TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/18 W124 2174968-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2021
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Entscheidungsdatum

18.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W124 2174968-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein indischer Staatsangehöriger, reiste am XXXX legal mit gültigem Visum in Österreich ein, verblieb nach Ablauf des Visums am XXXX illegal im Bundesgebiet und stellte unter dem Namen XXXX , am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Einvernahme vom selben Tage vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er als Fluchtgrund an, er habe in seinem Herkunftsland gegen die Verhängung der Todesstrafe von XXXX demonstriert und sei daher von Leuten der „Shiv Sena“ und der Polizei verfolgt worden. Einmal habe ihn die Polizei festgenommen. Nach zwei Tagen sei er durch Intervention der Dorfbewohner freigelassen worden. Die Polizei habe wieder versucht ihn festzunehmen. Er habe sodann aus Angst vor der Polizei Indien verlassen.

1.2. Am XXXX wurde der BF vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

1.4. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde, innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht, am XXXX Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid erhoben. Sowohl die Beschwerde als auch die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Asylgerichtshof mit Schreiben vom XXXX vorgelegt.

1.5. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX wurde mitgeteilt, dass der BF ein Gewerbe für Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhänger, wenn die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt, angemeldet habe.

1.6. Mit Anzeige vom XXXX der Landespolizeidirektion Wien wurde aufgrund eines anonymen Hinweises ein aufgesetztes Schreiben (beigelegt wurden Kopien der Datenseite des Reisepasses sowie des Schengenvisums) bekannt, dass man den BF XXXX für einen Besuch nach Österreich eingeladen haben. Es handle sich um XXXX , geb. XXXX . Diesem sei von der österreichischen Botschaft in Neu-Delhi ein von XXXX bis XXXX begrenztes Visum ausgestellt worden. Nach Ablauf des Visums sei der BF jedoch nicht nach Indien zurückgereist, sondern in Österreich verblieben und habe unter falschen Angaben am XXXX einen Asylantrag gestellt.

1.7. Mit XXXX ging die Zuständigkeit des Asylgerichtshofs an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) über.

1.8. Mit Erkenntnis vom XXXX , GZ. XXXX , wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides aufgehoben und das Verfahren insoweit gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 idgF zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) zurückverwiesen.

2. Gegenständliches Verfahren :

2.1. Mit Schreiben vom XXXX sowie vom XXXX wurde der BF zu zwei Einvernahmen vor dem BFA geladen. Diesen blieb der BF unentschuldigt fern, da keine der Sendungen von der Poststelle behoben wurde. Eine Aufenthaltserhebung durch die Landespolizeidirektion Wien ergab, dass der BF verzogen sei. Mit Mitteilung vom XXXX wurde das Vollmachtsverhältnis des Rechtsvertreters aufgelöst.

2.2. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde dem BF eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt und bekanntgegeben, dass er binnen einer vierzehntägigen Frist eine Stellungnahme abgeben könne. Das Parteiengehör wurde mit Vermerk „nicht behoben“ an das BFA zurückgestellt. Im Zuge einer Aufenthaltserhebung durch die Landespolizeidirektion Wien wurde bekannt, dass der BF an der im ZMR eingetragenen Adresse nicht aufhältig sei.

2.3. Das Verfahren des BFA wurde mit Aktenvermerk vom XXXX gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 AsylG eingestellt, da der Aufenthaltsort des BF wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht trotz Belehrung über etwaige negative Konsequenzen weder bekannt noch leicht feststellbar gewesen sei und eine Entscheidung ohne weitere Einvernahme bzw. schriftlicher Stellungname nicht erfolgen habe können. Weiters wurde am XXXX die amtliche Abmeldung von der Adresse XXXX veranlasst, da der BF dort nicht wohnhaft sei.

2.4. Am XXXX wurde der BF im Zuge einer Personenkontrolle mit Festnahmeauftrag vom selben Tage in das Polizeianhaltezentrum XXXX verbracht.

2.5. Am XXXX wurde der BF sodann vom BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme durch das BFA brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er derzeit bei seiner Freundin XXXX , geb. XXXX , in XXXX Wien aufhältig sei und diese im achten Monat schwanger sei.

Am selben Tag wurde der BF aus dem Polizeianhaltezentrum entlassen.

2.6. Nunmehr fand am XXXX eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt.

Dabei brachte der BF im Wesentlichen vor:

[...]

Die anwesenden Personen werden der Verfahrenspartei (VP) vorgestellt und deren Funktion/Aufgabe im Verfahren erklärt. Die Verfahrenspartei wird darauf hingewiesen, dass sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen kann. Der Verhandlungsgegenstand wird der Verfahrenspartei erläutert.

Ich verstehe die Dolmetscherin und kann den Fragen folgen. Gesundheitlich geht es mir gut.

Ich habe noch keinen Anwalt.

Befragt, ob die Einvernahme auf Deutsch geführt werden kann, gebe ich an, dass ich Deutsch nur ein wenig verstehe.

Ich werde darüber informiert, dass probiert wird, die Einvernahme auf Deutsch zuführen. Wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich auf den Dolmetscher zurückgreifen.

In meinem Asylverfahren zur XXXX erging durch das Bundesverwaltungsgericht zur Zahl XXXX am XXXX folgende Entscheidung: Meine Beschwerde gegen den Bescheid zur Zahl XXXX wurde, gem. §§ 3 und 8 AsylG, unbegründet abgewiesen.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Im Fall der getroffenen Ausweisungsentscheidung nach dem AsylG wurde gem. § 75 (20) AsylG das Verfahren an die ha. Behörde zurückverwiesen. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unter Einbeziehung der aktuellen Situation in Indien ist festgestellt worden, dass meine Abschiebung in mein Heimatland Indien zulässig ist. Es ist mir somit zumutbar in Ihre Heimat zurückzukehren.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Es war bzw ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt, da die festgestellten individuellen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass diese gegenüber den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen höher zu werten sind.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Bezüglich der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung wurde mir mit ha. Schreiben vom XXXX eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme an meine damalige Meldeadresse geschickt. Dieses Schreiben wurde am XXXX beim zuständigen Postamt hinterlegt und zur Abholung bereitgehalten. Gegenständliches Schreiben wurde der ha. Behörde mit dem Vermerk „retour – nicht behoben“ retourniert. Daraufhin wurde eine Hausergebung veranlasst und konnte eruiert werden, dass ich an gegenständlicher Adresse nie gewohnt habe.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Ich wurden am XXXX von Beamten der Landespolizeidirektion Wien, XXXX einer Lenker – und Fahrzeugkontrolle unterzogen. Es folgte eine fremdenrechtliche Kontrolle und konnte festgestellt werden, dass ich mich illegal im Bundesgebiet aufhalte. Ich wurde festgenommen und in das PAZ HG eingeliefert.

Anmerkung: wurde von der Partei auf Deutsch verstanden.

Im Zuge dieser niederschriftlichen Einvernahme gaben Sie an, dass Sie an der Adresse in XXXX zwar gemeldet war, aber lediglich vier oder fünf Tage wohnhaft war. Das war ca. XXXX

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Ich habe dann eine Freundin gefunden und konnten wir gemeinsam zu einem Freund nach Mödling ziehen. Weiters gaben Sie an, dass Sie eine Freundin haben und diese im 8.ten Monat schwanger ist. Eine Hochzeit ist nach der Geburt des Kindes beabsichtigt.

Anmerkung: wurde von der Partei auf Deutsch verstanden.

Auf Befragung durch der Dolmetscher gebe ich an, dass mein Kind am XXXX auf die Welt gekommen ist. Seit der Geburt befindet sich das Kind in der Slowakei, in einem Spital. Die Kindesmutter ist in Österreich und wohnt mit mir zusammen.

Befragt, nach einer Geburtsurkunde des Kindes gebe ich an, dass ich eine zu Hause habe. Befragt, ob ich als Vater in der Urkunde eingetragen bin, gebe ich an, dass ich eine habe aber sie nicht gesehen habe.

Mir wird mitgeteilt, dass meine Angaben unglaubwürdig sind.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Auf Befragung gebe ich auf Deutsch an, dass meine Freundin und ich nicht verheiratet sind.

Mir ist bewusst, dass ich mich illegal im Bundesgebiet aufhalte und ich das Land zu verlassen habe. Befragt, warum ich das Land nicht verlassen habe, wenn ich weiß, dass ich es zu verlassen habe, gebe ich an, dass ich früher als Essenlieferant tätig war. Nunmehr arbeite ich bei XXXX –Paketzustellung.

Heute gebe ich zu meinem illegalen Aufenthalt an, dass ich mein Kind nach Österreich bringen will.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Anmerkung: Partei ist mit einem Pullover der XXXX gekleidet.

Mir wurde bereits im XXXX mitgeteilt, dass ich zu keiner Arbeitsaufnahme berechtigt bin und ich durch meine Beschäftigung gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verstoße. Obwohl mir dies bewusst ist, bin ich weiterhin bei der XXXX beschäftigt, weil ich keine Unterstützung bekomme und selber meinen Lebensunterhalt finanzieren muss.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Neuerlich befragt, ob ich im Besitz eines Reisepasses bin, gebe ich an, dass ich eine Kopie meines Reisepasses habe. Diese Kopie habe ich vielleicht zu Hause. Befragt, wo sich mein Reisepass befinde, gebe ich an, dass ich keinen habe. Ich werde auf die Botschaft gehen und mir einen neuen Reisepass ausstellen lassen. Dazu wird mir entgegnet, dass ich dies bereits im XXXX gesagt habe.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Befragt, ob ich noch Familienangehörige in Österreich habe, gebe ich an, dass mein Onkel in Österreich lebt, jedoch habe ich mit ihm seit vier Jahren keinen Kontakt mehr.

Meine Freundin wohnt bei mir.

Meine Eltern leben weiterhin in Indien. Im Falle einer Rückkehr kann ich bei meinen Eltern wohnen.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

In Indien habe ich zwölf Jahre die Grundschule besucht. Ich habe keine Ausbildung und habe in Indien auch nie gearbeitet.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Befragt, ob ich im Falle einer Rückkehr nach Indien mit Problemen zu rechnen habe, gebe ich nunmehr an, dass ich mit keinen Problemen zu rechnen habe.

Anmerkung: Partei versteht die Frage und antwortet auf Deutsch.

Mir wird neuerlich mitgeteilt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung beabsichtigt ist. Die Rückkehrentscheidung wird eventuell mit einem Einreiseverbot, aufgrund meiner illegalen Beschäftigung, verbunden werden.

Mir wurde bereits im XXXX die Länderfeststellung bezüglich Indiens überreicht und habe auf eine Stellungnahme verzichtet. Befragt, ob ich bezüglich der Länderfeststellung heute eine Stellungnahme abgeben möchte, gebe ich an, dass ich auf die Abgabe einer Stellungnahme weiterhin verzichte.

Bezüglich der Erlassung des Bescheides gebe ich an, dass ich dies zur Kenntnis nehme und gehen werde.

Bezüglich der Erlassung der Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot steht mir eine kostenlose Rechtsberatung und eine verpflichtende Rückkehrberatung zu, welche mir mit dem Bescheides in Form einer Verfahrensanordnung an meine oben angeführte Adresse übermittelt werden wird.

Sie sind in Kenntnis davon, dass Ihr rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 120 Abs 1a FPG nach sich zieht. Ihre ha. getätigten Angaben erheben Sie hiermit auch zu Ihrer Stellungnahme in diesem Verwaltungsstrafverfahren vor der Landespolizeidirektion XXXX und ergeht von dort diesbezüglich eine gesonderte Entscheidung. Ihre Angaben des heutigen Tages werden für das Verwaltungsstrafverfahren herangezogen werden.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Auf Vorhalt, dass einem aktuellen Versicherungsdatenauszug zu entnehmen ist, dass ich zwar als Selbstständiger versichert bin, jedoch derzeit keine Beiträge bezahle, gebe ich an, dass ich seit ca. sechs Monate nicht bezahlt habe.

Anmerkung: Dolmetscher wiederholt dies auf punjabi.

Es wird angemerkt, dass es zwar ersichtlich ist, dass ich ein wenig Deutsch verstehe, von einer relevanten sprachlichen Integration ist keinesfalls zu sprechen.

Meine berufliche Integration ist als relativiert anzusehen, da ich einer illegalen Beschäftigung nachgehe.

Ich habe alles verstanden und habe keine weiteren Fragen.

[...]

2.7. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2017 idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen. Zudem wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.). Abschließend wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gegen seine Person ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.).

2.8. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF mitgeteilt, dass dieser gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum XXXX in Anspruch zu nehmen.

2.9. Für die Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde der BF sodann am XXXX niederschriftlich einvernommen.

2.10. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde, innerhalb der Rechtsmittelfrist am selben Tag eingebracht, vom ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den genannten Bescheid erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Einvernahmeprotokoll im Bescheid nicht abgedruckt wiedergegeben worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar erkennbar, welche konkreten Fragen an den BF getätigt worden seien, sowie welche Fragen die einvernehmende Referentin gestellt habe. Dies sei insofern problematisch, als die Einvernahme als wesentliche Entscheidungsgrundlage diene.

Zudem seien in der Einvernahme keinerlei Fragen an den BF gerichtet worden, welche für die Erstellung einer Gefährlichkeitsprognose erforderlich gewesen seien.

Im Zuge seiner Einvernahme habe der BF ausgesagt, er sei mit XXXX zusammen, wohne in einem Haushalt und habe mit ihr einen gemeinsamen Sohn, XXXX . Dennoch habe die Behörde die besondere Relevanz dieses Vorbringens gemäß Artikel 8 EMRK außer Acht gelassen und die Freundin des BF als Zeugin nicht einvernommen, weshalb er in der Beschwerdeschrift deren Einvernahme beantrage.

Auch sei den im Bescheid zitierten Länderberichten zu entnehmen, dass die indische Regierung Rückkehrern weder ein Reintegrationsprogramm noch finanzielle administrative Unterstützung anbiete.

Die Rückkehrentscheidung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Familienleben des BF dar, da eine Fortführung der Beziehung in Indien nicht möglich sei, zumal dessen Freundin ihren Lebensmittelpunkt in Österreich bzw. in der Slowakei habe. Das Führen getrennter Haushalte sei weder dem BF noch seiner Freundin zumutbar. Weiters habe der BF den Wunsch geäußert, seine Freundin zu heiraten, sobald er einen Aufenthaltstitel erlangt habe.

Der BF sei Vater einer Tochter, welche in der Slowakei geboren worden sei. Dem Beschwerdeschriftsatz wurde eine in slowakischer Sprache verfasste Geburtsurkunde beigelegt. In der Beschwerde wurde hervorgehoben, dass der Name des BF als Vater nicht auf dem Dokument stehe, da dieser über kein aufrechtes Reisedokument verfüge und somit bei der Geburt des Kindes in der Slowakei nicht anwesend habe sein können. Der BF hob hervor, dass es für das Kindeswohl von großer Bedeutung sei, dass es mit beiden Elternteilen aufwachse und verwies diesbezüglich auf eine Entscheidung des BVwG.

Hinsichtlich des in Beschwerde gezogenen Spruchpunktes III. wurde ausgeführt, dass die Erlassung eines Einreiseverbots mit einer Rückkehrentscheidung seit der Novelle BGBL. I Nr. 68/2013 (FNG-Anpassungsgesetz) nicht mehr zwingend gesetzlich vorgeschrieben sei. Zudem stelle das Einreiseverbot einen Eingriff in das Privatleben des BF dar. Zwar sei das private Interesse des BF mit dem legitimen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen, doch sei das Gesamtverhalten des BF als nicht so schwerwiegend anzusehen, dass die Verhängung des Einreiseverbotes in der Höhe von zwei Jahren als notwendig und verhältnismäßig anzusehen wäre. Vielmehr habe es die belangte Behörde unterlassen, genauere Ermittlung anzustellen, ob das Verhalten des BF tatsächlich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit oder andren in Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen darstelle.

Der BF sei bei XXXX im Paketdienst beschäftigt und verfüge über einen Gewerbeschein für die Güterbeförderung. Die Behörde begründe die Erlassung eines zweijährigen Einreiseverbotes dahingehend, dass es sich hierbei um eine unerlaubte Beschäftigung des BF handle und er somit gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verstoße. Dazu wurde in der Beschwerde angemerkt, dass keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG vorlägen bzw. habe die belangte Behörde dahingehend auch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er verwies diesbezüglich auf eine Entscheidung des BVwG samt auszugsweiser Zitierung.

Zusammengefasst wurde in der Beschwerde beantragt, den Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I. zu beheben, die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, den Spruchpunkt III. ersatzlos zu beheben sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Zudem wurde beantragt, in eventu das für die Dauer von zwei Jahren befristete Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu das auf für zwei Jahre befristete bzw. auf eine angemessene Dauer herabgesetzte Einreiseverbot nur für Österreich zu erlassen, in eventu die ordentliche Revision zuzulassen sowie in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

2.11. Die gegenständliche Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am XXXX vom BFA vorgelegt.

2.12. Am XXXX wurde vom BVwG eine mündliche Verhandlung für den XXXX ausgeschrieben, zu der der BF ordnungsgemäß geladen wurde. Diese wurde in der Folge abberaumt. Laut Mitteilung des BFA am XXXX sei der BF freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist sei. Die Rechtsvertreterin des BF legte mit Schreiben vom XXXX ihre Vollmacht zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1. Der BF ist indischer Staatsangehöriger, wurde am XXXX im Dorf XXXX in der Provinz Punjab geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern und seinem Bruder, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat an. Er spricht Punjabi und ein wenig Deutsch, absolvierte jedoch bisher keinen Deutschkurs.

In Hinblick auf die derzeit bestehende Covid-19 – Pandemie ist festzuhalten, dass der BF 34 Jahre alt ist und weder an einer schwerwiegenden noch an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen oder Personen mit (relevanten) Vorerkrankungen fällt.

Der BF stellte den Antrag auf internationalen Schutz lautend auf den Namen XXXX . Im Zuge des Verfahrens ist hervorgekommen, dass der BF auf den eigentlichen Namen XXXX lautet.

1.2 Im Herkunftsstaat besuchte der BF etwa zwölf Jahre lang die Schule und war in der familieneigenen Landwirtschaft tätig. Die Eltern des BF leben nach wie vor in Indien, der Aufenthalt seines Bruders ist unbekannt. Bei einer Rückkehr in seinen Heimatsstaat könnte der BF bei seinen Eltern wohnen. Ob ein Onkel des BF in Österreich lebt, konnte nicht festgestellt werden. Unabhängig davon hat der BF zu seinem Onkel keinen Kontakt mehr.

Der BF hat in Österreich eine Freundin namens XXXX , geb. XXXX und slowakische Staatsangehörige, die seit XXXX amtlich im Bundesgebiet angemeldet ist. Er lebte mit ihr etwa ab XXXX in einer Wohnung in XXXX Wien. Die Beiden sind seit etwa XXXX in einer Partnerschaft gewesen. Nicht festgestellt werden konnte, dass sie ein gemeinsames Kind haben. Ob das Kind tatsächlich nach der Geburt im Krankenhaus in XXXX blieb, konnte nicht festgestellt werden.

Im XXXX meldete der BF beim Land Niederösterreich das Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, wenn die Summe der höchstens zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt, an. Nachdem er als Essenslieferant tätig war, arbeitete er bei XXXX als Paketzusteller und verdiente so etwa monatlich EUR 1.000,- an Lebensunterhalt für sich und seine Lebensgefährtin. Er übte diese Tätigkeit unselbstständig ohne eine Beschäftigungsbewilligung aus.

Es konnten darüber hinaus keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher oder sozialer Sicht festgestellt werden.

1.3. Der BF hielt sich während dem Verfahren teilweise nicht an der von ihm gemeldeten Adresse auf, weshalb ihm mehrmals Ladungen bzw. eine Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme nicht zugestellt werden konnte.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und nimmt keine Leistungen der Grundversorgung in Anspruch.

1.4. Der BF reiste am XXXX in das Bundesgebiet ein, wobei ihm dazu von der österreichischen Botschaft in Neu-Delhi am XXXX ein Visum ausgestellt wurde, welches bis zum XXXX gültig war. Er verließ jedoch nach Ablauf dieses Visums Österreich nicht, sondern verblieb unrechtmäßig im Bundesgebiet und stellte sieben Monate später einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX abgewiesen wurde. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen. Betreffend Spruchpunkt III. wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nunmehr BFA) zurückverwiesen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen sowie festgestellt, dass eine Abschiebung zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswüdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Stellungnahme ab. Da der BF nicht an der von ihm gemeldeten Adresse wohnhaft war, wurde er am XXXX amtlich abgemeldet. Der BF konnte erst am XXXX und am XXXX einvernommen werden, nachdem er im Zuge einer Kfz-Kontrolle, bei der er sich mit einem österreichischen Führerschein und einem österreichischen Zulassungsschein auswies, festgenommen wurde. Am XXXX reiste der BF freiwillig aus Österreich aus.

1.5. Es wird nicht festgestellt, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf das Leben gefährdet ist, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen ist oder von der Todesstrafe bedroht ist oder willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist.

1.6. Zur Lage im Herkunftsstaat werden die im Zuge der Ladung zur Verhandlung vor dem BVwG am XXXX übermittelten Länderberichte zu Indien mit der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von 10 Tagen, herangezogen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 30.03.2020 (letzte Information eingefügt am 22.07.2020):
1.         Politische Lage

Letzte Änderung: 30.03.2020

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 28.2.2020; vgl. AA 19.7.2019). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 11.3.2020). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 2.2020a).

Der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist nach britischem Muster durchgesetzt (AA 2.2020a; vgl. AA 19.7.2019). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ist verfassungsmäßig garantiert, der Instanzenzug ist dreistufig (AA 19.7.2019). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 11.2019a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt. Indien hat eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 2.2020a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 19.7.2019).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister der Regierungschef ist (USDOS 11.3.2020). Der Präsident nimmt weitgehend repräsentative Aufgaben wahr. Die politische Macht liegt hingegen beim Premierminister und seiner Regierung, die dem Parlament verantwortlich ist. Präsident ist seit 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind, der der Kaste der Dalits (Unberührbaren) entstammt (GIZ 11.2019a).

Im April/Mai 2019 wählten etwa 900 Mio. Wahlberechtigte ein neues Unterhaus. Im System des einfachen Mehrheitswahlrechts konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) unter der Führung des amtierenden Premierministers Narendra Modi ihr Wahlergebnis von 2014 nochmals verbessern (AA 19.7.2019).

Als deutlicher Sieger mit 352 von 542 Sitzen stellt das Parteienbündnis „National Democratic Alliance“, mit der BJP als stärkster Partei (303 Sitze) erneut die Regierung. Der BJP-Spitzenkandidat und amtierende Premierminister Narendra Modi wurde im Amt bestätigt. Die United Progressive Alliance rund um die Congress Party (52 Sitze) erhielt insgesamt 92 Sitze (AA 19.7.2019). Die Wahlen verliefen, abgesehen von vereinzelten gewalttätigen Zusammenstößen korrekt und frei. Im Wahlbezirk Vellore (East) im Bundesstaat Tamil Nadu wurden die Wahlen wegen des dringenden Verdachts des Stimmenkaufs ausgesetzt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt (AA 19.7.2019). Mit der BJP-Regierung unter Narendra Modi haben die hindunationalistischen Töne deutlich zugenommen. Die zahlreichen hindunationalen Organisationen, allen voran das Freiwilligenkorps RSS, fühlen sich nun gestärkt und versuchen verstärkt, die Innenpolitik aktiv in ihrem Sinn zu bestimmen (GIZ 11.2019a). Mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts treibt die regierende BJP ihre hindunationalistische Agenda weiter voran. Die Reform wurde notwendig, um die Defizite des Bürgerregisters des Bundesstaats Assam zu beheben und den Weg für ein landesweites Staatsbürgerregister zu ebnen. Kritiker werfen der Regierung vor, dass die Vorhaben vor allem Muslime und Musliminnen diskriminieren, einer großen Zahl von Personen den Anspruch auf die Staatsbürgerschaft entziehen könnten und Grundwerte der Verfassung untergraben (SWP 2.1.2020; vgl. TG 26.2.2020). Kritiker der Regierung machten die aufwiegelnde Rhetorik und die Minderheitenpolitik der regierenden Hindunationalisten, den Innenminister und die Bharatiya Janata Party (BJP) für die Gewalt verantwortlich, bei welcher Ende Februar 2020 mehr als 30 Personen getötet wurden. Hunderte wurden verletzt (FAZ 26.2.2020; vgl. DW 27.2.2020).

Bei der Wahl zum Regionalparlament der Hauptstadtregion Neu Delhi musste die Partei des Regierungschefs Narendra Modi gegenüber der regierenden Antikorruptionspartei Aam Aadmi (AAP) eine schwere Niederlage einstecken. Diese gewann die Regionalwahl erneut mit 62 von 70 Wahlbezirken. Die AAP unter Führung von Arvind Kejriwal, punktete bei den Wählern mit Themen wie Subventionen für Wasser und Strom, Verbesserung der Infrastruktur für medizinische Dienstleistungen sowie die Sicherheit von Frauen, während die BJP für das umstrittene Staatsbürgerschaftsgesetz warb (KBS 12.2.2020). Modis Partei hat in den vergangenen zwei Jahren bereits bei verschiedenen Regionalwahlen in den Bundesstaaten Maharashtra und Jharkhand heftige Rückschläge hinnehmen müssen (quanatra.de 14.2.2020; vgl. KBS 12.2.2020).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der „strategischen Autonomie“ wird zunehmend durch eine Politik „multipler Partnerschaften“ mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Großmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (BICC 12.2019). Ein ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 11.2019a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten „Neuen Seidenstraße“ eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im „Regional Forum“ (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (BICC 12.2019).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 11.2019a).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

-        AA – Auswärtiges Amt (2.2020a): Indien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 27.3.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (11.2019b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/politisches-portrait/206048, Zugriff 16.1.2020

-        BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2019): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2019_Indien.pdf, Zugriff 10.2.2020

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-        DW – Deutsche Welle (27.2.2020): Sierens China: Schwieriges Dreiecksverhältnis, https://www.dw.com/de/sierens-china-schwieriges-dreiecksverh%C3%A4ltnis/a-52556817, Zugriff 28.2.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2020): Immer mehr Tote nach Unruhen in Delhi, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indien-tote-bei-gewalt-zwischen-hindus-und-muslimen-in-delhi-16652177.html, Zugriff 28.2.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Indien, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 27.3.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2020b): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 30.3.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2020c): Indien, Überblick, https://www.liportal.de/indien/ueberblick/, Zugriff 27.3.2020

-        KBS – Korean Broadcasting System (12.2.2020): Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, http://world.kbs.co.kr/service/contents_view.htmlang=g&board_seq=379626, Zugriff 14.2.2020

-        Quantara.de (14.2.2020): Herbe Niederlage für Indiens Regierungschef Modi bei Wahl in Neu Delhi, https://de.qantara.de/content/herbe-niederlage-fuer-indiens-regierungschef-modi-bei-wahl-in-neu-delhi, Zugriff 20.2.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Indiens Ringen um die Staatsbürgerschaft, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A02_wgnArora_WEB.pdf, Zugriff 18.2.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2019): Keine Ruhe in Kaschmir. Die Auflösung des Bundesstaats und die Folgen für Indien, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019A45/, Zugriff 16.1.2020

-        TG – The Guardian (26.2.2020): Anti-Muslim violence in Delhi serves Modi well, https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/feb/26/violence-delhi-modi-project-bjp-citizenship-law, Zugriff 28.2.2020

-        USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026357.html, Zugriff 13.3.2020
2.         Sicherheitslage

Letzte Änderung: 22.7.2020

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 11.2019a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 12.2020).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer, Anm.) (GIZ 11.2019a), die das staatliche Gewaltmonopol gebietsweise infrage stellen (AA 19.7.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Morden und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 8.2019).

Erhebungen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an. Angaben zu Folge haben Rebellen illegale Steuern erhoben, Lebensmittel und Unterkünfte beschlagnahmt und sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen beteiligt. Zehntausende von Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 4.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 19.7.2019).

Indien und Pakistan

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 12.2019; vgl. BBC 23.1.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer- wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 12.2019). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 12.2019). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14.2.2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ 26.2.2019, WP 26.2.2019).

Indien und China

Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Zusammenstöße entlang der „Line of Actual Control (LAC)“, der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin forderten am 15.6.2020 in den ersten Vorfällen seit 45 Jahren, nachdem die Spannungen im Mai zu eskalieren begannen, mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC 3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise. Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in den letzten Monaten gesehen werden (SWP 7.2020). Keine der beiden Seiten hat ein Interesse daran, die Meinungsverschiedenheiten in offenen Streit umschlagen zu lassen (FAZ 27.2.2020, vgl. SWP 7.2020), dennoch verstärken beide Seiten ihre militärische Präsenz in der Region. Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr als 3.400 Kilometer langen Grenze (SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 12.2019).

Der amerikanisch-chinesische Handelskrieg hat die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen. Dennoch ist Delhi besorgt, dass chinesische Waren den heimischen Markt überschwemmen und lokale Anbieter verdrängen. Das ist auch der Grund, warum Indien noch einmal nachverhandeln will, wenn es um das „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP) Abkommen geht, das gemeinsam mit den meisten asiatischen Ländern größte Freihandelsabkommen der Welt, zu schaffen. Indien fühlt sich von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020). Bestimmender Faktor des indischen Verhältnisses zu China ist das immer wieder auch in Rivalität mündende Neben- und Miteinander zweier alter Kulturen, die heute die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Welt sind. Das bilaterale Verhältnis ist von einem signifikanten Ungleichgewicht zu Gunsten Chinas gekennzeichnet (BICC 12.2019).

Indien und Sri Lanka

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis, das durch den mittlerweile beendeten Bürgerkrieg auf Sri Lanka zwischen der tamilischen Minderheit und singhalesischen Mehrheit stark beeinflusst wurde. Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 11.2019a). Darüber hinaus bestehen kleinere Konflikte zwischen Indien und Bangladesch (BICC 12.2019).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (19.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Mai 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014276/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Mai_2019%29%2C_19.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

-        AA - Auswärtiges Amt (19.7.2019): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (8.6.2020): Briefing Notes 8. Juni 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2031179/briefingnotes-kw24-2020.pdf, Zugriff 22.7.2020

-        BBC - British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382, Zugriff 22.7.2020

-        BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 29.1.2019

-        BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2019): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2019_Indien.pdf, Zugriff 10.2.2020

-        BPB - Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (12.12.2017): Konfliktporträt: Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien, Zugriff 18.3.2020

-        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pakistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 6.8.2019

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025925.html, Zugriff 10.3.2020

-        FIDH – International Federation for Human Rights (23.6.2020): China/India/Pakistan: De-escalate tensions along border lines and seek peaceful resolution of disputes, 23. Juni 2020
https://www.fidh.org/en/region/asia/india/china-india-pakistan-de-escalate-tensions-along-border-lines-and-seek, Zugriff 22.7.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 17.3.2020

-        KO – Kaschmir Observer (25.6.2020): Indian, Pakistani Troops Trade Fire In North Kashmir, https://kashmirobserver.net/2020/06/25/indian-pakistani-troops-trade-fire-in-north-kashmir/, Zugriff 22.7.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (8.2019): Asylländerbericht Indien

-        Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201

--       SATP - South Asia Terrorism Portal (15.2.2020): Data Sheet - India Yearly Fatalities: 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india, Zugriff 17.3.2020

-        SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, Juli 2020
https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf, Zugriff 22.7.2020

-        SZ- Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https://www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509, Zugriff 6.8.2019

-        WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-crossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709, Zugriff 6.8.2019

2.1.    Regionale Problemzonen Jammu und Kaschmir

Letzte Änderung: 22.7.2020

Indien hat am 5.8.2019 den in der Verfassung festgelegten Sonderstatus (ZO 6.8.2019) der mehrheitlich muslimischen Region (FAZ 6.8.2019; vgl. GIZ 11.2019a) des indischen Teils von Kaschmir per Dekret beendet (ZO 6.8.2019). Unmittelbar darauf hat das Parlament in Delhi die Aufhebung jenes Artikels 370 der indischen Verfassung beschlossen (FAZ 7.8.2019), welcher Jammu und Kaschmir einen Sonderstatus einräumt und vorgeschlagen, den Staat in zwei Unionsterritorien, nämlich Jammu und Kaschmir sowie Ladakh aufzuteilen (IT 6.8.2019). Der Artikel 370 gewährt der Region eine gewisse Autonomie, wie eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und die Freiheit, Gesetze (BBC 6.8.2019) mit Ausnahme zu Belangen der Außen- wie auch der Verteidigungspolitik (DS 7.8.2019) zu erlassen. Dies stellte einen Kompromiss zwischen der zu großen Teilen muslimischen Bevölkerung und der hinduistischen Führung in Neu-Delhi dar (ARTE 7.8.2019). Neben dem Artikel 370 wurde auch der Artikel 35A aufgehoben, welcher dem lokalen Parlament erlaubte festzulegen, wer Bürger des Teilstaats ist und wer dort Land besitzen und Regierungsämter ausüben kann (NZZ 5.8.2019).

Die auch in Indien umstrittene Aufhebung der Autonomierechte befeuert die Spannungen in der Region. Kritiker befürchten, dass der hindunationalistische Ministerpräsident Narendra Modi und seine Regierung eine „Hinduisierung“ des Gebiets anstreben (TNYT 6.8.2019). Zur Verhinderung von Unruhen haben die indischen Behörden sämtliche Kommunikationskanäle unterbrochen und zusätzlich 10.000 Soldaten (SO 4.8.2019) in die ohnehin hoch militarisierte Region entsendet (ARTE 7.8.2019) und führende Regionalpolitiker wurden unter Hausarrest gestellt (FAZ 7.8.2019). Die Rücknahme des verwaltungsrechtlichen Sonderstatus des Bundesstaates Jammu und Kaschmir ist mit zahlreichen Verfassungs- und Menschenrechtsverletzungen einhergegangen (RLS 1.2020).

Jammu und Kaschmir gehörten 2018 zu den am stärksten vom Terrorismus betroffen Bundesstaaten in Indien (USDOS 1.11.2019). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für „Statthalter” und „Kollaborateure” der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam „bestraft“. Die Zahl der als terroristisch eingestuften Vorfälle in Jammu und Kaschmir hat nach einem rückläufigen Trend im Jahr 2015 in den Jahren 2016 und 2017 zugenommen (AA 19.7.2019; vgl. FH 3.4.2020).

Bei einem Selbstmordanschlag (TOI 15.2.2019) auf indische Sicherheitskräfte im Gebiet von Goripora bei Awantipora im Distrikt Pulwama in Kaschmir wurden am 14.2.2019 mindestens 44 Menschen getötet. Dutzende wurden verletzt (TOI 15.2.2019; vgl. IT 15.2.2019).

In Indien bleibt das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.12.2017).

Im September hat die Europäische Union die Lage in Jammu und Kaschmir vor dem UN-Menschenrechtsrat thematisiert und Indien aufgefordert, die andauernden Beschränkungen aufzuheben und die Rechte und Grundfreiheiten der betroffenen Bevölkerung zu wahren. Das Europäische Parlament hat zudem eine Sonderdebatte über Kaschmir abgehalten und forderte sowohl Indien als auch Pakistan nachdrücklich auf, ihre internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten (HRW 14.1.2020).

In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 11.3.2020; vgl. BBC 20.10.2015). Es gab wiederholt Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungskräfte in Jammu und Kaschmir während der durchgeführten Sicherheitsoperationen, was von vielen auf politisches Versagen bei der Sicherstellung der Rechenschaftspflicht zurückgeführt wurde (HRW, 17.1.2019). Im September 2019 äußerte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, ihre Besorgnis über die Menschenrechtsverletzungen in Jammu und Kaschmir (HRW 14.1.2020).

Nach einer eher ruhigen Phase zwischen den Jahren 2011 und 2014 hat sich die Lage in jüngster Zeit wieder wesentlich verschlechtert (GIZ 11.2019a).

Ab Mitte 2016 hat die Gewalt spürbar zugenommen. Auch Schusswechsel an der Grenze zu Pakistan haben 2016 nach der Ermordung eines populären, militanten separatistischen Führers wieder deutlich zugenommen. Zivilisten im Grenzgebiet werden dabei häufig in Mitleidenschaft gezogen. Seit Sommer 2017 verfolgt die Regierung bewusst eine harte Linie, die ein gezieltes Aufspüren von Führern der Militanten und bei Widerstand gewaltsamen Zugriff vorsieht. Dabei kommt es offenbar wiederholt zu Gefechten, bei denen auch Unb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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