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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung betreffend die Abweisung des Antrags eines türkischen Staatsangehörigen auf internationalen Schutz; Mangelhaftigkeit der Begründung betreffend die strafgerichtliche Verurteilung; Fehlen von eigenen Länderfeststellungen und keine Auseinandersetzung mit Länderinformationen des BFA sowie mit klinisch-psychologischem Befundbericht; mündliche Verhandlung zur Klärung des Sachverhaltes notwendigRechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hält in seiner Entscheidung fest, dass es sich bei den gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahren um legitime Strafverfolgung und nicht um Verfolgung aus asylrelevanten Gründen handelt. Der angefochtenen Entscheidung lässt sich jedoch nicht entnehmen, auf Grund welchen von den türkischen Gerichten als erwiesen angenommenen tatsächlichen Verhaltens der Beschwerdeführer verurteilt worden ist (Verurteilung wegen des Delikts die "Einheit und die Ganzheit des Landes zu zerstören" oder "wegen seiner kriminellen Handlungen in der Türkei, nämlich seiner Beteiligung an Handlungen der als Terrororganisation eingestuften PKK" zu einer fünfzehnjährigen Haftstrafe).
Das BVwG setzt sich im Zusammenhang mit den Befürchtung des Beschwerdeführers, bei einer Rückkehr erneut inhaftiert und gefoltert zu werden, nicht mit einem im Beschwerdeverfahren vorgelegten klinisch-psychologischen Befundbericht auseinander, in welchem dem Beschwerdeführer "ausgeprägte Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nach schweren und wiederholten psychischen und physischen Traumata mit klinisch relevanten Symptomen mit Flashbacks" beziehungsweise "Symptome nach Folterung" attestiert werden.
Das BVwG setzt sich auch mit länderkundlichen Informationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, denen zu entnehmen ist, dass "eine große Anzahl von Personen, die im Verdacht stehen, Verbindungen zur Gülen-Bewegung oder zur PKK zu haben, brutalen Verhör-Methoden ausgesetzt sind", "mehr als ein Fünftel aller Gefängnisinsassen, [...] sich wegen terroristischer Anschuldigungen in Haft [befindet]" und "es zahlreiche Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen, darunter willkürliche Einschränkungen der Rechte von Gefangenen und die Anwendung von Folter, Misshandlung und Einzelhaft als Disziplinarmaßnahmen" gibt, auseinander. Eigene Länderfeststellungen trifft das BVwG nicht.
Daraus ergibt sich, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht als geklärt im Sinne des §21 Abs7 BFA-VG anzusehen. Die Akten haben erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung des Sachverhaltes im vorliegenden Fall erwarten ließe. Das BVwG hätte daher nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Verhandlung mündliche, EU-Recht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E4123.2020Zuletzt aktualisiert am
11.08.2021