TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/27 95/20/0437

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Veröffentlicht am 27.02.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Februar 1995, Zl. 4.320.599/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und am 25. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Er hat am 26. Juni 1991 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg am 2. August 1991 gab er zusammengefaßt zu seinen Fluchtgründen an: Er sei seit 1984 aktiv in der "PPP" (Pakistan People"s Party) in seinem Heimatbezirk Punjab tätig gewesen, wo er Versammlungen organisiert und Plakate gestaltet habe. Am 24. Oktober 1990 habe die vormals oppositionelle "IJI" (Islami Jamhuri Ittehad) die Wahlen gewonnen. Er sei noch am selben Tag von Funktionären der IJI des Wahlbetrugs beschuldigt und eingesperrt worden. Die Polizei habe ihn verhaftet und mündlich beschuldigt, Wahlbetrug begangen sowie bei einem Streit mit Oppositionellen einen Mann so schwer verletzt zu haben, daß dieser gestorben sei. Ob er wirklich jemanden schwer verletzt habe, könne er nicht sagen, weil er in einen Tumult verwickelt gewesen sei, in dem aufeinander losgeschlagen worden sei. Er sei drei Monate in Haft gewesen. Zu einer Einvernahme oder einer Anzeige sei es schließlich nicht gekommen. Während der Haft sei er auch "geschlagen" worden. Im Jänner 1991 sei er gegen Bezahlung einer Kaution freigelassen worden und er habe sich in der Folge vor der Polizei versteckt gehalten.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 20. August 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention (betreffend die Flüchtlingseigenschaft) nicht erfülle.

In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen seine erstinstanzlichen Angaben.

Der diese Berufung abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 31. August 1993 wurde mit hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994 (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) aufgehoben, wodurch das Berufungsverfahren wieder bei der belangten Behörde anhängig wurde.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 bot die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Gelegenheit, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz zu relevieren. Weiters teilte die belangte Behörde mit, daß sie es als notorische Tatsache ansehe, daß unter den derzeitigen politischen Gegebenheiten in Pakistan eine Verfolgung von Mitgliedern der PPP aus Gründen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht wahrscheinlich sei. Die PPP sei aus den Parlamentswahlen am 6. Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen und stelle mit Benazir Bhutto auch die Premierministerin Pakistans. Es sei daher davon auszugehen, daß er als einfaches Mitglied der PPP im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit keiner politisch motivierten Verfolgung zu rechnen habe bzw. daß ihm staatlicher Schutz gegen Übergriffe Privater nicht in diskiminierender Weise versagt (werden) würde. Ebenso sei anzunehmen, daß allfällige Ermittlungen bzw. Gerichtsverfahren gegen ihn nicht aus politischen Erwägungen zu seinem Nachteil manipuliert würden.

In der daraufhin erstatteten Berufungsergänzung vom 9. Jänner 1995 machte der Beschwerdeführer keine Verfahrensmängel geltend. Auf die ihm vorgehaltenen politischen Umwälzungen erwiderte er, daß in seinem Heimatbezirk (Punjab) das politische Geschehen nicht durch die PPP, sondern vielmehr durch die "IGI" (richtig: IJI) bestimmt werde. Die von der belangten Behörde vorgetragenen Überlegungen im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen vom 6. Oktober 1993 kämen deshalb nicht zum Tragen, weil in seinem Heimatbezirk der PPP keine Entscheidungsgewalt zukomme. Im Falle einer Rückkehr sei deshalb der Beschwerdeführer dem Zugriff der Angehörigen der IJI ausgesetzt und würde sofort getötet werden. Da das politische Geschehen durch die IJI bestimmt werde, hätte der Beschwerdeführer auch keine Chance auf ein faires gerichtliches Verfahren hinsichtlich der gegen ihn ungerechtfertigt erhobenen "poltisch motivierten" Delikte.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid die Berufung neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte sie aus, daß die Verhaftung des Beschwerdeführers angesichts des Umstandes, daß er in eine Auseinandersetzung, die zum Tode einer Person geführt habe, verwickelt gewesen sei, nicht als illegitime Verfolgungshandlung gesehen werden könne. Aufgrund des gegen den Beschwerdeführer erhobenen Verdachtes sei es korrekt und legitim, wenn die Polizei gegen ihn einschreite und ihn zu verhaften suche. Anhaltspunkte für eine dadurch bedingte asylrelevante Verfolgung lägen nicht vor. Selbst im Falle, daß die Strafvorwürfe gegen den Beschwerdeführer zu Unrecht erhoben worden sein sollten, könne darin noch kein asylrelevanter Aspekt erblickt werden. Es sei ihm grundsätzlich zuzumuten, sich wie jeder andere Staatsbürger in jedem anderen Staat dem Gericht zu stellen und die aufgebotenen Beweismittel zu entkräften. Der Beschwerdeführer sei gegen Bezahlung einer Kaution entlassen worden, woraus abzuleiten sei, daß er von den pakistanischen Behörden nicht aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention verfolgt werde.

Angesichts der politischen Umwälzungen in Pakistan - die PPP sei aus den Parlamentswahlen vom 6. Oktober 1993 als stärkste Partei hervorgegangen und stelle mit Benazir Bhutto die Premierministerin Pakistans - sei es nicht wahrscheinlich, daß der Beschwerdeführer als Mitglied dieser Partei im Falle seiner Rückkehr mit einer politisch motivierten Verfolgung zu rechnen habe bzw. daß ihm staatlicher Schutz gegen Übergriffe Privater in diskriminierender Weise versagt (werden) würde. Es sei auch nicht wahrscheinlich, daß allfällige Ermittlungen bzw. Gerichtsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Wahlbetrugs bzw. Körperverletzung mit Todesfolge nunmehr aus politischen Erwägungen zu seinem Nachteil manipuliert würden. Der Beschwerdeführer habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert, daß ihm trotz dieser geänderten Umstände kein staatlicher Schutz gewährt werden sollte. Wenn der Beschwerdeführer behaupte, allfällige gegen ihn gerichtete Ermittlungen oder Gerichtsverfahren wegen ihm angelasteter strafrechtlich relevanter Delikte könnten nicht fair geführt werden, so sei dies schon aufgrund seines "politischen Engagements an wenig prominenter Stelle" unwahrscheinlich. Selbst wenn in seinem Heimatbezirk signifikant mehr politische Gegner leben sollten, so könnte er diesem Umstand auch durch Umzug in einen anderen Landesteil seines Heimatlandes begegnen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, geltend machende Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer gab als Grund für seine Flucht an, daß er als Aktivist der PPP u.a. Wahlen organisiert habe, in deren Zusammenhang es zu einer Auseinandersetzung mit politischen Gegnern gekommen sei. Im Zuge einer derartigen tätlichen Auseinandersetzung anläßlich einer Wahl sei eine Person zu Tode gekommen, weshalb er von der Polizei wegen des von Mitgliedern der "IJI" erhobenen Vorwurfes des versuchten Wahlbetruges und der Körperverletzung mit tödlichen Folgen verhaftet worden sei. In der Berufungsergänzung präzisierte er sein Vorbringen dahingehend, daß seine wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung darin begründet sei, daß er in seinem Heimatbezirk ein faires Gerichtsverfahren zur Überprüfung der erhobenen Vorwürfe nicht erwarten könne.

