TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/15 W124 2173147-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2021
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Entscheidungsdatum

15.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W124 2173147-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 55, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein Staatsangehöriger von Indien, reiste mit einem Schengen-Visum der Kategorie C mit Gültigkeit von XXXX bis XXXX gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und seiner Tochter in das österreichische Bundesgebiet ein. Am XXXX stellten der Beschwerdeführer sowie seine mitgereisten Familienangehörigen jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung des Beschwerdeführers vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, er stammte aus Neu-Delhi, verfüge über eine Berufsausbildung als Grafikdesigner und beherrsche neben seiner Erstsprache Punjabi auch Hindi.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, sein Vater sei Bauunternehmer gewesen. Als er vor vier Jahren verstorben sei, seien Leute zum BF gekommen und hätten von ihm Geld verlangt, da sein Vater angeblich Schulden gehabt habe. Der BF habe von diesen Schulden nichts gewusst und habe er auch nicht ausreichend Geld gehabt, um diese zu begleichen. Die Leute hätten seine Familie bedroht. Ferner hätten sie seine Ehefrau und seine Tochter angegriffen.

2. Am XXXX erfolgte seine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Rahmen welcher er zu seiner Person anführte, er bekenne sich zum Sikhismus und gehöre der Kaste der Ramgarija an. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Schule besucht und verfüge sohin über einen „Maturaabschluss“. Von XXXX bis XXXX habe er als Grafikdesigner gearbeitet. Mit seiner Ehefrau sei er seit XXXX verheiratet. Sie hätten gemeinsam eine 18-jährige Tochter sowie einen 16-jährigen Sohn. Gesundheitlich gehe es ihm gut.

Bis zu seiner Ausreise am XXXX habe der BF in Neu-Delhi gelebt. Seine Ehefrau und er hätten gearbeitet, weshalb es ihnen finanziell sehr gut gegangen sei. Sie hätten in einem Appartement seines Vaters gewohnt.

Im Herkunftsstaat würden noch seine drei Schwestern leben. Zu bestimmten Anlässen bestehe nach wie vor Kontakt. Seine Schwestern hätten keine Probleme in Indien. Sie seien alle verheiratet und würden mit ihren Familien im Herkunftsstaat leben. Seine Eltern seien bereits verstorben.

Befragt, wann er sich zur Ausreise entschlossen habe, führte der BF an, sie hätten schon vor vier Jahren flüchten wollen, allerdings sei es in den letzten drei Monaten sehr schlimm gewesen und hätten sie daher etwas unternehmen müssen. Nach Rückübersetzung ergänzte er diese Angaben dahingehend, dass ihre Probleme bereits vor vier Jahren begonnen hätten. In den letzten drei Monaten sei jedoch auch ihre Tochter mit den Problemen konfrontiert gewesen.

Im Herkunftsstaat habe der BF keine Strafrechtsdelikte begangen. Sein Bruder sei im Jahr 1984 ermordet worden und habe sein Vater daher öfter Kontakt zur Polizei gehabt. Der BF habe persönlich jedoch nie Probleme mit der Polizei gehabt. Er sei weder festgenommen noch inhaftiert worden. Mitglied einer Partei oder einer parteiähnlichen Organisation sei er nicht gewesen. Probleme wegen seiner Religionszugehörigkeit habe er insoweit gehabt, als die Sikhs eine Minderheit darstellen würden. Es habe öfters Situationen gegeben, im Rahmen welcher er persönlich bedroht worden sei.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF an, sein Vater sei Grundstücksmakler gewesen. Der BF habe sich allerdings nie damit beschäftigt, wie die Arbeit seines Vaters richtig funktioniert habe. Als sein Vater schließlich vor vier Jahren verstorben sei, seien Leute zu ihnen nachhause gekommen und hätten Geld vom BF verlangt. Angeblich habe sich sein Vater einen Geldbetrag in Höhe von 4.000.000. Indische Rupien (INR) geborgt. Mit Zinsen seien dies nunmehr 6.000.000 INR. Diese Leute seien immer wieder zu ihnen nachhause gekommen und seien auch andere Leute geschickt worden, um die Familie zu belästigen.

Der Sohn eines dortigen Ministers sei Mitglied der Grundstücksmafia. Er sei immer wieder zu ihnen nachhause gekommen und habe sie geschlagen, beschimpft sowie bedroht, damit sie das Geld zurückzahlen. Als der BF vom Büro nachhause gekommen sei, habe er den BF geschlagen, sodass der BF in weiterer Folge im Krankenhaus versorgt werden habe müssen. Als der BF mit dem Motorrad gefahren sei, habe er ihn geschubst. Von hinten seien Autos auf ihn zugekommen. Die Verfolger hätten ihn dann attackiert und geschlagen. Ferner hätten sie ihm gedroht, sie würden ihn umbringen, wenn er das Geld nicht zurückzahle. Schließlich hätten sie sein Motorrad beschlagnahmt. Der BF habe versucht, Anzeige zu erstatten. Die Polizei habe seine Anzeige allerdings nicht aufgenommen, da diese Leute gute Verbindungen zur Polizei hätten. Vor einem Jahr sei auch sein Auto von den Leuten beschlagnahmt worden.

Als seine Frau von der Arbeit nachhause gekommen sei, sei sie von den Leuten ebenso belästigt, geschlagen, beschimpft und gedemütigt worden.

Wegen dieser Probleme hätten sie ihre Kinder in ein Internat gebracht. Der BF und seine Frau hätten nach einem Ausweg gesucht, seien jedoch nicht in der Lage gewesen, eine Lösung zu finden. Sie hätten ihren Wohnort gewechselt und eine Mietwohnung genommen. Die Leute hätten jedoch nicht aufgehört. Sie seien auch zur Mietwohnung gekommen und hätten sie geschlagen sowie beschimpft. Daraufhin hätten sie die Mietwohnung verlassen und wieder an ihrem alten Wohnort gelebt.

Nachdem seine Tochter die 12. Klasse abgeschlossen habe, sei sie wieder zu ihnen gezogen. Als seine Ehefrau und seine Tochter eines Tages zum Markt gegangen seien, seien die Leute auf sie zugekommen und hätten sie attackiert. Ferner sei seine Tochter an der Universität bei einem Coaching von Fremden attackiert und geschlagen worden. Nach diesem Vorfall habe sie nicht mehr hinausgehen wollen.

Ein weiterer Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates sei, dass sie als Sikhs einer Minderheit angehören und aufgrund ihrer Religion kritisiert würden. Die Hindus würden die Sikhs belästigen und sagen, sie sollen in ihr Land Khalistan zurückkehren. Sie würden sie nicht als indische Staatsangehörige anerkennen.

Auf Nachfrage führte der BF zum Tod seines Vaters an, er sei vor vier Jahren am 5. Dezember verstorben. Innerhalb von 15 Tagen seien dann die Leute des Ministers zu ihnen gekommen. Anfänglich seien es nur zwei Personen gewesen, die mit ihnen darüber gesprochen hätten. Danach seien sie oft gekommen und habe der BF nicht alle Vorfälle zählen können. Zu Beginn hätten sie normal gesprochen und ihnen erklärt, der BF und seine Familie sollten ihnen das Geld zurückzahlen. Der BF habe dann nach Details gefragt, es habe aber keine schriftlichen Dokumente über das Darlehen gegeben. Man habe ihm gesagt, sein Vater habe das alles besser und genauer gewusst. Daraufhin habe er den Leuten entgegnet, dass sein Vater nicht mehr am Leben sei und er sich mit der Arbeit seines Vaters nicht beschäftigt habe. Dann hätten die Drohungen begonnen.

Die Leute seien nicht in regelmäßigen Abständen, sondern immer plötzlich zu ihnen gekommen. Ferner seien es auch immer unterschiedliche Leute gewesen, manchmal zwei, manchmal vier, manchmal sechs. Manche von ihnen seien betrunken gewesen.

Befragt, welche Leute das gewesen seien, führte der BF an, er sei zur Polizei gegangen, die Anzeige sei jedoch nicht aufgenommen worden. Später habe dann der BF erfahren, dass sie es mit dem Sohn eines Ministers zu tun hätten. Dieser habe dann seine Leute zu ihnen geschickt. Der Minister heiße XXXX und sein Sohn führe den Namen XXXX . Letzterer sei für die Verwaltung und die Finanzierung der Grundstücke seines Vaters zuständig gewesen. Er habe aber viele Mitglieder der Mafia sowie Kriminelle um sich gehabt. Der BF sei viele Male bei der Polizei gewesen. Die Polizei habe ihn jedoch aufgefordert, das Geld zurückzuzahlen.

In Bezug auf den Vorfall mit dem Motorrad führte der BF an, er sei nachts von der Arbeit nachhause gefahren, als er in einem Zentraldistrikt angehalten worden sei. Zunächst sei er mit einem Jeep angestoßen worden. Im Wagen seien fünf betrunkene Leute gewesen. Sie hätten den BF auf brutalste Weise geschlagen. Nachdem der BF halb totgeschlagen worden sei, seien die Leute weggefahren. Der BF habe seine Frau angerufen, welche daraufhin mit einigen Leuten zu ihm gekommen sei. Sie habe ihn dann ins Spital gebracht. Die Polizei habe ihn auch in diesem Fall nicht ernst genommen. Von der Polizei sei nicht einmal aufgenommen worden, dass sein Motorrad gestohlen worden sei. Nach Rückübersetzung führte der BF an, es sei aufgenommen worden, dass sein Motorrad gestohlen worden sei.

Befragt, woher die Leute gewusst hätten, dass er mit dem Motorrad unterwegs gewesen sei, führte er an, es sei alles in der Nähe von seiner Wohnung gewesen. Sie hätten seinen gesamten Tagesablauf gekannt. Die Leute hätten auch in ihrer Nähe gewohnt und habe es dort viele Büros gegeben, in welchen die Mitarbeiter des Ministers gearbeitet hätten.

Seine Arbeitsstelle sei von seinem Haus circa eine Stunde mit dem Motorrad entfernt gewesen. Der Vorfall habe sich in der Nähe seines Wohnortes in XXXX ereignet. Die Polizei habe sie zunächst befragt. Sie habe jedoch aufgehört, als sie herausgefunden habe, dass die Leute vom Minister seien. Konkret habe es sich um den Verkehrsminister für XXXX gehandelt.

In Bezug auf den Vorfall, bei welchem seine Frau und seine Tochter angegriffen worden seien, führte er an, seine Frau sei von Anfang an betroffen gewesen. Im März sei seine Tochter nachhause zurückgekehrt. Im April und im Juli XXXX sei sie dann angegriffen worden. Sie sei nicht mehr hinausgegangen, aus Angst, ihr könne etwas zustoßen. Lediglich zwei- bis dreimal sei sie draußen gewesen und habe es beide Male Vorfälle gegeben. Im August, kurz vor der Ausreise, habe man ihr den Arm gebrochen.

Seine Tochter sei von XXXX bis XXXX im Internat gewesen. Auch seinen Sohn hätten sie ins Internat geschickt, zumal sie ja beide gearbeitet hätten. Im nächsten Jahr sei sein Vater gestorben. Danach sei es aufgrund der Vorfälle unmöglich gewesen, die Kinder zuhause unterzubringen.

Auf Nachfrage führte der BF an, sein Vater habe mit ihm nie darüber gesprochen, ob er Probleme habe. Der BF sei nicht in die Arbeit seines Vaters involviert gewesen. Sein Vater sei eines natürlichen Todes gestorben.

Die Probleme hätten vor vier Jahren begonnen. Der Vorfall mit dem Motorrad sei vor zwei Jahren gewesen. In die Mietwohnung seien sie kurz vor dem Abschluss ihrer Tochter gezogen, damit sie nicht mit den Problemen konfrontiert werde. Die Wohnung sei von ihrem Haus etwa 30 Minuten entfernt und habe seine Ehefrau in der Nähe gearbeitet. Sie sei im Catering tätig gewesen.

Es sei schwer, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen. Der BF habe dies versucht, es sei jedoch leicht für die Leute herauszufinden, wo sie wohnen. Seine ganze Familie wohne in der Nähe und könnte man von seinen Angehörigen leicht einen allfälligen neuen Wohnort in Erfahrung bringen. Ferner hätten die Sikhs in ganz Indien Probleme.

Befragt, ob der BF aufgrund seiner Religionszugehörigkeit persönlich diskriminiert worden sei, führte er an, er sei oft geschlagen worden. An seinem Arbeitsplatz würden 98% dem Hinduismus angehören. Egal wo der BF hingehe, würde er diskriminiert werden. Auch seine Kinder seien belästigt und diskriminiert worden.

Auf die Frage, wann er das letzte Mal bedroht worden sei, führte der BF an, die Leute des Ministers seien immer wieder gekommen und hätten sie bedroht. Seine Frau sei das letzte Mal im Monat August geschlagen und bedroht worden.

Zum Tod seines Bruders führte der BF an, dieser sei im Jahr 1984 – ebenso wie tausende andere Sikhs – ermordet worden. Der BF sei damals erst acht Jahre alt gewesen. Sie hätten sich bei einer Hindi-Familie versteckt, da die Sikhs verfolgt worden seien.

Auf weitere Nachfrage, wie sein Vater zu den Schulden gekommen sei, führte der BF an, er wisse gar nichts.

Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, sie könnten ihn umbringen, zumal sie die Familie seit vier Jahren belästigen würden. Konkret sei der BF im Herkunftsstaat mit Stangen, Holz sowie mit den Fäusten geschlagen worden. Der BF könne seine Kinder nicht opfern. Die Belästigungen hätten vier Jahre angedauert und sie hätten damit gelebt. Als man jedoch begonnen habe, auch seine Tochter zu belästigen, hätten sie dies nicht länger akzeptieren können.

Die Schwestern des BF seien nicht belästigt worden, da sie verheiratet seien und zu anderen Familien gehören würden.

3. Mit Bescheid vom XXXX , wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat des BF (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Als Frist zur freiwilligen Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Ebenso entschied das Bundesamt in den Verfahren der mitgereisten Familienangehörigen des BF.

4. Gegen diese Bescheide erhoben der BF und seine mitgereisten Familienangehörigen am XXXX im Wege ihrer Vertretung vollinhaltlich Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde in Bezug auf den Bescheid betreffend den BF im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesamt habe es unterlassen, seiner Entscheidung einschlägige und aktuelle Länderberichte zugrunde zu legen. Zur Situation der Sikhs wurde in weiterer Folge auf verschiedene Länderberichte aus den Jahren 2015 sowie 2016 verwiesen.

Hinsichtlich der Beweiswürdigung wurde moniert, dass ein Abgleich mit einschlägigen Länderberichten nicht erfolgt sei und daher keine Aussagen zur Plausibilität getroffen werden könnten. Insoweit moniert werde, der BF habe XXXX als Verkehrsminister von XXXX bezeichnet, während er tatsächlich „ XXXX “, also Stadtrat sei, so sei festzuhalten, dass es sich lediglich um ein Missverständnis seitens des Dolmetschers gehandelt habe.

Der Umstand, dass der BF und seine Angehörigen vier Jahre Drohungen und Gewalttaten ausgesetzt gewesen seien, schließe eine asylrelevante Verfolgung nicht per se aus. Vielmehr seien die Drohungen von Jahr zu Jahr schlimmer geworden und hätten sich zugespitzt. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass der BF und seine Angehörigen zunächst auch ihren Wohnort gewechselt hätten. Als sie an ihrer neuen Adresse ausfindig gemacht worden seien, seien sie jedoch zurückgekehrt, zumal ihnen bewusst geworden sei, dass ihnen überall Verfolgung drohe. So seien sie zumindest in der Nähe ihrer Familie gewesen.

Aus den in der Beschwerde zitierten Berichte ergebe sich überdies, dass Sikhs in ganz Indien einer systematischen Verfolgung ausgesetzt seien. Hätte das Bundesamt ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem BF einerseits aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, andererseits aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie die reale Gefahr einer Verfolgung drohe. In eventu hätte die Behörde dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Dem BF sowie seinen Angehörigen würde außerhalb ihres Herkunftsortes eine Existenzgrundlage fehlen, zumal sie dort über kein familiäres Netzwerk verfügen würden und die staatliche Unterstützung zur Sicherung der Existenz der Familie nicht ausreichen würde. Aufgrund des in Österreich bestehenden Familienlebens hätte ferner die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werden müssen.

5. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF sowie seiner mitgereisten Familienangehörigen unter Anschluss der Verfahrensakten vor, wo diese am XXXX einlangte.

6. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem BF das Länderinformationsblatt Indien zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

7. Mit Schriftsatz vom XXXX erstattete der BF im Wege seiner Vertretung eine Stellungnahme, in welcher zusammengefasst ausgeführt wurde, dass die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichte nicht hinreichend aktuell seien. Die notorische Problematik der Sikhs werde im Länderinformationsblatt nicht behandelt. Eine Auseinandersetzung mit der individuellen Bedrohung könne auf Basis der dem BF zum Parteiengehör übermittelten Berichte nicht durchgeführt werden. Im Internet finde man mehrere Zeitungsartikel, welche die kriminellen Aktivitäten der Familie XXXX behandeln würden. Der Umstand, dass diese Familie den Bezirk XXXX seit mehr als 20 Jahren in der Stadtverwaltung vertrete, sei im Guinness Buch der Rekorde festgehalten worden. Aus einem in der Stellungnahme auszugsweise zitierten Artikel gehe hervor, dass XXXX aus einer Familie von Grundstückseigentümern stamme, bereits zu Haftstrafen verurteilt worden sei – dies unter anderem wegen Mordversuchs im Zusammenhang mit Geldverleih – und ihm vorgeworfen werde, Nepotismus zu betreiben. Auch sein Sohn sei politisch aktiv und mit dem Gesetz – unter anderem wegen Mordes – in Konflikt geraten. Ebenfalls im Internet abrufbar sei eine Entscheidung des High Court of Delhi vom XXXX , mit welcher ein Antrag des Herrn „ XXXX “ auf Aufhebung zweier strafrechtlicher Verurteilungen abgewiesen worden sei. Die Verurteilungen seien wegen Mordversuchs und Hausfriedensbruch erfolgt. Aus der Entscheidung gehe auch hervor, dass gegen ihn mehrere Strafverfahren geführt worden seien, es jedoch nur zu einzelnen Verurteilungen gekommen sei. Ein Artikel betreffend einen Mordversuch in Zusammenhang mit Geldverleih durch XXXX sei ebenfalls im Internet abrufbar. Aus der Summe der angeführten Informationen ergebe sich das Bild einer politisch einflussreichen Familie, deren Mitglieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien. Dies stimme auch mit der Schilderung des BF überein.

8. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX wurden die Verfahren über die Beschwerden der Ehefrau und der Kinder des BF betreffend die Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 24 Abs. 2a AsylG 2005 eingestellt, da sie freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist waren.

9. Mit Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom XXXX , XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung gemäß §§ 15, 228 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt.

10. Mit Ladung vom XXXX wurde dem BF das Länderinformationsblatt Indien, mit letzter Änderung vom 06.11.2020, Version 3, zur Stellungnahme binnen 10 Tagen übermittelt.

11. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

In der Verhandlung wurden folgende Unterlagen in Kopie vorgelegt:

?        Schreiben von XXXX (Beilage ./A);

?        Lichtbilder (Beilage ./B).

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf [Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll; Schreibfehler korrigiert]:

[…]

R: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Punjabi.

[…]

R: Welche Sprachen sprechen Sie noch?

BF: Hindi. Ein bisschen Deutsch und Englisch.

[…]

BF: Ich leide an Depressionen.

R: Sind Sie in ärztlicher Behandlung?

BF: Ja.

R: Bei welchem Arzt?

BFV: Ich habe die Unterlagen hier.

R: Entbinden Sie den Arzt von seiner Schweigepflicht?

BF: Ja.

R: Sind Sie oder waren Sie bei ihm in Behandlung?

BF: Ich bin derzeit in Behandlung. Mein nächster Termin ist der 18. Juni.

BFV: Wir haben die Medikamente, die er regelmäßig einnimmt und den Namen und die Adresse des Arztes.

R nimmt Einsicht.

R: Der BF nimmt seinen Angaben nach die Medikamente Sertralin und Seroquel. Die behandelnde Ärztin ist XXXX , XXXX , XXXX .

R: Ist das eine Fachärztin oder ist das eine Allgemeinmedizinerin?

BF: Sie ist eine Psychiaterin.

R: Seit wann sind Sie bei ihr in Behandlung?

BF: Seit ca. 7-8 Monaten.

R: Was war die Diagnose von Ihrer Ärztin?

BF: Sie hat bei mir Depressionen attestiert und mir Medikamente verschrieben.

R: Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Medikamente nehmen, wirken die Medikamente? Haben diese eine positive Wirkung auf Sie?

BF: Die Medikamente helfen etwas. Manchmal fangen die Hände zu zittern an. Wenn ich die Tabletten nehme, dann ist das Zittern der Hände weg.

R: Wie fühlen Sie sich heute? Fühlen Sie sich heute so gut, dass Sie der Verhandlung folgen können?

BF: Ja.

[…]

R: Wie ist Ihr Name und wo sind Sie geboren?

BF: XXXX . Ich bin geboren in Neu-Delhi.

R: Wo haben Sie von Ihrer Geburt an bis zu Ihrer Ausreise in Indien gelebt? Geben Sie mir bitte chronologisch die Orte, Städte, Dörfer an, in denen Sie gelebt haben?

BF: Ich habe nur in Neu-Delhi gelebt.

R: Sie haben seinerzeit mit Ihrer Familie, Ihrer Frau und Ihren Kindern Ihr Heimatland verlassen. Hat es bei der Ausreise Ihnen gegenüber oder gegenüber Ihrer Familie irgendwelche Probleme gegeben? Mit welchem Verkehrsmittel haben Sie Indien verlassen?

BF: Mit dem Flugzeug.

R wiederholt die Frage.

BF: Nein. Es hat mit Behörden oder der Polizei keine Probleme gegeben.

R: Ihre Familie hat die Rückkehrhilfe in Anspruch genommen, ist auch wieder nach Indien zurückgekehrt. Wie geht es Ihrer Familie?

BF: Ich weiß nicht, wie es ihnen geht. Ich bin derzeit in Scheidung.

R: Wie geht es Ihren Kindern?

BF: Ich habe keinen Kontakt mit meinen Kindern und mit meiner Frau.

R: Warum ist Ihre Familie wieder nach Indien zurückgekehrt?

BF: Meine Frau hatte einen Freund. Als ich darauf gekommen bin, kam es zu einem Streit. Dann ist sie zurückgeflogen.

R: Wo hat sie diesen Freund gehabt?

BF: In Delhi.

R: Sie waren XXXX in Österreich. Wie sind Sie dann darauf gekommen, dass sie in Delhi einen Freund hat? Was verstehen Sie unter einem Freund?

BF: Ich habe die Textnachrichten auf dem Telefon meiner Frau gesehen.

R: Was ist da gestanden?

BF: Es ging darum, dass sie zurück nach Indien kommt zu diesem Mann. Dieser Mann hat das Haus des Vaters verkauft ohne meine Einwilligung.

R: Wie heißt dieser Mann?

BF: XXXX .

R: Haben Sie den Mann gekannt?

BF: Nein. Ich habe erst in Österreich von ihm erfahren.

R: Wem gehört oder hat dieses Haus vorher gehört?

BF: Das Haus hat vorher meinem Vater gehört und es war auf meinen Namen. Der Mann hat mit Hilfe von gefälschten Dokumenten das Haus verkauft.

R: Woher haben Sie diese Information?

BF: Meine Schwestern wohnen dort in der Nähe. Sie haben mir das erzählt.

R: Wann?

BF: Vor ca. 6 Monaten.

R: Wann wurde das Haus verkauft?

BF: Das weiß ich nicht genau. Das war vorher, aber meine Schwestern haben es vor 6 Monaten erfahren.

R: Wann vorher wurde das Haus verkauft? In welchem Jahr wurde dieses Haus verkauft?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wurde es verkauft, nachdem Sie Indien verlassen haben, oder wurde es verkauft, als Sie noch in Indien waren?

BF: Es wurde verkauft, nachdem meine Frau zurückgekehrt ist nach Indien.

R: War das Ihr Elternhaus?

BF: Ja.

R: Wer hat in diesem Elternhaus gewohnt, als Sie mit Ihrer Familie Indien verlassen haben?

BF: Niemand, wir haben es abgeschlossen.

R: Welche Verwandten, außer Ihrer Familie, leben noch in Indien?

BF: Ich habe nur meine 3 Schwestern. Die Eltern sind verstorben.

R: Wie viele Onkel und Tanten haben Sie?

BF: Ich habe keinen Kontakt zu den Onkeln und Tanten.

R wiederholt die Frage.

BF: Ich habe einen Onkel ms. 3 Tanten vs.

R: Wo leben die?

BF: Ein paar in Delhi, ein paar außerhalb von Delhi.

R: Haben Sie Freunde in Indien gehabt?

BF: Ich hatte nur 2 Freunde. Einer ist mittlerweile verstorben.

R: Was ist mit dem anderen?

BF: Er ist in Indien.

R: Wo lebt er?

