TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/14 W128 2216518-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.06.2021
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Entscheidungsdatum

14.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W128 2216518-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAN, vertreten durch: ZEIGE Zentrum für Europäische Integration u. Globalen Erfahrungsaustausch gegen den Bescheid des BFA, RD Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 26.02.2019, Zl. 1016962309-181008519, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsbürgerin, reiste im September 2014 legal mittels eines Studentenvisums in das Bundesgebiet ein. Nach zwei Verlängerungsanträgen in den Jahren 2016 und 2017 wurde der dritte Verlängerungsantrag für das Studentenvisum mit Bescheid vom 21.12.2017 abgewiesen und erwuchs nach Abweisung einer dagegen erhobenen Beschwerde am 11.10.2018 in Rechtskraft.

Am 22.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG. Begründend brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, sie sei zwischenzeitlich zum Christentum konvertiert, was in ihrem Herkunftsland bekannt geworden sei. Daher sei ihr Leben dort in Gefahr.

2. Mit dem bekämpften Bescheid vom 26.02.2019 wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gewährte der Beschwerdeführerin eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen (Spruchpunkt VI.). In der Begründung wird zusammengefasst ausgeführt, dass die Angaben der Beschwerdeführerin rund um ihre Fluchtgründe als unglaubwürdig zu betrachten seien und ihr nicht gelungen sei, ihre Konversion glaubhaft zu machen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin im Wesentlichen nochmals betonte, dass ihr bei einer Rückkehr in den Iran aufgrund ihrer Konversion zum Christentum eine lebensbedrohliche Verfolgungsgefahr drohen würde. Sie habe sich dem Christentum mit ganzem Herzen zugeneigt und habe lange nach einer Farsi-sprachigen christlichen Kirchengemeinde gesucht. Im September 2017 habe sie sich der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Wien-Döbling („Weinbergkirche“) angeschlossen, welche eine starke iranische Gruppe von Gläubigen habe. Nach Absolvierung der Taufvorbereitung sei sie am 11.04.2018 getauft worden. Sie besuche immer die Gottesdienste und Pfarrveranstaltungen und sie bringe sich in die Pfarraktivitäten ein. Ihr Glaubensabfall sei der Familie ihres im Iran lebenden Ehemannes – dessen Bruder bei der SEPAH in leitender Position tätig sei und dessen Mutter eine fanatische Anhängerin der BASSIJI-Religionswächter sei – bekannt geworden.

4. Am 25.03.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Mit Schreiben vom 21.10.2020 legte die Beschwerdeführerin Studienbestätigungen vom Wintersemester 2019 bis Sommersemester 2020 samt einem Zeugnis über absolvierte Studienleistungen vor, sowie Bestätigungen über den Besuch eines Deutschkurses (B2+), ehrenamtliche Tätigkeiten und ein fünfseitiges Unterstützungsschreiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX in Teheran geboren und ist iranische Staatsbürgerin. Sie ist verheiratet und hat einen in Österreich lebenden (studierenden) Sohn.

Sie hat den Iran im September 2014 legal verlassen und ist am selben Tag in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Die Beschwerdeführerin besuchte 12 Jahre die Schule und schloss diese mit einer Reifeprüfung ab. Im Anschluss hat sie 6 Jahre lang Englisch studiert. Ihre Muttersprache ist Farsi. Sie verfügt auch über Sprachkenntnisse in Deutsch.

Im September 2017 schloss sie sich der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Wien-Döbling („Weinbergkirche“) an. Nach Absolvierung der Taufvorbereitung wurde sie dort am 11.04.2018 getauft.

Sie besucht regelmäßig die Gottesdienste und Pfarrveranstaltungen und bringt sich in die Pfarraktivitäten ein

Die Beschwerdeführerin ist während ihres Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit sowie Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben – evangelischer Ausrichtung - konvertiert. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin ihren christlichen Glauben in ihrem Herkunftsstaat Iran verleugnen würde, woraus sich für sie eine Gefährdung durch iranische Behörden wegen ihrer nunmehrigen Religion ergibt. Es ist nicht auszuschließen, dass ihr Glaubensabfall im Herkunftsstaat bekannt geworden ist.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zur maßgeblichen Situation Iran

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:

Religionsfreiheit: In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen (BFA 23.5.2018). Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran (DIS/DRC 23.2.2018). Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist (AA 26.2.2020; vgl. ÖB Teheran 10.2020). Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament (ÖB Teheran 10.2020). Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten (BFA 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020). Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden (BFA 23.5.2018; vgl. FH 4.3.2020, BAMF 3.2019) und ihre politische Vertretung bleibt schwach (FH 4.3.2020). Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen (AI 18.2.2020).

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Open Doors 2021). Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha'i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert (ÖB Teheran 10.2020).

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt (AI 18.2.2020).

Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt. Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ befanden sich 2019 mindestens 109 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion in Haft (USDOS 10.7.2020).

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (AI 18.2.2020). In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2020).

Christen: Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan (BFA 23.5.2018). Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt, allerdings werden evangelikale Freikirchen von der Regierung nicht als „christlich“ anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020); christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten (ÖB Teheran 10.2020; vgl. AA 26.2.2020, BAMF 03.2019), ebenso die Verbreitung christlicher Schriften (AA 26.2.2020).

Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben (BFA 23.5.2018; vgl. BAMF 3.2019). Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam (ÖB Teheran 10.2020). Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen (USDOS 10.6.2020).

Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen (ÖB Teheran 10.2020). Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft (ÖB Teheran 10.2020; vgl. BAMF 3.2019, BFA 23.5.2018, Open Doors 2021). Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden (BFA 23.5.2018; vgl. ÖB Teheran 10.2020), wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (u.a. Verhaftungen und Beschlagnahmungen). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen (ÖB Teheran 10.2020). Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht (BFA 23.5.2018; vgl. Open Doors). Im Weltverfolgungsindex 2021 von Christen von Open Doors befindet sich Iran auf dem achten Platz (2020: Platz 9). Der Weltverfolgungsindex ist eine Rangliste der 50 Länder, in denen Christen der stärksten Verfolgung und Diskriminierung wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind. Je niedriger die Zahl, desto höher die Verfolgung. Im Berichtszeitraum ist die Zahl der verhafteten Christen des Weltverfolgungsindex 2021 im Gegensatz zum Vorjahr (169) gesunken. Es gab keine breitangelegte Verhaftungswelle, auch wenn es im Juni 2020 eine Razzia gab. Eine genaue Zahl wird im Bericht nicht genannt (Open Doors 2021). Christen werden weiterhin schikaniert, willkürlich inhaftiert und wegen der Ausübung ihres Glaubens verurteilt. Dies betrifft auch Personen, die zum Christentum konvertiert waren (AI 18.2.2020). Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden (AA 26.2.2020).

Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden (BFA 23.5.2018). Es gehört zum Erscheinungsbild in den Großstädten, dass christliche Symbole im Modebereich als Accessoires Verwendung finden und auch in den entsprechenden Geschäften angeboten werden. Auch Dekorationen mit christlichen Motiven sind nicht ungewöhnlich. Eine solche kommerzielle Präsentation führte bisher nach Darstellung der in Teheran vertretenen westlichen Botschaften zu keinen Strafverfahren. Laut der Nachrichtenseite der iranischen Christen, Mohabat News, können Christen öffentlich im ganzen Land Weihnachtsgeschenke, Tannenbäume oder Schmuckwaren für ihre Feste kaufen. Vor einigen Kirchen in Teheran stehen anlässlich der Weihnachtsfeiertage, zu denen von staatlicher Seite immer wieder Glückwünsche übermittelt werden, Weihnachtsbäume (BAMF 3.2019).

Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen: Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2020). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2020; vgl. DIS/DRC 23.2.2018).

Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden auch 2018 und 2019 viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf (ÖB Teheran 10.2020).

Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2020).

Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden „kontrolliert“, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet (ÖB Teheran 10.2019). Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind (DIS/DRC 23.2.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018). Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen, und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020).

Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (ÖB Teheran 10.2020).

Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit (ÖB Teheran 10.2020; vgl. Landinfo 16.10.2019). Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden (ÖB Teheran 10.2020), bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020). Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 10.2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018; vgl. Landinfo 16.10.2019).

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung (BAMF 3.2019). Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen (DIS/DRC 23.2.2018). Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2020).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (USDOS 21.6.2019). Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens des Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der „Katholischen Jerusalem Bibel“ ins Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis in Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetzte noch im Jahr 2015 den „Katechismus der Katholischen Kirche“ ins Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (BAMF 3.2019).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Konversion ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschrift der Einvernahme durch das BFA (21.02.2019), der Beschwerdeschriftsatz, das LIB 2020 zum Iran, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der im Verfahren vor dem BFA vorgelegte Taufschein samt Bestätigungen des evang. Pfarramtes A.B. Wien-Döbling und weiteren Unterlagen und Empfehlungsschreiben, das dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Urkundenkonvolut, der Strafregisterauszug vom 14.06.2021 sowie der Inhalt des Verwaltungsaktes zum Asylverfahren.

2.2. Vorab ist festzuhalten, dass die von der belangten Behörde getroffene Beweiswürdigung (zum Teil grob) unschlüssig ist und in gravierender Weise dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, welches in der Niederschrift vom 21.02.2019 protokolliert wurde, entgegensteht:

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0426, mwN).

Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel.

Im vorliegenden Fall verneinte die Behörde einen aus innerer Überzeugung erfolgten Religionswechsel und führte dazu aus, dass aus den niederschriftlichen Angaben keine stabile und innere Glaubensüberzeugung hervorgehe, was aus folgenden Überlegungen unsachlich ist:

Die Behörde vermeint, dass es unglaubwürdig wäre, wenn die Beschwerdeführerin die Tante ihres Gatten zu sich einladen würde, welche „sehr gut mit dem Schwager wäre, welcher bei der SEPAH tätig wäre“, bleibt aber eine nähere Begründung schuldig, warum dies so wäre. Es entspricht wohl eher der allgemeinen Lebenserfahrung, dass man, wenn man im Ausland wohnt und eine Verwandte zu Besuch ist, diese auch einlädt. Außer dem Religionswechsel wurde auch nichts vorgebracht, was für ein vergiftetes Verhältnis zwischen den beiden Damen sprechen würde, damit diese selbstverständliche Geste der Höflichkeit nicht eingehalten würde.

Die Behörde lässt dabei außer Acht, dass es für die Beschwerdeführerin als Christin spricht, wenn sie ein Kreuz und eine Bibel mehr oder weniger selbstverständlich – und ohne daran zu denken, dass ihr das zum Nachteil gereichen könne – bei sich zu Hause liegen hat, sodass dies von der Tante wahrgenommen werden kann.

Die Behörde stellt weiters fest, dass es nicht schlüssig und glaubwürdig sei, dass der Schwager der Beschwerdeführerin kein Problem damit hätte, dass ihr Gatte nach wie vor mit einer Konvertitin verheiratet wäre, obwohl er ihr mit dem Tod gedroht hätte. Es sei auch zu bezweifeln, dass es den Schwager nicht stören würde, dass der Sohn der Beschwerdeführerin in Österreich studiere und Zeit mir ihr verbringe.

Es ist nicht nachvollziehbar, was diese Feststellungen damit zu tun haben, dass die Beschwerdeführerin zum Christentum konvertiert ist. Es ist nicht ersichtlich, warum der Schwager ein Problem mit seinem Bruder haben sollte, weil dessen Ehefrau, die nicht einmal bei ihm wohnt, zum Christentum konvertiert ist. Dass ihm das missfällt und dass er ihr den Tod wünscht, hat er zu verstehen gegeben. Es läge vielmehr am Ehegatten der Beschwerdeführerin, groll gegen seinen Bruder zu hegen als umgekehrt.

Als Aktenwidrig ist insbesondere die Beweiswürdigung zur Konversion anzusehen. Die Behörde führt aus, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, zu erklären, wie sie „diesen mittigen Stellenwert [Anm.: der Religion] in Österreich“ konkret wahrnehme. Dazu ist in der Niederschrift vom 21.02.2019 Folgendes protokolliert:

„Auff [Behörde]: Wie nehmen sie den Stellenwert der Religion in Österreich wahr? Wie präsent ist die Religion in Österreich?

A [Beschwerdeführerin]: Es ist hier in der Mitte, es ist nicht wie bei uns im Iran.

Auff: Erklären Sie mir wie Sie diesen mittelmäßigen Stellenwert in Österreich wahrnehmen?

A: Ich meine, dass hier alles frei ist. Manche tragen ein Kopftuch manche, nicht, manche gehen in die Kirche manche nicht, es ist total durchmischt.

F: Wie kann eine Religion einen so hohen Stellenwert für Sie haben, sie wurden nicht gläubig erzogen, sie sind verheiratet, haben ein Kind und nun da sie in Österreich sind, wo Religion nicht sehr präsent ist und das Straßenbild dominiert, sind Sie konvertiert.

A: Als ich verheiratet war wurde ich sehr viel kontrolliert, ich musste mich verhüllen, ich musste beten, es wurde vieles aufgezwungen. Ich hab damals sehr viele Paradoxe festgestellt. Ich habe recherchiert. Damals war ich nicht sehr gläubig, ich habe nur an Gott geglaubt. Nach meiner Recherche hab ich festgestellt, dass das Christentum der richtige Weg ist, der zu Gott führt.“

Davon abgesehen, dass es völlig im Dunkel bleibt, was die Behörde mit dieser Frage bezweckt ist die Feststellung, die Beschwerdeführerin sei mit dieser Antwort der Aufforderung nicht nachgekommen, in keiner Weise nachvollziehbar.

Aus der Aussage geht eindeutig hervor, dass nach Auffassung der Beschwerdeführerin die Religion (allgemein) in Österreich keinen so hohen Stellenwert hat, wie im Iran. Man kann es sich hierzulande aussuchen, ob man sich an religiöse Vorschriften (Kopftuchtragen, Verhüllung des Körpers, regelmäßiges Beten, etc.) hält oder nicht.

Rätselhaft bleibt, warum die Behörde der Beschwerdeführerin vorwirft, sich nicht ausreichend mit dem Judentum oder dem Buddhismus auseinandergesetzt zu haben und sich nicht genau an weitere Inhalte erinnern könne, obwohl sie doch intelligent sei. Der Vorwurf in der Bescheidbegründung, sie habe in diesem Zusammenhang bewusst unwahre Angaben vor der belangten Behörde gemacht, grenzt dabei an den Verdacht einer Voreingenommenheit durch die Sachbearbeiterin. Aus dem Protokoll vom 21.02.2019 ist Folgendes ersichtlich:

„F: Mit welcher Religion außer dem Christentum haben Sie sich beschäftigt?

A: Buddhismus und ein bisschen Judentum.

Auff: Erzählen Sie über die jeweiligen Religionen und weshalb Sie sich dagegen entscheiden haben.

A: Im Judentum habe ich wie im Islam sehr viele Regeln festgestellt. Buddhismus hat mir auch nicht gefallen. Ich kann mich an vieles nicht erinnern.

Wiederholung der Aufforderung. Sie haben 6 Jahre in Iran studiert und studieren ebenfalls in Österreich. Daher ist es nicht glaubwürdig, wenn Sie meinen, dass Sie sich an vieles nicht erinnern könnten. Sie sind eine intelligente Frau.

A: Ich habe Gemeinsamkeiten festgestellt zwischen dem Alten Testament und […]

Wiederholung der Aufforderung und des Vorhaltes!

A: Es ist ca. 3 oder 4 Jahre her, dass ich über den Buddhismus gelesen habe. Mir fällt momentan nicht viel ein.

V: Nicht viel und gar nichts ist ein Unterschied. Haben Sie sich in der Tat über andere Religionen erkundigt oder nur über das Christentum?

A: Hauptsächlich habe ich über das Christentum gelesen, über die anderen hab ich nur was gehört.“

Hier ist eindeutig erkennbar, dass sich die Beschwerdeführerin mit dem Judentum auseinandergesetzt hat und dort, ebenso wie im Islam, viele Regeln festgestellt habe. Es ist bei der großen Auswahl an Religionen auch nicht nachvollziehbar, wie die Behörde festzustellen vermag, wenn die Beschwerdeführerin aus eigenem den Buddhismus herauspickt, dass sie sich nicht damit beschäftigt habe und ihr das als bewusst unwahre Angabe entgegenhält.

Für eine Voreingenommenheit der Behörde spricht auch jener Absatz, in welchem die Behörde der Beschwerdeführerin unterstellt, nicht mehr Paradoxe als fehlende Menschenrechte und Frauenrecht aufzählen zu können, obwohl sie angepriesen habe, dass Sie viele Paradoxe gefunden hätte. Hier lässt die Behörde in der Beweiswürdigung nämlich die protokollierte Hauptaussage und somit den Succus der Ausführungen der Beschwerdeführerin weg. Die entsprechende Aussage aus dem Protokoll vom 21.02.2019 lautet wie folgt:

„F: Welche Paradoxe [am Islam] meinen Sie. Zählen Sie kurz und prägnant welche auf.

A: Es gibt keine Menschenrechte und Frauenrechte, in den Büchern steht, dass man die Rechte einhalten soll, aber das gibt es in der Praxis nicht. Das wars, sonst gibt es keine. Grundsätzlich, das was geschrieben steht, wird nicht praktiziert. [Hervorhebungen durch das BVwG]“

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist sowohl unschlüssig als auch nicht geeignet, die Frage der inneren Konversion der Beschwerdeführerin zu beurteilen. Von einer schlüssig begründeten Beweiswürdigung kann nämlich nicht gesprochen werden, wenn die Behörde ihre Entscheidung - nicht bloß untergeordnet - mit (unsachlichen) Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt.

Andererseits standen der Behörde genügend Beweismittel – insbesondere die persönlichen Aussagen der Beschwerdeführerin, aus dem Protokoll vom 21.02.2019 – zur Verfügung, um diese Frage abschließend zu beantworten.

2.3. Bei der Beurteilung, ob es sich um eine Konversion oder eine Scheinkonversion handelt, kann eingangs festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin sechs Jahre Englisch studiert hat, was als Beweis dafür gelten kann, dass Sie sich ausgiebig mit der Europäischen Kultur und den Europäischen Werten, für die das Christentum ein integraler Bestandteil ist, auseinandergesetzt hat. Dass ein Studium der englischen Sprache nicht ohne Auseinandersetzung mit englischen Texten, die englische Kultur und Werte beschreiben, von Statten geht, kann als notorisch angesehen werden.

Befrag, was die Beschwerdeführerin in ihrer Freizeit macht, gibt sie an zweiter Stelle an „Ich […] lese die Bibel.“

Befragt nach ihrer Lieblingsstelle gibt sie an: „Matthäus habe ich gerne. Befragt nach dem Grund gebe ich an, dass ich es nicht weiß, ich habe mit diesem Teil begonnen und habe ihn am besten verstanden.“

Befragt, wie die Bibel aufgebaut sei, gibt die Beschwerdeführerin an: „Es gibt 4 Evangelien- Lukas, Matthäus, Johannes, Markus. Befragt nach dem weiteren Aufbau und der weiteren Teilung gebe ich an, dass die in Kapitel eingeteilt sind. Das heilige Buch besteht aus dem alten und neuen Testament. Die Bibel besteht aus 66 Büchern 39 sind im Alten Testament und 27 sind im Neuen Testament.“

Aus diesen Aussagen ist erkennbar, dass die Beschwerdeführerin einerseits einen technischen Überblick über den Umfang der Bibel hat und andererseits auch ihre Lieblingsstelle in der Jesusgeschichte nach Matthäus hat, die sie als erstes gelesen hat. Dass sie mit diesem Teil begonnen hat, kann auch als Indiz dafür gewertet werde, dass sie nicht wahllos in der Bibel einzelne Stellen gelesen hat, sondern mit diesem (ersten) Evangelium von vorne begonnen hat.

