TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/27 96/20/0819

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1994, Zl. 4.342.529/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der staatenlose Beschwerdeführer, der bis zu seiner Ausreise im Dezember 1992 im Libanon lebte, reiste am 3. Februar 1993 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 9. Februar 1993 Asyl.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10. Februar 1993 gab er im wesentlichen an:

"Ich gehörte im Libanon der christlichen Miliz an und werde deshalb von den syrischen Behörden. die durch das syrische Militär auch einen Teil vom Libanon kontrollieren, gesucht. Vorerst seit dem Jahr 1981 habe ich mit der Waffe gegen andere Milizen gekämpft und seit dem Jahr 1981 auch gegen das syrische Militär. Es gibt jetzt in Beirut eine Zentralregierung und diese hat auch meine Milizeinheit aufgelöst. Da die Syrer im Libanon nunmehr an und für sich an der Macht sind, sind einige meiner Milizkameraden schon verhaftet worden und ich habe gehört, daß man mich auch verhaften will. Ich habe bei der Miliz einer Spezialeinheit angehört, die unter anderem auch Panzer in die Luft gejagt hat. Für das bulgarische Visum habe ich den Beamten bestochen. Ich habe auch der Zollkontrolle Geld gegeben, weshalb ich ohne Probleme ausreisen konnte.

Ich wurde einmal im Jahr 1984 von den Milizen der Drusen verhaftet, habe jedoch von der libanesischen Regierung keine Verfolgung erlitten. Von der jetzigen libanesischen Regierung bin ich nie verhaftet, mißhandelt oder eingesperrt worden. Ich bin eigentlich der Meinung, daß nicht die libanesische Regierung nach mir sucht, sondern die syrische Regierung.

Nach Österreich wollte ich deshalb, da hier meine Mutter lebt. Ich hatte schon im Libanon die Absicht nach Österreich zu gehen, die(s) war der Grund, warum ich in Zypern nicht um Asyl angesucht habe. Ich war auch in Bulgarien 2 Monate aufhältig und war auch dort keiner Verfolgung der dortigen Behörden ausgesetzt und wurde auch nicht mit Abschiebung in den Libanon bedroht.

Ich möchte darauf hinweisen, daß ich im Jahr 1989, wie ich gegen die Drusen und gegen die Syrer kämpfte, am linken Fuß, an der linken Hand verletzt wurde. Diese Verletzungen erhielt ich im Zuge des Bürgerkrieges. Ich bin gegen die jetzige libanesische Regierung, da diese gegen die christlichen Milizen ist.

Mehr habe ich nicht anzugeben."

In seinem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 10. Februar 1993 traf das Bundesasylamt nach einer ausführlichen Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers die Feststellung, er habe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft dargelegt; die Behörde komme vielmehr zu der Ansicht, daß der Beschwerdeführer deshalb vom syrischen Militär gesucht werde, weil er "gegen diese mit der Waffe gekämpft" habe.

Mit Bescheid vom selben Tag wies das Bundesasylamt auch einen als Antrag auf Asylausdehnung behandelten Antrag der Ehegattin des Beschwerdeführers (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/20/0178) ab.

In ihrer gemeinsam erhobenen Berufung führten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin aus:

"Berufung

Gegen die 2 o.g. Bescheide erhebe ich die Berufung. Hiemit führe ich die Gründe an:

In die 2 Bescheide erwähnten Begebenheiten entsprechen nicht der Wahrheit und daher komme ich zu der Vermutung, daß der anwesende Dolmetscher meine Aussage und die Aussage meiner Frau nicht richtig gedolmetscht hat. Ich werde in diesem Schreiben meine Geschichte richtig darstellen.

Ich bin Irakische Staatsbürger. Meine Familie hält sich seit ca. 35 Jahren im Libanon auf. Daher bin ich im Libanon geboren.

1981 war ich 8 Jahre alt und mußte zum christlichen Militzen gehen und dort eine militärische Ausbildung erhalten. Ab 1984 mußte ich an verschiedenen Militäroperationen teilnehmen. Diese Operationen waren ausschließlich gegen syrische Streitkräfte gerichtet. 1989 wurde ich Ausbildner. 1991 sind wir zum ersten Mal gegen die libanischen Streitkräfte vorgegangen (Bürgerkrieg). Die libanesische Regierung hat die syrische Armee gebeten, uns zu liquidieren.

Während der Ausbildungsjahr 1990 hat sich einen syrischen Agent bei uns eingeschlichen. Ihm gelang die Registrierung unserer Namen und hat Lichtbilder von vielen von uns gemacht. Er ist mit diesen Informationen zu den Syrer gegangen. Nachdem unsere Identität bekannt geworden ist, haben die Syrer uns einzeln gesucht. In meiner Abwesenheit haben sie meinem Haus durchsucht und haben militärische Gegenstände gefunden, worauf sie das Haus in Brand gesteckt haben. Ich habe erfahren, daß nicht nur diese Syrer mich suchen, sondern auch die libanische Armee.

Dann bin ich zu dem Hauptquartier der christlichen Militzen geflüchtet. Kurze Zeit später (Sommer 1992) sind die syrischen Streitkräfte gekommen und haben uns in einen großen Zeltlager interniert. Einige von uns versuchten zu flüchten wobei sie erschoßen worden sind. Ich persönlich weiß von 27 getöteten Kameraden.

Ich habe gewußt, daß ich dieses Land verlassen muß, ansonsten werde ich getötet.

Die Wahl meines Fluchtlandes Österreich stand bereits fest, nachdem meine Mutter und meine Schwester dort bereits leben.

Mir ist gelungen einen Kontakt zu einer Person herzustellen, der mir einen gültigen offiziellen libanesischen Fremdenpaß besorgt hat. Diese Person hat für mich ein Visum (für 15 Tage) für Bulgarien verschafft hat mir geholfen, das Lager zu verlassen und am 11.12.1992 mit einen Schiff nach Zypern zu gelangen. Am 12.12.1992 bin ich mit von dort nach Bulgarien geflogen. Statt 15 Tage bin ich 2 Monate geblieben und habe erfolgreich versucht ein Visum für Österreich zu bekommen. Ich bin am 3.02.1993 nach Österreich geflogen und bin in Wien Schwechat gelandet und legal nach Österreich eingereist.

Wenn ich nach den Libanon abgeschoben werde, droht mir dort seitens der Libanesen und der Syrer der Tod.

Im August 1992 habe ich geheiratet. Meine Frau Huwaida Louis hat mich auf der Flucht begleitet. Sie hat auch einen negativen Asylbescheid erhalten."

Eine Einvernahme der Ehegattin des Beschwerdeführers zu ihrem Antrag oder zu dem des Beschwerdeführers hatte nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten beider Verfahren nicht stattgefunden.

Ergänzend brachten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin während des Berufungsverfahrens folgenden Schriftsatz ein:

"In Ergänzung auf die Berufung zu unseren Bescheiden Zl. 9300541 und Zl. 9300543 beantrage ich im Falle der Abweisung nach § 8 des Asylgesetzes um eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Es wohnen hier in Geinberg meine Mutter und meine Schwester, beide stehen in ungekündigten Arbeitsverhältnissen. Die Wohnverhältnisse sind ausreichend, da die Wohnung meiner Mutter insgesamt 116 m2 umfaßt. Herr K, von der Pfarre G, hat für mich eine notariell beglaubigte Verpflichtungserklärung abgegeben, die bei der Fremdenpolizei der BH-Ried hinterlegt wurde."

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie begründete dies im wesentlichen damit, daß der erstinstanzlichen Einvernahme ein Dolmetscher beigezogen und dem Beschwerdeführer der Inhalt der Niederschrift zur Kenntnis gebracht worden sei, wobei er deren Richtigkeit und Vollständigkeit mit seiner Unterschrift bestätigt habe. Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 (im folgenden: AsylG) sei auf sein überschießendes Berufungsvorbringen daher nicht einzugehen. Kriegerische Handlungen im Heimatland eines Asylwerbers seien noch keine asylrelevante Verfolgung. Die Verhaftung von 1984 liege schon zu lange zurück, um noch beachtlich zu sein. Die Angaben des Beschwerdeführers "hinsichtlich der angeblichen Verfolgungshandlungen" seien "nur auf Vermutungen aufgebaut" und der Beschwerdeführer habe "keine konkrete Verfolgungshandlung auch nur behauptet". Die vom Beschwerdeführer erlittenen Verletzungen seien auf seine Teilnahme an kriegerischen Handlungen zurückzuführen. Die bloße ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem herrschenden politischen System in seinem Heimatland sei noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 AsylG seien daher nicht erfüllt, weshalb die Asylgewährung zwingend ausgeschlossen sei. Der "Anregung" des Beschwerdeführers auf Bewilligung des befristeten Aufenthalts gemäß § 8 AsylG sei nicht entsprochen worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Insoweit die Beschwerde Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über den auf § 8 AsylG gestützten Antrag und die mangelhafte Begründung der vermeintlichen Abweisung dieses Antrages geltend macht, genügt ein Hinweis darauf, daß der angefochtene Bescheid keine derartige Entscheidung enthält. Die belangte Behörde hat nur die Begründung ihrer spruchmäßigen Abweisung der Berufung durch den Hinweis ergänzt, der auf § 8 AsylG bezogenen "Anregung" des Beschwerdeführers sei nicht entsprochen worden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/20/0800, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Auf die "Vermutung" in der Berufung, der Dolmetscher habe die erstinstanzliche Aussage des Beschwerdeführers und die (nicht aktenkundige) seiner Ehegattin "nicht richtig gedolmetscht", kommt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht mehr zurück. Im Zusammenhang mit der Ansicht der belangten Behörde, er habe keine konkreten, gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht, führt er unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften vielmehr aus:

"Sie (die belangte Behörde) legt dieser Behauptung insbesondere mein Vorbringen im Verfahren erster Instanz zugrunde. Hätte die belangte Behörde berechtigte Zweifel an der Glaubhaftmachung meines Vorbringens gehabt, so wäre sie verpflichtet gewesen, im Rahmen der Manuduktionspflicht mich anzuleiten bzw. mich ergänzend zu meinem Vorbringen zu befragen. Dadurch, daß die belangte Behörde dies unterlassen hat, nimmt sie mir die Möglichkeit, Mißverständnisse aufzuklären. Durch diesen Verfahrensmangel kommt die belangte Behörde zu einem im Spruch falsch lautenden Bescheid."

Mit diesen Ausführungen nimmt der Beschwerdeführer in nicht näher spezifizierter Weise auf die Möglichkeit von "Mißverständnissen" Bezug, ohne aber geltend zu machen, daß und inwiefern er bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung etwas anderes oder mehr als das gesagt habe, was übersetzt und in die Niederschrift aufgenommen wurde. Er zeigt auch nicht auf, in welchen Punkten der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hinsichtlich seiner Richtigkeit und Vollständigkeit demnach nicht strittige Inhalt der Niederschrift vom 10. Februar 1993 auf eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und darauf hingedeutet hätte, daß die in der Berufung nachgetragenen und das erstinstanzliche Vorbringen nicht nur ergänzenden, sondern ihm zum Teil widersprechenden Behauptungen schon in erster Instanz hervorgekommen wären, wenn die Behörde erster Instanz entsprechend deutlichen Hinweisen in der Darstellung des Beschwerdeführers mit der erforderlichen Genauigkeit nachgegangen wäre. Die statt dessen vorgetragenen Pauschalbehauptungen über eine Verletzung der Manuduktionspflicht vermögen der Beschwerde weder unter dem Gesichtspunkt des § 13a AVG noch unter dem des § 16 Abs. 1 AsylG zum Erfolg zu verhelfen (vgl. dazu die Wiedergabe der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 180, 229 f und 308).

War das erstinstanzliche Verfahren nicht mangelhaft und auch sonst keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG gegeben, so lag in dem in der Beschwerde gerügten Umstand, daß die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung nicht das Berufungsvorbringen, sondern nur das Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens zugrunde legte, nach der geltenden Gesetzeslage (§ 20 Abs. 1 AsylG) kein Verfahrensmangel. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften zeigt die Beschwerde daher insgesamt nicht auf.

Auf das eben Gesagte ist der Beschwerdeführer auch insoweit zu verweisen, als er unter dem Gesichtspunkt der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend macht, er habe "im Zuge des Verfahrens" ausreichende Verfolgungsgründe vorgebracht, und dies durch den Hinweis auf Behauptungen, die erst in der Berufung erhoben wurden, näher darzulegen versucht. Diese Behauptungen waren aus dem schon dargestellten verfahrensrechtlichen Grund nicht geeignet, in einer für die belangte Behörde verwertbaren Weise eine drohende Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG darzutun.

Darüber hinaus wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde nur noch vor, sie hätte die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Z. 1 AsylG von bereits gesetzten Verfolgungshandlungen abhängig gemacht und das Gesetz in dieser Hinsicht falsch ausgelegt. Der Satz im angefochtenen Bescheid, aus dem der Beschwerdeführer dies ableitet, bezieht sich aber nur darauf, daß die von ihm behauptete Verhaftung im Jahre 1984 schon zu lange zurückliegt, um daraus eine bis zur Ausreise andauernde, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung abzuleiten.

Geht man von den in erster Instanz erhobenen Behauptungen des Beschwerdeführers aus, so kann in der Ansicht der belangten Behörde, daß daraus nicht mit der erforderlichen Konkretheit auf eine dem Beschwerdeführer selbst im Libanon drohende Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 1 AsylG zu schließen sei, auch nicht aus anderen, in der Beschwerde nicht geltend gemachten Gründen eine Rechtswidrigkeit erkannt werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996200819.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten