Entscheidungsdatum
30.06.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W141 2242307-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geboren am XXXX , XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den KOBV – Der Behindertenverband, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Wirksamkeit ab 07.10.1997 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 80 vH eingetragen.
2. Der Beschwerdeführer hat am 13.07.2020 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes, einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß
§ 29b StVO und auf Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gestellt.
2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einem Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.10.2020, und ein Sachverständigengutachten von einem Facharzt für Augenheilkunde, ebenfalls basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.10.2020, sowie eine Gesamtbeurteilung durch einen Sachverständigen der Allgemeinmedizin am 09.11.2020 mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
2.2. Am 13.01.2021 brachte der Beschwerdeführer ein weiteres medizinisches Beweismittel im Rahmen des Parteiengehörs in Vorlage.
2.3. Zur Überprüfung des neu vorgelegten Befundes wurde von der belangten Behörde eine medizinische Stellungnahme des gleichen Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Der vom Beschwerdeführer neu vorgelegte Befund führte zu keinen neuen Erkenntnissen und konnten daher keine Änderung des Gutachtens bewirken.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
Dem Bescheid waren die Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin und Augenheilkunde, sowie die Gesamtbeurteilung und die Stellungnahme beigelegt.
4. Gegen den Bescheid vom XXXX wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers am 03.03.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Dieser brachte im Wesentlichen zusammenfassend vor, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund dessen Leiden nicht möglich wäre eine Wegstrecke von mehr als 300 m zu bewältigen. Zusätzlich erschwerend komme es beim Beschwerdeführer aufgrund der bestehenden Lungenerkrankung bei Belastung zum Auftreten von Atemnot. Das Steigen von Stiegen sowie eine Fortbewegung in unebenen Gelände wären dem Beschwerdeführer keinesfalls möglich und zumutbar. Im Zusammenwirken der orthopädischen und lungenfachärztlichen Leiden sei sowohl das Erreichen eines öffentlichen Verkehrsmittels, als auch das Ein- und Aussteigen aus diesen beim Beschwerdeführer keinesfalls gewährleistet. Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers beantragte die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und Lungenheilkunde und brachte weitere Befunde in Vorlage.
5. Es wurde ein weiteres Sachverständigengutachten mit persönlicher Untersuchung von einer Fachärztin für Unfallchirurgie und einer Ärztin für Allgemeinmedizin am 12.04.2021 eingeholt, mit dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass weiterhin nicht vorliegen.
6. Am 23.04.2021 wurde vom bevollmächtigten Vertreter eine weitere Stellungnahme abgegeben. Dieser erklärte im Wesentlichen, dass der Beschwerdeführer nur kurze Strecken gehen könne, wegen der erhöhten Sturzgefahr.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im Rahmen der rechtzeitig ergangenen Beschwerdevorentscheidung, die am 03.03.2021 eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß § 41, § 42 und § 46 BBG iVm § 14 und § 15 VwGVG abgewiesen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG zitierend wurde begründend ausgeführt, dass die belangte Behörde zur Prüfung der gegen den Bescheid vom XXXX rechtzeitig eingebrachten Beschwerde ein ärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers eingeholt habe, welches im Ergebnis ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorlägen.
8. Mit Schreiben vom 06.05.2021 hat der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers beantragt die Beschwerde dem BVwG vorzulegen.
9. Mit Schreiben vom 10.05.2021 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses.
1.2. Zur beantragten Zusatzeintragung:
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art der Funktionseinschränkungen:
- Chronisch venöse Insuffizienz mit Zustand nach Ulcus cruris rechts
- Mäßiggradige Hörstörung beidseits
- Diabetes mellitus mit Nephropathie -wobei die Blutzuckereinstellung durch Insulintherapie gewährleistet ist
- Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung mit mäßiger Symptomatik
- Zustand nach Prostatakarcinom ohne dokumentierte Fernmetastasierung
- Arterieller Bluthochdruck
- Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Gelenke mit mäßigen Funktionseinschränkungen bei Schultergelenksabnützung und Hüftgelenksabnützung beidseits sowie Cervicolumbalsyndrom ohne radikuläre Ausfälle
- extrapyramidalen Erkrankung mit Tremorneigung der rechten Hand
- diabetische Netzhautveränderungen mit Abnahme der zentralen Sehschärfe rechts auf 0,3 und links auf 0,7
1.2.2. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Allgemeinzustand: gut, 73a
Ernährungszustand: adipös
Größe: 172,00 cm Gewicht: 105,00 kg
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, sichtbare Schleimhautpartien unauffällig, Pupillen rund, isocor. Halsvenen nicht gestaut.
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, VA. HAT rein, rhythmisch. Keine Dyspnoe, keine Zyanose. Abdomen: BD über Thoraxniveau, Rectusdiastase, klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, Radialispulse beidseits tastbar, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Schulter beidseits: nicht verkürzt, nicht verbacken, endlagige Bewegungsschmerzen Aktive Beweglichkeit: Schultern F und S 0/140, Rotation endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.
Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Hocken ist ansatzweise möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Seitengleich mittelkräftig entwickelte Muskelverhältnisse. Beinlänge ident.
Durchblutung: periphere Pulse nicht tastbar bei Unterschenkelödem beidseits, Narben und Verhärtung und Pigmentverschiebung, kein Ulcus, Varikositas, die Sensibilität wird von distal bis zu den Kniegelenken als gestört angegeben.
Kniegelenke beidseits: mäßige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, stabil.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/90, IR/AR 5/0/25, Knie beidseits 0/0/120, Sprunggelenke beidseits S 5/0/20, USG geringgradig eingeschränkt, Zehen sind seitengleich annähernd frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig Hartspann. Kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen frei beweglich
BWS/LWS: FBA: 25 cm, Rotation und Seitneigen jeweils 20°
Lasegue bds. negativ, geprüfte Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Anfallsweise grobschlägiger Tremor rechte Hand, sonst Eudiadochokinese, kein gesteigerter Rigor feststellbar
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Schlapfen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist hinkfrei, unelastisch, Schrittlänge nicht wesentlich verkürzt, Spur nicht verbreitert, endlagig eingeschränktes Abrollen, Richtungswechsel sicher möglich, insgesamt mäßig zügig. Bewegungsabläufe nicht eingeschränkt. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
1.2.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer ist in der Lage, eine kurze Wegstrecke von 300-400 m zurückzulegen. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränkten, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, sowie das Ein- und Aussteigen und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen gewährleistet sind.
1.3. Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 10.05.2021 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem mit Stichtag 21.05.2021 aus dem zentralen Melderegister eingeholten Datenauszug.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – auf das erstinstanzlich eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Allgemeinmedizinerin. Dieses ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung des vorgelegten Beweismittels den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst diese wie folgt zusammen:
- Röntgen Halswirbelsäule Lendenwirbelsäule Beckenübersicht 22.01.2021 (Spondylophyten sowie deutliche Spondylose C5/C6 mit schnabelförmigen ventralen Spondylophyten und Chondrose und geringere Spondylose C6/C7 mit ventralen und kleinen dorsalen Spondylophyten. In den Schrägaufnahmen Einengung der Intervertebralforamina C4/C5 und C6/C7, rechts deutlicher als links im Segment C6/C7 Spondylarthrosen der LWS in allen lumbalen Segmenten mit ventralen und lateralen Spondylophyten. Chondrose L4/L5 mit auch kleinen dorsalen Spondylophyten an der Basis L4. Ausgedehnte Coxarthrose beidseits mit Verschmälerung des Gelenkspalts, Sklerosierung am Pfannendach, Randosteophyten am Gelenkrand.)
- Orthopädie und Traumatologie Simmering Dr. Mühlhofer 10.02.2021 (Spondylose C5/C6+C6/C7, Einengung Intervertebralforamina C4/C5+C6/C7, skoliotische Fehlhaltung LWS Therapie: Pat derzeit in kons. Therapie h.o. (seitAug 20-laufend))
- Dr. Funk Fachärztin für Neurologie 12.01.2021 (Parkinsonsyndrom mit zunehmender Gangstörung. Der Patient ist in ho. neurologischer Behandlung wegen eines Parkinsonsyndroms. Das Gehen wird trotz Medikamente immer erschwerter, der Rigor auch gesteigerter. Daher kann der Patient nicht mehr alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, ist auf die Hilfe einer Bekannten mit Auto angewiesen. Daher wäre ein Zugang zu einem Behindertenparkplatz bei Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel dringend indiziert.)
- Dr. Dietmar Altmann FA für Orthopädie und orthopädische Chirurgie 06.07.2020 (Z.n. Trauma Thorax Cervicalsyndrom Lumboischiaigie)
- Dr. Elena Paralescu 18.06.2020 (Insulinabhängiges Diab. Mell. Typ II Hyperlipidämie Prostatacarcinom Art. Hypertonie COPD Ulcus cruris rechter Unterschenkel, diabetischer Fußsyndrom Omarthrose bds, acromio-clavicular Arthrose bds, Koxarthrose bds Spondylosis deformans lumbalis Chr. Niereninsuffizienz, Anämie Steatosis hepatis)
- Nachgereichter Befund: Befund Dr. Schwarzmayr Facharzt für Innere Medizin 17.03.2021 (Diabetes mellitus Erstdiagnose 2008, insulinpflichtig, pAVK I, Hypertonie, Zustand nach 4-maliger tiefer Beinvenenthrombose links, orale Antikoagulation, Diabetische Retinopathie, chronische Niereninsuffizienz, renale Anämie, Morbus Parkinson. Renale Anämie bei Kreatinin 1,9, keine Ulcera derzeit im Bereich der Unterschenkel)
Die Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und es enthält auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
Die medizinische Sachverständige beschreibt die wahrgenommene Gesamtmobilität anschaulich. Es ist dem Beschwerdeführer möglich selbstständig, ohne Hilfsmittel, mit Schlapfen zu gehen. Das Gangbild ist hinkfrei, unelastisch und die Schrittlänge nicht wesentlich verkürzt. Weiters ist die Spur nicht verbreitert, endlagig, eingeschränktes Abrollen und Richtungswechsel sind sicher möglich. Insgesamt bewegt sich der Beschwerdeführer mäßig zügig und die Bewegungsabläufe sind nicht eingeschränkt.
Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Das Gangbild ist auch ohne Gehhilfe sicher und raumgewinnend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie-und Sprunggelenke ausreichend ist und daher das sichere Ein-und Aussteigen nicht erheblich erschwert ist. Die Gesamtmobilität ist nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination sind ausreichend.
Sie hält weiter nachvollziehbar fest, dass beim Beschwerdeführer keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vorliegen, welche die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Die unfallchirurgische Sachverständige hält zudem unzweifelhaft fest, dass die mäßige Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich der Sprunggelenke bei Zustand nach Beinvenenthrombosen und chronisch venöser Insuffizienz mit Gefühlstörungen führt zwar zu einer Einschränkung der Gehstrecke führt, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m nicht ausreichend begründen.
Desweiteren hält die Sachverständige fest, dass beim Beschwerdeführer im Bereich der oberen Extremitäten keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vorliegen. Dem Beschwerdeführer ist das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten möglich. Kraft und Koordination sind zufriedenstellend und stellen kein Hindernis dar.
Beim Beschwerdeführer liegen zudem keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor. Weiters ist die Lungenerkrankung medikamentös gut eingestellt. Die ständige Erfordernis einer Langzeitsauerstofftherapie ist nicht gegeben. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar, insbesondere ist keine maßgebliche cardiopulmonale Funktionseinschränkung objektivierbar. Kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist.
Abschließend führt die Sachverständige aus, dass die Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt wurden. Die vorgebrachten Argumente in der Beschwerde beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche, unter Beachtung des aktuellen Untersuchungsergebnisses, zu einer Änderung der getroffenen Beurteilung führen könnten.
Beim Beschwerdeführer liegt zudem kein Immundefekt vor.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.
Zu 1.3.) Das Schreiben, mit welchem die Beschwerdevorlage durch die belangte Behörde erfolgt ist, weist am Eingangsvermerk des Bundesverwaltungsgerichtes das Datum 10.05.2021 auf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichtes mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle zehn Wochen. § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rz. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 5). Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3). Damit ist im gegenständlichen Beschwerdefall der Prüfumfang auch mit dem Vorbringen im Vorlageantrag definiert.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten (§ 1 Abs. 2 BBG).
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).
Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise).
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen
? nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Trotz der mäßigen Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich der Sprunggelenke bei Zustand nach Beinvenenthrombosen und chronisch venöser Insuffizienz mit Gefühlstörungen, welche zwar zu einer Einschränkung der Gehstrecke führen, kann das objektivierbare Ausmaß des Defizits jedoch eine maßgebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m nicht ausreichend begründen. Darüber hinaus ist die Lungenerkrankung medikamentös gut eingestellt und das ständige Erfordernis einer Langzeitsauerstofftherapie nicht gegeben. Eine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar, insbesondere ist keine maßgebliche cardiopulmonale Funktionseinschränkung objektivierbar, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m, Ein- und Aussteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar.
Soweit in der Beschwerde und im Einwand gegen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die Einholung von medizinischen Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie und Lungenheilkunde beantragt wird, ist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114). Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das eingeholte Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung des erforderlichen Behelfes die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Das Gangbild ist auch ohne Gehhilfe sicher und raumgewinnend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie-und Sprunggelenke ausreichen. Die festgestellten Defizite wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist möglich. Kraft und Koordination sind zufriedenstellend und stellen kein Hindernis dar. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt und somit gewährleistet.
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Kraft- und Muskeldefizite noch eine cardiorespiratorische Leistungseinschränkung vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden. Somit sind das Erreichen, ein gesichertes Ein- und Aussteigen und ein gesicherter Transport im öffentlichen Verkehrsmittel möglich.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 VwGVG).
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden (§ 24 Abs. 5 VwGVG).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2242307.1.00Im RIS seit
16.08.2021Zuletzt aktualisiert am
16.08.2021