TE Vwgh Beschluss 2021/7/21 Ra 2021/22/0133

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Veröffentlicht am 21.07.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §45 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des A S, in W, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen das am 25. Jänner 2021 mündlich verkündete und am 20. April 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-151/023/13847/2020-9, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens iA Aufenthaltskarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, beantragte mit Eingabe vom 14. März 2016 (eingelangt am 18. März 2016) unter Berufung auf seine mit einer rumänischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe beim Landeshauptmann von Wien die Ausstellung einer Aufenthaltskarte. Mit Bescheid vom 7. September 2020 verfügte der Landeshauptmann von Wien gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG die Wiederaufnahme des aufgrund dieses Antrags rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, in dem dem Revisionswerber die beantragte Aufenthaltskarte ausgestellt worden war. Unter einem wies die Behörde den in Rede stehenden Antrag gemäß § 54 Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück und stellte fest, dass der Revisionswerber nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle. Ihre Entscheidung begründete die Behörde im Wesentlichen dahin, dass es sich bei der mit einer rumänischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe des Revisionswerbers um eine Aufenthaltsehe handle.

2        Der Revisionswerber erhob Beschwerde.

3        Das Verwaltungsgericht Wien führte am 25. Jänner 2021 eine Verhandlung durch und verkündete das angefochtene Erkenntnis mündlich. Mit diesem Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Der Revisionswerber beantragte fristgerecht die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung.

4        In dieser hielt das Verwaltungsgericht (wie auch bereits im Verhandlungsprotokoll) mit näherer Begründung fest, dass der Revisionswerber durch die von ihm vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbestätigung keine hinreichenden Gründe für sein Fernbleiben von der Verhandlung dargetan habe, weshalb von seiner unentschuldigten Nichtteilnahme an der Verhandlung auszugehen gewesen und die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt worden sei. Zudem sei die Anschrift eines in der Beschwerde angeführten Zeugen, der im Bundesgebiet über keine aufrechte Meldung verfüge, vom Revisionswerber trotz expliziter Aufforderung nicht bekannt gegeben worden. Aus diesem Grund habe dieser Zeuge nicht geladen und befragt werden können. Im Übrigen führte das Verwaltungsgericht Wien im Rahmen detaillierter beweiswürdigender Erwägungen aus, weshalb fallbezogen vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen sei. Da der Revisionswerber die Behörde somit vorsätzlich über entscheidungswesentliche Voraussetzungen getäuscht habe, sei das gegenständliche rechtskräftig abgeschlossene Verfahren, in dem dem Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte stattgegeben worden sei, gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG wiederaufzunehmen und dessen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte zurückzuweisen gewesen.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend macht, der Revisionswerber habe sich für den Verhandlungstermin krankheitshalber entschuldigt. Die Verlegung der Verhandlung sei beantragt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung betreffend die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung und die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen mehrfach betont, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks und der Durchführung einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukomme. Zudem stelle sich die Frage, ob die Wiederaufnahme des in Rede stehenden Verfahrens sowie die Zurückweisung des Antrags des Revisionswerbers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte trotz Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 8 EMRK, nämlich eines sozialen Netzes sowie einer familiären Bindung in Österreich und der gerichtlichen Unbescholtenheit des Revisionswerbers, zulässig seien und ob die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe abgewiesen werden dürfen.

Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen nicht vor:

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Eingangs ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Verhandlung durchführte. Zu dieser ist der Revisionswerber nicht erschienen. Dazu führt die Zulässigkeitsbegründung lediglich aus, dass sich der Revisionswerber krankheitshalber entschuldigt und um die Vertagung der Verhandlung ersucht habe.

10       Eine Partei hat im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens einer Erkrankung behauptet und dargetan werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grunde, bei der Verhandlung zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens zu einer Verhandlung muss überprüfbar sein (VwGH 18.6.2015, Ra 2015/20/0110).

11       Die durch den Revisionswerber knapp vor dem Verhandlungstermin ohne nähere Konkretisierung vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsmeldung gibt keinerlei Aufschluss über die Art der Verhinderung. Auch aus den nicht näher begründeten Ausführungen im Vertagungsgesuch ist die Triftigkeit der Abwesenheit nicht ableitbar (zu § 19 Abs. 3 AVG und der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsmeldung siehe auch VwGH 12.5.2021, Ra 2020/02/0060). Folglich zeigt die Zulässigkeitsbegründung hinsichtlich der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung, wonach der Revisionswerber durch die Vorlage der in Rede stehenden Arbeitsunfähigkeitsbestätigung keinen Hinderungsgrund im Sinn von § 19 Abs. 3 AVG dargetan habe, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

12       Gegenständlich wurde die Wiederaufnahme eines Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG verfügt sowie der verfahrenseinleitende Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 7 AVG in Verbindung mit der in dieser Bestimmung genannten Feststellung zurückgewiesen. Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das ebenso wie die Behörde vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausging, ist anhand des Zulässigkeitsvorbringens nicht ersichtlich (zum insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes vgl. VwGH 9.9.2020, Ra 2019/22/0216, mwN). Eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK, die der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung anspricht, war im Revisionsfall nicht durchzuführen, sodass die Revision auch insofern keine Rechtsfragen im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwirft.

13       Da somit die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220133.L00

Im RIS seit

12.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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