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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ABGB §6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Berger, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J W in E, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 2. Mai 2019, LVwG-413058/14/KH/BeH, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Perg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. August 2018 wurde der Revisionswerber der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 zweites Tatbild iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. Es wurden über ihn vier Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil er in einem näher bezeichneten, vom Verein Ö betriebenen Lokal verbotene Ausspielungen organisiert habe, indem er gegen Entgelt die Aufstellung von (vier näher bezeichneten) Glücksspielgeräten „durch entsprechende Vermittlungsverhandlungen wie Mietvereinbarungen“ für die U s.r.o. und notwendige Vorbereitungsarbeiten ermöglicht habe. Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, der Revisionswerber habe „in selbständiger Weise nach mündlicher Vereinbarung mit der U s.r.o. Aufstellungsplätze für Glücksspielgeräte organisiert und vereinbart“.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. Mai 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass es (gemeint: in Bezug auf den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) die Strafsanktionsnorm nach „§ 52 Abs. 2“ durch die Wortfolge „dritter Strafsatz“ ergänzte und die Passage „gegen Entgelt“ als für entfallen erklärte (Spruchpunkt I.). Weiters verpflichtete es den Revisionswerber zur Leistung eines näher bezifferten Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt II.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, Hauptmieterin der Räumlichkeiten, in denen die verbotenen Ausspielungen stattgefunden hätten, sei die U s.r.o., deren Untermieter wiederum der Verein Ö gewesen sei. Der Revisionswerber, der kein Angestellter der U s.r.o. gewesen sei, habe diese Mietverträge angebahnt, indem er auf Ersuchen der U s.r.o. mit deren (späteren) Vermieter Kontakt aufgenommen habe, was in weiterer Folge zum Abschluss des Mietvertrages der U s.r.o. mit deren Vermieter geführt habe. Der Revisionswerber sei im Mietvertrag auch als Ansprechperson „für die Mieter[in]“ angeführt. Die Kontaktaufnahme sei seitens des Revisionswerbers unter der Bedingung erfolgt, dass im Lokal „ein Dartsautomat“ des Revisionswerbers aufgestellt werde. Der Revisionswerber habe im Oktober 2016 auch für die „(Haupt)Mieterin“ U s.r.o. mehrere Schlüssel für die im verfahrensgegenständlichen Lokal vorgesehenen Adaptierungsarbeiten übernommen, bei denen er dann auch persönlich zugegen gewesen sei. Auch der „Einmietung“ des Vereins Ö sei eine Kontaktaufnahme des damaligen Obmanns, Herrn T, mit dem Revisionswerber vorausgegangen, der diesbezüglich den Kontakt zur U s.r.o. hergestellt habe. Der Revisionswerber sei bereits im Vorfeld für die U s.r.o. tätig gewesen. Er habe zumindest vermuten müssen, dass von der U s.r.o. im gegenständlichen Lokal die genannten Eingriffsgeräte aufgestellt werden sollten.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5 1. Die Revision erweist sich bereits mit ihrem Vorbringen als zulässig, wonach in Bezug auf die im Revisionsfall zu beurteilenden Tatbestandsvoraussetzungen des zweiten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege; sie ist aufgrund der nachstehenden Erwägungen auch begründet:
6 2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, § 2 in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010, § 52 in der Fassung BGBl. I Nr. 118/2016, lauten (auszugsweise):
„Ausspielungen
§ 2. (1) Ausspielungen sind Glücksspiele,
1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und
2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und
3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).
(2) Unternehmer ist, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.
Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z 2 und 3 des Abs. 1 an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiels unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind.
...
(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.
...
Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt;
...“
7 3.1. § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG enthält insgesamt vier Tatbilder, die von einer Person in Ansehung eines Tatortes und einer Tatzeit nicht gleichzeitig verwirklicht werden können (vgl. zum Verhältnis zwischen erstem und viertem Tatbild VwGH 19.5.2017, Ra 2016/17/0173; vgl. zum Verhältnis zwischen erstem und drittem Tatbild VwGH 26.3.2015, Ra 2014/17/0033; zum zweiten Tatbild vgl. VwGH 7.7.2014, 2012/17/0049; vgl. zum Ganzen VwGH 27.4.2020, Ra 2018/17/0206).
8 3.2. Das GSpG enthält keine Legaldefinition, was unter „organisiert“ im Sinne des zweiten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zu verstehen ist.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im öffentlichen Recht bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind. § 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlauts in seinem Zusammenhang. Daher ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligten im Vordergrund stehen. Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz nach Art. 18 B-VG bewirkt einen Vorrang des Gesetzeswortlautes aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation der Norm (vgl. zu allem VwGH 30.9.2020, Ro 2020/01/0013, mwN). Können allerdings auf Grund des eindeutigen und klaren Wortlautes einer Vorschrift Zweifel über den Inhalt der Regelung nicht aufkommen, dann ist eine Untersuchung, ob nicht etwa eine andere Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde, nicht möglich (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 18.6.2020, Ro 2020/01/0006, mwN).
10 Organisieren bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (u.a.) „etwas sorgfältig und systematisch vorbereiten, aufbauen; für einen bestimmten Zweck einheitlich gestalten“ oder „zu einem lebensfähigen Ganzen zusammenfügen“ (vgl. etwa Duden, Das Herkunftswörterbuch² [1989] 501; www.duden.de/rechtschreibung/organisieren [14.6.2021]).
11 Vom Veranstalten von verbotenen Ausspielungen (§ 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG) ist das Organisieren von verbotenen Ausspielungen (§ 52 Abs. 1 Z 1 zweites Tatbild GSpG) dadurch abzugrenzen, dass als Täter im Sinne des ersten Tatbilds eine Person in Betracht kommt, die das Spiel auf ihre Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in ihrer Vermögenssphäre trägt (vgl. etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2019/17/0116, mwN).
12 Das unternehmerisch Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung im Sinn des dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht etwa eine Person, die ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür Miete erhält oder er sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. etwa VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474, 0475 mwN).
13 Zuletzt ist das vom Verwaltungsgericht im Revisionsfall angenommene Organisieren von verbotenen Ausspielungen (§ 52 Abs. 1 Z 1 zweites Tatbild GSpG) zunächst von einer unternehmerischen Beteiligung an verbotenen Ausspielungen (§ 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG) abzugrenzen: Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt als Täter im Sinne des vierten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person in Betracht, die nicht Veranstalter ist, sondern die sich in Kenntnis von der Veranstaltung von Glücksspielen nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt. Es bedarf zur Erfüllung des vierten Tatbilds weder einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Spielern und dem an den Ausspielungen Beteiligten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG noch einer sonstigen „Ausübungshandlung“ bei der konkreten Durchführung der einzelnen Ausspielung des nach diesem Tatbild zur Verantwortung gezogenen Beteiligten (vgl. in diesem Sinn VwGH 25.6.2020, Ra 2019/15/0144, mwN).
14 3.3. Vor diesem Hintergrund ist der im zweiten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG normierte Begriff „organisiert“ wie folgt auszulegen:
15 Der Organisator verbotener Ausspielungen richtet diese planmäßig und eigenverantwortlich ein, er ist also die treibende Kraft bzw. der führende Kopf von verbotenen Ausspielungen nach § 2 Abs. 4 GSpG. Vom Veranstalter unterscheidet den Organisator, dass Ersterer unmittelbar auch das Risiko des Gewinnes und des Verlustes aus den Ausspielungen trägt.
16 Es bedarf somit zur Beurteilung einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 zweites Tatbild GSpG präziser Feststellungen, durch welches konkrete Verhalten ein Unternehmer, der nicht Veranstalter im Sinne des ersten Tatbilds dieser Gesetzesbestimmung ist, die Durchführung der verbotenen Ausspielungen im aufgezeigten Sinn bewirkt und veranlasst hat (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das bereits genannte Erkenntnis VwGH 7.7.2014, 2012/17/0049, zur Frage der Veranlassung der Aufstellung und des Betriebes von Glücksspielgeräten) und dass er nicht das Risiko des Gewinnes und des Verlustes aus den Ausspielungen getragen hat.
17 Entscheidend für die Erfüllung des zweiten Tatbilds sind also - auf das Wesentliche zusammengefasst - Tathandlungen, die auf die planmäßige und eigenverantwortliche Einrichtung verbotener Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG abzielen, ohne dass der Täter zugleich das unmittelbare Risiko von Gewinn und Verlust aus solchen Ausspielungen trägt. Der Organisator schafft somit den Plan dafür, dass verbotene Ausspielungen durchgeführt werden, und er sorgt für dessen Umsetzung.
18 3.4. Im - durch die Abweisung der Beschwerde im angefochtenen Erkenntnis insoweit übernommenen - Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, verbotene Ausspielungen organisiert zu haben, indem er [...] die Aufstellung von Glücksspielgeräten „durch entsprechende Vermittlungsverhandlungen wie Mietvereinbarungen für die U s.r.o. und notwendigen Vorbereitungsarbeiten ermöglicht“ habe (vgl. bereits oben Rn. 1).
19 Ausgehend davon ist nicht ersichtlich, ob der Revisionswerber in Umsetzung seines Planes verbotene Ausspielungen im Sinne des zweiten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ermöglicht hat, werden ihm doch lediglich Vermittlungs- und Vorbereitungshandlungen vorgeworfen, die unter das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG subsumiert werden könnten, was das Verwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben wird.
20 3.5. Da somit das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt hat, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Juni2021
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170067.L00Im RIS seit
13.08.2021Zuletzt aktualisiert am
19.08.2021