TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/13 W265 2240934-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2021
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Entscheidungsdatum

13.07.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W265 2240934-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 10.12.2020, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2021, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte erstmals am 13.06.2019 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 29.07.2019, demzufolge der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin 30 % betrage, wies die belangte Behörde den Antrag mit Bescheid vom 27.08.2019 ab.

Am 11.09.2020 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, mittels dem entsprechend von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und von der Beschwerdeführerin ausgefüllten Antragsformular. Mit dem Antrag legte sie medizinische Befunde vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.11.2020 basierenden Gutachten vom 11.11.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

SVG nach dem BBG vom 23.07.2019, Dr. XXXX .

Morbus Crohn - seit 2019 in laufender Kontrolle 4 Med. Ambulanz, Klinik XXXX

bekannter Morbus Crohn - häufiger Stuhldrang

Emesis, Übelkeit wiederkehrend

Refluxösophagitis

Astigmatismus, Hyperopie, Presbyopie, re: Z.n akutes Winkelblockglaukom,

Engwinkelglaukom bds, bds: Z.n. YAG-Iridotomie,

re: sek. Cataract

Visus RA 0,63, Visus LA 0,8

Derzeitige Beschwerden:

laufende Durchfälle laut Pat. häufig trotz der Therapie mit Humira, normaler AZ und EZ

Im vergleich zum Vorgutachten kommen hier ncoh die Probleme der Augen mit hinzu. Die

Iritis unter TH ausgeheilt, TH des Glaukoms laufend, zuletzt OP einer Hinterkammerlinse,

der Visus wie angegeben im Befund RA 0,63, LA 0,8

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Humira 1x wö, Imurek

Sozialanamnese:

arbeitet in einer HNO Gruppenpraxis

3Kinder, 17 jkährige Tochter lebt noch im gemeinsamen Haushalt

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Augenbefund Klinik XXXX , 02.11.2020:

St.p. Katarkat Operation (Phako und HKL), z.n. Glaukkomanfall, RA

Visus 0,63, LA Visus 0,8

Befundbericht Klinik XXXX , 15.07.2020:

fistulierender Morbus Crohn, 7-8- Süthle tgl., impertiver Stuhldrang  

Calprotectin steigend auf 259  

MRT des Abdomens, 11.05.2020:

entzündliche Veränderung des terminalen Ileums von 14 cm

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

normal

Ernährungszustand:

normal

Größe: 160,00 cm  Gewicht: 58,00 kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,

Hörvermögen gut, Sehvermögen gut,

Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich,  

Herz:

Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent,

Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche,

Lungenbasen verschieblich

Bauch: weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung,

Leber und Milz nicht tastbar,

Caput: unauffällig

Extremitäten und Gelenke frei beweglich

Gesamtmobilität – Gangbild:

unauffälliges Gangbild

Status Psychicus:

unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Morbus Crohn

Oberer Rahmensatz da wiederkehrende Durchfälle vorliegen, aber keine Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes, die beschriebene Iritis ist in dieser Positionsnummer berücksichtigt..

07.04.05

40

2

Zustand nach Bandscheibenoperation im HWS Bereich

Oberer Rahmensatz da geringfügige Funktionseinschränkungen ohne radikuläre Symptomatik.

02.01.01

20

3

Gastroösophagealer Reflux

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz da wiederkehrendes

Sodbrennen, mit Übelkeit bei zu großer Nahrungsmengenaufnahme.

07.03.05

20

4

Funktionseinschränkung im Mittelfinger links

Unterer Rahmensatz, da moderate Beuge- und Streckhemmung im proximalen Interphalangealgelenks.

02.06.26

10

5

Störung des Sehens, rezidivierende Glaukomanfälle, Visus RA 0,63, LA 0,8

Beurteilung nach Tabelle K1/Z2; die operierte Kammerlinse ist in dieser Positionsnummer mit abgebildet und führt zu keiner weiteren Einschränkung.

11.02.01

0

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führend Leiden 1 wird aufgrund fehlender Leidensüberschneidung durch die Leiden 2 bis 5 um keine weitere Stufe erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 wird erhöht, da zusätzliches auftreten einer Iritis

Leiden 2 und 4 idem zum SVG aus 07/2019

Leiden 3 neu aufgenommen.

Leiden 4 wurde neu beurteilt nach EVO - Tabelle

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Die Änderung ergibt sich aus dem erhöhten Leiden 1, da hier ein Sinnesleiden hervorgerufen durch einen autoimmunologischen Prozess mit erfasst wurde.

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung -


1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist zumutbar. Haltegriffe für den sicheren Transport können uneingeschränkt benützt werden. Das sichere Ein und Aussteigen sowie das zurücklegen kurzer Wegstrecken sind möglich, es besteht keine Gehbehinderung. Im Bedarfsfall ist die Unterstützung durch eine Gehhilfe (Stock) zulässig. Es liegen weder cardio/pulmonale noch intellektuelle Einschränkungen im Hinblick auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor. Die gastrointestinale Erkrankung verläuft schubförmig - dies typisch für die Erkrankung; sie führt allerdings zu keiner Einschränkung der Gelenksbeweglichkeit - hier sind keine entzündlichen Veränderungen vorliegend die eine Bewegung verunmöglichen, des weiteren kann der Stuhl gut gehalten werden, Inkontinenzmaterial wird nicht verwendet, imperative Stuhlabgänge sind nicht dokumentiert.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nicht zutreffend“

Mit Schreiben vom 11.11.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten als Ergebnis der Beweisaufnahme in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Mit einem Grad der Behinderung von 40 % würden die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen. Über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach StVO werde nicht abgesprochen, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden.

Mit Eingabe vom 04.12.2020 erstattete die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Einschätzung des Leidens 1 „Morbus Crohn“ mit einem Grad der Behinderung von 40 v. H. nicht dem tatsächlichen Schweregrad entspreche. Trotz optimierter Therapie leide die Beschwerdeführerin an täglichen Durchfällen (7-8 Mal täglich flüssige Stühle) sowie an einem imperativen Stuhldrang. Nach der Einnahme von Mahlzeiten habe sie auch Abdominalschmerzen sowie Emesis und Stenosesymptomatik. Das Leiden wäre richtigerweise mit Richtsatzposition 07.04.06 mit einen Grad der Behinderung von 50 v. H. einzuschätzen gewesen. Weiters sei die Beschwerdeführerin aufgrund des bestehenden Darmleidens auch keinesfalls in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Sie müsse aufgrund ihres durchfallartigen imperativen Stuhlgangs immer sofort die Möglichkeit haben, innerhalb kurzer Zeit ein WC aufzusuchen. Diese Durchfälle würden überfallsartig auftreten und der Stuhl könne nicht gehalten werden. Dies wirke sich für sie bei Wegen außer Haus sehr belastend aus. Sie würde aufgrund dieser Problematik sehr wohl Inkontinenzeinlagen tragen, selbst bei deren Verwendung seien diese im Fall, dass Stuhl komme, aber keinesfalls zumutbar, da es neben den Verunreinigungen auch zusätzlich zu einer Geruchsbelästigung komme, welche durch die Verwendung der Einlagen nicht verhindert werden könne. Die Beschwerdeführerin sei durch diese Erkrankung einem massiven Leidensdruck ausgesetzt und in ihrem sozialen Leben maßgeblich eingeschränkt, die Ausführungen der Sachverständigen seien somit nicht nachvollziehbar. Mit der Stellungnahme wurden medizinische Befunde vorgelegt.

Die befasste Sachverständige nahm in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.12.2020 zu den erhobenen Einwendungen Stellung und führte aus wie folgt:

„Antwort(en):

Es wurde gegen den Bescheid eine Beschwerde eingelegt und ein neuer Befund zur Ansicht gebracht. Befund vom Klinikum XXXX , 30.11.2020: in diesem Befund wird ein imperativer Stuhldrang, mit fallweiser Inkontinenz beschrieben, mit 7-8 flüssigen Stühlen pro Tag. Aus diesem Befund ist jedoch keine neue Erkenntnis ableitbar. Der Morbus Crohn wurde im SVG vom 11.11.2020 in der entsprechenden Positionsnummer eingeschätzt. Der undulierende Verlauf ist typisch für die Erkrankung eines Morbus Crohn und kann fallweise wie erwähnt zu einem imperativen Stuhldrang führen. Dies wurde in der entsprechenden Positionsnummer auch berücksichtigt. Darüber hinaus ist keine weiterführende Abänderung der Positionsnummer möglich, da die genannten Beschwerden bereits im Leiden 1 abgebildet wurden. Es besteht ein normaler Ernährungs- und Allgemeinzustand, in der körperlichen Untersuchung waren keine wesentlichen Einschränkungen auffallend. Eine Darmoperation bis dato nicht durchgeführt. Die in der Beschwerde vorgebrachte Verunreinigung oder Geruchsbelästigung im Hinblick auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht Gegenstand eines medizinischen Sachverständigengutachten und kann somit gutachterlich nicht beantwortet werden.“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.12.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Mit einem Grad der Behinderung von 40 % erfülle die Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Aufgrund der vorgebrachten Einwände sei eine neuerliche Überprüfung durch die ärztliche Sachverständige durchgeführt und festgestellt worden, dass die vorgebrachten Einwände nicht geeignet seien, ein anderslautendes Ergebnis herbeizuführen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung von 40 % ergeben habe, würden die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses (Grad der Behinderung von mindestens 50 %) nicht vorliegen. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten vom 11.11.2020 und die ärztliche Stellungnahme vom 09.12.2020 übermittelt.