Dem Vorhalt im Berufungsverfahren, daß seine Partei aus den Parlamentswahlen am 6. Oktober 1993 als stärkste politische Gruppe hervorgegangen sei und nunmehr die Premierministerin Pakistans stelle, hielt der Beschwerdeführer entgegen, daß dies im Punjab, also in seinem Heimatbezirk, anders sei. Dort habe die "PPP" keine Entscheidungsgewalt, weil im Punjab das politische Geschehen durch die "IJI" bestimmt werde. Der Beschwerdeführer trat im Verwaltungsverfahren der Annahme der belangten Behörde, angesichts der politischen Umwälzungen in seinem Heimatland habe er eine politisch motivierte Verfolgung durch die Polizei bzw. durch die Gerichtsorgane wegen der erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht (mehr) zu befürchten, somit nur insoweit entgegen, als diese Annahme im Hinblick auf die besondere politische Konstellation im Punjab dort nicht zutreffe. Der Beschwerdeführer hat seine wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung somit ausschließlich mit der besonderen politischen Machtkonstellation in seinem Heimatbezirk begründet, weil dort infolge des bestimmenden Einflusses der "IJI" eine unbeeinflußte Überprüfung der gegen ihn erhobenen Strafvorwürfe nicht zu erwarten sei. Damit wird aber das Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatland aufgrund der politischen Umwälzungen infolge der Wahl im Oktober 1993 nicht der Gefahr einer politisch beeinflußten Polizei bzw. Justiz ausgesetzt, für das Staatsgebiet außerhalb des Punjab nicht entkräftet. Wenn im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen wird, daß der Beschwerdeführer der besonderen politischen Machtposition der "IJI" im Punjab dadurch entgehen könne, daß er sich außerhalb deren Einflußbereiches in Pakistan niederlasse, so ist diese Erwägung nicht als unschlüssig zu erkennen. Auch in der vorliegenden Beschwerde verweist der Beschwerdeführer konkret nur auf den besonderen Machteinfluß der "IJI" im Punjab sowie darauf, daß der von der belangten Behörde vorgeschlagene Umzug in einen anderen Landesteil "vollends unzumutbar ist, da dieser einen humanitären Eingriff besonderer Härte darstellen würde, zumal die Familie zerrissen und der Beschwerdeführer seine im Heimatort wohlerworbenen Rechte und Besitztümer ideeller und materieller Natur aufgeben und zurücklassen müßte". Diese Umstände sind aber nicht anders gelagert, wenn der Beschwerdeführer sein Land verläßt und in Österreich um Asyl ansucht. Davon abgesehen macht der Beschwerdeführer nicht geltend, daß ihm außerhalb des "Punjab" in seinem Heimatland die Existenzgrundlage entzogen wäre. Die allgemein gehaltene Behauptung, selbst durch einen Umzug in einen anderen Landesteil in Pakistan könne eine Verfolgung durch die "IJI" nicht ausgeschlossen werden, ist mangels jeglicher Konkretisierung vor dem Hintergrund der auch vom Beschwerdeführer selbst angegebenen politischen Machtkonstellationen nicht nachvollziehbar und erfüllt nicht das Kriterium der ausreichenden Wahrscheinlichkeit einer objektiv zu befürchtenden, dem Heimatstaat zurechenbaren asylrelevanten Verfolgung.

Das erstinstanzliche Vorbringen erschöpfte sich in der Behauptung, daß im Gefolge einer Auseinandersetzung einer stattgefundenen Wahl ein politischer Gegner zu Tode gekommen sei, worauf der Beschwerdeführer wegen des von der Opposition erhobenen Vorwurfes der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang sowie des Wahlbetruges verhaftet worden sei. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erwähnte, diese Vorwürfe seien zu Unrecht erhoben worden, ist anzumerken, daß er nach seiner eigenen Aussage in erster Instanz nicht ausschließen konnte, daß er tatsächlich eine Person schwer verletzt habe. Demgemäß kann im Umstand der Inhaftierung für sich allein noch kein asylrelevantes Merkmal erblickt werden, sofern der Beschwerdeführer mit einer objektiven Überprüfung der erhobenen Vorwürfe durch die dafür zuständigen staatlichen Organe rechnen durfte. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach einer dreimonatigen Haft entlassen worden war, läßt zwar nicht zwingend die Schlußfolgerung zu, daß der Beschwerdeführer mit einem rechtstaatlichen Vorgehen der zuständigen Organe rechnen durfte. Andererseits steht dieser Umstand einer solchen Schlußfolgerung auch nicht entgegen. Die im gesamten Verwaltungsverfahren (und auch in der vorliegenden Beschwerde) nicht weiter konkretisierte Behauptung, er sei während seiner Haft "geschlagen" worden, läßt keine Überprüfung darauf zu, ob und inwieweit dabei eine asylrechtlich erhebliche Eingriffsintensität stattgefunden hat.

Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers kann daher - wie bereits ausgeführt - der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorgelegene gesamtpolitische Konstellation außerhalb des Punjab eine den Beschwerdeführer bedrohende Verfolgung (in Form eines politisch gelenkten Gerichtsverfahrens) aus Gründen des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 als nicht gegeben erachtet hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200437.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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