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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1995, Zl. 108.632/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhielt mit Bescheid vom 28. März 1994 eine Aufenthaltsbewilligung für den privaten Aufenthalt für den Zeitraum vom 31. Oktober 1993 bis 31. Juli 1994. Im rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag gab sie als Aufenthaltszweck nunmehr die Ausübung einer unselbstständigen Tätigkeit als Küchengehilfe an.
Die Behörde erster Instanz richtete eine Anfrage an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, wobei die Unbedenklichkeit der Berufsgruppe H 24 (Küchengehilfin) nicht bestätigt wurde. Mit Schreiben des Landeshauptmannes vom 11. Juli 1994, gerichtet an die Beschwerdeführerin, wurde ihr diese Auskunft mitgeteilt und ihr die Möglichkeit eröffnet, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufG) im Hinblick auf § 5 Abs. 2 leg. cit. abgewiesen. Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung am 28. Juli 1994 zugestellt.
Mit einem als Berufung bezeichneten Schreiben vom 2. August 1994 wandte sich L (Betreiber des Schiffsrestaurants M) an die Behörde erster Instanz. Nach Schilderung der privaten Verhältnisse der Beschwerdeführerin erklärte er in diesem Schreiben seine Bereitschaft, die Beschwerdeführerin als Küchenhilfe zu beschäftigen, zumal er keine inländische Küchenhilfe finde. Abschließend ersuchte er, das beigelegte Schreiben zu beachten; vielleicht sei es ausnahmsweise doch möglich, der Beschwerdeführerin eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen. Die "Berufung" selbst ist von L und offenbar von der Tante der Beschwerdeführerin unterfertigt. Eine Unterschrift der Beschwerdeführerin selbst findet sich darauf jedoch nicht. Der "Berufung" beigelegt wurde ein Schreiben mit juristischen Ausführungen zu § 1 Abs. 2 lit. e des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zur Frage, ob ein Besatzungsmitglied eines See- oder Binnenschiffes den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes unterliegt.
Eine Reaktion der Behörde auf dieses Schreiben ist (vorerst) nicht aktenkundig. Mit Antrag vom 4. August 1994 stellte die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Verlängerungsantrag, welcher mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. August 1994 mangels rechtzeitiger Antragstellung gemäß den §§ 1 Abs. 1 und 6 Abs. 3 AufG zurückgewiesen wurde. Als Begründung wird angeführt, die letztgültige Bewilligung der Beschwerdeführerin sei am 31. Juli 1994 abgelaufen, der Antrag vom 4. August 1994 erweise sich daher als verspätet.
Auch gegen diesen Bescheid erhob L Berufung und wies darauf hin, daß der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung schon am 18. Mai 1994 gestellt worden sei. Die Begründung des zurückweisenden Bescheides sei daher nicht gerechtfertigt. Er ersuche neuerlich, der Beschwerdeführerin eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1995, Zl. 108.632/2-III/11/94, wurde die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. JULI 1994 gemäß § 5 Aufenthaltsgesetz abgewiesen. Als Begründung wurde die negative Unbedenklichkeitserklärung der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice herangezogen, ebenso die Annahme, daß keine ausreichenden eigenen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes vorhanden seien. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautete:
"Ihre Berufung gegen den folgenden Bescheid:
MA 62
vom 22.07.1994
Zl. MA 62-9/2070396/2
wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 des Aufenthaltsgesetzes abgewiesen."
Der Bescheid wurde an die Beschwerdeführerin adressiert und ihr zugestellt.
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom gleichen Tag, Zl. 108.632/3-III/11/94, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. AUGUST 1994 gemäß § 66 Abs. 2 AVG Folge gegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zu Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Als Begründung wurde angegeben, daß die Behörde erster Instanz keine Entscheidung über den Antrag vom 4. August 1994 hätte fällen dürfen, weil das Berufungsverfahren bezüglich des Antrages vom 18. Mai 1994 noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den erstgenannten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. August 1995, mit dem die Versagung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 bestätigt wurde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 AufG werden außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt.
Am 18. Mai 1994 stellte die Beschwerdeführerin einen derartigen Verlängerungsantrag an die zuständige Behörde erster Instanz. Während des gesamten Verfahrens trat die Beschwerdeführerin ohne Vertreter im Sinne des § 10 AVG auf.
Der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1994 wurde ihr durch Hinterlegung rechtskräftig am 28. Juli 1994 zugestellt. Gegen diesen Bescheid hätte nur die Beschwerdeführerin bzw. in ihrem Namen ein ausgewiesener Vertreter der Beschwerdeführerin rechtmäßig berufen können. Die bei der Behörde erster Instanz eingelangte "Berufung" des L vom 2. August 1994 bezieht sich weder im Text auf eine allenfalls erteilte Vollmacht der Beschwerdeführerin, noch weist das Schreiben die Unterschrift der Beschwerdeführerin auf. Vielmehr ist davon auszugehen, daß L als Betreiber des genannten Schiffsrestaurants die Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit jener nach dem Aufenthaltsgesetz verwechselt hat. Darauf weist einerseits der letzte Absatz der "Berufung" und andererseits das der Berufung beigelegte Schreiben hin, da dort jeweils auf eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz Bezug genommen wird.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich aber um einen Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz. Alleinige Partei dieses Verfahrens ist die Beschwerdeführerin als Antragstellerin. Diese hat aber gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1994 keine Berufung erhoben.
Das Berufungsrecht fließt unmittelbar aus der Parteistellung; Berufungswerber kann nur der sein, dem der Bescheid wirksam zugestellt oder verkündet worden und für den er auch inhaltlich bestimmt ist. Mangels Parteistellung des L im Verfahren nach dem Aufenthaltsgesetz stand diesem kein Berufungsrecht gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juli 1994 zu.
Die belangte Behörde hätte daher die Berufung des L mangels Parteistellung als unzulässig zurückweisen müssen. Hat die Berufungsbehörde über das Rechtsmittel in der Sache entschieden, obwohl die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre, dann hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist (vgl. die Erkenntnisse vom 31. Jänner 1985, Zlen. 81/08/0135, 0160, und vom 31. Jänner 1985, Zl. 84/08/0213 u. a.).
Die Kostenentscheidung im insgesamt beantragten Ausmaß gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung KassationInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192141.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
07.04.2011