Ein weiteres Indiz für ein genaueres Studium der Bibel ist aus jener Passage der Niederschrift zu entnehmen, wo die Referentin die Beschwerdeführerin auf den Unterschied zwischen Kritik und kritischem Auseinandersetzen hinweist und sie wissen möchte ob die Beschwerdeführerin Dinge am Christentum kritisch sieht. Darauf antwortet sie, dass sie es ungerecht findet, dass Isaak einen seiner Söhne lieber hat als den anderen und jener sich dann gezwungen sieht so zu tun als wäre er der andere. Der Vater konnte aber die Söhne nicht unterscheiden.

Auf die Frage, wann die Beschwerdeführerin das letzte Mal eine Messe besucht habe, antwortete sie „Das war letzten Sonntag.“ Sie konnte auch den ungefähren Inhalt der Predig wiedergeben.

Die Fragen, wann Weihnachten gefeiert werde, konnte sie detailliert angeben und führte dazu aus, dass es am 25.12. gefeiert wird und manche das bereits am 24.12. tun. Auf Nachfrage gab sie an, dass man in Österreich am 24.12. feiert.

Sie selber sei am 25.12. in der Kirche gewesen, wo ein Gottesdienst gefeiert und gebetet wurde und es habe auch etwas zu trinken und Speisen gegeben.

Auf die Frage, ob sie auch privat gefeiert habe, gab sie an, sie habe am Donnerstag danach mit ihrem österreichischem Freund gefeiert, wo sie draußen essen waren, eine gekaufte Torte verspeisten und sich gegenseitig beschenkten.

Daraus ist erkennbar, dass die Beschwerdeführerin nicht nur formal ihren religiösen Pflichten nachkommt, sondern sich im Geiste von Weihnachten mit einem Freund trifft, feiert, wobei etwas Besonderes serviert wird und man sich gegenseitig beschenkt.

Die Beschwerdeführerin konnte auch die Frage nach dem Grund von Weihnachten beantworten und gab an: „Die Geburt von Jesus. Er ist in Bethlehem geboren.“

Als die Beschwerdeführerin gefragt wurde, sie soll das Christentum kurz erklären, damit es ein 5-jähriges Kind verstehen würde gab sie an: „Gott hat Jesus gewählt um die Menschen von ihren Sünden zu befreien. Er wurde wegen unserer Sünden gekreuzigt, ist nach 3 Tagen auferstanden, damit wir das ewige Leben finden. Er war 40 Tage da und ist den Aposteln erscheinen. Er ist hinauf in den Himmel aufgestiegen.“

Damit ist es der Beschwerdeführerin gelungen, das Wesentliche in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen, was als Beweis dafür zu sehen ist, dass sie den Kern der christlichen Botschaft verstanden und verinnerlicht hat.

Dass die Beschwerdeführerin den Taufkurs besuchte und am 11.04.2018 in der Weinbergkirche Wien-Döbling getauft wurde, ergibt sich aus den insofern unbedenklichen und mit öffentlichem Glauben ausgestatteten Urkunden des Evangelischen Pfarramtes A.B. Wien-Döbling.

Weiters finden sich im Akt Bestätigungen von Pfarrerin XXXX und Pfarrer XXXX , die für die Jahre 2018 und 2019 bestätigen, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig die Gottesdienste besucht und am Kirchenkaffee teilnimmt. Diese Bestätigungen können ebenso als unbedenklich und richtig angesehen werden.

Ebenso ist auf das Empfehlungsschreiben des Kurators der Evang. Pfarrgemeinde A.B. Wien-Döbling und seiner Gattin vom 17.02.2019 zu verweisen, aus dem ebenfalls hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin den Gottesdienst regelmäßig besucht und sich in einer 14 tägigen Bibelrunde mit den Inhalten der Bibel auseinandersetzt. Diese Bibelrunde wollte sie aber erst besucht, nachdem sie die Bibel ganz gelesen habe.

Die belangte Behörde hat den stellvertretenden Kurator als Zeugen einvernommen und dazu ausgeführt, dass dessen Aussage nichts zur Glaubwürdigkeit der der Konversion beitragen können, da der Zeuge keine besondere Nahebeziehung zur Beschwerdeführerin habe und nur allgemeine Szenarien geschildert habe. Dies kann als weitere Aktenwidrigkeit angesehen werden, da der Zeuge Folgendes ausgesagt hat: „Sie ist in der zweiten Jahreshälfte 2017 zu uns gekommen. Sie ist ein Wenig schüchtern hat sich aber in der Gemeinde sehr gut eingelebt. Sie hat sich sicher über das Christentum informiert und hat an einem Taufkurs teilgenommen und sich taufen lassen. Es hat ihr sichtlich große Freude bereitet. Sie lebt in der Gemeinde mit. […] Sie kommt sehr häufig in den Gottesdienst. Lernt danach die Leute kennen, danach ist immer Kirchenkaffee in welchem man zusammensitzt. Voriges Jahr wurde ein iranisches Kulturfest gemacht, wo sie sich eingebracht hat. Wir haben auch eine Bibelrunde wo sie einmal mitgemacht hat und sie meinte, sie möchte zuerst die Bibel ganz auf Farsi und auf Deutsch lesen, […]“.

Wie der Zeuge, ohne Nahebeziehung wahrnehmen konnte, dass die Beschwerdeführerin schüchtern sei und ihr der Taufkurs sichtlich Freude bereitet habe, bleibt die belangte Behörde schuldig auszuführen. Hingegen wird auch durch den Zeugen bestätigt, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig den Gottesdienst besucht und auch das die Beschwerdeführerin zuerst die Bibel ganz lesen wollte, bevor sie sich der Bibelrunde anschloss.

Die Beschwerdeführerin hat sich bereits im September 2017 der Evangelischen Gemeinde A.B. angeschlossen. Im Dezember 2017 wurde ihr Verlängerungsantrag betreffend das Studentenvisum abgewiesen und erwuchs am 11.10.2018. nach Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde in Rechtskraft. Am 22.10.2018 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Annahme der Behörde, die Beschwerdeführerin habe als Reaktion auf den Verlust der Aufenthaltsberechtigung zum Schein Konvertiert, ist schon aus diesem Gesichtspunkt nicht plausibel.

Hingegen scheint das Vorbringen bezüglich des für die SEPAH tätigen Schwager, welches die Beschwerdeführerin mittels Dokumenten und Fotos untermauerte plausibel und glaubhaft. Unter Berücksichtigung des Setups der Erstbefragung ist auch kein Widerspruch zu erkennen, wenn die Beschwerdeführerin erst vom „Chef der Geheimpolizei“ und später von einem Leiter der Cyber-Abteilung spricht. Was eher einer Präzisierung als einer Steigerung gleichkommt. Auch, dass die – schon alleine aus biologischen Notwendigkeiten – weit über 70-jährige Schwiegermutter eine Anhängerin der BASSIJ, und kein aktives Mitglied, konnte die Beschwerdeführerin plausibel aufzeigen.

Insgesamt zeigen so die von der Behörde aufgenommenen Beweise zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit sowie Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben – evangelischer Ausrichtung – konvertiert ist.

2.4. Die Länderfeststellungen unter 1.2. gründen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Iran mit Stand 2020/letzte Änderungen 2021, und da wiederum auf die folgenden Einzelquellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.2019): Länderreport Nr. 10. Iran. Situation der Christen, https://coi.easo.europa.eu/administration/germany/PLib/DE_BAMF_Laenderreport_10_Iran_Mar-2019.pdf, Zugriff 18.12.2020

BFA – Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (23.5.2018): Analyse Iran – Situation armenischer Christen, https://www.ecoi.net/en/file/local/1431384/5818_1525418941_iran-analyse-situation-armenischer-christen-2018-05-03-ke.pdf, Zugriff 17.4.2020

DIS/DRC – Danish Immigration Service [Dänemark]/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 17.4.2020

Landinfo [Norwegen] (16.10.2019): Iran: Kristne konvertitter – en oppdatering om arrestasjoner og straffeforfølgelse, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019853/Respons-Iran-Kristne-konvertitter-en-oppdatering-om-arrestasjoner-og-straffeforf%C3%B8lgelse-AVA-16102019.pdf, Zugriff 5.1.2020

ÖB Teheran – Österreichische Botschaften [Österreich] (10.2020): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2041432/IRAN_%C3%96B-Bericht_2020_10.pdf Zugriff 3.12.2020

Open Doors (2021): Weltverfolgungsindex 2021 Länderprofil Iran (Berichtszeitraum 1. Oktober 2019 – 30. September 2020), https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 19.1.2021

USDOS – US Department of State [USA] (10.7.2020): 2019 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031370.html, Zugriff 16.12.2020

USDOS – US Department of State [USA] (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2031370.html, Zugriff 16.12.2020

USDOS – US Department of State [USA] (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020

An der Aktualität, Verlässlichkeit und Richtigkeit der Informationen hat das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu A)

3.2.1. Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder, wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 5. September 2012, Y und Z, C-71/11 und C-99/11, bereits erkannt, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor asylrelevanter Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Die Tatsache, dass ein Asylwerber im Herkunftsstaat etwa aufgrund eines Gesetzes über Apostasie eine Todes- oder Freiheitsstrafe droht, kann für sich genommen - wie der EuGH in seinem Urteil vom 4. Oktober 2018, Bahtiyaar Fathi, C-56/17, Rn. 94 bis 96, präzisiert hat - eine "Verfolgung" im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie darstellen, sofern eine solche Strafe in dem Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395; vgl. auch VwGH, 17.12.2019, Ra 2019/18/0350).

3.2.2. Aufgrund ihrer erfolgten inneren Konversion ist es durchaus anzunehmen, dass der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat bei zuzubilligender weiterer Auslebung seines Glaubens eine aktuelle und wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch iranische Behörden wegen ihrer Religion droht.

Die drohende Verfolgung geht von Staat aus, weshalb eine Schutzwilligkeit der staatlichen Behörden im Iran nicht angenommen werden kann. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht zur Verfügung, da die staatliche Verfolgung im ganzen Land drohen würde.

Die Beschwerdeführerin hält sich somit aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Religion außerhalb des Irans auf und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da auch keine Ausschlussgründe nach § 6 AsylG vorliegen, ist der Beschwerde stattzugeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 schon aus diesem Grund der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit“) gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

3.3.3. Für die Beurteilung ob es sich um eine Konversion oder eine Scheinkonversion handelt, ist nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Glaubwürdigkeit der inneren Überzeugung dabei in einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände einschließlich Zeugenaussagen und religiöser Aktivitäten der betroffenen Person zu beurteilen (siehe VwGH vom 12.06.2020, Ra 2019/18/0440). Diese Beurteilung konnte bereits aufgrund der von der Behörde umfassend aufgenommenen, von der Behörde jedoch nicht, bzw. nicht nachvollziehbar gewürdigten, Beweise getroffen werden. Da eine öffentliche mündliche Erörterung kein anderes Ergebnis erwarten lassen, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer Verhandlung abgesehen werden. Der EGMR hat die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann. Da dem Vorbringen der Beschwerdeführerin gefolgt wird, ist die hier der Fall.

3.3. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – unter Punkt 3.2. dargestellten – Rechtsprechung des V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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