Mit Eingabe vom 25.01.2021 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung gegen den Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das eingeholte Gutachten zur Beurteilung des tatsächlich bestehenden Zustands- und Beschwerdebildes nicht ausreichend sei. Die Beschwerdeführerin leide an Morbus Crohn, einem Zustand nach Bandscheiben-OP im Bereich der Halswirbelsäule, einem gastroösophagealen Reflux, einer Funktionseinschränkung im Mittelfinger links und an einer Augenschädigung. Das Leiden Nr. 1 Morbus Crohn sei mit einem Grad der Behinderung von 40 v. H. zu gering eingestuft worden und dieser entspreche keinesfalls dem tatsächlichen Schweregrad. Trotz optimierter Therapie leide die Beschwerdeführerin an täglich ca. 7-8 Mal auftretenden Durchfällen (flüssige Stühle) sowie an einem imperativen Stuhldrang. Nach der Einnahme von Mahlzeiten bestünden bei ihr auch Abdominalschmerzen sowie Emesis und Stenosesymptomatik. Sie müsse aufgrund ihres durchfallartigen imperativen Stuhlgangs immer sofort die Möglichkeit haben, innerhalb kurzer Zeit ein WC aufzusuchen, da der Stuhl nicht gehalten werden könne. Weiters würden von der Beschwerdeführerin aufgrund dieser Problematik auch Inkontinenzeinlagen getragen. Durch diese Erkrankung sei sie einem massiven Leidensdruck ausgesetzt und in ihrem sozialen Leben maßgeblich eingeschränkt. Die Ausführungen der Sachverständigen seien für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar und schlüssig, und dieses Leiden wäre richtigerweise nach der Einschätzungsverordnung mit Richtsatzposition 07.04.06 mit einen Grad der Behinderung von 50 v. H. einzuschätzen gewesen. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Gastroenterologie beantragt. Mit der Beschwerde wurden medizinische Befunde vorgelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.02.2021 basierenden Gutachten vom 09.03.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

Gutachten vom 23.7.2019: GdB 40vH wegen M. Crohn, Bandscheiben OP, Funktionseinschränkung Mittelfinger links

Gutachten vom 9.11.2020: GdB 40vH wegen M. Crohn mit Iritis, Z.n. Bandscheiben OP, gastroösophagealer Reflux Funktionseinschränkung Mittelfinger links, Störung des Sehens und rezidivierende Glaukomanfälle

Stellungnahme vom 4.12.2020: Morbus Crohn zu niedrig eingestuft, imperativer Stuhldrang, braucht Einlagen, Leiden 3 wirkt ungünstig auf Leiden 1

Derzeitige Beschwerden:

"Habe Durchfall und Erbrechen, habe eine 14 cm Entzündung im Darm. Habe viel abgenommen vor 5 Jahren. Die Erkrankung habe ich seit ca 1 1/2 Jahren, habe auch Sodbrennen. Der Stuhl ist flüssig, trage immer Einlagen, keine speziellen. Stuhlgang habe ich bis zu 10x am Tag, kein Blut, kein Schleim. Habe mich auch schon im Auto angemacht. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind ein Krampf, auch weil ich immer erbrechen muss und Stuhlabgang habe. Habe auch schon diätetische Maßnahmen probiert, Bananen haben nicht geholfen. In der Arbeit verwende ich Sitzkissen."

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Humira, Imurek, Pantoloc

Sozialanamnese:

Ordinationsassistentin. ledig, 3 Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Ambulanzprotokoll XXXX :

22.1.2021: Telefonat: letztens bei Öffis plötzlich Schweißausbruch, musste sich übergeben, Stuhlabgang

9.12.2020: letztes Calprotectin 170, Stuhlinkontinenz sehr belastend

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

normal

Größe: 156,00 cm  Gewicht: 62,00 kg  Blutdruck: 130/70

Klinischer Status – Fachstatus:

HNAP frei, keine Lippenzyanose

Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS

Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft, anal: derzeit keine Fistelöffnung erkennbar, keine Einlage

UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel

Faustschluss: möglich, NSG: möglich , FBA: 20cm ZFS: möglich

Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität – Gangbild:

Unauffällig, keine Hilfsmittel

Status Psychicus:

allseits orientiert, Ductus kohärent

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Morbus Crohn

oberer Rahmensatz, da Iritis bei jedoch gutem Allgemein- und Ernährungszustand

07.04.05

40

2

Zustand nach Bandscheiben Operation

oberer Rahmensatz, da geringe funktionelle Beeinträchtigung

02.01.01

20

3

gastroösophagealer Reflux

eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Übelkeit und Erbrechen berücksichtigt

07.03.05

20

4

Funktioneeinschränkung des Mittelfingers links mittlerer Rahmensatz, da mäßiggradig

02.06.26

20

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird von den Leiden 2-4 nicht weiter erhöht, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 5 entfällt, da kein GdB, sonst keine Änderung

Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:

insgesamt keine Änderung

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung -


1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es besteht eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit dem typisch-periodischem Verlauf. Eine Stuhlinkontinenz oder eine anhaltend schwere Entzündung der Darmschleimhaut mit imperativem Stuhldrang ist weder mittels entsprechender Untersuchungen (letzte vorliegende Coloskopie 05/2019 als Erstdiagnose) noch mit entsprechender Therapieversuche belegt. Das letzte

Calprotectin ist mit 170 lediglich geringgradig erhöht. Daher ist das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2021 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.12.2020 ab. Mit einem Grad der Behinderung von 40 % würden die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des aufgrund der Beschwerde durchgeführten ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Mit der Beschwerdevorentscheidung wurde das Sachverständigengutachten vom 09.03.2021 übermittelt.

Mit Eingabe vom 26.03.2021 stellte die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG. Es werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Mit Schreiben vom 31.03.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde, den Vorlageantrag und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 11.09.2020 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.12.2020 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 10.03.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 v. H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Morbus Crohn

-        Zustand nach Bandscheibenoperation

-        gastroösophagealer Reflux

-        Funktionseinschränkung des Mittelfingers links

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin vom 11.11.2020 und einer Fachärztin für Innere Medizin vom 09.03.2021 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt und dem vom Bundesverwaltungsgericht am 02.04.2021 eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen sowie zum Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin vom 11.11.2020 und einer Fachärztin für Innere Medizin vom 09.03.2021, basierend auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin am 09.11.2020 und 23.02.2021 sowie den von ihr vorgelegten medizinischen Beweismitteln.

In den eingeholten Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständigen Gutachterinnen setzen sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen erhobenen Befunden sowie den von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Insbesondere wurde das führende Leiden der Beschwerdeführerin, der Morbus Crohn, in den Sachverständigengutachten korrekt mit Position 07.04.05 („Chronische Darmstörungen mittleren Grades mit chronischen Schleimhautveränderungen“) der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingestuft. Die Wahl dieser Position und die Einschätzung des Grades der Behinderung mit dem oberen Rahmensatz von 40 v. H. begründeten die Gutachterinnen nachvollziehbar damit, dass wiederkehrende Durchfälle und eine Itritis vorliegen würden, aber keine Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes gegeben sei.

Die Beschwerdeführerin trat diesen Einschätzungen in ihrer Stellungnahme und in der Beschwerde im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, dass sie trotz optimierter Therapie an täglich ca. 7-8 Mal auftretenden Durchfällen (flüssige Stühle) sowie an einem imperativen Stuhldrang leide. Nach der Einnahme von Mahlzeiten bestünden bei ihr auch Abdominalschmerzen sowie Emesis und Stenosesymptomatik. Sie müsse aufgrund ihres durchfallartigen imperativen Stuhlgangs immer sofort die Möglichkeit haben, innerhalb kurzer Zeit ein WC aufzusuchen, da der Stuhl nicht gehalten werden könne. Weiters würden von der Beschwerdeführerin aufgrund dieser Problematik auch Inkontinenzeinlagen getragen. Durch diese Erkrankung sei sie einem massiven Leidensdruck ausgesetzt und in ihrem sozialen Leben maßgeblich eingeschränkt. Das Leiden wäre daher richtigerweise mit Position 07.04.06 und einem Grad der Behinderung von 50 v. H. einzuschätzen gewesen.

Diese Argumentation überzeugt nicht: Wie die zuerst befasste Sachverständige bereits in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 09.12.2020 ausführte, kann Morbus Crohn fallweise zu einem imperativen Stuhldrang führen, was in der entsprechenden Positionsnummer auch berücksichtigt worden sei. Darüber hinaus sei keine Abänderung der Positionsnummer möglich, da die genannten Beschwerden im Leiden 1 bereits abgebildet seien. Bei der Beschwerdeführerin bestehe ein normaler Ernährungs- und Allgemeinzustand, in der körperlichen Untersuchung seien keine wesentlichen Einschränkungen aufgefallen. Eine Darmoperation sei bis dato nicht durchgeführt worden. Auch die zweite Sachverständige gelangte in ihrem Gutachten zur Einschätzung, dass aufgrund des guten Allgemein- und Ernährungszustands der Beschwerdeführerin die Einstufung mit Position 07.04.05 gerechtfertigt sei. Weder in ihrer Stellungnahme noch in der Beschwerde trat die Beschwerdeführerin den aus beiden persönlich erhobenen Untersuchungsbefunden hervorgehenden Einschätzungen ihres Allgemein- bzw. Ernährungszustands als „gut“ bzw. „normal“ substantiiert entgegen. Kriterium der von ihr angestrebten Einstufung ihres Leidens mit Position 07.04.06 nach der Einschätzungsverordnung wäre aber unter anderem eine „erhebliche“ Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustands. Die mit der angenommenen Position 07.04.05 verbundene Einschätzung der Beeinträchtigung als „mittelschwer“ ist hingegen angesichts des vorliegenden Beschwerdebilds gut nachvollziehbar. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass bei der Beschwerdeführerin dauerhaft, wie für Position 07.04.06 vorgesehen, „tägliche, auch nächtliche Durchfälle“ vorliegen. Wie die zweite Sachverständige in ihrem Gutachten anmerkte, ist eine Stuhlinkontinenz oder anhaltend schwere Entzündung der Darmschleimhaut mit imperativem Stuhlgang nicht mittels entsprechender Untersuchungen oder Therapieversuche belegt. Beide Gutachterinnen gehen von einem typisch periodischen bzw. undulierenden Verlauf der Erkrankung aus.

Den Einstufungen ihrer übrigen Leiden trat die Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren nicht entgegen. In der Beschwerde wurde ergänzend vorgebracht, dass im Zusammenwirken der Leiden 1 und 3 eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege, welche eine Erhöhung der Einstufung des führenden Leidens rechtfertigen würde. Da dieses Vorbringen jedoch nicht näher begründet wurde, war es nicht geeignet, die diesbezüglich gegenteiligen Einschätzungen in beiden Sachverständigengutachten zu erschüttern.

Insoweit sich das Beschwerdevorbringen darüber hinaus ausschließlich auf die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass Grundlage und zwingende Voraussetzung für die Vornahme der entsprechenden Zusatzeintragung (in den Behindertenpass) die Ausstellung eines Behindertenpasses ist. Da der Beschwerdeführerin mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H. richtigerweise bereits kein Behindertenpass auszustellen war (siehe dazu noch in der rechtlichen Beurteilung), konnte eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Vorbringen unterbleiben. Für die Frage der Einschätzung des Grades der Behinderung waren die Angaben zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht relevant.

Das Vorbringen in der Beschwerde war somit nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen des Vorlageantrags keine neuen Befunde vor und erstattete auch kein neues Vorbringen, sondern verwies lediglich auf ihre Ausführungen in der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen damit insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Betreffend den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Gastroenterologie wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 11.11.2020 und 09.03.2021. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin vom 11.11.2020 und einer Fachärztin für Innere Medizin vom 09.03.2021, basierend auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin am 09.11.2020 und 23.02.2021 und den von ihr vorgelegten medizinischen Befunden, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 40 v. H. beträgt. Die Funktionseinschränkungen wurden in den Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die Beschwerdeführerin ist diesen nachvollziehbaren Sachverständigengutachten, wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen des Vorlageantrags auch keine weiteren Befunde und somit keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Gastroenterologie nicht Folge zu geben, zumal bereits zwei internistische Sachverständigengutachten eingeholt und der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v. H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde von der belangten Behörde unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von den Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2240934.1.00

Im RIS seit

11.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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