TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/13 W265 2240417-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2021
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Entscheidungsdatum

13.07.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W265 2240417-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. XXXX , gegen den gemäß § 45 Abs. 2 in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 02.02.2021, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 26.08.2020 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet).

Mit Bescheid vom 19.11.2020 wies die belangte Behörde diesen Antrag nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 19.10.2020, demzufolge der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers 40 v. H. betrage, ab.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf der Aktenlage basierenden Gutachten vom 07.01.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Hereditäres Angioödem - Erstmanifestation im Kindesalter, seither rezidiv. Schwellungen, rezidiv. gastrointestinale Symptome

Von 2010 bis 6/2020 Dauerprophylaxe mit Cinryze i.v. 2 mal pro Woche, akute Anfallsbehandlung mit Firazyr s.c. Ein Epipen war bisher noch nie erforderlich.

Seit 6/2020 Beginn einer Dauerprophylaxe mit Takhzyro 300mg 2x pro Monat s.c. - seither anfallsfrei.

Es wird in der Stellungnahme von Univ. Prof. Dr. XXXX (Universitätsklinik XXXX , Dermaotlogie) vom 17.12.2020 die Anfallsfreiheit seit Etablierung der neuen Therapie bestätigt, aber auch darauf hingewiesen, dass eine erhöhte psychische Belastung vorliegt, aufgrund der potenziellen Letalität einer Attacke, falls diese unbehandelt bliebe.

Somit ergibt sich das Bild, dass die Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung HAE in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht haben. Unter der aktuellen deutlich weniger belastenden Therapie mit dem Antikörper Lanadelumab (Takhzyro) ist der AST zwar anfallsfrei, dennoch muss er noch sein Notfallsmedikament mitführen und steht unter entsprechender psychischer Belastung. Diese wird nun zusätzlich berücksichtigt.

Andererseits muss festgehalten werden, dass der AST derzeit in seiner Alltagsbewältigung völlig selbstständig und prinzipiell nicht eingeschränkt ist. Es bestehen ein guter Allgemeinzustand und derzeit keine körperlichen Einschränkungen.

Daher wird eine Nachuntersuchung in 2 Jahren vorgeschlagen, da zu erwarten ist, dass die psychische Belastung remittieren wird, wenn der AST über einen längeren Zeitraum hinweg anffallsfrei bleibt.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Takhzyro 300mg alle 14 Tage s.c. Firazyr im Notfall

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Hereditäres Angioödem

Wahl dieser Position bei lebensgefährlichen Exazerbationsmöglichkeiten, Dauermedikation, ständiger Notwendigkeit des Mitführens einer Notfallmedikation, erheblicher psychischer Belastung

Unterer Rahmensatz bei sehr gutem Allgemeinzustand und Anfallsfreiheit unter aktuell etablierter Therapie (seit 6/2020).

09.03.03

50

         Gesamtgrad der Behinderung   50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Einziges relevantes Leiden

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Aufgrund der zusätzlichen Berücksichtigung der psychischen Belastung wird Leiden 1 um 1 Stufe höher eingeschätzt (unter Berücksichtigung, dass die sehr effektive Prophylaxebehandlung mit Anfallsfreiheit erst seit 6/2020 etabliert ist).

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Der Gesamt-GdB erhöht sich dadurch von 40 auf 50vH.

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung 12/2022 - Es kann erwartet werden, dass unter der aktuell etablierten Therapie eine anhaltende Anfallsfreiheit erzielt werden kann und damit auch die psychische Belastung abnimmt. Aufgrund der fehlenden körperlichen Einschränkung und des guten Allgemeinzustandes kann dann eine Herabsetzung des Behinderungsgrades erwartet werden. Außerdem werden die Therapiemöglichkeiten laufend besser.

 

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine, da keine Beeinträchtigung der Gehfähigkeit oder Gangsicherheit vorliegt.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 07.01.2021 gab die belangte Behörde der Beschwerde des Beschwerdeführers statt und hob den angefochtenen Bescheid auf. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 26.08.2020 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Der Grad der Behinderung betrage 50 %.

Mit Eingabe vom 28.01.2021 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, mittels dem entsprechend von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 01.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 28.01.2021 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden sei. Der Behindertenpass im Scheckkartenformat werde ihm in den nächsten Tagen übermittelt werden. Der Behindertenpass werde mit 31.12.2022 befristet, weil nach diesem Zeitpunkt eine Überprüfung seines Gesundheitszustandes erforderlich sei. Mit diesem Schreiben wurde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten vom 07.01.2021 übermittelt.

Mit Begleitschreiben vom 02.02.2021 wurde dem Beschwerdeführer der Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v. H. und einer eingetragenen Gültigkeit bis 31.12.2022 übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Mit Schreiben vom 25.02.2021, eingelangt am 11.03.2021, erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung gegen die Ausstellung des Behindertenpasses fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerde richte sich ausschließlich gegen die befristete Ausstellung bis 31.12.2022, die Ausstellung des Behindertenpasses an sich werde nicht bekämpft. Der Beschwerdeführer erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vollends, sohin sei ihm der Behindertenpass ex lege auszustellen. Ein weiterer Ermessensspielraum der Behörde bestehe nicht. Gemäß § 59 AVG habe der Spruch von Bescheiden und individuellen Rechtsakten die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge zu erledigen. Der Spruch habe die Entscheidung über den Verfahrensgegenstand zu enthalten. Sowohl der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom 07.01.2021 als auch der Spruch der Ausstellung des Behindertenpasses vom 02.02.2021, dem Bescheidcharakter zukomme, würden den verfahrensgegenständlichen Antrag ohne eine Einschränkung oder Befristung erledigen und die notwendige Voraussetzung des Grades der Behinderung von 50 % feststellen. Weder im Spruch der Beschwerdevorentscheidung noch in der Ausstellung des Behindertenpasses werde eine Auflage an den Beschwerdeführer oder eine Einschränkung der festgestellten Behinderung rechtlich verbindlich festgestellt. Die im Rahmen der Begründungspflicht ausgeführten Ansichten der Behörde oder eines Sachverständigen seien rechtlich nicht verbindlich, es komme jeweils nur dem Spruch rechtsverbindliche Wirkung zu. Dass somit der Sachverständige des medizinischen Ermittlungsverfahrens eine neuerliche Untersuchung in zwei Jahren für zweckmäßig erachte, stelle eine Empfehlung an die Behörde dar, sei aber in keinem Fall einer in einem Spruch rechtsverbindlich ausgesprochenen Auflage oder Befristung gleichzusetzen, weswegen die Befristung der Ausstellung des Behindertenpasses rechtswidrig sei. Vielmehr hätte die belangte Behörde aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen und ihres im Rahmen der Erledigung des Bescheides selbst gefassten Spruches einen unbefristeten Behindertenpass ausstellen müssen.

Mit Schreiben vom 15.03.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.

Mit Eingaben vom 22.03.2021, 01.04.2021 und 09.04.2021 reichte die belangte Behörde vom Bundesverwaltungsgericht angeforderte Aktenbestandteile aus dem Vorverfahren über die Feststellung der Begünstigteneigenschaft nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Beschwerdeführer wurde am 02.02.2021 der gegenständliche Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v. H. und einer eingetragenen Gültigkeit bis 31.12.2022 ausgestellt.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

-        Hereditäres Angioödem

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß, medizinischer Einschätzung und der Frage, ob eine Nachuntersuchung erforderlich ist, werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.01.2021 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 50 v. H.

Es besteht die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung des Beschwerdeführers im Dezember 2022, weil zu erwarten ist, dass unter der aktuell etablierten Therapie eine anhaltende Anfallsfreiheit erzielt werden kann und damit auch die psychische Belastung abnimmt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Ausstellung des gegenständlichen Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem Akt und einer am 16.03.2021 durchgeführten Abfrage im Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.01.2021, basierend auf der Aktenlage und den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Darin wird auf die Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen, die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Auch die Einschätzung des sachverständigen Gutachters zur Notwendigkeit einer Nachuntersuchung des Beschwerdeführers mit Dezember 2022 ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts schlüssig und nachvollziehbar, weshalb die entsprechende Feststellung zu treffen ist. Der medizinische Sachverständige führte dazu aus, es könne erwartet werden, dass unter der aktuell etablierten Therapie eine anhaltende Anfallsfreiheit erzielt werde und damit auch die psychische Belastung abnehme. Aufgrund der fehlenden körperlichen Einschränkung und des guten Allgemeinzustandes könne dann eine Herabsetzung des Grades der Behinderung erwartet werden. Außerdem würden die Therapiemöglichkeiten laufend besser.

Den Einschätzungen zur Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß sowie dem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung tritt die Beschwerde ausdrücklich nicht entgegen, diese richtet sich vielmehr nur gegen die Befristung des ausgestellten Behindertenpasses. Aber auch zur dafür maßgeblichen Frage der Notwendigkeit einer Nachuntersuchung äußert die Beschwerde keine inhaltlichen, den Ausführungen des Sachverständigen widersprechenden Bedenken, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund ersichtlich ist, von dessen schlüssiger Einschätzung abzugehen. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei der Behörde aus rechtlichen Gründen verwehrt gewesen, den Behindertenpass befristet auszustellen, wird auf rechtliche Beurteilung verwiesen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine neuen Befunde und somit auch keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit einer Nachuntersuchung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Der Beschwerdeführer ist dem vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 07.01.2021. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 07.01.2021 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 50 v. H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde, wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v. H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.

Die Beschwerde wendet sich ausschließlich aus rechtlichen Gründen gegen die Befristung des Behindertenpasses. Dazu wird insbesondere ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei aufgrund der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ex lege der Behindertenpass auszustellen, ein weiterer Ermessensspielraum der Behörde bestehe nicht. Sowohl der Spruch der Beschwerdevorentscheidung vom 07.01.2021 als auch der Spruch der Ausstellung des Behindertenpasses vom 02.02.2021, dem Bescheidcharakter zukomme, würden den verfahrensgegenständlichen Antrag ohne eine Einschränkung oder Befristung erledigen. Dass der Sachverständige eine neuerliche Untersuchung in zwei Jahren für zweckmäßig erachte, stelle eine Empfehlung an die Behörde dar, sei aber in keinem Fall einer in einem Spruch rechtsverbindlich ausgesprochenen Auflage oder Befristung gleichzusetzen, weswegen die Befristung der Ausstellung des Behindertenpasses rechtswidrig sei. Vielmehr hätte die belangte Behörde aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen und ihres im Rahmen der Erledigung des Bescheides selbst gefassten Spruches einen unbefristeten Behindertenpass ausstellen müssen.

Dabei verkennt der Beschwerdeführer, dass der Behindertenpass nach dem klaren Wortlaut des § 42 Abs. 2 BBG (nur dann) unbefristet auszustellen ist, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. Ob eine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist, also insbesondere eine Besserung des Leidens der behinderten Person, hat die Behörde regelmäßig unter Mitwirkung von medizinischen Sachverständigen zu klären, wie dies auch im vorliegenden Fall in nicht zu beanstandender Weise geschehen ist. Dass die Beschwerdevorentscheidung vom 07.01.2021, mit der die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Kreis der begünstigten Behinderten festgestellt wurde, keine Befristung enthält, erklärt sich schlicht daraus, dass eine Befristung dieser Feststellung, im Unterschied zur Befristung des Behindertenpasses, gesetzlich nicht vorgesehen ist. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, auch „der Spruch der Ausstellung des Behindertenpasses“ vom 02.02.2021, dem Bescheidcharakter zukomme, erledige den Antrag ohne Einschränkung oder Befristung, ist darauf hinzuweisen, dass es nach § 45 Abs. 2 BBG der ausgestellte Behindertenpass selbst ist, dem Bescheidcharakter zukommt. Im Fall des Beschwerdeführers sieht dieser unstrittig eine Befristung bis 31.12.2022 vor. Dem zusammen mit dem Behindertenpass versandten Begleitschreiben, auf das der Beschwerdeführer offenbar Bezug nimmt, kommt hingegen keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu, dieses enthält auch keinen Spruch. Es ist daher nicht ersichtlich, an welchen eine unbefristete Ausstellung vorsehenden Spruch die Behörde gebunden gewesen sein soll, oder dass die Befristung sonst rechtswidrig erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, Notwendigkeit einer Nachuntersuchung) gehören dem Bereich zu, der von den Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Im vorliegenden Fall waren ausschließlich Rechtsfragen zu klären. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Befristung Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2240417.1.00

Im RIS seit

11.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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