TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/27 95/20/0365

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des Y in S, vertreten Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1995, Zl. 4.346.288/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und reiste am 27. Februar 1995 in das Bundesgebiet ein. Am 3. April 1995 beantragte er die Gewährung von Asyl. Anläßlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 5. April 1995 gab er zu seinen Fluchtgründen nach dem Inhalt der Niederschrift (vom 5. April 1995 im wesentlichen damit) an, Mitglied der "DEP" gewesen zu sein und für diese Partei gearbeitet zu haben. Als diese Partei verboten worden sei, habe er alle diesbezügliche Unterlagen vernichtet. Eine eigentliche Aufgabe für diese Partei habe er nicht gehabt, er sei einfaches Mitglied gewesen. Der Onkel des Beschwerdeführers habe aber, obwohl er Kurde sei, für die Türken gearbeitet; der Beschwerdeführer habe ihn aber im Namen der DEP davon erfolgreich abgebracht. Bis zum 6. März 1994 sei "nichts weiter passiert" und habe der Beschwerdeführer keine Probleme gehabt. Zu diesem Zeitpunkt sei sein Onkel befragt worden und habe angegeben, daß ihn die DEP und der Beschwerdeführer von seinen Tätigkeiten für die Türken abgebracht hätten. Auf Grund dieses Sachverhaltes habe man ihn verhaftet, eine Woche lang festgehalten und gefoltert. Man habe ihm Ketten an den Beinen angelegt, von denen er heute noch Narben habe. Man habe ihm vorgeworfen, Terrorist zu sein, was er verneint habe. Er habe vorgebracht, seinen Militärdienst abgeleistet zu haben, auch Frau und Kind zu haben und auch nicht an die Stelle des Onkels treten zu wollen. Dann sei er formlos entlassen worden.

Durch dieses Ereignis sei er politisch vorbelastet und immer, wenn es Gelegenheit gegeben habe, z.B. beim Newroz-Fest sei er zusammen mit anderen verhaftet, geschlagen und nach ein paar Stunden freigelassen worden. Der Druck sei dann immer größer geworden, sodaß sich der Beschwerdeführer entschlossen habe, wegzugehen. Nachdem früher die DEP zugelassen gewesen sei, sei bekannt gewesen, wer bei dieser Partei gewesen sei. Der Beschwerdeführer gab weiters an, nicht mehr genau zu wissen, wann er das letzte Mal geschlagen und erniedrigt worden sei, es sei so gewesen, daß es ganze Jahr 1994 so dahin gegangen sei. Seine Familie sorge für Frau und Kind, sodaß er sich persönlich keine Sorgen diesbezüglich mache. Es sei auch nicht möglich, innerhalb der Türkei eine neue Existenz aufzubauen und in eine Großstadt zu gehen, da er als Kurde auffallen würde und auch dort der Druck entsprechend groß wäre. Einer seiner Vettern sei seit acht Jahren verschwunden; er wisse nicht, ob dieser getötet worden sei oder sich den Partisanen angeschlossen habe. Dieser Vetter trage zufällig den gleichen Namen wie er, so daß man auf Grund der Namensgleichheit auch den Beschwerdeführer immer wieder festgenommen habe. Am 24. Februar 1995 habe er sich nach Adana begeben, von wo aus er in einem LKW bis nach Österreich reiste.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. April 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 des Asylgesetzes abgewiesen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen Verständigungsschwierigkeiten bei der Einvernahme vom 5. April 1995 geltend und brachte vor, daß er bereits anläßlich seines Militärdienstes im Zeitraum 1989 bis 1991 Schwierigkeiten wegen der Namensgleichheit zu seinem Vetter gehabt habe. Auch im Jahr 1988 habe er anläßlich einer Denkmalsprengung in seinem Heimatdorf Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt, da er diesbezüglich beschuldigt worden sei, infolge seines Alibis sei aber dann auf seinen jüngeren Bruder zurückgegriffen worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Mai 1995 des Bundesministers für Inneres wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die belangte Behörde stützte ihren Bescheid im wesentlichen darauf, daß der Beschwerdeführer als einfaches Mitglied der DEP kein Sonderwissen, welches für die Exponenten des türkischen Staates möglicherweise von Interesse sein könnte, besitze. Daher sei die Aussage, der Beschwerdeführer sei beginnend mit 6. März 1994 regelmäßigen mit Mißhandlungen verbundenen polizeilichen Anhaltungen unterworfen worden, unglaubwürdig. Erfahrungsgemäß gehorche eine Verfolgung einem rationalen Kosten-Nutzen-Kalkül. Es müsse für staatliche Organe Grund für die Annahme bestehen, der Asylwerber sei ein Gegner des herrschenden Systems und die Verfolgung würde dem begegnen. Für den Fall, daß der Asylwerber nur in untergeordneter Rolle politisch tätig gewesen sei oder allgemein kein schlüssiges Motiv für den Verfolgerstaat feststellbar sei, erscheine eine Verfolgung nicht glaubhaft. Ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit wird darin erblickt, daß trotz Befragens keine grobe zeitliche Einordnung der letztmalig gegen den Beschwerdeführer gerichteten Mißhandlung erfolgt sei und sich der Beschwerdeführer auf die Aussage beschränkt habe, dies sei "eben das ganze Jahr 1994 so dahingegangen". Diese Aussage müsse auch so interpretiert werden, daß es im Jahre 1995 zu keinen weiteren Übergriffen auf die Person des Beschwerdeführers gekommen sei, was bedeute, daß keine bis zur Ausreise andauernde Furcht vor Verfolgung vorliege, da der türkische Staat keine weitreichenden Interessen am Beschwerdeführer habe. Auch die Verwechslungsgefahr mit dem Vetter des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, daraus eine individuelle, politisch motivierte, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung abzuleiten. Derartige vorläufige Festnahmen zwecks Klärung der Identität würden das durchaus übliche Repertoire jeglicher polizeilicher Ermittlungsarbeit bilden. Die Festnahme am 6. März 1994 samt Folterung sei als singuläres Ereignis zu betrachten, da der Beschwerdeführer ja nachher nicht mehr für längere Zeit inhaftiert und diese Angelegenheit auch von den türkischen Behörden offensichtlich als abgetan betrachtet worden sei.

Da der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz sei, habe ihm nicht gemäß § 3 leg. cit. Asyl gewährt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. In erster Linie wird in der Beschwerde die Beweiswürdigung der belangten Behörde kritisiert, die fehlende Bedachtnahme auf die konkreten politischen Verhältnisse in der Türkei gerügt und vorgebracht, auf Grund der in der Beschwerde im einzelnen - unter Anschluß einer vom Beschwerdeführervertreter verfaßten "Dokumentation Türkisch-Kurdistan" - dargestellten, allgemeinen politischen Verhältnisse müsse der Beschwerdeführer fürchten, auch in Zukunft neuerlich intensiver Verfolgung unterworfen zu werden.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer in erster Linie die von der belangten Behörde vorgenommene Wertung seines Vorbringens als nicht glaubwürdig. Die Beweiswürdigung der Behörde sei mangelhaft, unschlüssig und widerspreche den logischen Denkgesetzen; insbesondere nehme sie nicht auf das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers Bezug. Als Rechtswidrigkeit des Inhalts rügt der Beschwerdeführer die mangelnde Bezugnahme der belangten Behörde auf die konkreten politischen Verhältnisse in der Türkei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 hat die Asylbehörde einem Asylantrag mit Bescheid stattzugeben, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling (§ 1 Z. 1 leg. cit.) und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 oder 3 ausgeschlossen ist. Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1991 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung seiner Flüchtlingseigenschaft vor, Mitglied einer mittlerweile verbotenen Partei (DEP) und im Jahre 1994 wiederholt verhaftet worden zu sein, wobei der ersten Verhaftung ein konkretes politisches Motiv zugrunde gelegen und er auch gefoltert worden sei, und schließlich, daß er infolge der Namensgleichheit mit einem Vetter regelmäßiger Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.

Die einwöchige, grundsätzlich asylrelevante Festnahme vom 6. März 1994 erfolgte, nachdem bekannt geworden war, daß der Beschwerdeführer seinen Onkel bewogen hatte, nicht mehr für die Dorfschützer zu arbeiten. Diese Festnahme bezog sich auf einen ganz bestimmten Vorfall und stellt daher einen in sich abgeschlossenen Sachverhalt dar, der nach der Freilassung aus der Haft als abgeschlossen zu betrachten war.

Hinsichtlich der übrigen Verhaftungen "während des ganzen Jahres 1994" gab der Beschwerdeführer an, so oft sich die Gelegenheit geboten habe, gemeinsam mit anderen festgenommen, geschlagen und nach ein paar Stunden wieder freigelassen worden zu sein. Es ist ihm mit diesem Vorbringen aber nicht gelungen, während des Verwaltungsverfahrens glaubhaft zu machen, daß diese Festnahmen einerseits in direktem (politischen) Zusammenhang mit der Festnahme am 6. März 1994 standen und andererseits in ihrer Gesamtheit einen derartigen Grad an Häufigkeit und Intensität erreicht hätten, daß - aus objektiver Sicht - von einer unerträglichen Situation für den Beschwerdeführer ausgegangen werden könnte. Diese kurzfristigen Festnahmen können infolgedessen nicht die Annahme wohlbegründeter Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 begründen (vgl. hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0487, u.a.). Daher war auf die - vom Beschwerdeführer zu Recht gerügte - unschlüssige Argumentation der Behörde, wonach die (weiteren) Festnahmen des Jahres 1994 (auch) mangels zeitlichen Konnexes unbeachtlich seien, nicht näher einzugehen. Da durch die aufgrund der Verwechslungsgefahr mit seinem Vetter genannten Festnahmen nicht die Person des Beschwerdeführers getroffen werden sollte, stufte die belangte Behörde auch diese Maßnahmen zu Recht als nicht asylrelevant ein.

Was die Mitgliedschaft bei einer verbotenen Partei betrifft, so ist der belangten Behörde für den hier konkret vorliegenden Fall darin Recht zu geben, daß keine Indizien bzw. Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Beschwerdeführer aufgrund dieses Umstandes in Zukunft erhöhten Repressalien oder einem höheren Verfolgungsrisiko ausgesetzt gewesen wäre. Dafür spricht umsomehr, daß der Beschwerdeführer als einfaches Mitglied der DEP nach eigenen Angaben keinerlei Aktivitäten für diese Partei entfaltet hat. Auch der Umstand, daß das im angefochtenen Bescheid darüber hinaus noch enthaltene, in der Beschwerde mit Recht kritisierte Argument eines "rationalen Kosten-Nutzen-Kalküls" einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhält (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 17. Juni 1992, Zlen. 91/01/0207, 0208, vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0394, vom 23. Mai 1995, Zl. 94/20/0806, u.a.), verhilft der Beschwerde unter diesen Umständen nicht zum Erfolg.

Aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten, 70 Seiten umfassenden Darstellung der Situation der Kurden läßt sich für den Beschwerdeführer selbst nichts gewinnen, da konkret auf seine Person bezogene, asylrelevante Gründe daraus nicht ableitbar sind. Darüber hinaus war weder auf die Ausführungen zur allgemeinen Situation der Kurden in der Türkei, noch auf das übrige Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung rückkehrender Exilkurden und eines darin liegenden asylrelevanten Verfolgungsgrundes einzugehen, da dies erstmals in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht wird und daher dem aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbaren Neuerungsverbot widerspricht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200365.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten