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82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht wegen Nichtgewährung des Verdienstentgangs betreffend die Entgeltfortzahlung für Arbeitnehmer ausschließlich auf Grundlage der Promulgationsklausel der Verordnung; keine Deckung des Betretungsverbots für Ortsteile einer Vorarlberger Gemeinde durch das COVID-19-MaßnahmenG; rechtliche Grundlage des Betretungsverbots durch die Verordnungsermächtigung gemäß dem EpidemieG 1950 gegebenRechtssatz
Gemäß §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Betretungsverbote für die Ortsteile Nenzing-Dorf und Beschling in der Gemeinde Nenzing vom 21.03.2020, waren sowohl das Betreten als auch das Verlassen der Ortsteile Nenzing-Dorf und Beschling in der Gemeinde Nenzing verboten. Wie der VfGH in E v 14.07.2020, V363/2020, dargelegt hat, können Menschen auf Grundlage des §2 COVID-19-MG nicht dazu verhalten werden, an einem bestimmten Ort zu verbleiben. Daher konnte sich das Verbot des Verlassens der Ortsteile Nenzing-Dorf und Beschling nicht auf §2 COVID-19-MG stützen.
Nach stRsp des VfGH ist nicht entscheidend, auf welche Rechtsgrundlage eine Verordnung förmlich (zB in ihrer Promulgationsklausel) gestützt wird. Der Umstand, dass das Verbot des Verlassens bestimmter Ortsteile gemäß §1 der Verordnung der BH Bludenz in §2 COVID-19-MG keine Grundlage findet, führt daher nur dann zur Gesetzwidrigkeit dieser Bestimmung, wenn es sich auch nicht auf eine andere gesetzliche Grundlage stützen konnte. Als weitere Rechtsgrundlage kommt die Verordnungsermächtigung des §24 EpiG in Betracht. So hat der VfGH in seinem E vom 10.12.2020, V535/2020, eine formal auf das COVID-19-MG gestützte Bestimmung, welche die "Zufahrt zu und die Abfahrt aus den Gemeinden im Landesgebiet" (mit Ausnahmen) verboten hatte, als Verkehrsbeschränkung angesehen, die durch §24 EpiG gedeckt sein kann. Durch das Verbot des Verlassens der Ortsteile Nenzing-Dorf und Beschling in der Gemeinde Nenzing gemäß §1 der Verordnung der BH Bludenz wurde demnach ebenfalls eine Verkehrsbeschränkung verfügt, die in §24 EpiG eine hinreichende Grundlage fand. Die BH Bludenz war als zuständige Bezirksverwaltungsbehörde im Zeitpunkt der Verordnungserlassung gemäß §43 Abs4 EpiG auch zur Erlassung eines derartigen Verbotes ermächtigt.
Verletzung im Gleichheitsrecht indem das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) bei seiner Entscheidung die Frage, ob ein Vergütungsanspruch nach §32 Abs1 Z7 EpiG zusteht oder nicht, ausschließlich auf Grund der Promulgationsklausel der Verordnung verneint hat. Im weiteren Verfahren wird das LVwG zu prüfen haben, ob ein Anspruch auf Vergütung besteht, bejahendenfalls, ob die konkreten Anspruchsvoraussetzungen des §32 Abs1 Z7 EpiG vorliegen und ob allenfalls Beträge gemäß §32 Abs5 leg cit anzurechnen sind.
Entscheidungstexte
Schlagworte
COVID (Corona), Verordnung, Recht auf Freizügigkeit, EinkünfteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E4044.2020Zuletzt aktualisiert am
12.08.2021