TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/10 W164 2168126-1

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Veröffentlicht am 10.06.2021
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Entscheidungsdatum

10.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §55

Spruch


W164 2168126-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2017, Zl. 1071912706-150611568 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. und Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet abgewiesen.

II.      Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides richtet, wird ihr Folge gegeben und es wird in Abänderung des angefochtenen Bescheides festgestellt:
II.1. Gemäß § 9 Abs 2 und 3 BFA-VG ist eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig.
II.2. XXXX wird gemäß §55 Abs 1 und Abs 2 iVm §58 Abs 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

III.    Spruchpunkt 4. des angefochtenen Bescheides wird aufgrund seiner Gegenstandslosigkeit ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er stellte am 03.06.2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge der Erstbefragung vom 03.06.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, 3 Jahre in XXXX gelebt zu haben. Er sei dort mit einem für 3 Monate gültigen Visum eingereist und habe nach Ablauf dieser Frist in XXXX Asyl beantragt. Aufgrund dieses Antrags habe er dann jährlich einen Aufenthaltstitel in XXXX erhalten. Im letzten Jahr sei ihm seine Aufenthaltsberechtigung in XXXX nicht mehr verlängert worden und es habe ihm die Abschiebung nach Afghanistan gedroht. Der BF sei aus diesem Grund schlepperunterstützt von XXXX nach Österreich gereist. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, dass er Afghanistan im Jahr 2012 aus Angst vor den Taliban verlassen habe, weil er einige Jahre zuvor mit russischen Kommunisten zusammengearbeitet habe und die Taliban dies herausgefunden hätten. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er seine Ermordung durch die Taliban.

3. Am 26.06.2016 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Der BF gab an, in Afghanistan in einem Dorf in der Nähe von XXXX gelebt zu haben. Er sei ledig und habe keine Kinder. Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter und zwei Brüder würden als Flüchtlinge in Indien leben. Vier Brüder würden noch in XXXX leben. Der BF habe zu seiner Mutter und zu den in Indien lebenden Geschwistern zeitweise Kontakt. Der BF habe in Afghanistan 12 Jahre die Schule besucht und dreieinhalb Jahre den Wehrdienst absolviert. Er habe in Afghanistan in einem Juweliergeschäft gearbeitet und Schmuckstücke angefertigt. Er spreche Dari, XXXX und mittlerweile ein wenig Deutsch.

Der BF gab an, er sei bereits im Jahr 1995 nach XXXX ausgereist und 2003 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2012 sei er dann erneut nach XXXX geflüchtet und habe dort bis zu seiner Ausreise nach Österreich gelebt. In XXXX habe der BF in einem Lager für Schuhe gearbeitet. Vor seiner ersten Ausreise nach XXXX habe der BF als Schreibkraft bei Gericht gearbeitet. Er habe dort Unterlagen bearbeitet, die mit Mord und Exekution zu tun hatten und vertraulich zu behandeln waren. Die Mujaheddin seien in das Heimatdorf des BF gekommen und hätten das Dorf unter ihre Kontrolle gebracht. Die islamische Partei „Hezbe-Islami“ habe regiert. Der BF sei als Kommunist bezeichnet worden, weshalb er Afghanistan verlassen habe. In XXXX sei er aufgenommen worden. Später sei er wieder nach Afghanistan zurückgekehrt, da man ihm gesagt habe, dass die Lage dort wieder sicher wäre. In Afghanistan angekommen sei der BF jedoch weiterhin als Kommunist bezeichnet und bedroht worden. Deshalb habe er Afghanistan erneut Richtung XXXX verlassen. Er habe nun aber nicht mehr in XXXX bleiben können und sei daher mit einem Schlepper nach Österreich gereist.

4. Mit Bescheid vom 02.08.2017, Zl. 1071912706-150611568 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF keine Verfolgung von staatlicher Seite behauptet und sonstige asylrelevante Gründe nicht glaubhaft gemacht habe. Der BF sei im Jahr 2003 aus XXXX wieder nach Afghanistan zurückgekehrt und habe bis zur neuerlichen Ausreise im Jahr 2012, somit neun Jahre lang, in seinem Heimatland gelebt. Daraus sei anzuleiten, dass keine asylrelevante Bedrohung bestanden habe. Auch aktuell habe der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine asylrelevante Verfolgung zu befürchten.

Dem BF sei eine Rückkehr nach XXXX zumutbar, er würde durch sein technisches Verständnis als Schmuckhersteller und sein Talent für Sprachen auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen vorfinden. Er habe zudem in XXXX noch vier Brüder, die ihn bei einem Neuanfang unterstützen könnten. Er würde im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan somit nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten. Der BF verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine im Spruch genannte Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und brachte vor, seine Fluchtgründe würden in einer Verfolgung aus politischen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bestehen. Der BF sei wegen seiner früheren Tätigkeit für die Regierung von Najibullah durch die Taliban bedroht worden. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid einen großen Teil der Aussagen des BF nicht zur Kenntnis genommen, sondern nur in tendenziöser Weise jene Aussagen herausgeklaubt, die ihrer Argumentation zuträglich erschienen. Demgegenüber habe der BF ausführliche und nachvollziehbare Angaben gemacht. Die Erstbefragung sei nicht dazu gedacht gewesen, die Fluchtgründe eines Asylwerbers erschöpfend darzustellen. Dem BF könne nicht vorgeworfen werden, dass er seine damaligen Angaben anlässlich seiner späteren Befragung vor dem BFA ergänzt und berichtigt habe. Es sei weder Schutzwilligkeit noch Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden gegeben. Der BF verwies auf die potenziellen Risikoprofile, laut den aktuellen UNHCR Richtlinien. Er sei aufgrund spezifischer Drohungen gegen sein Leben sowie aufgrund einer verwestlichten Lebenseinstellung, seines langen Auslandsaufenthaltes und seiner Entwurzelung aus Afghanistan besonders gefährdet. Soweit die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit des BF deshalb in Abrede gestellt habe, da der BF nicht schon früher geflüchtet sei, so werde entgegnet, dass der BF zunächst zugewartet habe und sich erst dann zur (neuerlichen) Flucht entschlossen habe, als er erkennen musste, dass dies unbedingt notwendig sei. Die gegenständliche Verfolgungsgefahr würde sich auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Zudem würde die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan eine Rückkehr nicht zulassen. Der BF würde im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan dort kein adäquates soziales Auffangnetz vorfinden, welches ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnte. Der BF habe sich in der Zeit seines Aufenthaltes in Österreich intensiv um seine Integration bemüht. Er habe die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte geknüpft, die ihm bei seiner weiteren Integration behilflich sein würden.

6. Mit Stellungnahme vom 01.04.2021 brachte der BF durch seine Rechtsvertretung vor, dass die Situation in Afghanistan u.a. als Folge der COVID-19-Pandemie sowie der anhaltenden Dürre und damit einhergehenden Landflucht eine tiefgreifende Verschlechterung erfahren habe. In XXXX habe sich die Sicherheitslage massiv verschlechtert, ebenso in der Provinz Balkh. Der BF verwies auf das Länderinformationsblatt vom 18.05.2020 sowie auf die in der UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018 genannten Risikoprofile. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, eine Rückführung nach Afghanistan würde eine Verletzung der durch Art. 2 bzw. 3 EMRK geschützten Rechte bedeuten.

7. Am 07.04.2021 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, anlässlich deren der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung und im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari befragt wurde. Das ebenfalls geladene BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Dem BFA wurden eine Ausfertigung des Verhandlungsprotokolls und die anlässlich der Verhandlung vom BF vorgelegten Integrationsnachweise schriftlich zur Kenntnis gebracht.

Der BF führte in dieser Verhandlung zu den von ihm vorgebrachten Fluchtgründen ergänzend aus, er habe während seiner Wehrdienstzeit auch bei Gericht als Schriftführer und Kanzleileiter gearbeitet. Dabei habe er auch heikle Akten (Akten, die dem Präsidenten vorgelegt werden mussten) von Bewohnern seiner Heimatregion zu bearbeiten gehabt. Die davon Betroffenen hätten ihn gekannt und hätten ihn auch bei Gericht gesehen. Nach dem Sturz Najibullahs sei der BF von Mitgliedern der Hezb-e Gulbuddin Partei bedroht worden. Dort sei man davon ausgegangen, dass der BF mit der kommunistischen Partei zusammengearbeitet hätte. Einer seiner Brüder – dieser habe beim Geheimdienst gearbeitet – sei ebenfalls verdächtigt und bedroht worden. Dieser Bruder sei bei einem Anschlag getötet worden. Die übrigen Brüder hätten weiterhin im Heimatort leben können. Sie seien weder als Kommunisten bezeichnet noch bedroht worden. Bei seinem ersten Aufenthalt in XXXX ab 1995 habe der BF zwar nicht den Asylstatus erhalten, ihm sei aber eine Aufenthaltsberechtigung über die UNO erteilt worden. Im Jahr 2003 sei er auf Empfehlung der UNO wieder nach Afghanistan zurückgekehrt, habe aber bald erkennen müssen, dass er dort nach wie vor in Gefahr sei. Der BF habe daraufhin regelmäßig seine Wohnung innerhalb der Provinz XXXX gewechselt und habe das Haus stets mit verdecktem Gesicht verlassen. In dieser Zeit (2003 bis 2012) habe der BF in einem Büro der Post gearbeitet. Da er stets das Gefühl hatte, in Gefahr zu sein, sei er 2012 wieder nach XXXX gereist. In XXXX habe er eine befristete Aufenthaltsberechtigung bekommen; diese sei jedoch 2015 nicht mehr verlängert worden.

Auf Nachfrage zu seinen Familienangehörigen gab der BF an, seine Mutter sei in der Zeit nach 2012 gemeinsam mit zwei Brüdern nach Indien gezogen, da die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht gewesen sei. Zwei seiner Brüder seien bereits verstorben. Vier weitere Brüder würden weiterhin in XXXX leben. Der BF habe selten mit seiner Mutter und den in Indien lebenden Brüdern und noch seltener mit seinen Brüdern in XXXX telefonischen Kontakt. Er meide den Kontakt zu seinen Geschwistern, da es ihm generell nicht gut gehe und er keine schlechten Nachrichten hören möchte. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde der BF keine Unterstützung durch seine Familie erwarten können. Weitere Verwandte in Afghanistan habe der BF, er wisse jedoch nicht, wo diese leben.

Bezüglich seines Aufenthaltes in Österreich brachte der BF vor, dass er sich wegen mehrerer Probleme in medizinischer Behandlung befinde. Er habe alle Deutschkurse besucht, die in seiner Unterkunft angeboten wurden, habe selbständig weitergelernt und sich schließlich zur B1 Prüfung angemeldet. Er habe die Deutschprüfung auf Niveau B1 mündlich bestanden, den schriftlichen Teil müsste er wiederholen. Der BF habe ferner für die XXXX ehrenamtlich als XXXX gearbeitet und eine Familie im Ort ehrenamtlich mit Einkaufen gehen und mit handwerklichen Tätigkeiten unterstützt. Er habe österreichische Freunde mit denen er sich regelmäßig treffe. Er sei bestrebt immer etwas Neues machen und hoffe auf eine Besserung seiner gesundheitlichen Probleme.

Ergänzend vorgelegt wurden mehrere Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen Niveau A1 vom 08.01.2019 (40 UE), 08.05.2019 (40 UE) und 08.11.2020 (50 UE) sowie an einem Deutsch-Integrationskurs (25.11.2016), weiters eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs vom 17.11.2017, ein ÖSD-Zertifikat B1 vom 24.09.2018 mit der Note „Nicht bestanden“, wobei gleichzeitig ersichtlich ist, dass der mündliche Teil der Prüfung positiv, und nur der schriftliche Teil negativ beurteilt wurde. Weiters vorgelegt wurde eine Ambulanzkarte des XXXX betreffend eine Allgemeinuntersuchung aus Anlass XXXX vom 24.03.2017, Befundberichte über Zahnbehandlungen wegen XXXX aus 2017, 2018 und 2019, ein Befundbericht vom 20.01.2021 mit dem ein posttraumatisches Belastungssyndrom bestätigt wird, sowie mehrere Empfehlungs- bzw. Unterstützungsschreiben, mit denen das ehrenamtliche Engagement des BF bestätigt wird.

8. Mit Schreiben vom 21.04.2021 verwies der BF abermals auf die aktuelle Situation in Afghanistan insbesondere im Hinblick auf den bevorstehenden Rückzug amerikanischer Truppen, weiters auf seine Entwurzelung von Afghanistan und seine guten und konsquent betriebenen Integrationsanstrengungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der strafrechtlich unbescholtene BF führt den Namen XXXX , wurde am XXXX in der Provinz XXXX geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Der BF wuchs in einem Dorf in der Nähe der Stadt XXXX mit seinen Eltern und XXXX Brüdern auf. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch XXXX und Deutsch. Der BF ist ledig und kinderlos. Sein Vater und zwei seiner Brüder sind bereits verstorben. Seine Mutter lebt mit zwei Brüdern in Indien. Vier weitere Brüder des BF leben in XXXX .

Der BF hat in Afghanistan 12 Jahre lang die Schule besucht, von der 7. bis zur 12. Klasse arbeitete er neben der Schule bei einem Juwelier. Diese Arbeit setzte er nach Abschluss der Schule fort, absolvierte dann dreieinhalb Jahre lang den Wehrdienst und arbeitete während des Wehrdienstes als Kanzleikraft bei Gericht.

1995 reiste der BF nach XXXX , da er in seinem Heimatort aufgrund seiner damaligen beruflichen Tätigkeiten beim Militär und bei Gericht bedroht wurde. Der BF beantragte in XXXX Asyl; er erhielt durch Vermittlung der UNO eine Aufenthaltsberechtigung und konnte diese immer wieder verlängern. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch diverse Beschäftigungen, meist auf Märkten. Im Jahr 2003 kehrte der BF – er hatte gehört, dass sich die Situation in Afghanistan verbessert hätte - wieder nach Afghanistan in seine Heimatprovinz zurück und blieb dort bis zum Jahr 2012. Während dieser Zeit arbeitete er in einem Büro der Post. Auch während dieser Jahre erlebte der BF, dass ihn Menschen auf der Straße als „Kommunisten“ ansprachen und verbal bedrohten. 2012 reiste der BF erneut nach XXXX und erhielt dort eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Dort arbeitete er als Lagerarbeiter in einem Schuhgeschäft. Als er in XXXX keine Verlängerung seines Aufenthaltstitels mehr erhielt entschied sich der BF, schlepperunterstützt nach Österreich zu reisen.

Der BF leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es wurden beim BF XXXX und XXXX festgestellt. Der BF ist jedoch arbeitsfähig. Der BF pflegt selten telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und seinen in Indien lebenden Brüdern, und ab und zu auch zu seinen in XXXX lebenden Brüdern.

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Jahr 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er ist in einer kleinen Gemeinde untergebracht, hat dort stets die Gelegenheit genutzt, an vorort angebotenen Deutschkursen und an einem Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Integrationsgesetz teilzunehmen und hat in Eigeninitiative weiter Deutsch gelernt. Am 24.09.2018 ist der BF zur Deutsch-Prüfung Niveau B1 nach GER beim ÖSD angetreten. Er wurde mündlich positiv beurteilt, schrifltich allerding negativ; er bestand die Prüfung somit insgesamt nicht. Im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die XXXX nutzte der BF mittlerweile seine erworbenen Deutschkenntnisse. Auch für ortsansässige Privatpersonen hat sich der BF ehrenamtlich engagiert.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Quellen: UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 01.04.2021, EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2019:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.860 Quadratkilometern leben ca. 32,9 Millionen bis 39 Millionen Menschen (LIB, Kapitel 4).

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die Afghan National Defense Security Forces aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen um Provinzhauptstädte herum stationierte Koalitionstruppen. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (LIB, Kapitel 5).

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police). Die ANA (Afghanische Nationalarmee) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig, ihre primäre Aufgabe ist jedoch die Bekämpfung der Aufständischen innerhalb Afghanistans. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die afghanischen Sicherheitskräfte werden teilweise von US-amerikanischen bzw. Koalitionskräften unterstützt (LIB, Kapitel 8).

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan und stellt nicht nur für die beiden Länder eine Sicherheitsherausforderung dar, sondern eine Bedrohung für die gesamte regionale Sicherheit und Stabilität (LIB, Kapitel 6).

Die Ergebnisse des AIHRC zeigen, dass Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger das häufigste Ziel von gezielten Angriffe waren. Im Jahr 2020 verursachten gezielte Angriffe 2.250 zivile Opfer, darunter 1.078 Tote und 1.172 Verletzte. Diese Zahl macht 26% aller zivilen Todesopfer im Jahr 2020 aus (LIB, Kapitel 5).

Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17), landesweit betrug die Zahl 88. Angriffe auf hochrangige Ziele setzen sich im Jahr 2021 fort.

Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich fort. Der Großteil der Anschläge richtet sich gegen die ANDSF und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in der Provinz Nangarhar zu einer sogenannten ’green-on-blue-attack’: der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens sechs Personen getötet und mehr als zehn verwundet. Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt.

Seit Februar haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen um Provinzhauptstädte – wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden (USDOD 1.7.2020). Die Taliban setzten außerdem bei Selbstmordanschlägen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh an Fahrzeugen befestigte improvisierte Sprengkörper (SVBIEDs) ein.

Die afghanischen Regierungskräfte und die US-Amerikaner können die Taliban, die über rund 60.000 Mann verfügen, nicht besiegen. Aber auch die Aufständischen sind nicht stark genug, die Regierungstruppen zu überrennen, obwohl sie rund die Hälfte des Landes kontrollieren oder dort zumindest präsent sind. Das lang erwartete Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban wurde Ende Februar 2020 unterzeichnet – die afghanische Regierung war an dem Abkommen weder beteiligt, noch unterzeichnete sie dieses. Das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban enthält das Versprechen der US-Amerikaner, ihre noch rund 13.000 Armeeangehörigen in Afghanistan innerhalb von 14 Monaten abzuziehen. Auch die verbliebenen nichtamerikanischen NATO-Truppen sollen abgezogen werden (LIB, Kapitel 4).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann. Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt. Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind. Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt, was den afghanischen Friedensprozess gefährden könnte (LIB, Kapitel 5).

UNHCR: Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten „erodierenden Pattsituation“ geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlassen.

Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnischer Minderheiten, Häftlingen und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert. In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen. Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen. Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung.

Gemäß der Verfassung darf niemand ohne ordentliches Gerichtsverfahren festgenommen oder inhaftiert werden. Die Verfassung enthält außerdem ein absolutes Verbot des Einsatzes von Folter. Der Einsatz von Folter stellt nach dem Strafgesetzbuch eine Straftat dar, während die harte Bestrafung von Kindern durch das Jugendgesetz untersagt ist. Darüber hinaus verabschiedete das Oberhaus der Nationalversammlung im Januar 2018 den konsolidierten Wortlaut eines neuen Anti-Folter-Gesetzes.

Trotz dieser Rechtsgarantien bestehen Bedenken hinsichtlich des Einsatzes von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gegenüber Häftlingen, insbesondere von im Zusammenhang mit dem Konflikt verhafteten Personen, denen Unterstützung von regierungsfeindlichen Kräften zur Last gelegt wird und die in Gefängnissen des Inlandsgeheimdienstes (NDS), der afghanischen nationalen Polizei (ANP) (einschließlich der afghanischen nationalen Grenzpolizei ANBP), der afghanischen nationalen Streitkräfte (ANA) und der afghanischen lokalen Polizei (ALP) inhaftiert sind. UNAMA berichtete 2017, dass in vom Inlandsgeheimdienst (NDS) betriebenen Gefängnissen in fünf Provinzen „systematisch oder regelmäßig und weitverbreitet“ gefoltert wird und dass „ausreichend glaubhaften und verlässlichen Berichten zufolge in 17 anderen Provinz- oder staatlichen Einrichtungen des Inlandsgeheimdienstes gefoltert wird“. UNAMA dokumentierte außerdem „systematische Folterung und Misshandlung” in Haftanstalten der afghanischen nationalen Polizei (ANP) oder der afghanischen nationalen Grenzpolizei (ANBP) in den Provinzen Kandahar und Nangarhar sowie „Berichte über Verstöße in 20 anderen Provinzen, wobei die Behandlung von Häftlingen durch die ANP in den Provinzen Farah und Herat” besondere Sorge bereitet. Unter den Inhaftierten, bei denen die Anwendung von Folter festgestellt wurde, befanden sich auch Kinder.

UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die einem oder mehreren der folgenden Risikoprofile entsprechen, abhängig von den jeweiligen Umständen des Falles möglicherweise internationalen Schutz benötigen:

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Zusammenhang mit der Einberufung von Minderjährigen und der Zwangsrekrutierung;

(4) Zivilisten, die der Unterstützung regierungsfeindlicher Kräfte verdächtigt werden;

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen haben;

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung regierungsfeindlicher Kräfte verstoßen haben;

(7) Frauen mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

(8) Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;

(9) Personen mit Behinderungen, insbesondere geistigen Beeinträchtigungen, und Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden;

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder unter spezifischen Umständen;

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend gefährdet sind;

(12) Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität;

(13) Angehörige gewisser Volksgruppen, insbesondere ethnischer Minderheiten;

(14) An Blutfehden beteiligte Personen, und

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige).

Ad 1) Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) greifen Berichten zufolge systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung, regierungsnahe bewaffnete Gruppen, die afghanische Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationaler humanitärer Hilfs- und Entwicklungsakteure, unterstützen bzw. mit diesen in Verbindung stehen. Auf eine (vermeintliche) Verbindung kann zum Beispiel durch ein bestehendes oder früheres Beschäftigungsverhältnis oder durch familiäre Bindungen geschlossen werden. Zu den Zivilisten, die gezielt aufs Korn genommen werden, zählen Distrikt- und Provinzgouverneure, Mitarbeiter der Justiz und der Staatsanwaltschaft, ehemalige Polizeibeamte und Polizisten außer Dienst, Stammesälteste, Religionsgelehrte und religiöse Führer, Frauen im öffentlichen Raum, Lehrer und andere Staatsbedienstete, Zivilisten, von denen angenommen wird, dass sie die Werte regierungsfeindlicher Kräften ablehnen, Menschenrechtsaktivisten sowie humanitäres Hilfspersonal und Entwicklungshelfer.

Über gezielte Tötungen hinaus setzen die regierungsfeindlichen Kräfte Berichten zufolge auch Drohungen, Einschüchterung und Entführungen ein, um Gemeinschaften und Einzelpersonen einzuschüchtern und auf diese Weise ihren Einfluss und ihre Kontrolle zu erweitern, indem diejenigen angegriffen werden, die ihre Autorität und Anschauungen infrage stellen. 2017 dokumentierte UNAMA systematische Angriffe auf zivile Staatsbedienstete sowie auf Bürogebäude der zivilen Regierung und andere Bauten, insbesondere durch die Taliban. Die Anzahl der behaupteten Angriffe gegen zivile Regierungsbeamte nahm 2017 insgesamt zu, „im Einklang mit der Strategie der Taliban, vor allem Regierungsorgane ins Visier zu nehmen” Auch der Islamische Staat richtete seine Angriffe gezielt gegen mit der Regierung in Verbindung stehende Zivilpersonen sowie zivile Einzelpersonen, von denen angenommen wurde, dass sie „der Regierung geheime Informationen zur Verfügung stellen“. Politiker und Mitarbeiter der Regierung auf lokaler, Provinz- und nationaler Ebene wurden zu Zielen regierungsfeindlicher Kräfte, darunter Parlamentsabgeordnete und Mitglieder des Hohen Friedensrates, Provinz- und Distrikt-Gouverneure und Distriktrats-Mitglieder.

Insbesondere anvisiert werden auch von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte. UNAMA berichtet von vier derartigen Anschlägen durch die Taliban zwischen 1. Januar und 31. Dezember 2017. Berichten zufolge haben regierungsfeindliche Kräfte auch Angriffe auf medizinisches Personal und Gesundheitseinrichtungen verübt, um Krankenhäuser zu zwingen, „vorübergehend zu schließen, oft in der Absicht, die Traumabehandlung ihrer Kombattanten zu monopolisieren“. 2017 verzeichnete UNAMA 75 Zwischenfälle, in denen AGEs Angriffe auf Einrichtungen des Gesundheitswesens und medizinisches Personal verübten oder versuchten, Einfluss auf sie zu nehmen; diese Anschläge forderten 65 zivile Opfer (31 Tote und 34 Verletzte). Lehrer, Schulwarte und Mitarbeiter der Bildungsbehörde wurden ebenfalls häufig gezielt angegriffen, ebenso wie Schüler und insbesondere Mädchen.

Die gezielten Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte, insbesondere die afghanische nationale Polizei (ANP), gehen weiter. Auch Mitglieder der afghanischen lokalen Polizei (ALP) werden häufig angegriffen. Schätzungen zufolge ist die Opferbilanz unter der afghanischen lokalen Polizei erheblich höher als die unter anderen Mitgliedern der ANDSF, da die afghanische lokale Polizei (ALP) häufig in unsichereren Gebieten stationiert ist. Beamte sowohl der ALP als auch der ANP wurden im Dienst und auch außer Dienst angegriffen. Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte auch Angehörige anderer Polizeikräfte in Afghanistan sowie ehemalige Angehörige der ANDSF ins Visier nehmen.

Wie in Abschnitt II.C.1.c. beschrieben, haben regierungsfeindliche Kräfte Berichten zufolge seit Beginn der Wählereintragung am 14. April 2018 Personen angegriffen, die mit den Wahlen befasst waren, darunter Wahlhelfer und Angehörige der afghanischen nationalen Polizei, unter anderem durch gezielte Tötung, Entführung, Bedrohung, Einschüchterung und Schikanen.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) greifen zahlreichen Berichten zufolge Zivilisten an, die der Zusammenarbeit oder der „Spionage“ für regierungsnahe Kräfte, darunter die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), verdächtigt werden Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiteten, bedroht und angegriffen. Aus Berichten geht auch hervor, dass regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) gegen ehemalige Mitarbeiter der internationalen Streitkräfte und der Regierung vorgehen.

Es liegen Berichte über Personen vor, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückkehrten und von regierungsfeindlichen Gruppen bedroht, gefoltert oder getötet wurden, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht hätten, „Ausländer“ geworden seien oder als Spione oder auf andere Weise ein westliches Land unterstützten. Heimkehrern wird Berichten zufolge von der örtlichen Gemeinschaft, aber auch von Staatsbeamten oft Misstrauen entgegengebracht, was zu Diskriminierung und Isolierung führt. Ebenso kann Personen, die anderen Profilen entsprechen – etwa Profil 1.e (Mitarbeiter von humanitären Hilfs- und Entwicklungsorganisationen) und Profil 1.i (Frauen im öffentlichen Leben) – von regierungsfeindlichen Kräften vorgeworfen werden, Werte und/oder Erscheinungsbilder übernommen zu haben, die mit westlichen Ländern in Zusammenhang gebracht werden, und sie aus diesem Grund zur Zielscheibe werden.

Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) haben Berichten zufolge Zivilisten vorsätzlich entführt und getötet, um sie für die tatsächliche oder vermeintliche Unterstützung der Regierung zu bestrafen, wobei die Tötungen anderen als Warnung dienen sollten. AGEs sollen verschiedene Mittel als Warnung einsetzen, um Zivilisten davon abzuhalten, die Regierung zu unterstützen, darunter SMS, Sendungen im örtlichen Radio, soziale Medien und sogenannte Nachtbriefe” (shab nameha). Wo es AGEs nicht gelang, Unterstützung in der Öffentlichkeit zu finden, schikanieren sie laut Berichten örtliche Gemeinschaften, schüchtern sie ein und bestrafen die örtliche Bevölkerung für ihre tatsächliche oder vermeintliche Unterstützung der Regierung oder einer rivalisierenden regierungsfeindlichen Gruppe. Zivilisten, die sie der „Spionage für“ die Regierung beschuldigen, werden in Schnellverfahren von parallelen und illegalen, von AGEs eingerichteten Justizstrukturen abgeurteilt; die Strafe für derartige angebliche „Verbrechen“ ist in der Regel die Hinrichtung.

UNHCR ist der Ansicht, dass für Personen, die mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der internationalen Streitkräfte, verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, – abhängig von den jeweiligen Umständen des Falles – ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund einer begründeten Furcht vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen ihrer (ihnen zugeschriebenen) politischen Überzeugung oder aus anderen relevanten Konventionsgründen, in Verbindung mit der allgemeinen Unfähigkeit des Staates, Schutz vor dieser Verfolgung zu bieten, bestehen kann.

Kabul:

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 4.434.550 Personen für den Zeitraum 2020-21. Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (LIB, Kapitel 5.1.).

Die Wirtschaft der Provinz Kabul hat einen weitgehend städtischen Charakter, wobei die wirtschaftlich aktive Bevölkerung in Beschäftigungsfeldern, wie dem Handel, Dienstleistungen oder einfachen Berufen tätig ist. Kabul-Stadt hat einen hohen Anteil an Lohnarbeitern, während Selbstständigkeit im Vergleich zu den ländlichen Gebieten Afghanistans weniger verbreitet ist. Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Kabul gehört der Dienstleistungssektor, darunter auch die öffentliche Verwaltung. Die Gehälter sind in Kabul im Allgemeinen höher als in anderen Provinzen, insbesondere für diejenigen, welche für ausländische Organisationen arbeiten. Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Ergebnisse einer Studie ergaben, dass Kabul unter den untersuchten Provinzen den geringsten Anteil an Arbeitsplätzen im Agrarsektor hat, dafür eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Die besten (Arbeits-)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul am größten (LIB, Kapitel 22).

Schätzungen zufolge haben 32% der Bevölkerung Kabuls Zugang zu fließendem Wasser, und nur 10% der Einwohner erhalten Trinkwasser. Diejenigen, die es sich leisten können, bohren ihre eigenen Brunnen. Viele arme Einwohner von Kabul sind auf öffentliche Zapfstellen angewiesen, die oft weit von ihren Häusern entfernt sind. Der Großteil der gemeinsamen Wasserstellen und Brunnen in der Hauptstadt ist durch häusliches und industrielles Abwasser verseucht, das in den Kabul-Fluss eingeleitet wird, was ernste gesundheitliche Bedenken aufwirft. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Kabul verfügt über sanitäre Grundversorgung (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

In der Stadt Kabul besteht Zugang zu öffentlichen und privaten Gesundheitsdiensten. Nach verschiedenen Quellen gibt es in Kabul ein oder zwei öffentliche psychiatrische Kliniken (EASO, Kapitel Common analysis: Afghanistan, V).

Ein Drittel aller Rückkehrer nach Afghanistan lebt entweder in Kabul oder Nangarhar. Während 2018 landesweit 46 % der Binnenvertriebenen angaben, der Zugang ihres Haushalts zu wichtigen Lebensgrundlagen wäre eingeschränkt, war die Situation in Kabul mit einem Anteil von 33% etwas besser (EASO August 2020, Kapitel 2.2.3.).

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes, inklusive der Ring Road (Highway 1) welche die fünf größten Städte Afghanistans - Kabul, Herat, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Jalalabad miteinander verbindet. In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit Stand November 2020 für die Abwicklung von internationalen und nationalen Passagierflügen geöffnet ist (LIB, Kapitel 5.1.). Nationale (Kam Air, Ariana Air) und internationale Fluggesellschaften (z.B. Air India, Air Arabia, Fly Dubai…) bieten internationale Flüge von der Türkei, Indien, Aserbaidschan, Usbekistan, Pakistan, Saudi-Arabien, Kuwait, Iran, den Vereinigten Arabischen Emiraten und China nach Kabul an. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Kabul (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kandahar, Bost (Helmand, nahe Lashkargah), Zaranj, Kunduz, Farah, Herat, Mazar-e Sharif, Maimana, Bamian, Faizabad, Chighcheran und Tarinkot (LIB, Kapitel 5.35.).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul und alle Distrikte gelten als unter Regierungskontrolle, dennoch finden weiterhin High-Profile-Angriffe statt. Bei Angriffen in Kabul kommt es oft vor, dass keine Gruppierung die Verantwortung übernimmt oder es werden diese von nicht identifizierten bewaffneten Gruppen durchgeführt. Afghanische Regierungsgebäude und -beamte, die afghanischen Sicherheitskräfte und hochrangige internationale Institutionen, sowohl militärische als auch zivile, gelten als die Hauptziele in Kabul-Stadt (LIB, Kapitel 5.1.). Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet. Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung. Er gilt als unter Regierungskontrolle, wenn auch unsicher. Im Juli 2020 wurde über eine steigende Talibanpräsenz im Distrikt Paghman berichtet. Es wird berichtet, dass der Islamische Staat in der Provinz aktiv und in der Lage ist, Angriffe durchzuführen (LIB, Kapitel 5.1.).

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 1.563 zivile Opfer (261 Tote und 1.302 Verletzte) in der Provinz Kabul. Im letzten Quartal des Jahres 2019 sowie in den ersten Monaten des Jahres 2020 wurden in der Hauptstadt weniger Anschläge verübt. Seit dem zweiten Quartal 2020 hat die Gewalt Berichten zufolge wieder zugenommen. Selbstmordanschläge und IEDs finden statt und es wurde von gezielten Tötungen und Angriff auf militärische Einrichtungen bzw. Sicherheitskräfte sowohl in Kabul-Stadt wie auch in den Distrikten der Provinz berichtet. Es gibt Berichte über Straßenblockaden und Angriffe auf Highways durch bewaffnete Gruppierungen. Seit Herbst 2018 haben die ANDSF-Kräfte eine konzertierte Anstrengung zur Auflösung militanter Gruppen begonnen, die im und um den Großraum Kabul herum aktiv sind. Die ANDSF setzen gemeinsam mit einem neuen 38 Kommando der Gemeinsamen Streitkräfte, das im Juni 2020 eingerichtet wurde ihre Aktivitäten im Jahr 2020 fort. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen Operationen gegen aufständische Gruppierungen und kriminelle Banden sowie Luftschläge durch und konnten hochrangige Mitglieder der Taliban und des IS festnehmen (LIB, Kapitel 5.1.).

Mazar-e Sharif:

Bei Mazar- e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Laut LIB, Kapitel 5.5. wird bezüglich Mazar-e Sharif über kleinere Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern, meist in der Nähe der blauen Moschee berichtet. Ziel der Anschläge sind oftmals Sicherheitskräfte, es kommt allerdings auch zu zivilen Opfern. Berichtet wird ferner von Straßen-Kriminalität, bewaffneten Raubüberfällen und Kämpfen zwischen Milizführern, lokalen Machthabern und Regierungskräften und Entführungen. Mazar-e Sharif steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung.

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu Sanitäreinrichtungen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Sprachkenntnissen, Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf seinen plausiblen, im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben. Seine Identität steht fest und konnte durch Vorlage eines Reisepasses zweifelsfrei nachgewiesen werden. Sein aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich und die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem österreichischen Strafregister. Betreffend die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben im Verfahren sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt. Die Feststellungen zu seinen in Österreich besuchten Kursen ergeben sich aus den vorgelegten Teilnahmebestätigungen. Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zur Frage der Asylberechtigung:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256). Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265). Die entfernte Möglichkeit einer solchen Verfolgung reicht für die Feststellung von Asylrelevanz nicht aus (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

In seinen Erkenntnissen 2019/14/0566 vom 27.05.2020 und 2019/14/0443 vom 6.4.2020 hat der Verwaltungsgerichtshof bezogen auf gegen eine Asylgewährung erhobene Amtsrevisionen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen, dass ausgehend von den Länderberichten bezogen auf eine Person, die kein „high value target“ bilde, eine Auseinandersetzung mit der Frage zu erfolgen habe, ob diese Person insbesondere in Gebieten die nicht der Kontrolle der Taliban unterstehen über Jahre hinweg wegen der Weigerung, sich den Taliban anzuschließen, gesucht und gefunden werden würde. Eine derartige Annahme bedürfe einer nachvollziehbaren Begründung im Einzelfall. Der bloße Hinweis auf ein „landesweites Netz der Taliban“ überzeuge nicht.

Bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Der BF war aufgrund seiner unter Najibullah ausgeübten beruflichen Tätigkeiten nach dem Sturz dieses Regimes in das Blickfeld der Hezb-e Gulbiddin geraten und wurde der Zusammenarbeit mit den nunmehrigen Feinden der neuen lokalen Machthaber bezichtigt und bedroht. Er konnte sich dieser damals aktuellen Bedrohung erfolgreich durch seine Flucht nach XXXX entziehen.

Eine aktuelle asylrelevante Bedrohung des BF kann aus diesen Feststellungen allerdings nicht abgeleitet werden. Wie sich aus den allgemeinen Berichten zur Situation in Afghanistan ergibt, richten sich Angriffe der Taliban aktuell gegen Personen, die für die derzeitige Regierung arbeiten oder dieser nahe stehen und aus diesem Grund in einer Weise exponiert sind. Das ist beim BF nicht der Fall. Der BF hatte ferner auch in der Vergangenheit keine exponierte berufliche Stellung inne, die allenfalls geeignet sein könnte, seine Gefährdung auch nach langen Jahren der Abwesenheit zu begründen. Soweit der BF vorbringt, dass er sich in den Jahren 2003 bis 2012 in seiner Heimatprovinz unsicher und verfolgt erachtet habe, und weiterhin auf der Straße als Kommunist angesprochen und bedroht worden sei, so führt dies im vorliegenden Gesamtzusammenhang – der BF war 2003 in seine Heimatregion zurückgekehrt - dass ihn manche Bewohner seiner Heimatregion offenbar noch von früher kannten und weiter bedrohten. Für den BF ergibt sich daraus aber kein zwingender Asylgrund, da er aktuell im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die Möglichkeit hätte, Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch zu nehmen. Unter Berücksichtigung der oben genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (2019/14/0566 vom 27.05.2020 und 2019/14/0443 vom 6.4.2020) muss davon ausgegangen werden, dass der BF aufgrund seiner in der Vergangenheit ausgeübten Berufstätigkeit nicht exponiert war und aktuell kein „high value target“ bildet. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF in Gebieten die nicht der Kontrolle der Taliban unterstehen nach wie vor wegen seiner vergangenen beruflichen Tätigkeit beim Militär und bei Gericht gesucht und gefunden werden würde. Die Tatsache allein, dass regierungsfeindliche Gruppen über landesweite Netzwerke verfügen allein reicht nicht aus, um die Gefahr einer asylrelevanten Gefahr zu begründen (VwGH 2019/14/0443 vom 6.4.2020). Auch daraus, dass der BF sich in Österreich gut eingelebt hat und die hier gängige "westlichen" Lebenseinstellung angenommen hat, kann unmittelbar keine konkret und gezielt gegen den BF als Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität abgeleitet werden, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte. Die entfernte Möglichkeit einer solchen Verfolgung reicht für die Feststellung von Asylrelevanz nicht aus (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185). Auf die rein subjektive Wahrnehmung des BF ist im vorliegenden Gesamtzusammenhang nicht abzustellen (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG ist der Asylantrag bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 und § 57 Abs. 11 Z 3 AsylG) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Asylantrag auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Die Zuerkennung von subsidiärem Schutz setzt voraus, dass die Abschiebung des Betroffenen in seine Heimat entweder eine reale Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK bedeuten würde oder für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Herkunftsstaat des Betroffenen mit sich bringen würde.

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).

Für die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK setzt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Einzelfallprüfung voraus. In diesem Zusammenhang sind konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der F

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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