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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §22a Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des F K, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das am 5. Mai 2021 mündlich verkündete und mit 7. Mai 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G307 2238629-5/8E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Gegen den Revisionswerber, einen unter mehreren Aliasidentitäten aufgetretenen nigerianischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21. September 2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft angeordnet. Dieser Bescheid wurde unmittelbar nach der Entlassung des Revisionswerbers aus der Strafhaft am 23. September 2020 in Vollzug gesetzt. Nachdem der Revisionswerber am 25. September 2020 einen (Folge-)Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (der mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des BFA vom 25. Jänner 2021 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurde), wurde die Schubhaft (vorübergehend) gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten.
2 Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Jänner 2021, 16. Februar 2021, 16. März 2021 und 12. April 2021 wurde jeweils gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen, am 5. Mai 2021 nach Durchführung einer Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Außerdem wurde der in der Verhandlung mündlich gestellte Antrag des Revisionswerbers, seine Anhaltung in Schubhaft „seit der letzten mündlichen Verhandlung im amtswegigen Verfahren für rechtswidrig zu erklären“, als unzulässig zurückgewiesen.
4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte insbesondere fest, dass die nigerianische Delegation anlässlich einer Vorführung des Revisionswerbers am 24. September 2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugesagt habe, nachdem die Gültigkeit des bereits im Jahr 2019 für ihn ausgestellten Heimreisezertifikats abgelaufen gewesen sei. Es sei beabsichtigt, den Revisionswerber am 26. Mai 2021 per Charterflug nach Nigeria abzuschieben. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Termin ein Landeverbot der Rückführung entgegenstehen könnte. Es sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Revisionswerber in Österreich drei Mal zu (teils bedingten) Freiheitsstrafen zwischen vier und zehn Monaten verurteilt worden, in der Vergangenheit beharrlich im Bundesgebiet verblieben und nach seiner schließlich erfolgten Abschiebung unter Umgehung der Grenzkontrolle neuerlich in das Bundesgebiet eingereist sei.
5 Die Zurückweisung des Antrags auf Feststellung der Unrechtmäßigkeit der Anhaltung seit der letzten „Haftprüfungsverhandlung“ begründete das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes damit, dass im Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG kein Ausspruch über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume erfolge. Eine Ausdehnung des Prüfbegehrens über den bloßen Fortsetzungsausspruch hinaus sei nicht möglich; insoweit könne eine eigene Schubhaftbeschwerde erhoben werden.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliege.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revision zunächst geltend, dass die Nichtzulässigkeit der Revision vom Bundesverwaltungsgericht nicht begründet worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits vielfach ausgesprochen, dass das Fehlen einer näheren Begründung für den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet noch nicht zur Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG führt (vgl. etwa schon VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0045, mwN).
10 Weiters bringt der Revisionswerber vor, dass das angefochtene Erkenntnis an schweren Begründungsmängeln auf Grund „eklatanter Ermittlungsfehler“ leide. Die bisherige Nichtabschiebung des Revisionswerbers könne nicht an fehlenden Landegenehmigungen liegen, sondern es dürfte die nigerianische Botschaft ihre Zusage nicht eingehalten und bisher kein Heimreisezertifikat ausgestellt haben. Dem Bundesverwaltungsgericht hätte auffallen müssen, dass bereits in den „vorherigen Schubhaftentscheidungen“ jeweils von einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung auf Grund eines zugesagten Heimreisezertifikats gesprochen worden sei, woraus es hätte schließen müssen, dass die Behörde nicht in der Lage oder nicht Willens sei, den Revisionswerber tatsächlich abzuschieben. Das angefochtene Erkenntnis widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, wonach im Erkenntnis anzugeben sei, aus welchen konkreten Gründen mit einer Effektuierung der Abschiebung vor dem Ende der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft zu rechnen sei.
11 Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Durchführung der Abschiebung innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer - deren Bemessung gemäß § 80 Abs. 4 FPG mit 18 Monaten von der Revision nicht bekämpft wird - möglich sein würde, war aber schon deswegen nicht unschlüssig, weil die nigerianische Behörde dem Revisionswerber bereits im Jahr 2019 ein Heimreisezertifikat ausgestellt hatte und keine Hinweise darauf vorlagen, dass dem nunmehr Hindernisse entgegenstehen würden. Den Verwaltungsakten lässt sich im Übrigen entnehmen, dass der Revisionswerber dann tatsächlich am 26. Mai 2021 abgeschoben wurde.
12 Schließlich meint der Revisionswerber noch, dass das angefochtene Erkenntnis insofern der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche, als „über die in der Haftverhandlung erhobene Schubhaftbeschwerde zurückweisend entschieden wurde“. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber den am Ende der mündlichen Verhandlung vom Rechtsvertreter des Revisionswerbers gestellten Antrag, „die Anhaltung [des Revisionswerbers] in Schubhaft seit der letzten mündlichen Verhandlung im amtswegigen Verfahren für rechtswidrig zu erklären“, nicht als Schubhaftbeschwerde, sondern als im Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG unzulässigen Antrag auf Ausdehnung des Verfahrensgegenstandes gedeutet. Dies war zumindest nicht unvertretbar (vgl. dazu, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht revisibel ist, etwa VwGH 7.5.2020, Ra 2018/16/0042, Rn. 13, und VwGH 8.7.2020, Ra 2020/07/0032, 0033, Rn. 17, jeweils mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 15. Juli 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210220.L00Im RIS seit
16.08.2021Zuletzt aktualisiert am
31.08.2021