TE Vfgh Erkenntnis 2021/6/22 E641/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2021
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz betreffen einen Staatsangehörigen von Bangladesch mangels Auseinandersetzung mit den Länderberichten zur Situation Homosexueller

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er stellte am 12. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 30. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch zulässig ist, und setzte eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise.

3.1. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 11. Jänner 2021 als unbegründet ab. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zusammenfasst, sei es dem Beschwerdeführer insbesondere nicht gelungen, eine in seinem Herkunftsstaat bestehende konkrete Bedrohungssituation "aus politischen oder homosexuellen Gründen für seine Person" glaubhaft zu machen.

Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erachtet das Bundesverwaltungsgericht für nicht gegeben. Insbesondere seien in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht feststellbar.

3.2. In den Feststellungen führt das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers auszugsweise aus:

"Der BF gab vor dem BVwG erstmalig an, dass er homosexuell sei, seit kurzem stünde er in einer 'Beziehung' mit einem österreichischen Mann, dessen Namen er jedoch in der ersten Verhandlung vor dem BVwG am 26.11.2020 erst im Handy suchen musste.

Der dazu befragte 'Lebenspartner' gab, als Zeuge in der zweiten Verhandlung vor dem BVwG am 08.01.2021 befragt[,] an, dass er mit dem BF, den er seit einigen Monaten kenne, ein homosexuelles Verhältnis habe; sie wohnen nicht zusammen; für ihn bestünde eine 'Lebenspartnerschaft', die er mit 'gegenseitiger Unterstützung' definiere. Der 'Lebenspartner' wisse nur, dass die Familie des BF in Bangladesch wohne, weitere Informationen über die Familie habe er nicht; der BF würde gerne bengalisch koche[n]; über das Fluchtgeschehen wisse er nichts vom BF; sie würden sich primär über 'Google-Übersetzer' unterhalten, da der 'Lebenspartner' auch nicht [E]nglisch spreche.

Der BF ist kein Mitglied bei einem Verein (Aussage vor dem BFA 2018), nunmehr Mitglied der HOSI Wien und engagierte sich dort.

[…]

Zu den angeblich homosexuellen Fluchtgründen wird festgestellt, dass der BF anführte, dass er im 'Clubhaus' des örtlichen BNP-Fußballklubs beim homosexuellen Verkehr mit seinem Cousin 'um 10 Uhr bis 11 Uhr nachts' von Mitgliedern der Awami League gesehen wurde. Er und sein Cousin seien dann geschlagen worden. Nachdem im Dorf die Schlägerei passiert sei[,] habe ihn der Vater um 9 Uhr oder halb 10 Uhr nach Dhaka zur Tante geschickt.

Der BF behauptet, er habe mit 16 Jahren seinen ersten homosexuellen Kontakt zu seinem Cousin gehabt, dessen Mutter habe sie erwischt und es seiner Familie mitgeteilt, die ihn aufgefordert habe, dies zu unterlassen und sich vom Cousin fern zu halten.

Festgestellt wird, dass der BF hinsichtlich der homosexuellen Szene in Bangladesch nur sehr spärliche Kenntnisse hat."

3.3. Beweiswürdigend hält das Bundesverwaltungsgericht zum Fluchtgrund der Homosexualität im Wesentlichen Folgendes fest:

"Da der BF es […] unterlassen hat, das Fluchtvorbringen zu seiner 'Homosexualität' im Verfahren vor dem BFA vorzubringen, war diesem Vorbringen nunmehr im Rechtsmittelverfahren wenig Glaubwürdigkeit zuzumessen, soweit es sich dabei um eine (bereits erfolgte, seinerzeitige) Verfolgung in Bangladesch drehte.

Der BF hat auch inhaltlich dazu Unglaubwürdiges vorgebracht. Er habe als 16 Jähriger – somit 2008 – erste homosexuelle Kontakte zu seinem Cousin gehabt und seien sie von dessen Mutter erwischt worden, welche dies der Familie des BF weitererzählt habe. Weitergehende Reaktionen auf die Wahrnehmung seiner Homosexualität, eigene Erfahrungen, seinen Umgang damit, blieb der BF schuldig zu schildern. Der BF habe jedoch – gegen den Wunsch der Familie – weiterhin Kontakt zu seinem Cousin gehabt, was dazu geführt habe, dass sie 2011 im Clubhaus des Fußballklubs der BNP von Mitgliedern des politischen Gegners bei homosexuellen Handlungen gesehen wurden. Dies sei zwischen 10 Uhr und 11 Uhr abends passiert (weshalb Mitglieder der AL beim Clubhaus der BNP waren[,] konnte der BF nicht glaubwürdig erklären). An anderer Stelle jedoch gab der BF an, dass der Vater des BF – nach der Schlägerei – den BF zwischen 9 Uhr und halb 10 Uhr abends nach Dhaka zur Tante geschickt habe. Allein mit diesen widersprüchlichen Angaben wird deutlich, dass der BF kein homogenes Vorbringen erstattete, soweit es eine Fluchtgeschichte aus Gründen der Homosexualität betrifft. Darüber hinaus kennt der BF – trotz der Angaben in den Länderinformationen bzw in der eigenen Stellungnahme des BF von Dezember 2020 – nicht die homosexuelle Szene in Bangladesch, insbesondere ist ihm nicht bekannt, dass es Internet-Plattformen gibt, dass es Vereine und Clubs gibt, die von homosexuellen Männern bevorzugt werden. Es ist zwar richtig, dass es homosexuellen Männern in Bangladesch bei weitem nicht so leicht möglich gemacht wird, ihre Sexualität auszuleben, aber dem BF sind die Rahmenbedingungen dazu, insbesondere in den großen Städten, nicht bekannt. Dies lässt vermuten, dass sich der BF während seiner Anwesenheit in Bangladesch tatsächlich nicht mit dieser Thematik auseinandergesetzt hat, was aber zu erwarten wäre, wenn er damals homosexuellen Umgang bevorzugt hätte. Auch aus der Stellungnahme des BF von Anfang Dezember 2020 wird detailreich auf die Problematik für homosexuelle Männer in Bangladesch verwiesen, jedoch kein unmittelbarer oder konkreter Bezug zum BF hergestellt.

Es muss aber auch konstatiert werden, dass der BF offensichtlich den Umgang zur homosexuellen Szene in Österreich gefunden hat und nunmehr regelmäßigen Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hat. Dies bestätigte der als Zeuge unter Wahrheitspflicht einvernommene Mann, der sich als 'Lebenspartner' des BF verstand. Diese 'Lebenspartnerschaft', welche sich erst seit einigen Monaten entwickelt habe, ist aber bei weitem noch nicht als tiefgehend zu bezeichnen. Der BF und sein Sexualpartner wohnen nicht zusammen, sie unterhalten sich vorwiegend über Google-Übersetzungsdienst, weil der Österreicher kein Englisch spricht und der BF keine bzw absolut unzureichende Deutschkenntnisse hat. Der 'Lebenspartner' weiß von der Familie des BF lediglich, dass diese in Bangladesch lebt; er kennt nicht einmal die Personen aus dem Familienverband. Er kennt auch keine Fluchtgeschichte oder Fluchtgründe des BF. Diese oberflächige Kenntnis des 'Lebenspartners' – der BF musste bei der Verhandlung vom 26.11.2020 auf dem Handy nachschauen, wie der Name seines 'Lebenspartners' lautet – zeigt wenig Tiefgang und muss die Fragilität dieser Beziehung in Anbetracht des unsicheren Asylstatus des BF von vornherein auch bekannt gewesen sein."

4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird.

Insbesondere wird darin bemängelt, dass das Bundesverwaltungsgericht keine widerspruchsfreien Feststellungen zur Frage der Homosexualität des Beschwerdeführers getroffen habe, weshalb nicht ersichtlich sei, von welchem entscheidungsrelevanten Sachverhalt das Bundesverwaltungsgericht ausgehe. Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Beweiswürdigung ergebe sich, dass zumindest der Umstand, dass der Beschwerdeführer in einer homosexuellen Beziehung zum einvernommenen Zeugen stehe, vom Bundesverwaltungsgericht als glaubwürdig angenommen worden sei, wenn dies in Folge auch wieder relativiert würde. Für die Beurteilung einer drohenden Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat auf Grund seiner sexuellen Orientierung komme es allerdings nicht auf die Intensität der von ihm geführten Beziehung an. Dem Bundesverwaltungsgericht sei ferner anzulasten, dass zwar die Lage des Personenkreises der LGBTIQ* aus Länderberichten wörtlich wiedergegeben worden sei, eine fallbezogene Auseinandersetzung aber nicht stattgefunden habe. Die zitierten Berichte würden aufzeigen, dass homosexuelle Handlungen in Bangladesch illegal seien und mit lebenslangem Freiheitsentzug oder einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden könnten.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

II. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem Bundesverwaltungsgericht vorzuwerfen:

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages – unter Verweis auf seine Beweiswürdigung – eine den Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat betreffende konkrete Bedrohungssituation aus "homosexuellen Gründen" als nicht glaubhaft. In der Beweiswürdigung führt das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang aus, dass das "sexuelle Fluchtvorbringen […], soweit es sich auf das Geschehen in Bangladesch bezog", unglaubwürdig und widersprüchlich sei bzw dass diesem Vorbringen "wenig Glaubwürdigkeit zuzumessen [sei], soweit es sich dabei um eine (bereits erfolgte, seinerzeitige) Verfolgung in Bangladesch drehte". Es müsse "aber auch konstatiert werden, dass der BF offensichtlich den Umgang zur homosexuellen Szene in Österreich gefunden hat und nunmehr regelmäßigen Kontakt zu einem homosexuellen Österreicher hat". Im Zusammenhang mit der Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Hinblick auf diese Beziehung hält das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der einvernommene Zeuge diese bestätigt und sich als "Lebenspartner" des Beschwerdeführers versteht, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes sei diese "Lebenspartnerschaft" aber "noch nicht als tiefgehend" zu bezeichnen.

2.2. Laut den vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Länderfeststellungen stellt sich die Situation von Menschen mit homosexueller Orientierung in Bangladesch wie folgt dar:

"Homosexuelle Handlungen sind illegal und können nach §377 des 'Bangladesh Penal Code, 1860' (BPC) mit lebenslangem Freiheitsentzug (ILGA 3.2019), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe, bestraft werden (ILGA 3.2019; vgl AA 21.6.2020). Traditionell tendiert die Bevölkerung zu einer gemäßigten Ausübung des Islam, die Sexualmoral ist allerdings konservativ (ÖB 9.2020). Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) berichteten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 11.3.2020; vgl AA 21.6.2020).

Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 9.2020; vgl HRW 14.1.2020). Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet (FH 2020). Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019)."

2.3. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass das Bundesverwaltungsgericht insbesondere angesichts seiner eigenen Feststellungen zur homosexuellen Orientierung des Beschwerdeführers jede Auseinandersetzung mit der Frage unterlässt, ob der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auf Grund der vom Bundesverwaltungsgericht erkennbar nicht in Zweifel gezogenen Homosexualität Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre (vgl VfGH 27.2.2020, E3349/2019; 22.9.2020, E423/2020; 10.3.2021, E4058/2020). Im Zuge einer derartigen Prüfung hätte sich das Bundesverwaltungsgericht des Näheren mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob – weil für die Gewährung von Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht nur jene Gründe maßgeblich sind, die den Antragsteller zum Verlassen des Herkunftsstaates bewogen haben, sondern auch jene, die zum Entscheidungszeitpunkt eine asylrelevante Verfolgung begründen können (siehe zur Verfolgung von Homosexuellen in Bangladesch VwGH 23.2.2021, Ra 2020/18/0500) – dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe, oder ob eine solche Verfolgung gegebenenfalls im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK bei der Prüfung, ob dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, aufzugreifen sei (s VfGH 7.6.2021, E959/2021).

Indem das Bundesverwaltungsgericht diese nähere Prüfung der Situation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat im Hinblick auf Verfolgungshandlungen gegenüber Menschen mit homosexueller Orientierung unterlässt, bleibt seine Begründung vor dem Hintergrund seiner eigenen Feststellungen widersprüchlich und die Entscheidung aus der Begründung nicht nachvollziehbar, womit das Erkenntnis mit Willkür belastet ist (siehe etwa VfGH 23.9.2019, E50/2019).

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E641.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten