TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/16 I414 2236987-1

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Veröffentlicht am 16.07.2021
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Entscheidungsdatum

16.07.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


I414 2236987-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 28.10.2020, Zl. XXXX , in nichtöffentlicher Senatssitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer beantragte am 06.07.2020 die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO. Da er bislang nicht in Besitz eines Behindertenpasses war, galt der Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines solchen.

Nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers hielt die Sachverständige Dr. S., eine Fachärztin für Innere Medizin, in ihren Gutachten vom 20.08.2020 und 06.10.2020 gleichlautend einen Zustand nach Mitralklappenersatz, eine leichte Hypertonie und eine Stoffwechselstörung leichten Grades fest.

Mit Bescheid vom 18.10.2020 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses auf Grundlage des ärztlichen Ermittlungsverfahrens abgewiesen. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BBG nicht.

In der Beschwerde vom 12.11.2020 wird eine Gefährdung aufgrund des Corona-Virus thematisiert. Der Beschwerdeführer sei froh, nur zu 30% behindert zu sein, er bitte aber um eine Ausnahme bei der Ausstellung eines Parkausweises. Er müsse regelmäßig zur Therapie kommen und sei dies mit dem eigenen Auto aufgrund der Parksituation mühsam, aufwendig und teuer. Eine Ansteckung mit Coivd-19 in öffentlichen Verkehrsmitteln müsse er jedenfalls vermeiden. Mit der Beschwerde wurde außerdem ein weiterer ärztlicher Befund über eine schlafbezogene Atmungsstörung übermittelt, weshalb die Sachverständige mit der Ergänzung ihres Gutachtens beauftragt wurde.

Das neue Vorbringen wurde von Dr. S. als mittelschwere Form eines Obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms unter Pos. Nr. 06.11.02 mit einem Grad der Behinderung von 20% eingestuft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, Österreicher mit Wohnsitz im Bundesgebiet und bislang nicht in Besitz eines Behindertenpasses. Sein Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises war daher als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu werten.

Folgende Funktionseinschränkungen sind beim Beschwerdeführer festzustellen:

Leiden 1: Zustand nach biologischem Mitralklappenersatz mit einem Grad der Behinderung von 30% (Pos. Nr. 05.06.08)

Leiden 2: leichte arterielle Hypertonie mit einem Grad der Behinderung von 10% (Pos. Nr. 05.01.01)

Leiden 3: Stoffwechselstörung leichten Grades mit einem Grad der Behinderung von 10% (Pos. Nr. 09.03.01) und

Leiden 4: mittelschwere Form eines Obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms mit einem Grad der Behinderung von 20% (Pos. Nr. 06.11.02).

Das führende Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden aufgrund deren Geringfügigkeit nicht beeinflusst.

Es liegt ein Gesamtgrad der Behinderung von 30% vor.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, in die Gutachten von Dr. S., in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz samt den beigebrachten ärztlichen Befunden.

Daraus ergeben sich die Feststellungen zur Person, zum Antrag und zu den Funktionseinschränkungen. All diese Umstände wurden nicht bestritten, auch nicht der Grad der Behinderung. Der Beschwerdeführer gibt selbst an, froh zu sein, dass seine gesundheitlichen Einschränkungen „nur“ mit 30% eingestuft worden sind. Seine Beschwerde richtet sich nur dagegen, dass ihm kein Parkausweis ausgestellt werde.

Dies stellt eine Rechtsfrage dar und ist sogleich unter Pkt. 3. zu beurteilen.

Auch dem ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten wurde nicht entgegengetreten. Eine Stellungnahme unterblieb.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

„(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Der Beschwerdeführer beantragte die Ausstellung eines Parkausweise gemäß § 29b StVO und kann ein solcher nur ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ erfüllt sind. Die Zusatzeintragung ist am Behindertenpass vorzunehmen und ist das Bestehen eines solches Passes daher grundlegend.

Da der Beschwerdeführer nicht in Besitz eines Behindertenpasses war, war sein Antrag als Antrag auf Ausstellung eines solchen zu werten.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:

„Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Bereits von der belangten Behörde wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt und ergab sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 30%. Diese Einschätzung wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten, er begehrte aber weiterhin die Ausstellung eines Parkausweises. Da er weitere ärztliche Unterlagen beibrachte, wurde vom erkennenden Gericht ein Ergänzungsgutachten eingeholt, um die Frage zu klären, ob das neu vorgebrachte Leiden zu einer Erhöhung der Gesamtgrades der Behinderung führen könnte. Bejahendenfalls würde zumindest die Voraussetzung, dass ein Behindertenpass auszustellen ist, vorliegen.

Dr. S. führte aber schlüssig und nachvollziehbar aus, dass Leiden 4 zwar mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20% aufzunehmen war, nicht aber zu einer Erhöhung des Gesamtgrades führt. Es fehlt nämlich an einer negativen Leidensbeeinflussung aufgrund von Geringfügigkeit. Mit dieser Feststellung folgt sie § 3 Abs. 1 und 2 der Einschätzungsverordnung, wonach die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung nicht zu addieren sind und geringfügige Beeinträchtigungen außer Acht zu lassen sind.

Insgesamt war daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, weil der Gesamtgrad der Behinderung weniger als 50% beträgt.

Dem Wunsch des Beschwerdeführers, eine Ausnahme zu machen und ihm befristet für die Zeit der Pandemie einen Parkausweis auszustellen, kann und darf nicht nachgekommen werden. Es fehlt nämlich an der Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses und in der Folge an der Grundlage für die Vornahme der Zusatzeintragung, aufgrund der letztlich der Parkausweis ausgestellt werden könnte. Ein wissentliches Abweichen von klaren gesetzlichen Vorgaben würde Willkür bedeuten, letztlich auch Haftungsfragen aufwerfen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I414.2236987.1.00

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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