TE Vwgh Erkenntnis 1975/6/16 1815/74

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.1975
beobachten
merken

Index

Baurecht - NÖ
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82000 Bauordnung
L82003 Bauordnung Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §59 Abs1
AVG §63 Abs1
AVG §64 Abs2
AVG §66 Abs4
BauO NÖ 1969 §100 Abs1
BauO NÖ 1969 §100 Abs1 Z4
BauO NÖ 1969 §100 Abs4
BauO NÖ 1969 §109 Abs3
BauO NÖ 1969 §113 Abs2 Z3
BauO NÖ 1969 §22 Abs3
BauO NÖ 1969 §96 Abs1
BauRallg implizit
GewO 1973 §359 Abs1 implizit
GewO 1973 §77 implizit
VwGG §42 Abs2 lita implizit
VwGG §42 Abs2 litc
VwGG §42 Abs2 litc Z3
VwGG §42 Abs2 Z1 implizit
VwGG §42 Abs2 Z3 implizit
VwGG §42 Abs2 Z3 litc implizit
VwRallg implizit

Beachte


Besprechung in:
ÖGZ 1976, 1/2, S 74;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungskommissär Dr. Funovits, über die Beschwerde des PK in W, vertreten durch Dr. Petronilla Schütz, Rechtsanwalt in St. Pölten, Rathausplatz 15, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. September 1974, Zl. 11/2-872/1-1973, betreffend Verweigerung der Baubewilligung und Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als sich die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Ausspruch des Gemeinderates der Stadtgemeinde W, es werde die Entfernung der - im zweiten Stock des Hauses W, eingebauten - Klosettanlage aufgetragen, und gegen den durch den Gemeinderat der Stadtgemeinde W bestätigten Ausspruch des Bürgermeisters dieser Gemeinde, es werde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt, richtete, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.542,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte bei der Stadtgemeinde W. unter Vorlage von Plänen die baubehördliche Bewilligung für den Einbau von vier Zimmern und einer Klosettanlage im zweiten Stock des auf der der Katastralgemeinde W. bestehenden ehemaligen Fabriksgebäudes.

Nach Durchführung einer Bauverhandlung wurde mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde W. vom 28. März 1973 der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 100 Abs. 4 der Bauordnung für Niederösterreich abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde gleichzeitig verhalten, die anläßlich des Lokalaugenscheines vom 20. März 1973 festgestellten, bereits eingebauten vier Zimmer (bzw. die diese Räume umschließenden Zwischenwände) innerhalb einer bestimmten Frist abzutragen. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 wurde ferner wegen Gefahr im Verzug einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Zur Begründung verwies die Behörde auf das Ergebnis der Bauverhandlung. Danach sei mit dem Bescheid vom 13. Mai 1971 bereits der Einbau von zehn Zimmern für die Unterbringung von Gastarbeitern im zweiten Stock des gegenständlichen Gebäudes bewilligt worden. Diese Zimmer könnten von 34 Personen bewohnt werden. Durch den Einbau von weiteren vier Zimmern würde sich die Anzahl der im zweiten Stock möglicherweise wohnhaften Personen um mindestens zehn vermehren. Die Ballung von mehr als 40 Personen in dem in Rede stehenden Geschoß könne im Hinblick auf die Feuersicherheit und die damit verbundene Sicherheit von Personen und Sachen keinesfalls bewilligt werden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, es lägen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Versagung der Baubewilligung nicht vor. Es bestehe ferner für den Abtragungsauftrag keine gesetzliche Grundlage. Schließlich lasse der Sachverhalt die Anwendung des § 64 Abs. 2 AVG 1950 nicht zu.

Im Berufungsverfahren wurde am 14. Mai 1973 eine - weitere - mündliche Verhandlung durchgeführt. Nach dem bei dieser vom Sachverständigen erstatteten Gutachten widerspreche das Vorhaben in mehreren - im einzelnen dargestellten - Punkten den Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich.

Mit dem Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde W. vom 29. August 1973 wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und der Beschwerdeführer verpflichtet, die im Hause W. im zweiten Stock ohne Bewilligung eingebauten vier Zimmer und die Klosettanlage innerhalb einer bestimmten Frist zu entfernen. Zur Begründung verwies die Behörde auf die dem Bescheid beigeschlossene Niederschrift über die Verhandlung vom 14. Mai 1973. Auf Grund der bestehenden Gesetzeslage, insbesondere der im Gutachten des Sachverständigen angeführten Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich, sei die Behörde verhalten, dafür Sorge zu tragen, daß Personen und Sachen geschützt würden. Im Gegenstande sei die Sicherheit vor Feuer zu gewährleisten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Der Beschwerdeführer erblickte eine Verletzung seiner Rechte durch den Berufungsbescheid des Gemeinderates darin, daß entgegen dem § 113 Abs. 2 Z. 3 der Bauordnung für Niederösterreich nicht geprüft worden sei, ob die Möglichkeit einer nachträglichen Baubewilligung bestehe, und auf das Berufungsvorbringen, es sei einer allfälligen Berufung zu Unrecht die aufschiebende Wirkung aberkannt worden, nicht eingegangen worden sei. Hinsichtlich des Bauauftrages sei grundsätzlich zu sagen, daß sämtliche im Hause W. vorhandenen Klosettanlagen baubehördlich rechtskräftig genehmigt seien. Darüber hinaus habe die Berufungsbehörde dadurch, daß sie auch die Entfernung der Klosettanlage aufgetragen habe, ihre funktionelle Zuständigkeit überschritten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 3 der NÖ. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 1000-0, abgewiesen. Zur Begründung führte die Behörde im wesentlichen, aus: Die Behauptungen (des Beschwerdeführers) hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Konkretisierung des Abbruchauftrages durch die Behörde zweiter Instanz erwiesen sich auf Grund der Bestimmung des § 66 Abs. 4 Schlußsatz AVG 1950 als unbegründet. Die Berufungsbehörde habe in ihrer Entscheidung von ihrem Abänderungsrecht im Sinne dieser Bestimmung Gebrauch gemacht und darüber hinaus den Abbruchauftrag eindeutig dahingehend konkretisiert, daß er sich auf die Vorhaben, für welche um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung angesucht worden sei, erstrecke. Weiters habe die Berufungsbehörde ausreichend geprüft, ob die Voraussetzung zur Erteilung eines Abbruchauftrages, nämlich die Unmöglichkeit der Erteilung der baubehördlichen Bewilligung gegeben sei, da im durchgeführten Baubewilligungsverfahren, insbesondere in den beiden Bauverhandlungen, eindeutig die Vollendung des eingereichten Bauvorhabens festgestellt worden sei sowie, daß hiefür auf Grund der erfolgten Nichteinhaltung der Anforderungen der Bauordnung für Niederösterreich an die Feuersicherheit die nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden könne. Hiebei sei es auch vollkommen richtig gewesen, daß das Vorhaben im Zusammenhang mit den bereits vorhandenen Einbauten beurteilt worden sei. Mit der durch die Baubehörde erster Instanz ausgesprochenen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung habe sich die Berufungsbehörde nicht auseinanderzusetzen gehabt, da diese Entscheidung durch die Behörde erster Instanz hinreichend begründet sei und außerdem im Berufungsverfahren Erwägungen hinsichtlich dieser Entscheidung nicht zielführend erschienen.

In der Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Die belangte Behörde hatte zufolge § 61 Abs. 1 und 3 der NÖ. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 1000-0, darüber zu entscheiden, ob durch den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde W. vom 29. August 1973 Rechte des Beschwerdeführers verletzt werden. Der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Gemeinderates enthält den Ausspruch, es werde dem Bewilligungsansuchen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Einbaues von vier Zimmern nicht stattgegeben und dem Beschwerdeführer die Entfernung dieser - ohne Bewilligung eingebauten - Zimmer aufgetragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst geprüft, ob der Beschwerdeführer durch die Abweisung der Vorstellung, - soweit sich diese gegen den angeführten - vom übrigen Bescheidinhalt trennbaren - Ausspruch der Baubehörde richtete, in seinen Rechten verletzt wurde.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es lasse die Begründung des Berufungsbescheides entgegen dem § 60 AVG 1950 nicht klar erkennen, aus welchen Erwägungen das Bauansuchen abgewiesen werde. Auch der Spruch des Berufungsbescheides lasse mangels Anführung einer materiell-rechtlichen Norm keinen Anhaltspunkt dafür finden, welche Gesetzesvorschrift für die rechtliche Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes herangezogen worden sei. Mit der rechtlich völlig unhaltbaren Auffassung, daß auf Grund der Nichteinhaltung der Anforderungen der Bauordnung für Niederösterreich an die Feuersicherheit die nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden könne, gebe auch die belangte Behörde zu verstehen, daß der Berufungsbescheid keine Begründungsmängel aufweise.

Nach § 100 Abs. 4 der Bauordnung für Niederösterreich, LGBl. Nr. 166/1969, ist die Bewilligung zu versagen, wenn u. a. durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen der Bauordnung verletzt werden. Die Bewilligung ist insbesondere zu versagen, wenn ....

5. die Feuersicherheit ...... beeinträchtigt wird.

Die Behörde erster Instanz versagte die Bewilligung unter Berufung auf diese Gesetzesstelle. Die Berufungsbehörde bestätigte die Versagung. In der Begründung des Berufungsbescheides wurden ferner die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltsangaben gemacht und unter Hinweis auf das Gutachten des der Berufungsverhandlung beigezogenen Sachverständigen jene Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich angeführt, mit welchen sich das Bauansuchen in Widerspruch setze. Es sind dies § 33, § 34, § 36 und § 38 Abs. 3, die alle u. a. Bestimmungen zur Wahrung der Feuersicherheit enthalten. In der Frage der Bewilligungsfähigkeit für den Einbau der vier Zimmer vermag daher der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen eine Verletzung der Vorschriften der §§ 59 und 60 AVG 1950 durch die Baubehörde, die von der belangten Behörde wahrzunehmen gewesen wäre, nicht darzutun.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer vor, es habe der Baubehörde bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungsbescheides vom 13. Mai 1971 bekannt sein müssen, daß das gegenständliche Gebäude nicht zur Gänze den geltenden baurechtlichen Vorschriften entspreche. Durch die Erteilung der Bewilligung für den Einbau von zehn Zimmern habe aber die Behörde zu erkennen gegeben, daß sie diesem Zustand keine rechtliche Bedeutung beimesse. Rechtlich völlig denkunmöglich sei es aber, bei einem weiteren Einbau von lediglich vier Zimmern, über dieses Bauvorhaben hinausgehend, (erst jetzt) auf den Altbestand geltende Bauvorschriften zur Anwendung bringen zu wollen.

Der in der Beschwerde angeführte Bewilligungsbescheid vom 13. Mai 1971 ist in den von der belangten Behörde vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht enthalten. Dieser Bescheid bezog sich aber nach der Darstellung des Beschwerdeführers auf den Einbau von zehn Zimmern, die nicht Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens sind. Somit stand die Rechtskraft der älteren Bewilligung der Versagung der Baubewilligung für den weiteren Einbau von vier Zimmern nicht entgegen. Diese Frage war vielmehr, auch auf dem Boden der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers, einer selbständigen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen; hiebei war die Behörde an die für die Bewilligung vom 13. Mai 1971 maßgebenden Entscheidungsgründe nicht gebunden.

Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, es werde im § 100 Abs. 1 der Bauordnung für Niederösterreich bestimmt, daß im Bewilligungsbescheid jene Auflagen, durch deren Erfüllung den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprochen wird, vorzuschreiben sind. Er erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß im Verwaltungsverfahren nicht geprüft worden sei, ob durch Vorschreibung von Auflagen den Bestimmungen der Bauordnung für Niederösterreich entsprochen werden könne.

Die im § 100 Abs. 1der Bauordnung für Niederösterreich vorgesehene Bewilligung ist, wie sich insbesondere aus § 96 Abs. 1 des Gesetzes ergibt, ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Eine Baubewilligung darf daher nur dann erteilt. werden, wenn ein darauf gerichteter Parteiantrag vorliegt. Die Anordnung des § 100 Abs. 1 der Bauordnung für Niederösterreich, es habe der Bewilligungsbescheid „neben der Entscheidung über das Ansuchen die Vorschreibung jener Auflagen zu enthalten, durch deren Erfüllung den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprochen wird“, bedeutet wohl eine Einschränkung des Grundsatzes der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung; es spricht jedoch nichts dafür, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 100 Abs. 1 der Bauordnung für Niederösterreich den Grundsatz der Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung überhaupt habe verlassen wollen. In ihrem Zusammenhalt sind vielmehr die angeführten Vorschriften - auch in teleologischer Sicht - dahingehend zu verstehen, daß die Baubewilligung auch dann, wenn sie mit Auflagen verbunden wird, jedenfalls den wesentlichen Merkmalen des Bauansuchens entsprechen muß.

Wird daher in einer „Baubewilligung“ durch die Vorschreibung von Auflagen das Wesen des Bauvorhabens, seine Identität, verändert, dann liegt keine Bewilligung, sondern in Wahrheit eine Versagung vor. Daraus ergibt sich, daß für ein Vorhaben, das in seinen wesentlichen Merkmalen den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht, die Bewilligung zu versagen ist. Angemerkt wird, daß der Gesetzgeber auch mit der Anführung des Falles der Vorschreibung größerer Gebäudehöhen im § 100 Abs. 1 Z. 4 der Bauordnung für Niederösterreich nicht den Typus der Auflage, wie er sich nach dem Verständnis des übrigen Gesetzestextes darstellt, verändert hat. Vielmehr ordnet der Gesetzgeber damit an, daß die Behörde von der im § 22 Abs. 3 der Bauordnung für Niederösterreich enthaltenen Ermächtigung, das Bauvorhaben hinsichtlich der Gebäudehöhen - bei Zutreffen der dort normierten Voraussetzungen - zu gestalten, im Rahmen der Baubewilligung Gebrauch zu machen hat.

Nach den bei der Berufungsverhandlung vom 14. Mai 1973 durch den Sachverständigen getroffenen, vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht bekämpften Feststellungen ist u. a. die Tragkonstruktion der Wände nicht feuerbeständig ausgeführt. Schon dieses - von der Behörde zutreffend dem § 33 Abs. 1 der Bauordnung für Niederösterreich unterstellte - Sachverhaltselement zeigt, daß das - schon ausgeführte - Vorhaben wesentlicher Änderungen bedarf, um den feuerpolizeilichen Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich Rechnung zu tragen.

Wohl unterließ es die Behörde anzugeben, warum im Beschwerdefall selbst eine an Auflagen gebundene Bewilligung nicht erteilt werden könne. Darin erblickt aber der Verwaltungsgerichtshof nach § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 keinen wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Baubehörde durch die Vorschreibung von Auflagen, durch deren Erfüllung den feuerpolizeilichen Vorschriften der Bauordnung für Niederösterreich zu entsprechen gewesen wäre, das Wesen des Bauvorhabens des Beschwerdeführers verändert hätte und daher, wie sich aus der dargestellten Rechtslage ergibt, die Bewilligung versagen mußte.

Was den Auftrag zur Entfernung der in Rede stehenden vier Zimmer anlangt, so hat zwar die Baubehörde entgegen dem § 59 AVG 1950 die dabei angewandte Gesetzesbestimmung in ihrem Bescheid nicht angeführt. Eine solche Unterlassung bildet jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht hat (vgl. die Erkenntnisse vom 13. Jänner 1931, Slg. Nr. 16.497/A, und vom 4. Juni 1962, Zl. 784/60), keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens, wenn mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes kein Zweifel darüber bestehen kann, welche gesetzlichen Vorschriften die Grundlage des Bescheides gebildet haben. Dies traf im vorliegenden Fall zu. Der Abbruchauftrag erging im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ausspruch der Behörde, es werde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung versagt; beim Beschwerdeführer konnte somit, wie dieser selbst durch sein Vorbringen in der Vorstellung zu erkennen gab, kein Zweifel darüber bestehen, daß die Baubehörde die nach dem Verfahrensgegenstand allein in Betracht kommende Bestimmung des § 113 Abs. 2 Z. 3 der Bauordnung für Niederösterreich angewandt hat, derzufolge der Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen ist, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und eine solche auch im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte. Angemerkt wird, daß auf die im wesentlichen inhaltsgleiche Ermächtigung des § 109 Abs. 3 zweiter Satz der Bauordnung für Niederösterreich der Abbruchauftrag nicht zu stützen war, weil ein Bauauftragsverfahren nach § 109 der Bauordnung für Niederösterreich, wie aus der Systematik des Gesetzes zu schließen ist, dann stattzufinden hat, wenn - anders als im Beschwerdefall - die Baulichkeit auf Grund einer erteilten baubehördlichen Bewilligung errichtet wird, die Behörde aber feststellt, daß die Bauführung nicht in Übereinstimmung mit der erteilten Bewilligung erfolgt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1973, Zl. 762/73).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag schließlich auch die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, es könne vor dem rechtskräftigen Abspruch über ein nachträglich gestelltes Bewilligungsansuchen überhaupt kein Abtragungsauftrag ergehen, nicht zu teilen. Nach § 113 Abs. 2 Z. 3 der Bauordnung für Niederösterreich hat nämlich die Behörde - außer der Frage, ob für die Baulichkeit eine baubehördliche Bewilligung vorliegt - nur zu prüfen, ob eine baubehördliche Bewilligung „auch im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte“. Zum Tatbestand dieser Gesetzesstelle gehört daher das Vorliegen eines versagenden Bescheides ebensowenig wie die Anhängigkeit eines nachträglichen Bewilligungsansuchens überhaupt. Deshalb kommt auch dem Umstand, daß ein zugleich mit dem Abbruchauftrag ergehender - oder schon vorher ergangener - Versagungsbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, keine rechtliche Bedeutung zu.

Aus diesen Gründen wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung der Vorstellung, soweit sich diese gegen die Versagung der Baubewilligung für den Einbau von vier Zimmern und den in diesem Umfang erteilten Abbruchauftrag richtet, in keinem Recht verletzt.

Der Beschwerdeführer erachtet sich ferner dadurch in seinen Rechten verletzt, daß der Gemeinderat der Gemeinde W. seine funktionelle Zuständigkeit als Rechtsmittelbehörde überschritten habe. Der von der Behörde erster Instanz erteilte Abbruchauftrag habe nämlich die „Klosettanlage“ nicht erfaßt. Die Entfernung dieser Anlage werde dem Beschwerdeführer erst mit dem Berufungsbescheid aufgetragen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde könne keine Rede davon sein, daß die Berufungsbehörde in diesem Zusammenhang von, ihrem Abänderungsrecht im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 Gebrauch gemacht habe.

Nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Unter der „Sache“ im Sinne dieser Gesetzesstelle ist die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1971, Zl. 1301/70, und vom 29. November 1971, Slg. N. F. Nr. 8123/A). Im besonderen bei einem baupolizeilichen Auftrag, welcher - wie im vorliegenden Fall - nicht über den Antrag einer Partei ergeht, wird die „Sache“ im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 allein durch den Spruch des Bescheides der Unterbehörde gekennzeichnet. Nur in dem Umfang nämlich, in dem der ausschließlich verpflichtende Verwaltungsakt der Unterbehörde in die Rechte der Partei eingreift, kann die Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes im Berufungsverfahren zur Entscheidung gestellt werden. Wohl sind Fälle denkbar, in welchen die Berufungsbehörde noch im Rahmen ihrer Entscheidungsbefugnis den Inhalt des Auftrages der Unterbehörde modifiziert, um insbesondere die Schaffung eines bauordnungswidrigen Zustandes, der durch einen weiteren Auftrag der Baubehörde nicht mehr beseitigt werden könnte, zu vermeiden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juni 1970, Zl. 1085/69). Im Beschwerdefall bestand aber zu einer solchen Änderung des erstinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde kein rechtlich begründeter Anlaß. Nach der Aktenlage steht die Klosettanlage, auf sie sich der erstinstanzliche Abbruchauftrag nicht bezog, mit den eingebauten vier Zimmern in keinem unmittelbaren baulichen Zusammenhang; es ist auch sonst nicht zu erkennen, daß durch den Vollzug des erstinstanzlichen Auftrages, also durch den Abbruch der eingebauten vier Zimmer, ein gesetzwidriger Zustand geschaffen würde.

Die Berufungsbehörde hat somit dadurch, daß sie, über den Spruch des bei ihr angefochten Bescheides hinausgehend, den weiteren Auftrag zum Abbruch der Klosettanlage erteilte, ihre Entscheidungsbefugnis überschritten, wodurch dem Beschwerdeführer eine Instanz genommen wurde. Da die belangte Behörde dies nicht wahrnahm, wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid insoweit in seinen Rechten verletzt. Auf die - allenfalls im fortgesetzten Verfahren bedeutsame - Frage, ob der Erteilung des Abbruchauftrages für die Klosettanlage der Umstand entgegenstand, daß für diese, wie der Beschwerdeführer schon in seiner Vorstellung ins Treffen führte, eine baubehördliche Bewilligung vorliege, mußte hier nicht näher eingegangen werden.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, er habe sich in seiner Berufung auch dagegen gewandt, daß mit dem erstinstanzlichen Bescheid einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde könne keine Rede davon sein, daß dieser Ausspruch der Behörde hinreichend begründet worden sei. Die belangte Behörde gebe ferner keine Begründung für ihre Rechtsansicht, daß im Berufungsverfahren Erwägungen hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zielführend seien.

Gegen den im § 64 Abs. 2 AVG 1950 vorgesehenen Ausschluß der aufschiebenden Wirkung stehen, mangels einer vom § 63 Abs. 1 AVG 1950 abweichenden Regelung, die selben Rechtsmittel offen, wie gegen die Entscheidung in der Hauptsache. Desgleichen ist die Entscheidung der Berufungsbehörde auch hinsichtlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der allgemeinen Verfahrensregelung (§§ 60 und 67 AVG 1950) gemäß zu begründen. Der Berufungsbescheid enthält in diesem Punkt keinerlei Begründung. Damit hat die Berufungsbehörde das Gesetz selbst dann verletzt, wenn die Auffassung der belangten Behörde zutrifft, es sei die Entscheidung der Behörde erster Instanz hinreichen begründet. Da die Partei mit ihrer Berufung gegen den behördlichen Ausspruch, es werde die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen, dessen Aufhebung anstrebt, hat sie ferner ein rechtliches Interesse an einer ausreichenden Begründung der den Ausschluß bestätigenden Entscheidung der Berufungsbehörde. Ob und in welchem Umfang ein derartiges rechtliches Interesse auch dann besteht, wenn der Bescheid der Unterbehörde inzwischen vollstreckt wurde, braucht hier nicht geprüft zu werden, weil die belangte Behörde einen solchen Sachverhalt nicht annahm. Der - nicht näher begründeten - Rechtsansicht der belangten Behörde, es erschienen im Berufungsverfahren Erwägungen hinsichtlich der Entscheidung über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung nicht zielführend, vermag daher der Verwaltungsgerichthof nicht beizupflichten. Da es somit die belangte Behörde auf Grund einer verfehlten Rechtsansicht unterließ, in die Frage des Zutreffens der Voraussetzungen für den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung näher einzutreten, belastete sie den angefochtenen Bescheid auch in diesem Punkt mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen insoweit, als sich die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Ausspruch der Berufungsbehörde, es werde die Entfernung der Klosettanlage aufgetragen, und gegen den durch den Bescheid der Berufungsbehörde bestätigten Ausspruch der Behörde erster Instanz, es werde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt, richtet, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde auf Grund der weiter oben dargestellten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 16. Juni 1975

Schlagworte

Auflagen BauRallg7 Baubewilligung BauRallg6 Begründung Begründungsmangel Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1974001815.X00

Im RIS seit

13.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten