TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/21 W240 2243539-1

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Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W240 2243539-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2021, Zl. 1277099210/210515005, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben. Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der BF (in der Folge auch BF), ein serbischer Staatsangehöriger, wurde am 19.04.2021 von Beamten einer österreichischen Landespolizeidirektion in einem verwahrlosten Zustand angetroffen. Der BF wurde zu Verwandten gebracht, welche angaben, der BF würde bei seinem Bruder in Österreich leben. Der BF wurde darüber belehrt, dass sie als Drittstaatsangehörige über einen Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen berechtigt sei, diesen habe er durch ihre Einreise vor Jahren weit überschritten.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), es wurde gemäß 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß
§ 52 Abs. 1 Z. 1 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt II.), es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Mit dem beim BFA fristgerecht eingebrachten Schriftsatz erhob die beschwerdeführende Partei durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde der Bescheid zur Gänze angefochten und somit – unter anderem – beantragt, den Bescheid hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aufzuheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 18.06.2021 vom BFA vorgelegt.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF wurde am 19.04.2021 von Beamten einer österreichischen Landespolizeidirektion in einem verwahrlosten Zustand angetroffen. Der BF wurde zu Verwandten gebracht, welche angaben, der BF würde bei ihrem Bruder in Österreich leben. Der BF wurde darüber belehrt, dass sie als Drittstaatsangehörige über einen Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen berechtigt sei, diesen habe sie durch ihre Einreise vor Jahren weit überschritten. Im nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA wurde festgestellt, dass der BF gesund und arbeitsfähig sei.

In der Beschwerde wurde insbesondere ausgeführt:

„(…) Mein Aufenthalt in Österreich ist rechtmäßig, zumal ich schon seit den 1980erJahren über einen Daueraufenthaltstitel verfüge.

Hilfsweise wäre mir ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (aus Gründen des Art. 8 EMRK oder „besonderer Schutz") zu erteilen gewesen.

Die gegen mich erlassene Rückkehrentscheidung ist unzulässig, zumal ich mich tatsächlich rechtmäßig in Österreich aufhalte.

Dazu kommt, dass die Rückkehrentscheidung grundrechtswidrig mein Privat- und Familienleben verletzt, welches allein in Österreich und dies schon seit 1981 besteht, wo ich ohne sonstige Bindung zu meinem Geburtsstaat voll integriert, sozialversichert und auch straf- und verwaltungsbehördlich unbescholten bin.

(…)

Mein seit 40 Jahren ausschließlich in Österreich bestehendes Privat- und Familienleben ist daher in höchstem Maß schützenswert und verbietet daher auf Dauer die Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

Wie sich schon aus den Feststellungen der belangten Behörde ergibt, ist in Serbien eine adäquate medizinische Betreuung meiner psychischen Erkrankungen nicht gewährleistet.

Dies macht daher auch meine Abschiebung nach Serbien unzulässig.

(…)

Hingegen wäre in Serbien u.a. eine adäquate medizinische Betreuung meiner psychischen Erkrankungen nicht gewährleistet, weshalb es mir auch nicht zumutbar ist, den Verfahrensausgang in meinem Geburtsstaat in dem ich keine nahen Verwandten und zu dem ich auch sonst keine Bindungen habe — abzuwarten.

(…)

Dass ich seit meiner Einreise nach Österreich 1981 und meines seither ununterbrochen bestehenden Aufenthalts ausschließlich von meiner Familie erhalten werde und — trotz gesetzlichen Anspruchs hierauf niemals staatliche Hilfe als erwerbsunfähige Behinderte in Anspruch genommen habe, kann mir nicht zum Nachteil gereichen.

Auf Grund meiner psychischen Beeinträchtigung wäre die belangte Behörde auch gehalten gewesen, meine Handlungs- und Prozessfähigkeit zu prüfen.

Daraus ergibt sich mitunter die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens; an einer diesbezüglichen Feststellung habe ich ein rechtliches Interesse. (…)“

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG, sowie aus eingeholten Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie Zentralem Fremdenregister (IZR) und Strafregister (SA).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Rechtliche Bestimmungen:

§ 18 Abs. 2 und 5 FPG lauten:

„(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1.       die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2.       der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet

zurückgekehrt ist oder

3.       Fluchtgefahr besteht.

[…]

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“

3.2. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Spruchteil A.):

Vorab ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden und in Form eines Teilerkenntnisses ergehenden Entscheidung nur jener Spruchteil des mit der Beschwerde angefochtenen Bescheides ist, mit dem gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung (aW) der Beschwerde aberkannt wurde, weshalb sich die Prüfung auf jene Teile des Beschwerdevorbringens beschränkt (§ 27 VwGVG), welche sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richten.

Die Entscheidung des erkennenden Gerichts in der Hauptsache, das heißt hinsichtlich aller übrigen mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtenen Spruchpunkte des Bescheides, ergeht zu einem späteren Zeitpunkt gesondert.

Die belangte Behörde stützte sich bei der Aberkennung der aW darauf, dass laut Einschätzung der belangten Behörde keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines
(Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aW vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aW zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers gehen insofern konkrete Anhaltspunkte für den BF bei einer Abschiebung möglicherweise drohenden Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK einher, als behauptet wurde, der BF leide an schweren psychischen Problemen, seine Prozessfähigkeit sei zu überprüfen und als auf das in Österreich bestehende Familienleben des BF zu seinem in Österreich lebenden Bruder und zu einem Cousin verwiesen wird.

Die vom BF behauptete reale Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen kann bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Diese Grobprüfung bedeutet keine tatsächliche Feststellung einer tatsächlich drohenden Verletzung der EMRK per-se, sondern beurteilt lediglich, ob eine Verletzung der vorzitierten Rechte realistisch erscheinen könnte, weshalb es geboten erscheint, dass der BF den Ausgang des Verfahrens im Bundesgebiet abwarten kann.

Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, da der für gegenständliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

3.4. Unzulässigkeit der Revision (Spruchteil B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen vor dem Hintergrund der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Spruchpunktbehebung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W240.2243539.1.00

Im RIS seit

17.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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