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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1995, Zl. 4.342.842/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Mai 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Syrien, der am 30. April 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am selben Tag den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Mai 1993 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner Einvernahme am 3. Mai 1993 angegeben, Kurde zu sein und seinen Heimatort am 6. April 1993 verlassen zu haben, um in Damaskus seine Flucht vorzubereiten. Am 20. April 1993 habe er Syrien verlassen. Zu seinen Fluchtgründen hatte er angegeben:
"Ich möchte, daß in Syrien die Demokratie verwirklicht wird und daß wir Kurden die gleichen Rechte wie die Syrer, z.B. das Wahlrecht und die Staatsbürgerschaft bekommen. Ich stamme aus dem Gebiet um Jasira, also in Richtung Türkei bzw. Irak.
Im Jahr 1990 habe ich das Bild des "Hafez El-Assad" also des syrischen Präsidenten von der Wand neben unserer Haustür genommen und auf die Straße geworfen und zerstört. Dabei wurde ich beobachtet und zur Polizei vorgeladen. Während dieser 65 Tage Haft wurde ich mittels Elektroschocks gefoltert, um zuzugeben, daß ich das Bild zerstörte. Ich habe das nicht zugegeben und wurde wieder freigelassen.
Ich wurde fast jeden Monat einmal zur Polizei vorgeladen und man wollte immer von mir ein Geständnis erzwingen. Man beschimpfte mich dabei. Weitere Verfolgungen bzw. Verhaftungen erfolgten nicht.
Ich möchte noch anführen, daß ich Angst vor den Syrern habe. Wenn ihnen eine Person nicht paßt, so werden diese mittels eines Unfalles getötet.
Ich ersuchte in Ungarn nicht um Asyl, da es sich dabei um einen sozialistischen Staat handelt und man dort nicht um Asyl ansuchen kann. Nachdem Ungarn und Syrien ein sozialistisches Regime haben, arbeiten diese sehr eng zusammen. Ich weiß nicht, ob ich dort verfolgt werde. Ich weiß nicht, ob den ungarischen Behörden mein Name bekannt ist.
Ich führe an, daß ich Mitglied der kurdischen fortschrittlichen (progressiven) demokratischen Partei bin. Ich kann nicht angeben, wieviele Mitglieder diese Partei hat. Der Chef dieser Partei ist "Abdelhamid Darwish", der wird von den syrischen Behörden nicht verfolgt. Dies ist jedoch eine Taktik der syrischen Regierung um zu zeigen, daß Syrien demokratisch organisiert ist.
Mehr kann ich dazu nicht angeben."
In seiner aufgrund der abweisenden Entscheidung des Bundesasylamtes erhobenen Berufung brachte er in Ergänzung der erstinstanzlichen Angaben einen darüber hinausgehenden Sachverhalt vor, ohne jedoch etwaige Verständigungsprobleme bei der Ersteinvernahme zu behaupten.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem Bescheid vom 8. Juni 1993 ab. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgrund Anwendung einer verfassungswidrigen Norm (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) aufgehoben.
Im fortgesetzten Verfahren ermöglichte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Manuduktionsschreiben vom 20. April 1995, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz in einer Ergänzung zur Berufung zu relevieren. Der Beschwerdeführer verwies mit Schreiben vom 4. Mai 1995 auf sein bisheriges Vorbringen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich ab.
Sie stützte sich - in mißverständlicher Formulierung gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 - auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz und sprach der Festnahme und Anhaltung samt den dabei erfolgten Mißhandlungen des Beschwerdeführers im Jahre 1990 die asylrechtliche Relevanz ab, weil es sich um die Verfolgung eines strafrechtlichen Deliktes handle. Darüber hinaus verneinte sie den zeitlichen Konnex der "Umstände" des Jahres 1990 mit der Ausreise des Beschwerdeführers.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, daß er die "wesentlichen Umstände" seiner Verfolgungssituation bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht habe. In seinem Berufungsvorbringen habe er nur seine Angaben "näher ausgeführt und diese präzisiert". Die Asylbehörde hätte anläßlich der Einvernahme "aufgrund der sie treffenden Anleitungspflicht" durch "geeignete Fragen auf eine vollständige Klärung des Sachverhaltes" hinzuwirken gehabt. Hätte dies die Erstbehörde getan, hätte er die in der Berufung vorgebrachten Sachverhaltsumstände zu Protokoll gegeben.
Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.
Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).
Die belangte Behörde durfte daher zu Recht in Anwendung des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 von den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens ausgehen.
Denn der Beschwerdeführer hat die ihm widerfahrene Verhaftung samt Mißhandlung im Jahr 1990 und die daran anschließenden Vorladungen ausdrücklich auf die Zerstörung eines Bildes des Staatspräsidenten bezogen. Jedoch hat er keine ihm widerfahrene oder drohende Benachteiligung aus seiner Zugehörigkeit zur kurdischen fortschrittlichen (progressiven) demokratischen Partei behauptet.
Die in der Zerstörung des Bildes des Staatspräsidenten zum Ausdruck kommende politische Gesinnung - diesen Zusammenhang hat die belangte Behörde verkannt - führte aber trotz des Umstandes, daß sie der Behörde bekannt war, nach der Haftentlassung 1990 zu keinen weiteren asylrechtlich relevanten Verfolgungen des Beschwerdeführers bis zu seiner Ausreise im April 1993. Vorladungen und Einvernahmen sind, soferne sie ohne Folgen bleiben, keine asylrechtlich relevanten Verfolgungshandlungen.
Der Beschwerdeführer tritt den Ausführungen der belangten Behörde zum mangelnden zeitlichen Konnex der Verhaftung samt Mißhandlung des Jahres 1990 mit der im April 1993 erfolgten Ausreise nicht entgegen. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann darin keine Rechtswidrigkeit erkennen. Der Beschwerdeführer gibt in seinen erstinstanzlichen Angaben zudem keine schlüssige Erklärung dafür ab, aus welchen Gründen ihm ein früheres Verlassen seines Heimatlandes angesichts der ihm zuletzt im Jahr 1990 widerfahrenen Verfolgungshandlungen unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre (vgl. zum notwendigen zeitlichen Konnex aus vielen die hg. Erkenntnisse vom 21. November 1996, Zl. 95/20/0354, sowie vom gleichen Tag, Zl. 95/20/0334).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200362.X00Im RIS seit
20.11.2000