BF: In Neu-Delhi.

R: Was arbeitet er?

BF: Tischler.

R: Wie viel haben Sie für die Ausreise aus Indien dem Schlepper für Sie und Ihre Familie bezahlt?

BF: Ich hatte keinen Schlepper. Ich hatte ein Visum.

R: Was haben Sie denn angegeben, um das Visum zu erhalten?

BF: Es war ein Touristen-Visum.

R: Welche Schul- und Berufsausbildung haben Sie?

BF: Ich habe 12 Jahre die Grundschule besucht. Dann habe ich einen einjährigen Kurs als Grafikdesigner gemacht. Danach habe ich 20 Jahre als Grafikdesigner gearbeitet.

R: Wo? In welcher Firma? War das privat?

BF: In einer Werbeagentur. Ein paar Jahre bei einer Werbeagentur, ein paar Jahre bei einer Kosmetikfirma.

R: Haben Sie mit dem Geld den Lebensunterhalt für sich und Ihre Familie bestreiten können?

BF: Ja.

R: Was würden Sie denn befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Ich habe Angst, dass ich umgebracht werde. Jetzt ist auch noch meine Frau in Indien gegen mich.

R: Warum sollte jetzt Ihre Frau gegen Sie sein, wenn sie sich scheiden lassen?

BF: Sie hält zu ihrem Freund. Sie haben gemeinsam ein Haus gekauft. Wenn ich nach Indien zurückkehre, würde ich mein Haus verlangen.

R: Hat Ihre Frau bzw. haben Ihre Kinder in Indien, bevor sie es verlassen haben, auch Probleme gehabt?

BF: Sie hatten auch Probleme wegen mir.

R: Wie haben sich die Probleme den Kindern bzw. Ihrer Frau gegenüber dargestellt?

BF: Meine Frau und meine Kinder wurden belästigt und geschlagen. Aus Angst wollten die Kinder nicht mehr zur Schule.

R: Wo sind die Kinder in die Schule gegangen?

BF: Meine Tochter ging ins College und mein Sohn ging zur Schule.

R: Haben Ihre Frau und Ihre Kinder keine Angst mehr gehabt, dass sie belästigt werden bzw. geschlagen werden?

BF: Sie wird deswegen nicht belästigt, weil ich nicht in Indien bin. Außerdem sind wir in Scheidung.

R: Warum haben Sie Angst, umgebracht zu werden? Können Sie das etwas näher erläutern?

BF: Mein Vater hatte einen Gegner, der sehr brutal war. Er ist Mitglied einer Grundstücksmafia. Er hat mich auch öfters verprügelt.

R: Er hat Sie öfters verprügelt. Warum sollte er Sie jetzt umbringen, nachdem er schon vorher die Möglichkeit hatte, Sie umzubringen?

BF: Mein Vater schuldete diesem Mann Geld. Er will jetzt das Geld von mir haben. Ich habe das Geld aber nicht.

R: Wie viel Geld schuldet Ihr Vater diesem Mann?

BF: Das weiß ich nicht genau. Das war ein Problem meines Vaters. Der Mann will jetzt von mir 6 Millionen Rupien.

R: Haben die Gläubiger jemals ein Gerichtsverfahren gegen Ihren Vater angestrengt bzw. gegen den Nachlass?

BF: Nein. Genau weiß ich es nicht. Mein Vater hat nie mit mir darüber gesprochen.

R: Ihr Vater, haben Sie gesagt, ist verstorben?

BF: Ja. XXXX .

R: Hat Ihr Vater ein Vermögen gehabt, z.B. Haus, Grundstücke, Geld, was auch immer?

BF: Er hatte nur das Haus.

R: Wer hat das Haus geerbt?

BF: Ich.

R: Haben die Gläubiger Forderungen bei dem Nachlass gestellt?

BF: Bei den Forderungen handelt es sich um Schwarzgeld. Deswegen.

R: Wurden Forderungen gestellt oder nicht?

BF: Sie haben keine offiziellen Forderungen gestellt.

R: Was hat Ihr Vater genau gemacht?

BF: Er war Baumeister.

R: War er ein seriöser Mann?

BF: Ja. Er hatte nie Streit mit jemandem.

R: War er ein integrer Geschäftsmann?

BF: Ja, aber die Geschäfte waren durchschnittlich.

R: Hat Ihr Vater bei irgendwelchen dubiosen Machenschaften mitgemacht?

BF: Ich weiß, er hat ab und zu Geld ausgeborgt für die Baustelle.

R: Hat er Geld bei diesen Personen ausgeborgt, die jetzt das Geld von Ihnen zurückhaben wollen?

BF: Ich weiß es nicht genau. Ich kenne die Hintergründe nicht.

R: Was hat Ihr Vater genau als Baumeister für Tätigkeiten verrichtet, was war seine Aufgabe? Können Sie das genau beschreiben?

BF: Er war Generalunternehmer. Wenn z.B. jemand ein neues Haus bauen wollte, hat er den Auftrag übernommen und die Arbeiter beschafft.

R: Weiter?

BF: Dann hat er das Haus fertiggestellt.

R: Hat er die Bauaufsicht gehabt? Hat er geschaut, dass alles richtig gemacht wird?

BF: Es war seine Verantwortung.

R: Hat er außer der Funktion eines Bauunternehmers darüber hinaus noch andere Tätigkeiten verrichtet, die im Zusammenhang mit dem Bau stehen?

BF: Nein.

R: Sie haben am XXXX hinsichtlich der Arbeit Ihres Vaters gesagt, dass Sie Ihre Arbeit verrichtet haben und gar nicht genau gewusst haben, wie seine Arbeit richtig funktioniert.

BF: Ich habe auch damals gesagt, dass er Baumeister ist.

R: Ihr Vater ist XXXX verstorben?

BF: Ja.

R: Wann haben dann die Probleme mit diesen Personen begonnen?

BF: Die Probleme fingen gleich nach dem Tod meines Vaters an. Ich und meine Frau hatten Probleme. Die Kinder nicht, weil ich sie in ein Studentenwohnheim untergebracht habe.

R: Über welchen Zeitraum haben sich dann diese Probleme gezogen?

BF: 2016 hat meine Tochter mit dem College angefangen. Die Gegner haben angefangen, auch sie zu belästigen.

R: Die Frage wird wiederholt.

BF: Bis zur Ausreise.

R: In welchem Jahr haben sie begonnen, wie lange haben sie dann gedauert?

BF: Angefangen haben sie 2012.

R: Wann 2012?

BF: Im Juni oder Juli 2012. Die Probleme zogen sich bis zu unserer Ausreise.

R: Wann war die?

BF: XXXX .

R: Haben Sie von dem Verhältnis Ihrer Frau mit diesem Mann schon in Indien gewusst?

BF: Nein. Das habe ich erst in Österreich erfahren, weil ich hier die ganze Zeit mit ihr zusammen war.

R: Haben Sie sie zur Rede gestellt?

BF: Ja. Sie hat aber gleich gesagt, sie will nicht mit mir reden, weil sie so viele Probleme wegen mir durchgemacht hat.

R: Mit wem hat sie in Indien Probleme? Von wem sind diese Probleme ausgegangen?

BF: Mein Vater hat sich von einem Minister Geld ausgeborgt. Mit diesem Mann hatten wir Probleme. Dann hatten wir noch Probleme mit den Hindus. Die sind sehr radikal und sind gegen Sikhs.

R: Haben die Probleme mit den Hindus aufgehört, weil jetzt Ihre Frau mit den Kindern wieder nach Indien zurückgekehrt ist?

BF: Die Probleme gibt es nach wie vor. Die Hindus wollen die männlichen Sikhs konvertieren.

R: Haben die Frauen Probleme mit den Hindus? Haben das nur die Männer?

BF: Nein. Die Frauen werden nicht erkannt. Die Männer werden erkannt, weil sie einen Turban aufhaben.

R: Haben Frauen, die den Sikhs angehören Probleme, wenn man weiß, dass deren Ehemann ein Sikh ist?

BF: Ja. 1984 wurde eine Liste erstellt von Familien, die Sikh sind.

R: Welcher Religion gehört der neue Freund Ihrer Frau an?

BF: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht einmal, was er arbeitet.

R: Ist es Ihnen gegenüber zu irgendwelchen Übergriffen gekommen?

BF: Es gab 5-6mal Übergriffe gegen mich.

R: Wann hat dieser 1. Übergriff stattgefunden?

BF: Daran kann ich mich nicht genau erinnern. Es war öfters, als ich von der Arbeit nach Hause gekommen bin. Ich wurde angehalten und geschlagen.

R: Können Sie mir den 1. Übergriff schildern, was sich da genau abgespielt hat?

BF: Ich war in einem Bus unterwegs. Ich wollte aus Delhi hinaus.

R: Wohin?

BF: Nach Haryana. Da haben 7-8 Männer angefangen, auf mich einzuschlagen und haben mir meinen Turban vom Kopf gerissen.

R: Wie hat sich das genau abgespielt?

BF: Die Leute haben gesagt, warum ich einen Turban aufhabe und ich solle zum Hinduismus konvertieren.

R: Weiter?

BF: Ich war mit dem Bus unterwegs nach XXXX gibt es nicht viele Sikhs. 7-8 Männer haben mich angesprochen und dann auf mich eingeschlagen. Sie haben mir meinen Turban vom Kopf gerissen und mir gedroht, mir meine Haare zu schneiden. Dann ist die Polizei gekommen und deswegen haben sie von mir abgelassen.

R: Sie haben zuerst gesagt, dass Sie umgebracht werden würden, weil Sie jemanden Geld schulden würden. Was hätten die Personen davon, wenn sie Sie umbringen würden? Wie würden denn die Leute zu ihrem Geld kommen?

BF: Ich muss dann in Angst leben, dass er mich angreifen könnte.

R: Das war der 1. Vorfall. Wann hat der 2. Vorfall vorgefunden? Wie viel Zeitraum war zwischen 1. Vorfall und 2. Vorfall?

BF: Nach ca. 7 Monaten war ich auf dem Heimweg von der Arbeit.

R: Wann war der 2. Vorfall?

BF: Ich kann es nicht genauer angeben. Alle 6 Monate oder jedes Jahr.

R: Wann war das jetzt? Können Sie das zeitlich eingrenzen, welches Jahr und Monat genau?

BF: Ich kann das wirklich zeitlich nicht eingrenzen, weil ich immer wieder angegriffen wurde.

R: In welchem Jahr war der 2. Vorfall?

BF: Ich kann mich an das Jahr nicht erinnern, weil es mehrere Vorfälle waren.

R: Was ist beim 2. Vorfall passiert?

BF: Ich war auf dem Heimweg von der Arbeit. Ich war auf meinem Motorrad unterwegs.

R: Um wie viel Uhr war das?

BF: Das war ca. gegen 21 Uhr. Da kamen 5-6 Männer in einem PKW und stellten sich vor mich, sodass ich vor dem Motorrad stoppen musste.

R: Sind Sie von den Autos geschnitten worden?

BF: Zuerst haben sie mich von hinten angefahren. Dann haben sie sich vor mich gestellt.

R: Mit wie vielen Stundenkilometern waren Sie ca. unterwegs?

BF: Ich bin normal mit 50 km/h gefahren. Die Männer waren alkoholisiert. Ohne etwas zu sagen haben sie auf mich eingeprügelt und sind dann geflüchtet.

R: Wie hat sich dieser Übergriff dann genau dargestellt?

BF: Als erstes haben sie mir meinen Turban vom Kopf gerissen. Dann haben sie auf mich eingetreten, sodass ich zu Boden gefallen bin. Es gab keinen Grund für den Angriff. Dann sind sie auf einmal wieder weggefahren.

R: Haben Sie die Personen gekannt?

BF: Nein.

R: Haben Sie sie vorher schon einmal gesehen?

BF: Nein.

R: Wenn Sie sagen, Sie sind von hinten angefahren worden, haben Sie das gespürt? Wie haben Sie das wahrgenommen?

BF: Ja. Ich habe es gespürt. Ich konnte mein Motorrad unter Kontrolle haben.

R: Mit 50 km/h von hinten angefahren. Wie lange sind Sie Motorrad gefahren?

BF: 15 Minuten.

R: Wie lange fahren Sie schon Motorrad?

BF: Sicher über 15 Jahre.

R: Was haben Sie für ein Motorrad gehabt?

BF: Enfield Bullet.

R: Eine Harley?

D: Das ist ein ganz schweres Motorrad.

R: Was haben Sie dann gemacht, nachdem Sie von den Leuten verprügelt worden sind?

BF: Ich bin dann zur nächstgelegenen Polizei gefahren. Aber da ich weder ein Kennzeichen hatte, noch die Männer kannte, hat mich die Polizei weggeschickt.

R: Zum 3. Vorfall: Wie viel Zeitraum ist zwischen 2. Vorfall und 3. Vorfall vergangen?

BF: Das weiß ich nicht genau, aber es ist viel Zeit vergangen. Da war ich mit meiner Familie auf dem Rückweg vom Tempel nach Hause. Unterwegs wurde ich von Hindu-Polizisten angehalten. Diese verlangten Geld von mir. Da ich ihnen kein Geld gegeben habe, haben sie auf mich eingeschlagen.

R: Weiter?

BF: Die sind dann gegangen. Ich habe dann die Polizei angerufen. Diese ist auch zum Vorfallort gekommen. Da ich wieder keine Angaben über die Personen machen konnte, wurde weiter nichts unternommen.

R: Was war das für eine Polizei, die Sie angerufen haben?

BF: Eine normale Polizei. Das waren auch Hindus.

R: Zum 2. Vorfall: Was haben Sie unmittelbar danach gemacht, nachdem sich die Täter, die Sie zusammengeschlagen haben, entfernt haben?

BF: Zuerst bin ich ein paar Minuten sitzen geblieben. Ich habe Kraft gesammelt. Gleich in der Nähe war ein Wachzimmer. Dorthin bin ich gegangen.

R: Hingegangen oder hingefahren?

BF: Ich bin zu Fuß gegangen, weil es ganz in der Nähe war.

R: Zum 4. Vorfall: Wie viel Zeit ist zwischen dem 3. Vorfall und dem 4. Vorfall vergangen bzw. wann hat sich der 4. Vorfall ereignet?

BF: Ich kann die Zeit nicht angeben. Bei diesem Vorfall handelte es sich um die Gläubiger meines Vaters. Sie sind auch alle Hindus.

R: Hat Ihr Vater mit den Hindus ein gutes Verhältnis gehabt?

BF: Er hatte geschäftlich mit den Hindus zu tun, er hatte auch Probleme.

R: Haben die Hindus ihm Geld geborgt?

BF: Die Hindus machen Geschäfte mit den Sikhs, sie mögen sie trotzdem nicht.

R: Was ist da genau passiert?

BF: Ich war wieder auf dem Heimweg von der Arbeit. In der Nähe von unserem Haus haben mich 4-5 Männer angehalten. Sie haben, ohne etwas zu sagen, auf mich eingeschlagen.

R: Wie waren Sie da unterwegs?

BF: Mit meinem Motorrad.

R: Wie hat sich da der Vorfall genau abgespielt?

BF: Ich stand an einer roten Ampel, als die Männer zu mir kamen und mich vom Motorrad zerrten. Dann haben sie auf mich eingeschlagen und sind weggefahren. Ich habe gleich danach die Polizei angerufen. Die Polizei nimmt keine Anzeigen gegen diese Personen auf.

R: Was wollten diese Leute von Ihnen?

BF: Nichts. Das Erste was sie tun ist, dass sie mir den Turban vom Kopf reißen.

R: Haben Sie die Personen gekannt?

BF: Ja. Ich kannte diese Männer, weil sie ein paar Mal bei uns zu Hause waren.

R: Was haben sie bei Ihnen zu Hause gemacht?

BF: Sie wollten Geld haben. Anfangs kamen nur zwei, dann vier.

R: Was wollten die Leute an diesem Tag, als sie Sie zusammengeschlagen haben? Sie haben zu Ihnen nichts gesagt und haben Sie zusammengeschlagen.

BF: Sie haben kein Wort gesagt. Sie haben mich verprügelt und sind dann weggefahren.

R: Haben Sie eigentlich, nachdem es mehrere Vorfälle gegeben hat, Vorkehrungen getroffen, dass wieder gegen Sie ein Übergriff stattfinden würde?

BF: Ich habe angefangen, mir zu überlegen, das Land zu verlassen.

R: Nachdem diese Übergriffe über einen längeren Zeitraum waren, haben Sie Vorkehrungen getroffen, falls es wieder zu einem Übergriff kommen würde?

BF: Nein.

R: Was war dann der 5. Vorfall? Wie lange ist die Zeit zwischen dem 4. Vorfall und dem 5. Vorfall vergangen?

BF: Die Zeit kann ich nicht angeben. Es gab immer wieder Vorfälle, vor allem mit den Männern des Ministers.

R: Konkret: Was ist beim 5. Vorfall passiert, wenn Sie mir das bitte genau beschreiben?

BF: Beim 5. Vorfall waren die Männer bei mir zu Hause und haben mich zu Hause verprügelt.

R: Was ist da genau geschehen?

BF: Sie haben einmal angeläutet und dann mit mir gesprochen. Sie haben mich gefragt, ob ich Rückzahlungen mache. Ich musste ihnen erklären, dass ich kein Geld hatte. Dann haben sie mich zu Boden geschmissen und auf mich eingetreten. Sie haben gedroht, bis ich das Geld nicht zurückzahle, werden sie mich immer wieder foltern.

War das der letzte Vorfall?

BF: Es gab danach auch Vorfälle, aber kleine Vorfälle, wo ich 2 Ohrfeigen bekommen habe.

R: Haben die Übergriffe dann nachgelassen?

BF: Gegen mich ja. Aber dann fingen sie an, meine Familie zu belästigen.

R: Warum hat man dann von Ihnen abgelassen und Sie nicht mehr belästigt?

BF: Sie haben nicht von mir abgelassen, aber es gab keine schlimmen Attacken. Die letzte Attacke war gegen meine Tochter, wo ich dann beschlossen habe, das Land zu verlassen.

R: Ist Ihre Tochter jetzt wieder nach Indien zurückgekehrt?

BF: Ja. Die Mutter wollte sie unbedingt mitnehmen.

R: Hat Ihre Tochter Angst gehabt, als sie zurückgekehrt ist?

BF: Die Mutter hat sie gezwungen.

R: Haben Sie eine Anzeige erstattet?

BF: Ich habe keine Anzeige erstattet.

R: Hat die Mutter Angst gehabt, dass ihren Kindern etwas passieren könnte, wenn sie wieder zurückkehrt?

BF: Ich weiß es nicht. Sie war so fixiert auf ihren Freund, dass sie mit ihm zusammenleben will in Indien.

BFV: Keine Fragen.

R: Zur Integration: Sind Sie noch verheiratet?

BF: Seit ich hier bin und wegen CORONA ist die Scheidung noch nicht abgeschlossen.

R: Haben Sie bereits einen Anwalt damit betraut?

BF: Ja.

R: Wie heißt der Anwalt?

BF: XXXX . Das ist ein Anwalt in Indien. Ich bin online mit ihm in Kontakt.

R: Wie viele Kinder haben Sie?

BF: 2. Eine Tochter und einen Sohn.

R: Außereheliche?

BF: Nein.

R: Frage auf Deutsch: Haben Sie in Österreich einen Deutschkurs besucht?

BF (auf Punjabi): Ich verstehe Sie. Aber ich kann nicht antworten.

R: Antworten Sie auf die Frage in Ihrer Sprache, wenn Sie mich verstanden haben.

BF: Können Sie die Frage nochmals stellen?

R wiederholt die Frage.

BF: Ich habe das so verstanden, dass ich gefragt werde, ob ich Deutsch kann.

R: Fragewiederholung auf Punjabi.

BF auf Punjabi: Ich habe einen Deutschkurs seitens der CARITAS angefangen und ein paar Monate besucht. Es war ein A1-Kurs. Aber wegen CORONA wurde der Kurs eingestellt.

R: Frage auf Deutsch: Wann haben Sie mit diesem Kurs begonnen? Wann hat der Kurs angefangen?

BF auf Deutsch: Ich komme aus Indien.

R: Frage wiederum auf Punjabi.

BF auf Punjabi: Der Kurs hat vor 1 Jahr angefangen.

R: Frage auf Deutsch: Von was leben Sie in Österreich? Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

BF: Das habe ich nicht verstanden.

R Frage auf Punjabi.

BF auf Punjabi: Ich habe eine Freundin und wir leben zusammen. Ich muss keine Miete zahlen. Dann mache ich noch Gelegenheitsarbeiten, wie Werbung verteilen. Damit verdiene ich 300-400 Euro im Monat.

R: Wie heißt Ihre Freundin?

BF: XXXX .

R: Schreibt man Ihre Freundin mit einem S oder mit zwei S?

BF: Mit zwei S.

Beiblatt, auf den der BF den Namen der Freundin geschrieben hat, wird als Beilage ./A zum Akt genommen.

R: Frage auf Deutsch: Was arbeitet Ihre Freundin?

BF auf Punjabi: Sie arbeitet nicht. Sie ist in Pension.

R Frage auf Deutsch: Wie alt ist Ihre Freundin?

BF auf Punjabi: 45.

R Frage auf Punjabi: Warum ist Ihre Freundin schon in Pension?

BF auf Punjabi: Entschuldigung. Sie ist 58. Ich bin 45.

R: Warum ist Ihre Freundin schon in Pension?

BF: Sie ist kränklich. Deshalb ist sie schon in Pension. Sie hat auch einen Brief für Sie geschrieben.

R: Was hat sie gearbeitet?

BF: Sie war Verkäuferin in einem Teppichgeschäft. Zuvor hat sie auch bei der Post gearbeitet.

R: Seit wann kennen Sie Ihre Freundin?

BF: Ich kenne sie schon seit ca. 3 Jahren, aber seit erst 1 Jahr wohnen wir gemeinsam.

R: Wann hat Ihre Freundin Geburtstag?

BF: Von der Freundin weiß ich es nicht.

R: Wo ist Ihre Freundin geboren?

BF: Ich weiß nur, dass sie 58 Jahre alt ist.

R: Wie unterhalten Sie sich denn mit Ihrer Freundin?

BF: Auf Englisch.

R: Wo haben Sie sie kennengelernt?

BF: Wir haben im selben Gebäude gewohnt.

R: Im selben Haus?

BF: Es ist ein Wohnhaus. Ich in meiner eigenen Wohnung und sie in ihrer Wohnung.

R: Sind Sie Mitglied in einem Verein, in einer Organisation, in einem Club?

BF: Nein. Ich habe auch das Geld nicht dafür.

R: Gehen Sie einer caritativen Tätigkeit nach?

BF: Nein. Aber ich helfe Menschen schon ab und zu.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

R: Haben Sie Ihrer Freundin erzählt, dass Sie Asylwerber sind und einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben?

BF: Sie weiß das. Sie möchte mich heiraten, aber ich bin noch nicht geschieden.

R: Würde Sie Ihre Freundin unterstützen, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Sie versucht alles, damit ich nicht zurückgehen muss.

R wiederholt die Frage.

BF: Das weiß ich nicht genau.

R: Wie lange sind Sie mit Ihrer Freundin zusammen?

BF: 2 Jahre.

R: Würden Sie von Ihrer Freundin unterstützt werden oder nicht, wenn Sie in Indien wären?

BF: Sie würde mir schon helfen, aber wenn ich in Indien wäre, wäre es für sie schwer.

R: Sie haben gesagt, sie versucht alles, damit ich nicht zurückgehen muss. Was meinen Sie damit?

BF: Sie redet mit vielen Leuten über meine Situation. Sie wollte mich auch bei sich mitversichern, was nicht ging. Ich lebe in ihrer Wohnung.

R: Sind Sie kranken-, unfall- oder pensionsversichert?

BF: Nein.

R: Sind Sie in Österreich straffällig verurteilt?

BF: Nein.

R: Sie sind XXXX , geboren XXXX ?

BF: Ja.

R: Ich habe ein Urteil des BG Klagenfurt, wonach Sie verurteilt worden sind. § 223 Abs. 2 StGB (Urkundenfälschung), §§ 15 StGB, 228 Absatz 1 StGB, zu einer Freiheitstrafe in der Dauer von 2 Monaten, die bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen wurde. Ist Ihnen das bekannt?

BF: Ich musste nicht ins Gefängnis. Deswegen.

R: Sie müssen deswegen nicht gleich in Österreich ins Gefängnis. Sie sind trotzdem strafgerichtlich verurteilt.

R: Sie können von Ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen. Eine Anzeige vom XXXX , wegen des Verdachtes auf Diebstahl und wegen Verdachts auf Sachbeschädigung.

BF: Ich bin freigesprochen worden.

R: Haben Sie den Freispruch da?

BF: Ich habe es nicht bei mir.

R: Wann sind Sie freigesprochen worden, wann war die Verhandlung?

BF: Das genaue Datum weiß ich nicht. Ende 2020/Anfang 2021 habe ich die Verhandlung gehabt.

R: Am XXXX war eine Anzeige, wo Sie alkoholisiert ein KFZ gelenkt haben und Sie angegeben haben, da

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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