021 eine Kontrollmeldung für den 22.03.2021 um 10:00 Uhr vorgeschrieben. Unter einem wurde er über die Rechtsfolgen einer unentschuldigten Versäumung des Termins informiert.
Den Kontrollmeldetermin am 22.03.2021 nahm der Beschwerdeführer nicht wahr.
Mit Bescheid des AMS Wien Laxenburger Straße vom 20.04.2021 wurde gemäß § 49 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 22.03.2021 bis 13.04.2021 kein Arbeitslosengeld erhält (Spruchpunkt A). Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B).
Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht Beschwerde gegen beide Spruchpunkte.
Ob und wann das Schreiben der Behörde vom 02.03.2021 rechtswirksam zugestellt wurde bzw. ob allenfalls triftige Gründe für die Versäumung des Termins vorliegen, ist Gegenstand des Verfahrens in der Hauptsache.
Der – hier verfahrensgegenständliche – Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis stehe, da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich gewesen sei. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren.
Der Beschwerdeführer ist seit 26.04.2021 vollversichert als Arbeiter bei der XXXX GmbH beschäftigt.
Die belangte Behörde legte im angefochtenen Bescheid vom 20.04.2021 (Spruchpunkt B) nicht dar, inwieweit im vorliegenden Fall die vorzeitige Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Sie unterließ eine Begründung, warum die Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung der Leistung gefährdet erscheint.
Der Beschwerdeführer ist mit XXXX verheiratet und hat drei Kinder. Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt (abgesehen vom Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehegatten) über kein eigenes Einkommen.
Der Beschwerdeführer bezog im März und April 2021 Einkommen wie folgt:
März 2021
AMS-Bezug: € 742,14
Familienbeihilfe: € 612,-
April 2021:
AMS-Bezug: € 265,10
Familienbeihilfe: € 612,-
Summe: € 2.231,24
Der Beschwerdeführer hatte im März und April 2021 Ausgaben wie folgt:
Miete: € 1.350,-
Strom und Gas: € 240,-
Essen: € 1.400,-
Internet/Handy: € 140,-
Taschengeld Kinder: € 240,-
Verkehrsmittel: € 160,-
Kleidung: € 300,-
Summe € 3.830,-
Bei Gegenüberstellung des Einkommens mit den Ausgaben ergibt sich im Zeitraum März/April 2021 ein Defizit von € 1.598,76.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie in den Bezugs- und Versicherungsverlauf des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau. Die Einnahmen und Ausgaben des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben in der Beschwerde, denen die Behörde nicht entgegentrat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. auch VwGH 07.09.2017, Ra 2017/08/0081).
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig, sie ist auch begründet.
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 – sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist – dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
Gegenständlich ist anzumerken, dass dem Bundesverwaltungsgericht die am 29.04.2021 beim AMS eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.04.2021 seitens der Behörde entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht unverzüglich, sondern erst (nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung) am 09.06.2021 vorgelegt wurde.
3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
Das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, u.a. Folgendes ausgeführt:
„Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.
Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 09.05.2016, Ra 2016/09/0035).“
3.4. Gegenständlich begründete die belangte Behörde den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zusammengefasst damit, dass eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis stehe, da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich gewesen sei. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren. Eine Begründung, aus welchen – abgesehen von generalpräventiven – Erwägungen die belangte Behörde eine vorzeitige Umsetzung des angefochtenen Bescheides für dringend geboten erachtet, findet sich im Bescheid nicht. Insbesondere ging die Behörde im Lichte ihrer Bescheidbegründung offenbar selbst nicht von einer Gefährdung der Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges aus.
Seitens des Beschwerdeführers wurde demgegenüber ein ihn unverhältnismäßig treffender wirtschaftlicher Nachteil durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dargetan, indem er konkrete, ziffernmäßige Angaben über seine finanziellen Verhältnisse glaubhaft machte, denen die belangte Behörde anlässlich der Vorlage der Beschwerde nicht entgegentrat. Zudem ist im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seit 26.04.2021 einer vollversicherten Beschäftigung nachgeht, sodass auch insoweit eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Leistung nicht zu gewärtigen ist.
Zwar bestehen am Ausspruch des Verlustes der Leistung gemäß § 49 Abs. 2 AlVG bei ungerechtfertigter Versäumung einer Kontrollmeldung unstrittig Interessen der Öffentlichkeit an dem damit verfolgten Normzweck. Dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht liegt der Zweck zugrunde, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Kontrolltermine dienen somit der Betreuung von Arbeitslosen, der Feststellung von Vermittlungshindernissen, Schulungs- und sonstigem Unterstützungsbedarf, aber auch der Kontrolle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. VwGH 20.11.2002, 2002/08/0136; 19.09.2007, 2006/08/0221 mwH). Um Missbräuche hinsichtlich des Leistungsbezuges in der Arbeitslosenversicherung hintanzuhalten, wurde als Sanktion für die Versäumung eines Kontrolltermins der Anspruchsverlust auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe festgelegt.
Dies entbindet die belangte Behörde jedoch nicht von ihrer Verpflichtung, vor dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die von ihr verhängte Sanktion eine auf den Einzelfall abstellende Interessenabwägung durchzuführen.
Der angefochtene Bescheid lässt insoweit aber jegliche – konkret den Beschwerdeführer betreffenden – Feststellungen vermissen, ob und aus welchen Gründen der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Aushaftende Rückforderungsbeträge oder laufende Exekutionen gegen den Beschwerdeführer, welche etwa die Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges gefährdet erscheinen lassen könnten, wurden von der Behörde nicht festgestellt.
Im gegenständlichen Kontext ist auch zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG – was die Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anlangt – „ohne weiteres Verfahren“ unverzüglich zu entscheiden hat. Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam in einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen muss (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13 VwGVG). „Unverzüglich“ und „ohne weiteres Verfahren“ bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).
Insofern verbietet sich im vorliegenden Fall die Durchführung ergänzender Ermittlungen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes, inwieweit im vorliegenden Fall tatsächlich eine konkrete Gefahr im Verzug zur Abwehr eines drohenden Nachteils besteht.
Nach Maßgabe des vorliegenden Sachverhalts vermag das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nicht zu erkennen, dass der vorzeitige Vollzug des Bescheides vom 20.04.2021 wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, zumal sich hierfür auch aus den übermittelten Verwaltungsakten keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben.
Der belangten Behörde ist es somit mit Blick auf die vom Beschwerdeführer aufgenommene Beschäftigung ab 26.04.2021 und die fehlenden Feststellungen zu allenfalls aushaftenden Rückforderungsbeträgen oder laufenden Exekutionen nicht gelungen, nachvollziehbar darzulegen, warum der vorzeitige Vollzug des Bescheides vom 20.04.2021 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG wegen Gefahr im Verzug, insbesondere wegen Gefährdung der Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges, dringend geboten ist.
3.5. Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt B des bekämpften Bescheides ersatzlos aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem gegenständlichen (Teil-)Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 22.03.2021 bis 13.04.2021) nicht vorweggenommen wird.
3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde „ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden“, was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Begründungsmangel Gefahr im VerzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W238.2243180.1.00Im RIS seit
17.08.2021Zuletzt aktualisiert am
17.08.2021